Benedikt XVI. und das Konzil

Die großen Jubiläumsfeiern sind eröffnet. Der Papst feierte in Rom, Bischöfe weltweit in ihren Diözesen. Landauf, landab gibt es in den nächsten Monaten Akademietagungen, Diskussionsveranstaltungen und Gedenkfeiern. Ob sie eine Antwort finden werden auf die Frage, was das Konzil gebracht hat?

„Aggiornamento“ war das große Stichwort. Wie kann die Kirche in der modernen, pluralen Welt ihre Botschaft verkünden? Wie schafft sie den Sprung vom Mittelalter in die Moderne ohne ihre wesentlichen Prinzipien über Bord zu werfen? Diese Frage trieb Papst Johannes XXIII. um, als er Ende Januar 1959 für viele überraschend das Konzil einberief. Über das Ergebnis streiten ein halbes Jahrhundert später Bischöfe, Professoren und Laien rund um den Globus. Das Konzil fand nicht die eine Antwort zur Lösung aller Probleme. In den 16 Dokumenten, die verabschiedet wurden, stecken viele Kompromissformeln. Das bietet weiten Interpretationsspielraum.

Papst Benedikt XVI. rief angesichts des Jubiläums auf, die Originaltexte zu studieren. Diese müssten „von der Masse der Veröffentlichungen befreit werden, die sie häufig verdunkeln statt erhellen“. Die Originale zu lesen schütze „vor den Extremen anachronistischer Nostalgien einerseits und eines Vorauseilens andererseits“. Interessanterweise spricht Benedikt in seiner Predigt am Donnerstag auch von „Neuheit“, die das Konzil brachte; allerdings „Neuheit in Kontinuität“. Im Streit mit der traditionalistischen Piusbruderschaft geht es ja seit Jahren um die Frage, sind manche Beschlüsse des Konzils mit der katholischen Tradition unvereinbar oder nicht. Dazu gehören etwa die Reform der Liturgie, die Anerkennung der Gewissens- und Religionsfreiheit oder aber auch die Öffnung für die Ökumene.

Der junge Theologe Ratzinger und Kardinal Frings - Reformer beim Konzil? (dpa)

Das große Konzilsjubiläum ist eröffnet und damit auch die Zeit intensiver Diskussionen über das Konzil und seine Folgen. Macht die Kirche etwa heute wieder eine Rolle rückwärts hinter die Errungenschaften des Konzils? Welche Rolle spielte der junge Theologe Joseph Ratzinger als Berater des Kölner Kardinals Josef Frings und offizieller Konzilstheologe? Denkt er heute als Papst anders über das Konzil als in den 1960er Jahren? Ist die Kirche überhaupt jemals in der Moderne angekommen? Oder ist das Konzil am Ende gescheitert?

Benedikt XVI. hat angekündigt, in den nächsten Monaten bei den wöchentlichen Generalaudienzen seine Sicht des Konzils darzustellen. Das dürfte spannend werden. Ende November kommt zudem ein neuer Band der Gesammelten Schriften Joseph Ratzingers heraus, in dem auf rund 1.300 Seiten alle Texte Ratzingers zum Konzil zusammengefasst sind – auch seine Vorlagen für die Interventionen von Kardinal Frings beim Konzil. Dann wird sich zeigen, ob das Klischee vom Wandel des jungen Reformers Ratzinger hin zum Papst, der der Kirche eine Rolle rückwärts verordnen will, wirklich taugt.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.