Es geht los!
Schweigende Kardinäle und eine riesige Schar von Medienvertretern, die sich auf jeden Purpurträger stürzt, der ihr über den Weg läuft. Das sind die Bilder des Tages hier aus Rom. Am Nachmittag wurden die Kardinäle, die zu Fuß in den Vatikan kamen, auf den letzten Metern jeweils von zwei Polizisten zum Schutz vor den Journalisten begleitet, da sonst kein Durchkommen gewesen wäre. Die Papstwahl ist wohl die geheimste Wahl der Welt; und doch wollen alle alles ganz genau wissen. Das passt nicht zusammen. Entsprechend groß ist die Freude, wenn dann doch ein Kardinal plaudert. Etwa heute morgen der Pariser Erzbischof, Kardinal André Vingt-Trois. Auch wenn der keine großen Neuigkeiten verkündet: Der neue Papst müsse mehrere Sprachen sprechen, ein Mann des Gebets und des Glaubens sein und möglichst zwischen verschiedenen Zivilisationen und Kulturen vermitteln können. Natürlich müsse er auch in der Kurie etwas verändern, erklärt der 70-jährige Franzose. Woher der neue Papst komme, sei zweitrangig. Alles sei im Moment möglich. Wie lange das Konklave dauern werde, hänge von den Generalkongregationen ab. Wenn die gut arbeiteten, könne es durchaus ein kurzes Konklave geben.
Bei den beiden Kardinalstreffen heute wurde bisher noch wenig inhaltlich gearbeitet. Am Morgen ging es vor allem um organisatorische Fragen; am Nachmittag hielt der Päpstliche Hausprediger, Kapuzinerpater Raniero Cantalamessa, eine Betrachtung über die Situation der Kirche. Am Vormittag nahmen 142 der 207 Kardinäle teil, 103 von ihnen Papstwähler. Es fehlten bei den Wählern die Kardinäle Naguib (Ägypten), Rai (Libanon), Rouco-Varela (Spanien), Sarr (Senegal), Nycz, Grocholewski (beide Polen), Duka (Tschechische Republik), Pham Minh Man (Vietnam), Tong Hon (China) sowie die deutschen Kardinäle Lehmann, Meisner und Woelki. Die beiden Letztgenannten haben an der Nachmittagssitzung teilgenommen, ebenso Patriarch Rai und Kardinal Sarr.
Die US-amerikanischen Kardinäle sind schon seit Tagen in Rom. Sie zeigen Einigkeit und Präsenz. Zu den Sitzungen kommen sie gemeinsam in einem kleinen Minibus und umgehen so die Fragen der Journalisten vor den Toren des Vatikans. Sie lieben es geordnet und organisieren daher am Nachmittag eine eigene Pressekonferenz. Die US-amerikanische Kirche ist finanzstark und will damit auch in Rom ein Wörtchen mitreden. Zumal in den letzten Jahren aus ihrer Sicht einiges schief gelaufen ist im Vatikan. Darüber wird zu reden sein, erklärte Kardinal Francis George aus Chicago bei der Pressekonferenz.
Kardinal George, wie auch sein Kollege Kardinal Donald Wuerl aus Washington, machte nicht den Eindruck, als hätte er es eilig mit dem Beginn des Konklaves. Wichtig sei jetzt erst einmal zu hören, die Situation der Kirche zu analysieren. Für Wuerl war daher auch die Kaffeepause ein wichtiger Punkt bei den Beratungen. Denn da gebe es die Gelegenheit sich kennenzulernen; eine ganz fundamentale Sache in diesen Tagen, die dann beim Mittag- und Abendessen in den Unterkünften der Kardinäle fortgesetzt wird.
Beide wollten sich nicht auf einen Termin für das Konklave festlegen. Allerdings gab Kardinal George zu bedenken, dass, wie er selbst, bis zur Karwoche wohl alle Kardinäle wieder Zuhause sein wollten. Kardinal Wuerl stellte noch fest, dass er davon ausgeht, dass man auf alle wahlberechtigten Kardinäle warten muss, bis ein Konklavetermin festgesetzt werden kann. Er glaube, das sei auch Konsens in der Versammlung. Da der Mainzer Kardinal Karl Lehmann erst morgen am Nachmittag nach Rom anreist, würde das bedeuten, dass frühestens am Mittwoch mit einem Konklavetermin zu rechnen ist; denn die Kardinäle haben am Nachmittag beschlossen, dass sie sich in den nächsten beiden Tagen nur vormittags treffen. Ob es dann auch um die Vatileaks-Affäre geht, ist noch offen. Mehrere Kardinäle haben heute noch einmal festgestellt, dass sie detaillierte Informationen zu den Vorgängen haben möchten – etwa der Südafrikaner Wilfried Napier, der Franzose Philippe Barbarin und auch die beiden bereits zitierten US-Kardinäle.