Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog

Interessantes und Hintergründiges aus dem Vatikan

Die Geburt Jesu: die CD zum Ereignis

Der Papst schreibt ein Buch über die Geburt Jesu – und die Päpstliche Schweizergarde veröffentlicht die CD dazu. „Weihnachten mit der Schweizergarde“ lautet der Titel des Werks, das gestern am Fest der Heiligen Cäcilia, der Patronin der Musik, im Vatikan vorgestellt wurde. Das Bläserquintett der Garde hat zusammen mit der Harfenistin Daniela Lorenz 18 Advents- und Weihnachtslieder eingespielt. Aus dem Erlös der CD werden je zur Hälfte die Arbeit der Garde und Sozialprojekte unterstützt.

Bläserquintett mit Harfenistin

Für viele sind die jungen Männer in ihren bunten Uniformen in den Farben der Medici nur ein beliebtes Fotomotiv an den Eingängen zum kleinsten Staat der Welt. Doch was nach außen wie reine Folklore wirkt, ist ein knochenharter Job. Rund 110 Mann ist die Truppe stark. Sie sind zusammen mit der Vatikanischen Gendarmerie für die Sicherheit des Papstes verantwortlich. Neben den normalen Wachdiensten müssen sie auch als Ehrenformation beim Empfang von Staatsgästen antreten. Dazu kommen die Ordnerdienste bei Gottesdiensten und Audienzen des Papstes. Da bleibt wenig Freizeit. Die nutzen die Gardisten zum Sport oder eben zum Musizieren in der Gardekapelle.

Bischof de Nicolò und Vizekommandant Graf

Die Realisierung der CD war nicht ganz einfach, erklärte Vizekommandant Christoph Graf gestern Abend bei der Vorstellung. Nach einem Konzert des Bläserquintetts im vergangenen Dezember hatte Garde-Kommandant Daniel Anrig die Idee, nach über 30 Jahren wieder eine Musik-CD zu produzieren. Doch die übrigen Führungskader waren dagegen; Anrig musste sie erst mühsam überzeugen. Doch im Februar gingen die Aufnahmen los – in einem Studio von Radio Vatikan. Die ersten Töne erklangen just an dem Tag, an dem es in Rom nach Jahren erstmals wieder schneite, erklärt Franz Hürlimann, einer der beiden Saxophonisten. Für den jungen Gardisten ein bewegender Moment. Die Aufnahmen waren harte Arbeit, berichtet er. Teilweise hätten sie einzelne Stücke mehr als 25 Mal eingespielt, bis alle zufrieden waren. Für das Projekt verzichtete Hürlimann sogar über Wochen auf seinen geliebten Sport. Nach gut einem Monat waren die 18 Stücke im Kasten. Für die CD arbeiteten die Gardisten (Saxophon, Waldhorn, Klarinette, Posaune sowie Tambour) mit Daniela Lorenz zusammen, einer Expertin für lateinamerikanische Harfe.

Bald ein Musikstar? Saxophonist Franz Hürlimann

Die Feierstunde im Gardequartier bot an einem lauen Novemberabend für manchen Gast die Gelegenheit, die Stürme der vergangenen Monate für einen Moment zu vergessen. Kurienbischof Paolo de Nicolò hatte beim Gottesdienst im Petersdom vor dem Festakt die „Harmonie“ in den Mittelpunkt seiner Predigt gestellt. Die sei nicht nur in der Musik wichtig; sondern auch für jeden Einzelnen sowie im Miteinander. So schien die Hoffnung vieler Gäste an diesem Abend, dass nach den Zerwürfnissen und Verdächtigungen der jüngsten Vergangenheit im Vatikan wieder etwas mehr Harmonie einkehrt.

Informationen zur CD gibt es auf der Internetseite der Päpstlichen Schweizergarde: http://www.swissguard.va/uploads/media/121122_CD_Taufe.pdf.

Die Kindheit Jesu: Wie es wirklich war!

Wer spektakulär Neues vom Papstbuch über die Kindheitsevangelien erwartet hat, der wird enttäuscht sein von den rund 130 Seiten Text. Den christlichen Glauben aus den Angeln zu heben, darin sieht Joseph Ratzinger nicht sein Aufgabe. Vielmehr geht es ihm darum, die biblischen Erzählungen, die heute an vielen Stellen bisweilen von Wissenschaftlern wie „einfachen“ Gläubigen in Zweifel gezogen werden, neu zu erschließen und ihren Wahrheitsgehalt darzulegen. Das macht er in einer Mischung aus wissenschaftlicher, sprich historisch-kritischer Herangehensweise und gleichzeitiger religiöser Deutung der Ereignisse. Was er darunter versteht, schreibt er in seinem zusammenfassenden Urteil über die Kindheitsgeschichte im Matthäusevangelium. Diese sei „nicht eine in Geschichte gekleidete Meditation, sondern umgekehrt: Matthäus erzählt uns wirkliche Geschichte, die theologisch bedacht und gedeutet ist, und hilft uns so, das Geheimnis Jesu tiefer zu verstehen“.

Benedikt XVI. zweifelt nicht an der Jungfrauengeburt. Es gebe bisher keine andere plausible Erklärung, als dass sie „wahr ist“. Bei der Suche nach Erklärungen für die Jungfrauengeburt widerspricht Ratzinger einer These des Kirchenlehrers Augustinus. Das ist ungewöhnlich, denn Benedikt XVI. ist als großer Augustinusfreund bekannt. An dieser Stelle folgt er ihm nicht. Maria habe nicht, wie Augustinus sagte, ein Jungfräulichkeitsgelübde abgelegt und sich verlobt, um mit Josef einen „Schützer ihrer Jungfräulichkeit“ zu haben. Vielmehr kommt Ratzinger zu dem Ergebnis, – in Einklang mit dem protestantischen Theologen Karl Barth – dass es in der Geschichte Jesu zwei Punkte gebe, an denen Gottes Wirken unmittelbar in die materielle Welt eingreife: die Geburt aus der Jungfrau und die Auferstehung aus dem Grab. „Insofern sind diese beiden Punkte Prüfsteine des Glaubens. Wenn Gott nicht auch macht über die Materie hat, dann ist er eben nicht Gott.“ Dieses Fazit überrascht etwas, da Ratzinger wenige Seiten vorher betont, dass Gott bei der Geburt Jesu auf die Freiheit des Menschen angewiesen ist: „Er [Gott] kann den frei geschaffenen Menschen nicht ohne ein freies Ja zu seinem Willen erlösen. Die Freiheit erschaffend, hat er sich in gewisser Weise vom Menschen abhängig gemacht.“

Wie schon in den anderen beiden Bänden der Jesustrilogie zeigt Ratzinger die enge Verbindung zwischen Christentum und Judentum auf. Jesus und seine Familie seien fromme Juden gewesen, die das Gesetz beachteten. Ratzinger weist die Vorstellung von Jesus als einem Revolutionär entschieden zurück. „Die Freiheit Jesu ist nicht die Freiheit des Liberalen. Es ist die Freiheit des Sohnes und so die Freiheit des wahrhaft Frommen.“ Freiheit und Gehorsam gegenüber Gott gehörten untrennbar zusammen. Umgekehrt müssten Politik und Glauben getrennt werden. „Wo sich der Kaiser vergöttlicht und göttliche Qualitäten in Anspruch nimmt, überschreitet die Politik ihre Grenzen und verspricht, was sie nicht leisten kann.“ An wenigen Stellen blitzen in dem sehr theologisch und spirituell gehaltenen Buch Bezüge wie diese zur Aktualität auf. Etwa auch dann, wenn Ratzinger bei der Auslegung der Erzählung von den drei Magiern von der „Ambivalenz des Religiösen“ spricht und davor warnt, dass das Religiöse dämonisch und zerstörerisch sein kann, wenn es sich gegen Gott stellt. Eine kleine Spitze findet sich gegen die theologische Wissenschaft, die sich nicht im akademischen Disput erschöpfen dürfe.

Ein Gedanke zieht sich durch das Werk durch, der einen starken Gegenwartsbezug hat. Gleich an mehreren Stellen macht Benedikt XVI. deutlich, dass „Gott stört“. Er handelt anders, als der Mensch es erwartet und hat damit etwas Provokatives. „Wir alle wissen, wie sehr heute Christus Zeichen eines Widerspruchs ist, der im Letzten Gott selbst gilt. Gott selbst wird immer wieder als die Grenze unserer Freiheit gesehen, die beseitigt werden müsse, damit der Mensch ganz er selber sein könne. Gott steht mit seiner Wahrheit der vielfältigen Lüge des Menschen, seiner Eigensucht und seinem Hochmut entgegen.“ Unausgesprochen stecken in diesen Ausführungen Fragen, die seit langer Zeit gerade auch im deutschen Sprachraum heftig diskutiert werden: Was bedeutet das für das Auftreten der Christen in Politik und Gesellschaft? Wie eckig und kantig muss Kirche heute sein, wenn der Stifter mit seinem Verhalten und seiner Botschaft aneckte? „Erlösung ist nicht Wellness,“ lautet das Fazit des Papstes. Klingt da auch etwas von „Entweltlichung“ durch?

Das Projekt „Jesusbuch“ war ein Herzensanliegen von Joseph Ratzinger. Nun ist es vollbracht. Anfang nächsten Jahres soll eine Enzyklika über den Glauben veröffentlicht werden. Dann liegt auch bei den Enzykliken eine große Trilogie über die drei Göttlichen Tugenden vor: Glaube (2013), Hoffnung (Spe salvi, 2007) und Liebe (Deus caritas est, 2005). Man darf gespannt sein, was der Papst sich jetzt als nächstes großes Projekt vornimmt.

Literaturhinweis: Joseph Ratzinger / Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Prolog. Die Kindheitsgeschichten. Herder-Verlag Freiburg 2012. EUR 20,–.

Die Kindheit Jesu – unter Embargo

Erstauflage: eine Million in neun Sprachen

Im Vatikan wurde heute Vormittag das neue Jesusbuch des Papstes vorgestellt: „Jesus von Nazareth – Prolog: Die Kindheitsgeschichten“. Es ist der dritte Band der Jesustrilogie von Joseph Ratzinger, Benedikt XVI. Genauer gesagt ist es eigentlich der erste Band; denn in dem vorliegenden Buch geht es um die Geburt und Kindheit Jesu bzw. das, was Lukas und Matthäus darüber in ihren Evangelien berichten. Was in dem Buch drinsteht, darf leider noch nicht verraten werden. Denn obwohl es der Weltöffentlichkeit vor wenigen Stunden in neun Sprachen präsentiert wurde, gibt es eine Sperrfrist bis heute Nacht 24 Uhr. Morgen ist das Buch dann mit einer Erstauflage von einer Million in den Buchhandlungen in rund 50 Ländern weltweit; die Startauflage der deutschsprachigen Ausgabe liegt bei 100.000.

Details zum Inhalt gibt es also erst morgen – oder bei denen, die das Embargo brechen. Soviel vielleicht vorab aus den Text-Steinbrüchen, die nach der Pressekonferenz in Rom freigegeben wurden: „Das Buch ist eine theologische Meditation“ erklärte eine brasilianische Theologin auf dem Podium. Damit dürfte der zentrale Punkt des Werks getroffen sein. Es handelt sich um eine theologische und spirituelle Annäherung an Jesus von Nazareth – mit teils sehr persönlichen Zügen des Autors. Wie schon in den anderen beiden Bänden versucht Benedikt XVI. eine Verbindung von wissenschaftlicher, historisch-kritischer Herangehensweise an die Texte mit einer religiösen Deutung. Wissenschaft/Vernunft und Glaube versucht er zusammenzubringen, um Herkunft, Geburt und Kindheit Jesu zu deuten. Es geht Ratzinger darum, die Historizität der in den Evangelien geschilderten Ereignisse sowie die Gottes-Sohnschaft Jesu plausibel zu machen.

Für Benedikt XVI. klingen etwa in den Kindheitsevangelien bereits die großen Themen des Lebens und der Botschaft Jesu an. Der universale Anspruch Jesu und der christlichen Botschaft sieht er etwa im Hinweis auf die Volkszählung unter Kaiser Augustus bei Lukas angedeutet (Lk 2,1): „Erst in diesem Augenblick, in dem eine Rechts- und Gütergemeinschaft auf breitem Raum besteht [durch das römische Weltreich] und eine universale Sprache einer kulturellen Gemeinschaft die Verständigung im Denken und Handeln ermöglicht hat, kann eine universale Heilsbotschaft, kann ein universaler Heilsbringer in die Welt hineintreten.“ Ein anderes Beispiel sind etwa die Engel bei der Verkündigung der Geburt Jesu an die Hirten. Da sprechen die Engel bereits vom „Messias“ (Lk 2,10f).

Mit der Veröffentlichung des aktuellen Bandes ist ein Herzensprojekt Joseph Ratzingers abgeschlossen. Erstmals sprach er 2002 in einem Interview über seinen Wunsch, ein Jesusbuch zu schreiben. Im Sommer 2004 waren die ersten drei Kapitel fertig; dann kam im April 2005 die Wahl zum Papst. Er nutzte jede freie Minute, um das Werk zu vollenden. Im April 2007 zu seinem 80. Geburtstag kam der erste Band heraus, der die Zeit von Jesu Taufe bis zu „Verklärung“ behandelte. 2010 kam der zweite Band von der Passion bis zur Auferstehung heraus. Jetzt „endlich“, wie Ratzinger im Vorwort schreibt, kommt der dritte Band. Insgesamt umfasst die Trilogie über 1000 Seiten. Bei allen drei Bänden steht an erster Stelle der bürgerliche Name Joseph Ratzinger; erst dann folgt der Papstname. Ratzinger möchte das Buch nicht als lehramtliche Publikation verstanden wissen, sondern als Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion über Jesus von Nazareth.

Kritiker warfen Benedikt XVI. in den vergangenen Jahren immer wieder vor, er kümmere sich zu wenig um die Kirchenpolitik, führe die Kirche nicht richtig, und schreibe stattdessen theologische Bücher. Wer, wenn nicht der Papst, sollte theologische Bücher über Jesus schreiben? Wichtig ist dann, dass seine Mitarbeiter wie etwa der Kardinalstaatssekretär den politischen Part gut abdecken. Ob das der Fall ist, ist ein anderes Thema.

Was der Papst zur Jungfrauengeburt sagt, zum Stern von Betlehem und dem Verhältnis von Glaube und Politik – das kommt nach Ende des Embargos; bis dahin muss die Kindheit Jesu noch etwas warten.

Kommt der Papst nach Rio?

242 Tage sind es noch bis zum nächsten Weltjugendtag. Der findet vom 23. bis 28. Juli 2013 in Rio de Janeiro in Brasilien statt. Heute wurde im Vatikan die Papstbotschaft für das Jugendtreffen am Zuckerhut veröffentlicht. Darin lädt Benedikt XVI. die Jugendlichen ein, nach Rio zu kommen. Ob er selbst allerdings kommen wird, sagt er nicht. Bisher hat der Vatikan noch keine offiziellen Reisepläne für das nächste Jahr veröffentlicht. Das ist ungewöhnlich. In den vergangenen Jahren gab es bis Mitte November meistens schon einige Ideen für mögliche künftige Reiseziele. Aber eines scheint klar, der Weltjugendtag ist ein Pflichttermin für den Papst. Ein WJT ohne Papst ist kaum vorstellbar. Benedikt XVI. ist dann 86 Jahre alt; die Reise wird sicher nicht einfach werden. Allerdings hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass die Begegnung mit Jugendlichen den Pontifex aufbaut.

In seiner Botschaft ermutigt Benedikt XVI. die Jugendlichen, ihren Glauben selbstbewusst zu leben. Er fordert sie auf, vor allem in zwei Bereichen als Missionare tätig zu sein: im „digitalen Kontinent“, dem Internet, und im Bereich der „Mobilität“. Junge Menschen reisten heute viel – aus beruflichen Gründen, zu Studienzwecken oder zur Unterhaltung. Hier böten sich viele Gelegenheiten für die Verbreitung des Evangeliums. Zum Thema Internet schreibt der Papst in Anlehnung an seine Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel 2009: „Liebe junge Menschen, fühlt euch verantwortlich, in die Kultur dieser neuen kommunikativen und informativen Umwelt die Werte einzubringen, auf denen euer Leben ruht! Euch jungen Menschen, die ihr euch fast spontan im Einklang mit diesen neuen Mitteln der Kommunikation befindet, kommt in besonderer Weise die Aufgabe der Evangelisierung dieses ‚digitalen Kontinents’ zu.“

In Deutschland werben die Bistümer in diesen Monaten intensiv für die Teilnahme am WJT in Rio. Neben den Kosten lässt vor allem die Frage nach der Sicherheit viele Jugendliche zögern. Beim letzten Weltjugendtag in Madrid waren über 16.000 Deutsche dabei. In Rio wird sich die Zahl wohl eher im Bereich des WJT in Sydney 2008 bewegen. Damals waren 6.000 Deutsche angereist. Insgesamt rechnen die Organisatoren mit bis zu zwei Millionen Teilnehmern. Einer von ihnen soll der Papst sein. Darauf hoffen alle.

Reformation 2017 – ein Grund zu Feiern?

Mann der Ökumene: Kardinal Kurt Koch (dpa)

Gibt es 2017 etwas zu feiern oder nicht? Darüber streiten sich seit langer Zeit Katholiken und Protestanten – nicht nur in Deutschland. Der Ökumeneminister des Vatikans, Kardinal Kurt Koch, stellt heute in einem Interview der Rheinischen Post noch einmal klar, dass aus katholischer Sicht das Datum kein Grund zum Feiern sei. Die Reformation habe Positives gebracht; aber sie habe auch zur Kirchenspaltung und zu den anschließenden blutigen Konfessionskriegen im 16. und 17. Jahrhundert geführt. Mit einem Reformations-Gedenken hat Koch hingegen kein Problem. Schon bei früheren Gelegenheiten erinnerte Koch bei seiner kritischen Sicht des „Jubiläums“ an die Worte des protestantischen Ökumenikers Wolfhart Pannenberg. Der hatte die Kirchenspaltung und die daraus entstandenen Konfessionskriege als eine – wenn auch ungewollte – Ursache der neuzeitlichen Säkularisierung und der damit verbundenen Abdrängung von Religion und Kirche in den privaten Bereich gesehen. Die modernen Gesellschaften hätten sich angesichts der blutigen Auseinandersetzungen der Konfessionen eine Grundlage des Zusammenlebens geschaffen, das von diesen Konfliktparteien unberührt war.

Was erwarten die Protestanten von den Katholiken mit Blick auf 2017? Der amtierende Ratsvorsitzende, Präses Nikolaus Schneider, wie viele andere Protestanten auch, erwartet ein Signal, ein Zeichen des Papstes. Die Reformationsbotschafterin und ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margit Käßmann hingegen wird nicht müde zu betonen, dass sie vom Papst nichts mehr in Bezug auf die Ökumene erwartet. Was soll die katholische Seite mit diesen unterschiedlichen Vorstellungen machen? Immerhin wird seit geraumer Zeit in der katholischen Kirche über eine Art Schuldbekenntnis diskutiert. Aus dem Schülerkreis des Papstes verlautete im Sommer, dass auch Benedikt XVI. sich so etwas vorstellen könne. Allerdings, und darauf legt man in Rom Wert, müsse es sich dabei um ein „beidseitiges“ Vergewissern über Fehler in der Vergangenheit handeln. Denn offensichtlich ist man sich auf katholischer Seite im Klaren darüber, dass man Fehler gemacht hat und im 16. Jahrhundert durchaus Veränderungen notwendig gewesen wären.

Ganz in diesem Sinne erklärte Kardinal Koch in dem bereits erwähnten Interview, dass er seinerzeit auf der Seite der Kirchenreformer gestanden hätte. Allerdings kann sich Koch Veränderungen nur in Einheit mit Kirche und Papst vorstellen. Hier unterscheidet er sich dann vom späteren Verlauf der Reformation. Papst Benedikt XVI. bekräftigte heute übrigens noch einmal, dass „die sichtbare Einheit unter den getauften Christen“ das Ziel aller ökumenischen Bemühungen sei. Er empfing die Mitglieder der Vollversammlung des vatikanischen Einheitsrats. Dabei erklärte er, dass die Glaubenskrise in der Welt eine Herausforderung für alle Christen sei. Trotz der „Unvollständigkeit der kirchlichen Gemeinschaft“, müsse man gemeinsam gegen die wachsende religiöse Gleichgültigkeit kämpfen. Hier ließe sich im Anschluss an Pannenberg sicher fragen, ob nicht gerade die noch bestehende Spaltung Mitursache für die wachsende religiöse Gleichgültigkeit ist. Zwar werden die Auseinandersetzungen heute nicht mehr mit dem Schwert geführt. Doch gibt es nach wie vor Unterschiede und „verbale Grabenkämpfe“ um die Wahrheit, die die Menschen durchaus sensibel wahrnehmen.

Musik erfrischt

Benedikt XVI. wirkte müde, als er gestern Abend in die Sixtinische Kapelle kam. Ein kleiner Kreis von Auserwählten erwartete ihn und seinen Bruder zur vatikanischen Erstaufführung der Messe, die von Georg Ratzinger zum Heiligen Jahr 2000 komponiert worden war. Das Festival der Stiftung Pro Musica et Arte Sacra, das derzeit im Vatikan stattfindet, war der Anlass für diese Sonderveranstaltung.

Die Cappella Musicale Pontificia Sistina unter ihrem Dirigenten Massimo Palombella brachte das Werk zur Aufführung, ergänzt durch ein Credo von Palaestrina und zwei weiteren Kompositionen. Ein Genuss fuer alle Zuhörer, der Musik zu lauschen und die wunderbaren Fresken Michelangelos zu bewundern, die – zumindest die Deckenfresken – gerade erst ihr 500-jähriges Bestehen feiern konnten.

Für den Papst schien die Musik und die Gesellschaft seines Bruders ein Jungbrunnen zu sein; denn als er die Sixtinische Kapelle verließ, schien er deutlich erfrischt.

Ex-Ölmanager wird Anglikanerprimas

Was für eine Karriere: Justin Welby ist erst seit einem Jahr anglikanischer Bischof und jetzt soll er geistliches Oberhaupt der rund 80 Millionen Anglikaner weltweit werden. Am Vormittag wurde in London offiziell bestätigt, dass der 56-Jährige Nachfolger von Rowan Williams als Erzbischof von Canterbury werden soll. Williams (60) gibt sein Amt zum Jahresende auf und kehrt in die Wissenschaft zurück. Welby ist Jurist, Theologe und fünffacher Familienvater. Bevor er 1993 zum Priester geweiht wurde, war er elf Jahre als Finanzmanager in der Ölbranche tätig. Erst seit Oktober 2011 ist er Bischof von Durham im Nordosten Englands.

Seine Managementqualitäten wird der Quereinsteiger in den nächsten Jahren gut brauchen können. Als Ehrenoberhaupt der Anglikaner hat er eigentlich keine Macht; muss aber trotzdem die 80 Millionen Anglikaner zusammenhalten. Und das ist nicht immer einfach. Das musste der scheidende Primas, Rowan Williams, in den letzten Jahren immer wieder schmerzlich erfahren. Am Streit um die Bewertung der Homosexualität und die Frage der Bischofsweihe für Frauen droht die anglikanische Weltgemeinschaft seit Jahren zu zerbrechen. Im Moment herrscht Waffenstillstand zwischen den Streitparteien innerhalb der Kirche.

Diese internen Schwierigkeiten brachten das ökumenische Gespräch nahezu zum Erliegen. Zwar blieb der Kontakt etwa zwischen Rowan Williams und dem Vatikan immer sehr eng – jüngstes Beispiel ist die Teilnahme des Primas am Gottesdienst zum 50. Jahrestag der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils am 11. Oktober 2012 auf dem Petersplatz im Vatikan; doch theologisch kam man in den letzten Jahren nicht viel weiter. Einige konservative Anglikaner sind in den letzten Jahren zur katholischen Kirche übergetreten. Der Vatikan hatte eigens für die eine Struktur geschaffen, die mit dem Kurs einiger Nationalkirchen der Anglikaner – etwa der Öffnung für Frauen im Priesteramt und der positiven Haltung gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften – nicht einverstanden waren. Dieser Schritt führte ebenfalls zu Verstimmungen im Dialog zwischen Canterbury und Rom.  

Ob sich das ökumenische Klima unter Welby ändern wird, ist noch nicht abzusehen. Welby gehört eher dem evangelikalen Flügel an, die traditionell eher konservative Positionen vertreten. So lehnte er etwa wiederholt die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ab; zugleich zeigte er sich aber in der Vergangenheit bei der Frage der Bischofsweihe für Frauen kompromissbereit. Welby ist ein großer Freund der katholischen Liturgie. Vielleicht findet sich ja darüber eine Brücke für den Dialog.

Ehe für alle?

Streitpunkt Gleichgeschlechtliche Partnerschaften (dpa)

Wer heute Morgen die FAZ aufschlägt, kommt um das Thema nicht herum: „Ehe für Homosexuelle in den USA“ auf Seite 2, „Spanisches Verfassungsgericht entscheidet für Homo-Ehe“ und „Regierung Frankreichs bringt Homo-Ehe auf den Weg“ auf Seite 6. Rund um den Globus erhitzt das Thema einmal mehr die Gemüter. Die katholischen Bischöfe in den betroffenen Ländern und der Vatikan lehnen die Gesetzesinitiativen stets mit mehr oder weniger markigen Worten ab. Sie sehen durch derartige Initiativen die traditionelle Ehe zwischen Mann und Frau gefährdet. Aber ist das so? Dieser Vorwurf setzt ja voraus, dass sich eine Person freiwillig entscheidet, ob sie eine Beziehung mit einem Mann oder mit einer Frau eingeht? Ist das so? Entscheidet man über seine sexuelle Orientierung so, wie über den Kauf eines neuen Autos?

Spanien gehört weltweit zu den ersten Ländern, die gleichgeschlechtliche Partnerschaften legalisierten. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes im Juli 2005 bis 2011 wurden dort laut Statistikamt 20.000 Partnerschaften geschlossen. Das sind zwei Prozent (!) aller Eheschließungen im Land in diesem Zeitraum. Die Verhältnisse sind in den anderen Ländern, in denen gleichgeschlechtliche Partnerschaften möglich sind, ähnlich. Ist es da nicht auch eine Frage der Prioritäten? Sollte sich Kirche nicht darauf konzentrieren, dass die 98 Prozent der Eheschließungen gelingen und eine Perspektive haben, anstatt die zwei Prozent zu verhindern zu suchen? Eines soll hier noch klargestellt sein: Es geht hier um die Frage nach der kirchlichen Position zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, nicht um die dann weitergehenden Forderungen, was Adoption o.ä. anbetrifft. Das ist dann ein neues Thema. Ein eigenes Thema ist auch die Hetze gegen Homosexuelle auf vermeintlich katholischen Internetseiten wie kreuz.net.

Spannend ist es, die Debatte in der katholischen Moraltheologie zu verfolgen. Dort lässt sich in den letzten Jahren eine Akzentverschiebung von der Sexualethik hin zur Beziehungsethik feststellen. Vor diesem Hintergrund können sich dann auch katholische Moraltheologen vorstellen, dass eine gleichgeschlechtliche Beziehung, die denselben Anforderungen unterliegt wie eine heterosexuelle Beziehung (dauerhaft, treu, freiwillig etc.) eine Qualität hat, die schützenswert ist. Man erinnere sich auch an die Aussage des Berliner Kardinals Rainer Maria Woelki beim Katholikentag im Mai in Mannheim. Damals sagte er, dass es vorstellbar sei, dass „dort, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, wo sie in einer dauerhaften homosexuellen Beziehung leben und umgehen, dass das in ähnlicher Weise zu einer heterosexuellen Beziehung anzusehen ist“. Die harten Vorwürfe, die Woelki aus bestimmten Kreise danach erreichten, zeigen deutlich, dass selbst so vorsichtige Annäherungen in katholischen Kreisen immer noch schwierig sind.

Der gemeinsame Glaube verpflichtet

Christen und Muslime glauben an den einen Gott. Eine Feststellung, die sowohl im Koran als auch in der Erklärung  „Nostra Aetate““ des Zweiten Vatikanischen Konzils (das ja in diesem Jahr 50jähriges Jubiläum feiert) ausdrücklich enthalten ist und die im alltäglichen Miteinander der Religionen gerne vergessen wird. Das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken hat jetzt in einer Erklärung seines christlich-muslimischen Gesprächskreises daran erinnert und den gemeinsamen gesellschaftspolitischen Auftrag betont, der aus dem Glauben erwächst.

Dem Gesprächskreis gehören 11 Christen und 7 Muslime an. Das zahlenmäßige Ungleichgewicht entspricht der ursprünglichen anwaltschaftlichen Funktion, die Christen für Muslime übernommen hatten. Diese ist heute einer Partnerschaft gewichen, denn die Muslime haben sich inzwischen in der deutschen Gesellschaft etabliert und haben ihre eigenen Institutionen und Organisationen. Es geht daher darum, so die Erklärung, bei aller Unterschiedlichkeit, die gemeinsamen Werte und ethischen Maßstäbe zu betonen und die Zusammenarbeit auszubauen. Handlungsfelder, auf denen eine partnerschaftliche Zusammenarbeit nötig ist, gibt es genug, von Altenarbeit und Notfallseelsorge über Bildung und internationale Entwicklungszusammenarbeit bis hin zu gemeinsamer Stellungnahme zu ethischen Fragestellungen in Gesellschaft und Politik.

Mit einer klaren Absage an jede Art von Fundamentalismus setzen sich die Autoren für eine pluralistische Gesellschaft ein. „Pluralismus ist kein notwendiges Übel, sondern Ausdruck der Menschenwürde, von Gott gewollt und notwendige Folge menschlicher Freiheit“, heißt es wörtlich. Dies gelte innerhalb und außerhalb der Religionen. Mit diesem Plädoyer für einen Pluralismus, der im gemeinsamen Glauben an den einen Gott wurzelt, legt die Erklärung eine Grundlage für einen Dialog, der gemeinsames Handeln und gegenseitige Anerkennung ermöglicht und auch andere Religionen einbezieht. Es wäre zu wünschen, dass viele Christen und Muslime diese Erklärung nicht nur lesen, sondern auch umsetzen.

Im Kampf gegen den Missbrauch

Der Kampf gegen Missbrauch muss weiter gehen

Kampagne gegen Missbrauch

Aus den Schlagzeilen der Weltpresse ist der sexuelle Missbrauch weitgehend verschwunden – doch das Thema muss bleiben und wird auch in der katholischen Kirche weiter behandelt. Zum einen geht es um die lückenlose Aufklärung von Verbrechen in der Vergangenheit, zum anderen um die Prävention künftiger Fälle. Mit Letzterem tut sich die Kirche leichter und wird gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppierungen sogar zum Vorreiter. Auf einer internationalen Konferenz der katholischen Kirche in Freising bei München wurde jetzt ein neues Schulungsprogramm vorgestellt, das vom Kinderschutzzentrum in München entwickelt wurde und ab 2014 von Kirchenmitarbeitern in aller Welt genutzt werden soll.

 Der Missbrauchsskandal hat die katholische Kirche in vielen Ländern erschüttert, die deutsche Kirche hatte er 2010 erreicht. Weltweit haben inzwischen fast 80 Prozent der nationalen Bischofskonferenzen eigene Richtlinien zum Umgang mit diesem Problem erlassen, so der Vizerektor der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, Jesuitenpater Hans Zollner, bei der Tagung. Er glaubt, dass die Vernetzung der katholischen Kirche dazu führen kann, Fehler zu vermeiden, die in anderen Ländern gemacht wurden und voneinander zu lernen.

Benedikt XVI. hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass nur eine Nulltoleranz gegenüber sexuellem Missbrauch die richtige Haltung sein kann. In Deutschland sind inzwischen knapp tausend Opfer entschädigt worden, offene Anträge gibt es nicht mehr. Und auch die Missbrauchsstudie, die die Deutsche Bischofkonferenz beim Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen in Auftrag gegeben hat, läuft weiter, auch gegen den Widerstand einiger Priester, die sich dadurch unter Generalverdacht gestellt sehen. Das Signal, dass radikal aufgeklärt werden soll, ist jedoch für die Öffentlichkeit notwendig, um wieder Vertrauen aufzubauen.