Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog

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Die Tür ist geschlossen. Nach dem feierlichen Einzug der Kardinäle in die Sixtinische Kapelle beginnt nun die Wahl des Nachfolgers Benedikt XVI. fernab der Öffentlichkeit. 

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Es ist angerichtet!

Im Vatikan ist alles bereitet. Das Konklave kann beginnen, zumindest logistisch. Das Gästehaus Santa Marta und die Sixtinische Kapelle sind mit einem Schutzschirm umgeben; die Helfer wurden am Abend vereidigt und die mittlerweile über 5.600 Medienvertreter stehen parat. Ob allerdings auch die Kardinäle bereits sind, ist nicht so ganz klar. Wie schon seit Tagen wurde bis heute Abend betont: Das Rennen ist offen. Wohl kaum ein Kardinal geht davon aus, dass die Papstwahl wie beim letzten Mal nur 26 Stunden und vier Runden dauern könnte.

Störsender auf dem Dach des Gästehauses Santa Marta

Gewiss ist erst einmal nur, dass es morgen losgeht. Am Morgen mit dem Gottesdienst, dem der Kardinaldekan Angelo Sodano vorsteht. Da er 85 Jahre alt ist, wird er aber nicht dabei sein, wenn am Nachmittag ab 16.30 Uhr die 115 Wähler feierlich in die Sixtinische Kapelle einziehen. Daher ist zu erwarten, dass die „graue Eminenz“, die auch nach ihrem Rücktritt vom Amt des Kardinalstaatssekretärs im September 2006 hinter den Kulissen weiter kräftig Strippen gezogen hat, seinen Mitbrüdern noch einmal eine klare Botschaft mit auf den Weg geben wird. Sodano möchte auch künftig mitmischen. Und hat daher seinen Adlatus, Kardinal Giovanni Battista Re sicher gut instruiert. Re (als der ranghöchste Kardinalbischof wird an seiner statt dem Konklave vorstehen. Auch Kardinal Jean-Louis Tauran, der unter Sodano 13 Jahre vatikanischer Außenminister war, scheint von Sodano instruiert worden zu sein; oder zumindest hat er es versucht. Am Samstagmorgen fuhren beide im selben Wagen vor, als es zur Generalkongregation ging. Kamen sie da vom gemeinsamen Frühstück?

Gegen 12.30 Uhr ging heute die letzte Generalkongregation zu Ende – die insgesamt zehnte. 28 Redebeiträge gab es noch einmal (insgesamt damit 161). Das zeigt, dass eigentlich doch noch ordentlich Redebedarf war; auch wenn der Pressesprecher des Vatikans erklärte, alle, die gewollt hätten, seien zu Wort gekommen. Wenn man aber vergleicht, dass in den letzten Kongregationen meist nur rund 16 Leute gesprochen haben, passt das nicht ganz zusammen. Zumal heute auch noch der Chef der Kardinalskommission für die Vatikanbank IOR, Kardinal Tarcisio Bertone, einen Bericht zur Situation des IOR, der internationalen Finanzkontrolle und der EU-Fachkommission gegen Geldwäsche Moneyval vorlegte, sozusagen auf den letzten Drücker. Laut Lombardi habe die Vatikanbank mit der Papstwahl nichts zu tun, und es sei daher auch kein Problem, dass der Bericht erst heute vorgelegt wurde. Das Ganze sieht aber doch eher nach Absicht aus. Die Rednerliste für heute war längst voll, als Bertone redete. D.h. eine Erwiderung und Nachfragen waren damit ausgeschlossen.

Auch die Loggia ist bereit für den ersten Auftritt des neuen Papstes.

Die Unzufriedenheit war in der letzten Woche ja schon groß, als die Berichte der drei anderen Behörden, die mit Finanzgeschäften zu tun haben, vorgelegt wurden (APSA, Governatorat und Wirtschaftspräfektur). Auch da gab es keine Chance zum nachhaken. So bleibt ein schaler Beigeschmack bei der ganzen Aktion „Vorkonklave“. Erinnert sei auch noch einmal an das Schweigegebot für die Kardinäle. Die sind dann seit Mitte vergangener Woche auch tatsächlich immer mehr verstummt; was umgekehrt zu immer heftigeren Spekulationen in den Medien führte. Gut – ab morgen ist dann eh’ Schluss. Die Kardinäle leben hinter Schloss und Riegel und werden uns dann in einigen Tagen eventuell eine Überraschung präsentieren. Denn nach wie vor rechnen viele mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Kardinälen Scola und Scherer. Dahinter bleibt das Rennen offen, wenn sich die beiden blockieren. Neben den gewohnten Namen für die zweite Reihe, Schönborn, Erdö, Maradiaga, Ouellet und O’Malley taucht nun plötzlich ein neuer Name auf: der Erzbischof von Guadalajara, Francisco Robles Ortega. Ein bislang unscheinbarer Mann. Der 63-Jährige hatte vor einigen Tagen eine „offenere und globalisierte Vision der Kirche“ gefordert, sagte zugleich aber auch, dass das Nein der Kirche zur Homo-Ehe, Abtreibung und Frauenpriestertum unverhandelbar sei. Mit diesen Positionen könnte er durchaus Stimmen von Reformern und Bewahrern sammeln. Aber ob es zur 2/3-Mehrheit reicht!?

Unterdessen sind heute die Konklave-Helfer vereidigt worden. Das sind rund 90 Personen darunter Beichtväter, Ärzte, das Küchenpersonal und der Busfahrer, der die Kardinäle zwischen Unterkunft und Sixtinischer Kapelle chauffiert. Sie alle müssen schweigen über das, was sie in den nächsten Tagen sehen und hören; sonst droht die Exkommunikation. Ein kleines Problem gibt es gleich zu Beginn des Konklaves. Es steht den Kardinälen nämlich frei, ob sie morgen am späten Nachmittag nach dem Einzug in die Sistina noch den ersten Wahlgang machen oder nicht. Das entscheiden sie erst nach Verriegelung der Türen. Doch Vatikansprecher Lombardi hat sich etwas einfallen lassen, um sicherzustellen, dass die versammelte Weltpresse nicht vergeblich auf ein Rauchsignal wartet, das es bei einem durchgeführten Wahlgang gegen 20 Uhr geben müsste. Es wurden „Spione“ aufgestellt, die beobachten, wann die Kardinäle zum Essen ins Gästehaus Santa Marta zurückkommen. An der Uhrzeit wird man dann erkennen, ob gewählt wurde oder nicht. Mit weißem Rauch rechnet morgen Abend eh’ niemand. Umgekehrt aber mit einem ersten Wahlgang, der den Kardinälen eine erste Orientierung gibt, wohin die Reise ab Mittwochmorgen gehen könnte. Ab dann gibt es täglich vier Wahlgänge, je zwei am Vormittag und zwei am Nachmittag – bis Freitag. Dann käme der schon einmal erwähnte Ruhetag. Doch so weit, denkt hier in Rom zur zeit noch niemand.

ZDF-Studio über den Dächern von Rom

P.S. Wir senden hier aus Rom live am Dienstag, 12.3. ab 9.45 Uhr den Gottesdienst „Pro eligendo Romano Pontifice“ sowie ab 16.15 Uhr den Einzug ins Konklave. Heute – Montag – Nacht gibt es bereits ab 0.05 Uhr die Diskussion „Welchen Papst braucht die Kirche?“

(Un-)Ruhetag

Heute fanden keine Kardinalsversammlungen statt. Dafür feierten viele Purpurträger in ihren römischen Titelkirchen Gottesdienste – teilweise begleitet von einem riesigen Medienaufgebot bei den aussichtsreichsten Papabili wie dem Italiener Angelo Scola, dem Brasilianer Odilo Scherer und dem US-Amerikaner Sean O’Malley. Das war aber nicht der einzige Grund, warum der Ruhetag zum Unruhetag wurde. Die privaten Treffen und Gespräche unter den Kardinälen wurden übers Wochenende intensiviert. Verzweifelt wird noch immer nach „dem“ geeigneten Kandidaten gesucht. Noch mischen auch die über 80-Jährigen kräftig mit wie der Dekan des Kardinalskollegiums, Angelo Sodano, oder der langjährige Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz, Camillo Ruini.

Kardinal Sean O'Malley (r) - der nächste Papst?

Um die afrikanischen Kandidaten ist es in den letzten Tagen etwas ruhig geworden. Allen voran Kardinal Peter Turkson. Seit er vor zwei Wochen in einem Fernsehinterview erklärte, Missbrauch durch Priester könne in Afrika nie zu einem großen Problem werden, da die dortige Kultur Homosexualität ablehne, sind seine Chancen gesunken. Schon während der letzten Bischofssynode im vergangenen Herbst war er durch ein Video aufgefallen, das die angeblichen Gefahren durch den erstarkten Islam in Europa zeigte. Die Vorführung hatte unter den Synodenvätern zu empörten Reaktionen geführt. Umgekehrt erntete der 64 Jahre alte Leiter des Päpstlichen Rats für Justitia et Pax in den vergangenen Jahren immer wieder Lob für seine Äußerungen zur Finanzkrise und seine Kritik an neoliberalen Positionen. Turkson ist, wie etwa auch sein nigerianischer Amtsbruder John Onaiyekan, ein profilierter Sozialethiker, erfahren im Dialog mit anderen Religionen, vor allem dem Islam. Theologisch sind beide allerdings konservativ. Bei Themen wie der bereits angesprochenen Homosexualität oder der Rolle der Frau sehen sie keine Notwendigkeit für Reformen der katholischen Positionen. Es ist zu erwarten, dass ein Papst aus Afrika in vielen Punkten die konservative Ausrichtung der letzten beiden Pontifikate fortsetzen würde.

Doch was gibt es für eine Alternative? Kardinal Marc Ouellet, zuletzt einflussreicher Chef der Bischofskongregation. D.h. er ist an der Ernennung eines Großteils der Bischöfe weltweit entscheidend beteiligt. Der Kanadier arbeitete einige Jahre als zweiter Mann unter Kardinal Walter Kasper im vatikanischen Ökumenerat, bevor er dann von 2002 bis 2010 Erzbischof von Quebec war. Er bringt also sowohl pastorale als auch kuriale Erfahrung mit. Der 68-Jährige leitete für zehn Jahre ein Priesterseminar in Kolumbien. D.h. es gibt auch einen Link nach Lateinamerika. Er ist ein Vertrauter Benedikts XVI. Der schickte ihn immer wieder in heikler Mission. Etwa als es einen Bußgottesdienst am Rande eines Kongresses zum Thema Missbrauch in Rom gab; oder als Gesandten zum Internationalen Eucharistischen Kongress im irischen Dublin im vergangenen Jahr. Das war keine leichte Aufgabe; steht die katholische Kirche dort doch wegen des Missbrauchsskandals unter großem Druck. Ouellet spricht viele Sprachen, darunter auch Deutsch. Er ist eigentlich der ideale Mann. Wirklich? Kritiker werfen ihm vor, es fehle ihm an Durchsetzungsvermögen und Managementfähigkeiten. Es wird bezweifelt, dass er die Kurie in den Griff bekommt. Ouellet gilt als konservativer Intellektueller. Auch er würde wohl im Großen und Ganzen die Linie Joseph Ratzingers fortführen. Auf die Frage eines Journalisten, wie er seine Rolle als Papabile sehe, meinte Ouellet, er sei auf alles vorbereitet. Das kostete ihm bei seinen Mitbrüdern einige Sympathien.

Verstimmung gibt es durchaus auch bei einigen Kardinälen über den Ablauf der vergangenen Woche. Wie schon geschildert, gab es eigentlich keine Möglichkeit, in den Kardinalsversammlungen zu einer echten Diskussion zu kommen. Die Redebeiträge wurden in der Reihenfolge der Anmeldung abgearbeitet; eine direkte Erwiderung war nicht möglich. Unliebsame Redebeiträge wurden bisweilen vom Kardinaldekan mit einem schnellen „Grazie Eminenza“ quittiert und der nächste Redner aufgerufen. Zwar wurde Kardinaldekan Sodano ja zur Verbesserung der Kommunikation aufgefordert. Doch passiert ist nichts. Das legt den Schluss nahe, dass eine solche Diskussion vielleicht auch gar nicht gewollt war. Man gab Offenheit vor; verhinderte aber allzu kontroverse Gespräche. War das die Strategie der beiden Führungspersonen in der Sedisvakanz, Kardinaldekan Angelo Sodano und Camerlengo Tarcisio Bertone? Letztendlich sind beide Kuriale; allzu heftige Kritik hätte sie wohl auch beide getroffen. Denn Vieles, was in der Amtszeit Benedikts XVI. an die Oberfläche kam bzw. zu Krisen und Skandalen führte, hatte seine Wurzeln in früheren Pontifikaten –  etwa die Probleme mit den Vatikanfinanzen, der Skandal um den Gründer der Legionäre Christi, Marcial Maciel, etc. Auch wenn Sodano und Bertone keine großen Freunde sind, an dieser Stelle haben sie gemeinsame Interessen. Ob es soweit reicht, dass sie nachher im Konklave einen gemeinsamen Kandidaten ist unwahrscheinlich. Sodano zieht ja selbst nicht ins Konklave ein. D.h. wenn es dort zu längeren Verhandlungen kommt, hat er keinen Einfluss mehr. Dann muss sein Vertreter, Kardinal Giovanni B. Re seine Interessen vertreten. Re hatte lange Zeit unter dem damaligen Kardinalsstaatssekretär Sodano den Posten des Substituten, also des Innenministers, inne. Aus dieser Zeit bestehen enge Bande. Ihr Kandidat soll Odilo Scherer sein. Ob das die Chancen des Brasilianers mindert oder steigert, ist ungewiss. Freunde Scherers betonen auf jeden Fall seine Unabhängigkeit von kurialen Seilschaften. Das Kräfteringen ist in vollem Gang.

Die Gläubigen, die heute auf dem Petersplatz zum zweiten Mal einen Sonntag ohne Mittagsgebet des Papstes erlebt haben, hoffen, dass in einer Woche der neue Pontifex gewählt ist und wie gewohnt den Angelus betet. Angesichts der offenen Situation ein frommer Wunsch; doch sicher nicht ganz unbegründet. Sollte bis nächsten Sonntag kein neuer Papst im Amt sein, bedeutete dies 13 erfolglose Wahlgänge. Das wäre das längste Konklave seit über 180 Jahren – und 11 Papstwahlen. Nicht auszudenken!

Endspurt im Vorkonklave

Die Kardinäle sind auf der Zielgeraden. Heute Morgen fand die vorletzte Generalkongregation statt. Jetzt wird übers Wochenende noch heftig hinter den Kulissen gerungen und nach Koalitionen gesucht. Nationale Blöcke gehören allerdings eher der Vergangenheit an. Heute verlaufen die Grenzen eher nach inhaltlichen Fragen bzw. dieses Mal auch der Frage nach Ratzingerianer oder nicht. Wobei diese Kategorie auch schon wieder ein Doppeltes beinhaltet. Ratzingerianer sind einerseits die, die Benedikt XVI. inhaltlich, theologisch nahe stehen wie etwa Schönborn, Scola oder Ouellet; andererseits sind es aber auch jene, die Ratzingers „Reinigung“ der Kirche und der Kurie unterstützten und fortsetzen wollen. Interessant ist, dass Schönborn, Scola und Ouellet – alle drei zählen zu den Papabile – eng miteinander befreundet sind – seit vielen Jahren. Sie haben unter anderem gemeinsam für die Zeitschrift Communio gearbeitet. Mitbegründer der Zeitschrift war übrigens Joseph Ratzinger. Communio gilt als die Zeitschrift derer, die das II. Vatikanische Konzil eher „konservativ“ auslegen. Machen die drei Ratzingerschüler gemeinsame Sache? Machen sie den neuen Papst unter sich aus? Jedem von ihnen werden derzeit Chancen zugerechnet. Werden sie sich vereinen, um einen aus ihrer Mitte zum Nachfolger Benedikts zu machen?

115 Wähler - 115 Papabili

Es ist keine leichte Wahl. Einen geborenen Nachfolger scheint es nicht zu geben; anders als 2005. Damals war für viele klar. Joseph Ratzinger soll das fortsetzen, was Johannes Paul II. über mehr als zwei Jahrzehnte gemacht hatte. Ratzinger hatte ja die meiste Zeit an der Seite Wojtylas gearbeitet. Der Bayer hatte das Pontifikat des Polen theologisch entscheidend mitgeprägt. Ratzinger setzte den Kurs Johannes Pauls in vielen Bereichen fort. Das ist jetzt anders. In diesem Sinne geht damit auch eine Ära zu Ende; ist die anstehende Wahl auch eine Schicksalswahl. Wohin soll der Weg der Kirche künftig gehen? Dass alte Denkmuster heute nicht mehr tragen zeigt etwa die Rolle des italienischen Kardinal Camillo Ruini. Als langjähriger Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz und Kardinalvikar des Bistums Roms war er ein treuer Weggefährte der beiden letzten Päpste. Dennoch gehörte er im Vorkonklave zu denen, die eine flammende Rede für einen jungen, dynamischen und vor allem charismatischen Papst gehalten haben.

Aber wer kann das sein? Viele nennen den US-Amerikaner Timothy Dolan als möglichen Kandidaten. Der 63-Jährige vertritt konservative Werte; verzaubert mit seinem Lachen die Menschen, hat keine Berührungsängste gegenüber den Medien. Doch ist die Zeit reif für einen US-amerikanischen Papst? Vor allem Kirchenvertreter aus Asien und Afrika sind davon nicht so überzeugt. Gerade in der arabischen Welt könnte ein „Yankee“ auf dem Stuhl Petri die Situation der Katholiken erschweren. Und auch mit Blick auf die Katholiken in China warnen manche vor der Wahl eines US-Kardinals. Trotzdem wird neben Dolan stets auch sein Amtsbruder Sean O’Malley genannt. Der 68-Jährige ist Erzbischof in Boston. Er hat dort nach den Missbrauchsfällen, die zu Beginn des Jahrtausends in großer Zahl bekannt geworden waren, mit eiserner Hand aufgeräumt. Mittlerweile hat die Kirche dort wieder Fuß gefasst; steigen die Zahlen der Priesterberufungen wieder. O’Malley weiß die Hispanos Amerikas hinter sich; ist damit gleichsam eine Brücke zwischen den beiden Amerikas. O’Malley ist Kapuziner; das könnte eventuell den „Amerikaner“ schlagen und ihn damit zum Papabile machen. Allerdings sehen manche kritisch, dass er zu sehr auf das Thema Missbrauch fokussiert ist bzw. in der Öffentlichkeit so wahrgenommen wird.

Kurienerfahrung bringen übrigens beide Amerikaner keine große mit. Dabei war der Zustand der Zentrale auch heute wieder Thema in der Generalkongregation. Der neue Papst sollte also den Apparat etwas kennen; allerdings darf er auch nicht zu sehr mit ihm verbandelt sein. Es scheint die berühmte Quadratur des Kreises zu sein, die die Kardinäle ab Dienstag leisten müssen. Denn dann geht es los. Ab 7.00 Uhr heißt es Einrücken ins vatikanische Gästehaus Santa Marta. Um 10 Uhr beginnt der Gottesdienst „pro eligendo romano pontifice“ im Petersdom. Mittagessen gibt es in Santa Marta. Um kurz vor 16 Uhr werden die Kardinäle dann zum Apostolischen Palast gebracht. Von der Cappella Paolina ziehen sie dann ab 16.30 Uhr in feierlicher Prozession in die Sixtinische Kapelle ein. Dort legen sie den Eid ab. Gegen 17.30 Uhr wird das „Extra omnes“ erwartet. Dann schließt der Päpstliche Zeremonienmeister Guido Marini die schwere Holztür der Sistina; das eigentliche Konklave beginnt. Zunächst hält Kardinal Prosper Grech (87) noch eine Meditation. Danach verlassen auch er und die Zeremoniäre die Kapelle. Der erste Wahlgang findet statt. 2005 gab es dann gegen 20 Uhr das erste Rauchzeichen. Wie schon vor acht Jahren ist mit schwarzem Rauch zu rechnen. An den darauffolgenden Tagen finden vormittags und nachmittags jeweils zwei Wahlgänge statt. Sollte in den ersten 13 Wahlgängen bis Freitagabend kein Kandidat die 2/3-Mehrheit auf sich vereinen können, gibt es einen Tag Pause für Gebet und Gespräch. Vatikansprecher Federico Lombardi zeigte sich heute zuversichtlich, dass es so weit nicht kommen wird. Sieht der Jesuit vielleicht doch bereits einen klaren Favoriten? Unter Experten zeichnet der sich allerdings bisher nicht ab. Bei den Kardinälen übrigens dem Vernehmen nach auch nicht.

Habemus datam

Endlich ist es raus, das Datum für den Beginn des Konklaves. Am Dienstag, 12. März startet die Wahl für den 265. Nachfolger des Apostels Petrus. Einen klaren Favoriten gibt es vier Tage vor der Wahl allerdings noch nicht. Scola und Scherer sind in diesen Tagen zwei heiß gehandelte Namen. O’Malley und Schönborn stehen aber auch bei vielen hoch im Kurs, während der Stern der Afrikaner und Asiaten gerade wieder eher am Sinken ist. Doch das kann sich ganz schnell wieder ändern. Das Konklave entwickelt seine ganz eigene Dynamik. Viele gehen davon aus, dass trotz der recht langen Vorlaufzeit von 12 Tagen und dann 10. Generalkongregationen, der weiße Rauch doch erst am dritten oder vierten Tag aufsteigen könnte.

Papabile: Kardinal Odilo Scherer

Aber auch diese Prophezeiungen könnten sich ganz schnell in Schall und vor allem Rauch auflösen, wenn sich plötzlich im zweiten oder dritten Wahlgang die Stimmen unerwartet auf einen (Überraschungs-) Kandidaten hin konzentrieren. Am Wochenende werden nun noch einmal wichtige Gespräche geführt. So manches Essen wird gegeben in den verschiedenen Häusern der nationalen Bischofskonferenzen in Rom und in den nationalen Priesterseminaren, in denen viele Kardinäle untergekommen sind. Dabei sprechen sie oft weniger darüber, wen man wählen könnte, als vielmehr, warum ein bestimmter Kandidat weniger geeignet ist. Ähnlich dem alten vatikanischen Prinzip, nachdem weniger die Anwesenheit einer Person registriert wird, als vielmehr ihre Abwesenheit.

Bei den Themen, die in den mittlerweile über 100 Redebeiträgen angesprochen werden, ist immer wieder die Kurie und das Verhältnis zu den Bischofskonferenzen dabei. Dies scheint doch vielen Kardinälen unter den Nägeln zu brennen. Das geht soweit, dass ganz konkrete Vorschläge für eine Kurienreform gemacht werden. Dabei werden keine großen neuen Ideen präsentiert, sondern Punkte, die bereits seit Jahren immer wieder gefordert werden wie etwa die Einrichtung von regelmäßigen Kabinettssitzungen oder etwa die Möglichkeit, dass der Papst sich mit einem festen Beraterstab umgibt, und den Ausbau des Prinzips der Kollegialität. Weitere Themen waren heute unter anderem die Rolle der Frau, der interreligiöse Dialog sowie Fragen der Gerechtigkeit und aus dem Bereich Bioethik. Besonders beeindruckt hat übrigens einige Kardinäle der Vortrag des Münchner Erzbischofs Kardinal Marx. Worüber er gesprochen hat, war allerdings nicht herauszubekommen.

Heute Morgen wurden die Abwesenheitsgründe der beiden Kardinäle O’Brien von Edinburgh und Darmaatmandja aus Indonesien vom Kardinalskollegium offiziell angenommen. Damit steht fest, dass 115 Kardinäle ins Konklave einziehen werden; wenn nicht noch einem der Papstwähler etwas zustößt. Am Montag werden sie dann ins vatikanische Gästehaus einziehen. Die Zimmer werden ausgelost, da es unterschiedliche Typen und Größen gibt. Für den neuen Papst ist eine Suite vorbereitet, in der er die ersten Tage wohnen kann, bevor er in die Papstwohnung im Apostolischen Palast einzieht. Die Suite hat Empfangsräume, die der neue Pontifex auch dringend brauchen wird. Denn es müssen in der Zeit nach der Wahl wichtige Entscheidungen fallen. So steht etwa die Personalie „Kardinalstaatssekretär“ an. Auch wenn der Name Bertone in den Generalkongregationen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht ausgesprochen wurde, ist doch klar, die harsche Kritik an der Situation der Kurie bzw. die Reformforderungen zielen am Ende natürlich auf seine Person ab. Ein neuer Papst wir gut beraten sein, sich möglichst schnell einen neuen Staatssekretär zu suchen. Je länger er damit zögert, umso schwieriger wird es werden, wirklich Veränderungen durchzuführen.

Bis zum Konklavebeginn wollen die Purpurträger weiter am Profil für den neuen Papst arbeiten. Charismatisch, spirituell und mit Durchsetzungskraft gepaart mit dem Verständnis für unterschiedliche Kulturen und einen Blick für die sozialen Probleme in der Welt sowie der Kenntnis mehrerer Sprachen. So in etwa sieht das Profil aus. Und wer passt darauf? Angesichts der Probleme im letzten Pontifikat, wird in diesen Tagen nicht nur über die Anforderungen an den neuen Papst gesprochen, sondern vor allen Dingen auch über das Profil des zweiten Manns in der katholischen Kirche. Zwar verbietet das Wahlrecht ein so genanntes „Ticket“, d.h. eine Festlegung des möglichen neuen Papstes auf einen Kardinalstaatssekretär bereits vor der Wahl. Doch am liebsten wäre es vielen Kardinälen, wenn die Papabili schon jetzt Farbe bekennen würden, wenn sie wählen. In den Medien werden immer wieder Namen von möglichen Anwärtern auf den Posten des Alter Ego genannt. Dazu zählen etwa Kardinal Mauro Piacenza, ein Hardliner, und Kardinal Leonardo Sandri. Der machte in den letzten Jahren eine vielseits anerkannte Arbeit als Chef der Ostkirchenkongregation. Doch zuvor war er Innenminister des Vatikans unter Kardinalstaatssekretär Sodano und Johannes Paul II. Auch aus dieser Zeit hört man viel Gutes über den gebürtigen Argentinier Sandri. Doch was wusste er etwa über die Machenschaften des Gründers der Legionäre Christi Maciel? Ein dunkles Kapitel in der Wojtyla-Ära, das noch nicht aufgearbeitet ist. Diese und andere Fragen schmälern auch Sandris eigene Chancen auf den Papstthron.

Hier steht nach wie vor der Italiener Angelo Scola hoch im Kurs. Der 71-Jährige war vor seiner Zeit als Erzbischof von Mailand Patriarch von Venedig. Aus beiden Städten gingen in der jüngeren Vergangenheit gleich mehrere Päpste hervor. Scola ist polyglott. Er ist einer der wenigen italienischen Kardinäle, die international bekannt sind und gilt als ein Mann des Dialogs. So hat er etwa ein Zentrum für den Kontakt mit dem Islam gegründet. Die Kurie in Mailand hat er in kurzer Zeit mit harter Hand umgekrempelt. Seine Nähe zur italienischen Bewegung Communione e Liberazione könnte allerdings ein Nachteil sein. Zwar hat er sich in den letzten Jahren stark distanziert. Doch trotzdem besteht die Gefahr, dass mit Scola Vatikanisches und italienische Politik wieder mehr vermengt werden. Zudem ist die Frage, ob die Kardinäle überhaupt einen Italiener auf dem Stuhl Petri möchten.

Dann könnte die Stunde des Odilo Scherer schlagen. Der Erzbischof von Sao Paolo bringt einige Jahre Kurienerfahrung mit; ist allerdings seit langer Zeit zurück in seiner brasilianischen Heimat. Dort war er Sekretär der größten Bischofskonferenz der Welt mit mehreren Hundert Bischöfen. Seit 2007 leitet der 63-Jährige die Diözese in der Millionenmetropole. Er ist Mitglied in mehreren wichtigen vatikanischen Dikasterien, unter anderem im Kardinalsrat der Vatikanbank IOR. Die Nähe der Kirche zu den Armen und den sozialen Problemen der Menschen ist dem manchmal etwas kühl wirkenden Scherer wichtig. Vieles in seinem Denken und Wirken erinnert an die in den 80er Jahren vom Vatikan heftig bekämpfte Befreiungstheologie, obwohl er eine Nähe dazu stets zurückweist. Italienische Medien versuchten ihm heute eine Nähe zu Kardinal Bertone anzudichten. Das ist in diesen Tagen gefährlich; denn Bertone gilt nicht gerade als Liebling unter den Purpurträgern. Doch ob dieses durchsichtige Manöver Früchte zeigen wird, ist sehr fraglich.

Die italienischen Kollegen sehen in den ersten Runden des Konklaves auch einen Zweikampf zwischen Scola und Scherer. Auch da sind Zweifel angebracht, ob es wirklich zu dieser Alternative kommt. Noch ist das Rennen offen: O’Malley, Schönborn und Ouellet werden immer noch gehandelt. Über die afrikanischen Kandidaten wird in den letzten Tagen weniger gesprochen; auch die Asiaten. Doch dazu in den nächsten Tagen mehr.

P.S. Am Montagabend, 11.3. um 00.05 Uhr gibt es übrigens eine Diskussion im ZDF: Welchen Papst braucht die Kirche? Mit dabei sind Julia Klöckner, Pirmin Spiegel (Misereor) und Gabriele Kuby. Das wird spannend, am Vorabend des Konklaves.

Konklave beginnt am Dienstag

Jetzt steht es fest: Die Papstwahl beginnt am nächsten Dienstag. Das haben die in Rom versammelten Kardinäle entschieden. In dem Konklave bestimmen 115 Papstwähler einen Nachfolger für den zurückgetretenen Benedikt XVI. 

Das Konklave beginnt am 12.03.2013 morgens mit einem Gottesdienst in Sankt Peter. Nachmittags folgt der Einzug der Papstwähler in Sixtinische Kapelle.

Mehr dazu bei der heute.de

Streit um „Kardi-Leaks“

Wer versorgt die Medien mit Informationen aus den Kardinalsversammlungen? Darüber ist hier in Rom eine heftige Diskussion entbrannt. Die US-Kardinäle waren es nach meiner Einschätzung nicht. Die hatten zwar zunächst immer zu täglichen Briefings geladen; dort wurden aber keine Geheimnisse preis gegeben. Die liest man hingegen jeden Morgen in den italienischen Zeitungen. Sprich – die purpurnen Freunde der italienischen Kollegen plaudern, und was sie sagen, kann das Kardinalskollegium am nächsten Tag Schwarz auf Weiß lesen.

Wird hier der neue Papst bestimmt? Die Kardinäle Scola (l) und Vingt-Trois (r) heute Morgen vor der Kardinalsversammlung.

Das führte zu Ärger. Laut Vatikansprecher Federico Lombardi gab es zwar keine förmliche Abstimmung über ein Interviewverbot, wie es 2005 der Fall war und laut Lombardi auch einstimmig angenommen worden sei. Doch habe das Kollegium deutlich gemacht, dass man künftig besser schweige. Wenn man den italienischen Medien glaubt, war es vor allem der Camerlengo, der ehemalige Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, der mehrfach an die Verschwiegenheit der Mitbrüder appellierte. Interviews gibt es nun keine mehr; allerdings durchaus noch jede Menge vertrauliche Treffen von Kardinälen mit Journalisten. Die deutschen Purpurträger halten sich bisher da noch sehr zurück. Italiener, Franzosen und andere sind da auskunftsfreudiger. Allerdings sind alle Gespräche „unter drei“.

Nach öffentlicher Kritik fühlen sich jetzt einige italienische Kollegen zu Unrecht an den Pranger gestellt. Als würden sie unsauber arbeiten und Informationen aus Hintergrundgesprächen veröffentlichen. Dabei ist es das tägliche Geschäft der italienischen Vatikanisti, vertrauliche Informationen aus dem Vatikan zu bekommen. Immerhin leisten sich die großen Tageszeitungen der Halbinsel je eigene Journalisten, die sich nur um Papst, Vatikanstaat und Kirche kümmern. Der Vatikan ist es daher eigentlich gewohnt, dass Interna in der Presse zu lesen sind, nicht erst seit Vatileaks. Dennoch reagiert man in diesen Tagen besonders empfindlich. Ist das auch ein Zeichen dafür, dass die Diskussionen im Plenum doch kontroverser sind, als man das offiziell zugeben möchte?

Immerhin wurde auch am dritten Tag über das Thema Kurie und das Verhältnis zu den Ortskirchen gesprochen. Neu war heute, dass etwa auch Ökumene, Caritas und das Verhältnis der Kirche zu den Armen angesprochen wurden: 83 Redebeiträge insgesamt, heute allein 32. Darunter waren auch drei Finanzberichte von den ehemaligen Chefs der Präfektur für wirtschaftliche Angelegenheiten (Kardinal Versaldi), der Apostolischen Güterverwaltung (Kardinal Calcagno) sowie des Governatorats des Vatikanstaats (Kardinal Bertello). Zwar gehört der „Kassensturz“ mit zum normalen Prozedere während der Sedisvakanz. Doch in Zeiten von Vatileaks, Vorwürfen von unsauberen Geschäften gegen die Vatikanbank IOR und Korruption im kleinen Kirchenstaat, bekommen diese Finanzberichte ein besonderes Gewicht. Dass auch über die Vatikanbank IOR gesprochen wurde, wollte Vatikansprecher Lombardi nicht bestätigten. Allerdings sei es „evident“, dass Vatileaks ein Thema sei.

Höchst Papabile: Kardinal Ouellet (r)

Trotz aller Leaks; über den Konklavetermin gibt es noch immer keine Informationen. Laut Vatikansprecher Lombardi sei der – zumindest bis heute Mittag – noch gar nicht thematisiert worden. Für Kardinaldekan Sodano sei noch nicht der richtige Zeitpunkt gekommen, über ein Datum zu sprechen. Er sehe, dass es Gesprächsbedarf gebe. Durch die Diskussion über einen Konklavetermin könnte Druck entstehen, der vermieden werden soll, so Lombardi. Er ließ auch durchblicken, dass es durch den Rücktritt des Papstes zusätzlichen Gesprächsbedarf gebe. Das ist nur verständlich. Denn zusätzlich zur Analyse der Situation der Kirche, die bei jeder Sedisvakanz gemacht wird, kommt jetzt die Frage hinzu, warum der ehemalige Papst sein Amt niedergelegt hat. Klar, er hat das Alter und die schwindenden Kräfte als Grund genannt. Doch war das alles? Und was bedeutet der Rücktritt für das Papstamt? Dem Vernehmen nach wurde auch darüber gesprochen, dass der neue Papst sich noch einmal ausführlich mit dem Thema „Papstrücktritt“ beschäftigen muss.

Während die Kardinäle noch zögern, über den Konklavetermin zu entscheiden gehen die Vorbereitungen im Vatikan weiter. Im Gästehaus Santa Marta, wo die Kardinäle während des Konklaves wohnen werden, wurden heute die Störsender (Jammer) angebracht, um jede Form der Telekommunikation zu verhindern. In der Sixtinischen Kapelle wird weiter fleißig gebaut. Selbst das Gerüst, das das Ofenrohr zum Dach stützt, wurde heute gold-gelb angestrichen. Alles soll feierlich aussehen. In den Vatikanischen Gärten wurde eine wichtige „Spur“ des alten Pontifikats vernichtet. Das große Wappen Papst Benedikts XVI., das hinter der Apsis des Petersdoms aus Pflanzen gestaltet war, wurde eingeebnet. Man wird sehen, ob das Wappen des neuen Papstes die Gärtner wieder vor so große Herausforderungen stellen wird, wie das Joseph Ratzingers. Denn den Freisinger Mohr und den Bären mit (braunen) Pflanzen (ganzjährig) darzustellen, war nicht so einfach.

P.S. Wieso hat gestern eigentlich Vatikansprecher Lombardi an die Sedisvakanz 2005 erinnert mit dem Verweis, dass damals die Kardinäle 11 Tage vorher das Konklave ankündigten? Zwar erklärte er gleich, dass es ja dieses Mal keine Trauerzeit und –Gottesdienste gebe; doch irgendwie konnte man diese Anspielung auch in die Richtung deuten, dass vor Mitte oder Ende nächster Woche an ein Konklave nicht zu denken ist. Doch daran mag hier in Rom bisher niemand so richtig glauben.

Kein Datum; aber ein Maulkorb

Helle Aufregung heute Mittag um kurz nach 13 Uhr. Vatikansprecher Federico Lombardi hatte gerade mit seinem täglichen Briefing begonnen, da piepsten die Smartphones der Journalisten. Die Sprecherin der US-Kardinäle teilte kommentarlos mit, das geplante Pressebriefing der Kardinäle George und Dolan falle aus. Was war hier los? Mehrfach angesprochen auf die Absage reagierte Lombardi etwas gereizt. Er habe keinem Kardinal Vorschriften zu machen; das müssten die Kardinäle untereinander ausmachen. Klar sei aber, dass das Vorkonklave ein Prozess sei, in dem die Kardinäle zunehmend schwiegen. Das Konklave sei kein Kongress. Das Kollegium als Ganzes möchte ein Klima der Verschwiegenheit, so seine Begründung. Außerdem würden auch die Kardinäle anderer Nationen keine eigenen Briefings machen. Weiter wollte er die Vorgänge nicht kommentieren.

Gestern durften sie noch: US-Kardinäle DiNardo und O'Malley beim Briefing.

Sister Walsh brachte dann im Verlauf des Nachmittags noch etwas Licht ins Dunkel: In der Generalkongregation hätten sich die Kardinäle besorgt gezeigt, dass vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit gelangen könnten, nachdem sie italienische Zeitungen gelesen hatten. Aus diesem Grund hätten die US-Kardinäle sich entschlossen, keine Interviews mehr zu geben. Wer bei den Briefings der US-Kardinäle in den letzten Tagen war, weiß, dass diese nichts Vertrauliches ausgeplaudert haben. Wenn in den italienischen Zeitungen Insiderinfos aus den Kardinalsversammlungen zu lesen waren, dann haben andere das Schweigegebot gebrochen. Für die Journalisten ist das ärgerlich; denn mit dem täglichen US-Briefing hatten sie wenigstens aktuelle Bilder und eine Geschichte zu erzählen. Jetzt bleibt alles den Spekulationen und Indiskretionen überlassen.

Unterdessen gibt es noch immer kein Datum für den Beginn des Konklaves. Noch immer fehlen zwei Papstwähler (Kardinal Nycz aus Polen und Pham Minh Man aus Vietnam). Die sollen aber spätestens morgen eintreffen. Da es morgen wieder zwei Kardinalsversammlungen gibt, könnte es sein, dass in der Nachmittagssitzung eine Entscheidung fällt. Noch gehen viele davon aus, dass das Konklave zwischen dem 11. und 13. März beginnt. Allerdings gibt es auch schon Stimmen, die wieder vom ursprünglichen Datum, 15. März sprechen. Der Gesprächsbedarf unter den Kardinälen scheint doch groß zu sein. Heute musste die Redezeit auf fünf Minuten pro Beitrag begrenzt werden. 18 Purpurträger ergriffen das Wort (damit bisher insgesamt 51). Wieder waren die Situation der Kurie und das Verhältnis der römischen Zentrale zu den Bischöfen und Bischofskonferenzen in aller Welt ein Thema. Und es ging um das Profil des künftigen Papstes angesichts der aktuellen Herausforderungen der Kirche. Zumindest bis gestern gab es in den Generalkongregationen noch keine wirkliche Diskussion sondern eher einzelne Vorträge. Das berichtete gestern Kardinal O’Malley beim bisher letzten Briefing der US-Kardinäle. Der Erzbischof von Boston zählt übrigens zu den Papabili, die hier in den letzten Tagen ständig im Kurs steigen. Mehr zu ihm und anderen möglichen Kandidaten ab morgen hier im „Papstgeflüster“.

Der Kardinal, der mit dem Fahrrad kam. (ap)

Seit heute sind übrigens alle deutschen „Senatoren“ hier. Gestern Abend waren noch die Kardinäle Lehmann und Wetter angereist. So nehmen jetzt die sechs deutschen Wähler (Kasper, Meisner, Cordes, Lehmann, Marx, Woelki) sowie die drei über 80-Jährigen (Wetter, Becker, Brandmüller) an den Generalkongregationen teil. Normalerweise sind die Kardinäle gehalten, im Talar mit roter Schärpe zu den Beratungen zu kommen. Kardinal Barbarin aus Lyon wählte heute aber das Fahrrad, den schwarzen Anzug und eine Windjacke. Die Gendarmen erkannten ihn daher zunächst nicht und wollten ihn zum Lieferanteneingang schicken; der Irrtum wurde schnell bemerkt und Barbarin durfte den von zwei Schweizergardisten gesäumten „Kardinalseingang“ benutzen.

Wie wohnt ein Papst?

Der Papst wohnt exklusiv im dritten Stock des Apostolischen Palasts mit einem traumhaften Blick über den Petersplatz und die Ewige Stadt. Doch allzu viel privaten Rückzugsraum gibt es nicht. Denn er bewohnt die Räume mit der päpstlichen Familie. 

Mehrere hundert Quadratmeter ist die Privatwohnung des Papstes groß. Sie liegt in der so genannten „Terza Loggia“ des Apostolischen Palasts und umfasst beinahe die gesamte dritte Etage. Allerdings ganz privat sind eigentlich nur zwei Räume: das Arbeitszimmer des Papstes und das gleich angrenzende Schlafzimmer. Alle anderen Räume werden mit den Bewohnern des päpstlichen Haushalts geteilt…

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Pausen, Pausen, Pausen

Das ist es, was die Kardinäle sich derzeit in Rom am meisten wünschen. Denn in den Pausen finden die entscheidenden Gespräche des Vorkonklave statt. Die Purpurträger scheinen auch nach wie vor keine Eile zu haben, den Konklavetermin festzusetzen. Viele handeln nach der Devise: Das Konklave ist der Ort der Entscheidung; die Zeit der Diskussion ist davor. D.h. lieber die Zeit der Generalkongregationen verlängern und dafür erwarten sie dann ein kurzes Konklave. Das hat natürlich viele Vorteile für die „Senatoren“ der Kirche. Im Vorkonklave können sie sich viel freier bewegen; haben Zugriff auf Informationen, können über Personen und Sachen recherchieren bzw. recherchieren lassen. Denn viele Kardinäle sind mit ihren Sekretären angereist. Im Konklave später sind sie eingeengt und „weggesperrt“; dann sind sie auf sich allein gestellt und müssen sich auf ihren Instinkt verlassen. Dann gibt es nur noch das persönliche Gespräch untereinander.

Auf dem Weg zur Versammlung

Dazu kommt, dass im Vorkonklave auch die über 80-Jährigen mit dabei sind. Die brächten einen großen Erfahrungsschatz mit, erklärte heute US-Kardinal Daniel DiNardo. Darauf wolle er nicht verzichten. Zudem sind die drei Kardinäle, die im Auftrag Benedikts XVI. den Vatileaks-Skandal untersucht haben, alle über 80 Jahre. Wer von ihnen etwas wissen möchte, kann das nur im Vorkonklave erfahren. Umgekehrt haben natürlich auch die „Senioren“ im Kollegium ein Interesse daran, mitzureden. Und das geht eben auch nur vor dem Einzug in die Sixtinische Kapelle. Entsprechend ließ Kardinal Josef Tomko heute durchblicken, dass man es nicht so eilig habe mit einem Konklavetermin.

Außerdem fehlten heute noch immer fünf Papstwähler. Zwar waren bei der 3. Generalkongregation 148 Kardinäle anwesend. Aber die Kardinäle Naguib (Ägypten), Nycz (Polen), Pham Minh Man (Vietnam), Tong Hon (Hongkong) und Lehmann (Deutschland) sind noch nicht in Rom. Der Mainzer Bischof reist heute Mittag an und wird ab morgen an den Sitzungen teilnehmen. Unklar war heute plötzlich wieder, ob auf alle Papstwähler gewartet werden muss, bis ein Datum für das Konklave festgelegt werden kann. Diese Unsicherheit verwundert doch; denn schließlich hatte Benedikt XVI. erst vor gut einer Woche Änderungen an der Wahlordnung vorgenommen. Warum das nicht so gemacht wurde, dass endlich Klarheit besteht, ist unverständlich.

In den Versammlungen haben bisher 33 Kardinäle das Wort ergriffen. Die Themenpalette reichte von der Neuevangelisierung, der Zusammenarbeit zwischen Kurie und den Bischofskonferenzen bis zum Zustand der Kurie selbst sowie der Erneuerung der Kirche im Licht des II. Vatikanischen Konzils. Einzelheiten drangen bisher aber nicht nach außen. Redezeitbeschränkung gibt es (bisher) nicht. Die Beiträge werden simultan in Italienisch, Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch übersetzt. Jeder Kardinal hat in der Synodenaula seinen festen Platz entsprechend der Kardinalsklasse (Kardinalbischöfe, Kardinalpriester und Kardinaldiakon) und der internen Rangordnung.

Große Einigkeit scheint unter den Kardinälen, die von auswärts sind, zu herrschen, dass sich an der Kurie etwas ändern muss. Dabei gibt es teilweise sehr konkrete Vorstellungen. Das betrifft etwa eine stärkere Vernetzung der einzelnen Behörden bis hin zur Einrichtung eines festen Beraterstabs des Papstes oder die feste Einrichtung von „Kabinettssitzungen“. Viele könnten sich auch eine Verringerung der Dikasterien durch die Zusammenlegung verschiedener Päpstlicher Räte vorstellen etwa eine Vereinigung der Räte für Familie, Krankenpastoral und Laien sowie der Räte Cor Unum (Entwicklungshilfeministerium) und Justitia et Pax. Eine Stärkung der Kollegialität wird immer wieder angemahnt. Dazu kommt das große Thema Finanzen mit der Baustelle „Vatikanbank IOR“. Viele Kardinäle denken wie der Honduraner Oscar Rodriguez Maradiaga. Der forderte eine Fortsetzung der „Reinigung der Kirche“, wie sie von Benedikt XVI. begonnen worden war. Doch dazu braucht es einen starken durchsetzungsfähigen Papst (und einen starken und erfahrenen Kardinalstaatssekretär an seiner Seite).

In der Sixtinischen Kapelle haben heute Mittag die Arbeiten begonnen. Der Boden wird auf ein Niveau gehoben, so dass es keine Stolperfallen während des Konklaves gibt. Zudem werden laut Vatikansprecher Lombardi zwei Öfen installiert: einer zum Verbrennen der Stimmzettel und Wahlunterlagen sowie ein zweiter zur Erzeugung des Rauchs. Außerdem werden im vorderen Teil je rechts und links zwei Tischreihen aufgestellt, an denen dann die Kardinäle Platz nehmen. Vor den Altar kommt ein Tisch für die Wahlurnen. Die sind übrigens dieselben wie beim Konklave 2005.

Unterdessen haben einige Kardinäle ihre Twitteraktivitäten eingestellt. Dazu gehören die italienischen Kardinäle Scola und Ravasi. Sehr sparsam mit ihren Tweets sind die Kardinäle Salazar Gomez aus Bogota (@cardenalruben) sowie die Kardinäle Sistach aus Barcelona (@sistachcardenal) und Dolan aus New York (@CardinalDolan). Die Kardinäle Napier aus Südafrika (@CardinalNapier) und Mahony aus Los Angeles (@CardinalMahony) hingegen sind weiter fleißig am zwitschern.

P.S. Eine kurze Anmerkung noch zum Telegramm der Kardinäle an den emeritierten Papst. Gestern hieß es, die Purpurträger wollten eine Botschaft an Benedikt XVI. richten. Heute wurde daraus ein neunzeiliges Telegramm. Darin bekunden die Kardinäle die „Dankbarkeit der ganzen Kirche“ für die „unermüdliche Arbeit im Weinberg des Herrn“ sowie den „außerordentlich reichen pastoralen Einsatz für das Gute der Kirche und der Welt“. Neun Zeilen nach knapp achte Jahren Pontifikat. Das erscheint mir doch etwas kurz. Aus einer Botschaft wurde ein Telegramm. Wie ist das zu werten?