Leo XIV.: Einheit und Liebe
„Eine geeinte Kirche, als Zeichen der Einheit und der Gemeinschaft, die zum Ferment einer versöhnten Welt wird“, das wünscht sich Leo XIV. und dafür will er sich als Papst einsetzen. Beim Gottesdienst zum Beginn des Pontifikats betonte er am Sonntag, dass die Kirche von Rom „den Vorsitz in der Liebe“ innehabe. „Es geht niemals darum, andere durch Zwang, religiöse Propaganda oder Machtmittel zu vereinnahmen, sondern immer und ausschließlich darum, so zu lieben, wie Jesus es getan hat“, erklärte Leo. Sein Fokus lag bei der Predigt auf der Kirche und der Frage, wie diese Sauerteig sein kann in der Welt. Politische Themen streifte er nur kurz. Etwa als er von Wunden sprach, die durch Hass, Gewalt und Angst vor dem Anderen oder „durch ein Wirtschaftsmodell verursacht werden, das die Ressourcen der Erde ausbeutet und die Ärmsten an den Rand drängt“. Er selbst käme „mit Furcht und Zittern“ zu den Menschen, „als Bruder“.
In Christus eins
Die Last des Amts spürt Papst Leo XIV. in diesen Tagen immer wieder. Heute waren die Augen von rund 200 Delegationen aus Politik, Ökumene und der Welt der Religionen auf ihn gerichtet sowie nach offiziellen Angaben rund 200.000 Menschen auf dem Petersplatz und den angrenzenden Straßen. Dazu kamen Millionen Menschen, die über Medien weltweit dabei waren. Sichtlich bewegt war der 69-jährige Pontifex, wenn während des Gottesdienstes immer wieder Applaus aufkam, vor allem nachdem ihm von Kardinälen das Pallium und der Fischerring überreicht worden waren. Anders als sein Vorgänger Franziskus fand die Übergabe nicht vor dem Eingang des Petersdoms auf einem Purpurthron mit purpurnem Baldachin statt, sondern auf einem schlichten beigen Papstthron vor dem Zelebrationsaltar.
In seiner Ansprache waren die Themen Liebe und Einheit zentral. Das Miteinander in der Kirche hatte Leo XIV. in den zehn Tagen seines Pontifikats schon mehrfach angesprochen. Nur wenn die Kirche eins ist, kann sie auch in der Welt etwas bewirken. Dieser Gedanke zog sich heute durch die Predigt. „In dem einen Christus sind wir eins“, zitierte er seinen Wahlspruch als Bischof und jetzt auch als Papst. Dieser Gedanke müsse in der Kirche verwirklicht werden, aber auch mit den christlichen Schwesterkirchen und den Mitgliedern anderer Religionen. „Wir möchten [als Kirche] in diesen Tagen ein kleines Stückchen Sauerteig sein, das Einheit, Gemeinschaft und Geschwisterlichkeit fördert“, so der Papst. Die Kirche braucht nach Ansicht des Pontifex einen missionarischen Geist, ohne dass sie sich in sich verschließt oder der Welt überlegen fühlt.
Zwischen Politik und Soziallehre
In den ersten Tagen des Pontifikats gab es eine Reihe wichtiger Treffen wie das mit den beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomaten am Freitag. Frieden, Gerechtigkeit und Wahrheit waren dabei die zentralen Stichworte. Er forderte einen „aufrichtigen Willen zum Dialog, der von dem Wunsch beseelt ist, sich zu begegnen, anstatt sich zu bekämpfen“. Wie schon Franziskus sprach er sich für eine Rückkehr zur multilateralen Diplomatie und eine Wiederbelebung der internationalen Institutionen aus. Mit Blick auf die Wahrheit stellte er fest, dass wirklich friedliche Beziehungen nicht ohne sie aufgebaut werden könne. Dabei stellte er klar, die Kirche „kann sich ihrerseits niemals ihrem Auftrag entziehen, die Wahrheit über den Menschen und die Welt auszusprechen, auch wenn sie, wenn nötig, zu einer deutlichen Sprache greift, die vielleicht ein anfängliches Unverständnis hervorruft“. So stimmte Leo XIV. die Politik schon einmal auf unbequeme Einlassungen ein. Als aktuelle Herausforderungen bezeichnete er „die Migration, die ethische Nutzung der künstlichen Intelligenz und die Bewahrung unserer geliebten Erde“. Wie sein Vorgänger fordert er eine uneingeschränkte Religionsfreiheit in allen Ländern sowie eine umfassende Abrüstung. „Es kann keinen Frieden geben ohne echte Abrüstung! Der Anspruch eines jeden Volkes, für seine eigene Verteidigung zu sorgen, darf nicht zu einem allgemeinen Wettrüsten führen“, zitierte er Franziskus bei seinem letzten Urbi et orbi am Ostersonntag.
Indoktrination unmoralisch
Eher zufällig dürfte zu den ersten Audienzen auch das Treffen mit Teilnehmern eines Kongresses der Päpstlichen Stiftung „Centesimus annus“ am Samstag gehört haben. Diese setzt sich weltweit für die Verbreitung der katholischen Soziallehre ein und hatte eine lange geplante Konferenz in Rom. Papst Leo XIV. nahm die Begegnung zum Anlass, um grundlegend über das Verhältnis von Wissenschaft und Gewissen, von Dialog und Doktrin zu sprechen. Gerade bei den großen sozialen Fragen sei es weniger wichtig, sofort Antworten zu haben. Es wichtiger zu wissen, wie man sie angehen könne, statt voreilig Antworten zu haben. Das könne die katholische Soziallehre zeigen, der es nicht darum gehe, „die Fahne des Wahrheitsbesitzes hochzuhalten, weder bei der Analyse der Probleme noch bei deren Lösung“. Sie könne vielmehr helfen zu lernen, wie man mit Problemen umgehe.
Leo wollte aufzeigen, dass Lehre und Dialog sich nicht ausschließen, auch wenn Dialog und Doktrin oft als gegensätzlich und unvereinbar gesehen würden. Jede Lehre sei das Ergebnis von Forschung und damit von Hypothesen, Gerüchten, Fortschritten und Fehlschlägen. Somit könne Lehre auch eine Entwicklung erfahren. „Die Indoktrination ist unmoralisch, verhindert ein kritisches Urteilsvermögen, greift die heilige Freiheit an, das eigene Gewissen zu respektieren – auch wenn es falsch ist – und verschließt sich neuen Überlegungen, weil sie sich der Bewegung, dem Wandel und der Entwicklung von Ideen angesichts neuer Probleme verweigert.“ Gerade im Kontext der digitalen Revolution sei ein kritisches Denken notwendig, so der Pontifex. „Um uns herum gibt es wenig Dialog, es überwiegen laute Worte, nicht selten Fake News und irrationale Thesen einiger weniger Mächtiger.“
Päpstlicher Alltag beginnt
Der Anfang ist gemacht. Jetzt muss Papst Leo XIV. sich in die Mühen des päpstlichen Alltags einarbeiten. Mit dem Gottesdienst zum Beginn des Pontifikats ist die Phase des Übergangs abgeschlossen. Leo XIV. hatte schon in den vergangenen Tagen begonnen, einzelne Minister seines Kabinetts zu treffen. Ob er künftig wirklich den Leitungsstil im Vatikan ändern wird und aus dem Nebeneinander in der Kurie ein echtes Miteinander im Sinne eines Kabinetts machen wird, ist noch offen. Doch die, die ihn aus der Vergangenheit kennen, rechnen damit, dass er sein Amt kollegialer ausüben wird, als es unter Franziskus der Fall war.
Vieles ist liegengeblieben auch durch die Krankheit des Vorgängers. Bischofsernennungen stapeln sich auf dem Schreibtisch des Papstes, wobei Leo in vielen Fällen selbst als Präfekt des Bischofsdikasteriums derjenige war, der die Unterlagen vorbereitet hat. Die Entscheidungen müssten ihm daher leicht fallen, da er die Vorgänge bereits kennt. Dann warten alle gespannt darauf, wohin er seine erste Reise macht. Bei Franziskus war das Ziel Lampedusa programmatisch ausgewählt. Spekuliert wird bereits viel: Ukraine, Syrien oder vielleicht doch Peru? Die USA dürften erst einmal nicht auf der Agenda stehen. So hatte er es zumindest einem Journalisten zugerufen bei der Audienz für die Medienvertreter am vergangenen Montag. Da alle von einem langen Pontifikat ausgehen, dürfte noch viel Zeit bleiben, um in das Geburtsland zurückzukehren.
10 Kommentare
Auf mich hat der Gesichtsausdruck des Papstes während der gesamten Feier etwas gequält gewirkt.
Als promovierter Kirchenrechtler wird er Reformen, falls er welche vornehmen sollte, mit Sicherheit entsprechend absichern.
Bin mal gespannt, ob Fernandez Glaubenspräfekt bleiben wird. Fernandez hat ja den Stil von Franziskus, sich möglichst unpräzise auszudrücken. Damit meine ich vor allem die Regelung Fiducia suplicans.
Übrigens habe ich gelesen, dass Leo bereits einen Privatsekretär ernannt hat und diesen wohl dauerhaft behalten will. Ein peruanischer Priester, den er aus seiner Zeit als Bischof in Peru kennt. Finde ich gut, wenn der Papst einen festen Sekretär hat, der loyal ist und dem er vertrauen kann.
Sehr gespannt bin ich, wie der Papst sich zum Synodalen Weg in Deutschland verhalten wird.
Eine berührende Feier heute. Und im Grunde sogar noch bescheidener als bei Franz. Ich finde den Fokus auf die Einheit zu legen, spannend, denn in einem sind die Christen ja eins: In Christus. Das Gerede von der gespaltenen Kirche verstummt da schnell, ich kenne ja keinen Christen, der Christ sein will, aber Christus nicht als wesentlich dafür anerkennt. Das reicht und hier war auch Franz nie unklar.
In Papst Leo XIV. finde ich das Herz wieder, das sich in seiner Aufopferung für Jesus aus dem Glauben ergibt, der sich mit der Liebe darüber einig ist, welch große Aufgabe vor ihnen beiden liegt.
Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen und daran, dass sie sich für uns einsetzen, sodass wir, zumindest in geistiger Auseinandersetzung zusammen finden, was wir in seiner Heiligkeit durch die Kirche nicht aussschließen können. Wir sollten es in den Menschen annehmen, die uns begegnen, sodass wir in ihnen den Samen finden, der in sie gelegt ist. Die Kirche dient damit allen Menschen, die unter ihrem Dach nach der Heiligkeit suchen, die nur darauf wartet als Mensch verwirklicht zu werden.
Das beinhaltet, dass wir nicht immer wieder neue Namen brauchen, wir können aus den alten Namen schöpfen, was es in ihrer Verbindung mit uns auf sich hat. Jesus ist dafür das beste Beispiel, denn er stiftet seit seiner Geburt als Sohn Gottes Frieden unter den Menschen, die ihn und seinen Vater noch heute begleiten.
Die göttliche Einheit für die dieser Papst, gestärkt von Jesus, eintritt, inkludiert alle Glaubensgemeinschaften, die sich bis dato entwickelt haben, sodass er sie sicher in dem Glauben einen kann, der unser gemeinsamer Vater ist und von Gott gelernt hat, wie er sich mit Jesus in Liebe verwandeln lässt.
Ich denke, Personalentscheidung klärt dieser Papst, wie alle anderen vor ihm auch, im Sinn der Einheit, sodass sie ihn in seiner Arbeit fördert und nicht behindert.
Dankbar bin ich für die Erfahrungen aus der Vergangenheit dieses Papstes, die ihn sicher für die Zukunft so gut rüsten, dass er nicht beim ersten Sturm kentert.
… Personalentscheidungen „wie alle anderen vor ihm auch“ im Sinne der Einheit ? Informieren Sie sich erst einmal gründlich über die Papst-Historie der röm.-kath. Kirche. Sie werden aus dem Staunen nicht heraus kommen.
Verblüffend, wie schnell so manche Gläubige geradezu hellseherisch die Qualitäten und Tugenden dieses neuen Papstes (kaum im Amt) schon feststellen und vorauseilend loben.
Wie gesagt, derzeit scheint alles vage zu sei, aber ich befürchte dass sich das in absehbarer Zukunft drastisch ändern könnte. Dann aber ist es nicht mehr die Frage, ob es um „Miteinander“ und „Nebeneinander“ oder um die Verwirklichung von Synodalität geht. Es heißt L XIV sei angeblich immer ein guter Zuhörer gewesen – das kann aber auch bedeuten, dass er die anderen ihre „Karten auf den Tisch legen“ ließ und sich in aller Stille seine Gedanken machte. Kraft seiner neuen Funktion ist jetzt er am Zug und es ist nicht auszuschließen, dass er bei passender Gelegenheit seine Trümpfe ausspielen wird.
Ich muss mich wiederum für meine pessimistische Einschätzung entschuldigen, aber wenn ich mir die diversen Wortmeldungen so genannter „traditionstreuer“ Katholiken ansehe, die in den letzten Tagen verbreitet wurden, so herrscht in diesen Kreisen über den Ausgang der Papstwahl eitel Freude. Denn dort wird erwartet, dass die „Fehlentwicklungen“ der letzten Jahre korrigiert werden und Robert Francis Prevost dafür der richtige Mann sei.
Nach eigener Aussage betätigte sich der als absolut konservativ geltende Kardinal Dolan (New York) als „Königsmacher“ indem er nicht nur unter seinen Kollegen aus USA sondern auch bei Kardinälen aus Lateinamerika, Asien und Afrika Werbung für seinen Landsmann betrieben hätte. Bei Dolan handelt es sich übrigens um den dritten Kardinal, den man zurecht beschuldigen kann, seinen Eid gebrochen zu haben – nicht nur aufgrund der Weitergabe interner Informationen, sondern auch angesichts der Tatsache, dass es offensichtlich zu Absprachen und Wahlwerbung gekommen war.
Was die Äußerungen der „traditionstreuen“ Katholiken angeht, so dürften die sich die Papstwahl in ihrem Sinne genauso schönreden wie die Progressiven.
Fakt ist, dass niemand Papst Leo in dieser Hinsicht wirklich einschätzen kann und man abwarten muss, wie das Pontifikat sich entwickeln wird.
Sollte er wirklich ein „Mann der Mitte“ sein, wird er extreme Entscheidungen in beide Richtungen wohl vermeiden.
…“Es kann keinen Frieden geben ohne echte Abrüstung“… Gut gebrüllt Löwe, aber Hans Küng meinte in seinem Weltethos ua. „Kein Friede unter den Nationen ohne Friede zwischen den Religionen“. Unbequem, ich weiß. Was also hat Priorität bzw. ist zuerst gefordert oder ginge es vielleicht gleichzeitig ? Beides scheint mir gleichermaßen unrealistisch.
Noch schnell, bevor die (glaube ich) neun Tage, innerhalb derer man kommentieren kann, abgelaufen sind:
Liebe Redaktion!
In der Zwischenzeit ist wieder viel passiert, und man hört nichts von Ihnen. Über den Franziskus haben Sie ja, besonders zu Beginn seines Pontifikats, über jeden […]*, den er gemacht hat, berichtet. Finden Sie den Leo weniger interessant als den Franziskus oder liegt es daran, dass Sie allgemein das Interesse an dieser Website verloren haben? Ich würde sowohl das eine als auch das andere bedauern.
*freiwillige Selbstzensur wegen eines möglichen Verstoßes gegen die Netiquette
Wir werden auch das Pontifikat von Papst Leo XIV. intensiv begleiten und daher wird es zu gegebener Zeit hier auch weitere Texte geben.
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