Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog

Interessantes und Hintergründiges aus dem Vatikan

Die Kindheit Jesu – unter Embargo

Erstauflage: eine Million in neun Sprachen

Im Vatikan wurde heute Vormittag das neue Jesusbuch des Papstes vorgestellt: „Jesus von Nazareth – Prolog: Die Kindheitsgeschichten“. Es ist der dritte Band der Jesustrilogie von Joseph Ratzinger, Benedikt XVI. Genauer gesagt ist es eigentlich der erste Band; denn in dem vorliegenden Buch geht es um die Geburt und Kindheit Jesu bzw. das, was Lukas und Matthäus darüber in ihren Evangelien berichten. Was in dem Buch drinsteht, darf leider noch nicht verraten werden. Denn obwohl es der Weltöffentlichkeit vor wenigen Stunden in neun Sprachen präsentiert wurde, gibt es eine Sperrfrist bis heute Nacht 24 Uhr. Morgen ist das Buch dann mit einer Erstauflage von einer Million in den Buchhandlungen in rund 50 Ländern weltweit; die Startauflage der deutschsprachigen Ausgabe liegt bei 100.000.

Details zum Inhalt gibt es also erst morgen – oder bei denen, die das Embargo brechen. Soviel vielleicht vorab aus den Text-Steinbrüchen, die nach der Pressekonferenz in Rom freigegeben wurden: „Das Buch ist eine theologische Meditation“ erklärte eine brasilianische Theologin auf dem Podium. Damit dürfte der zentrale Punkt des Werks getroffen sein. Es handelt sich um eine theologische und spirituelle Annäherung an Jesus von Nazareth – mit teils sehr persönlichen Zügen des Autors. Wie schon in den anderen beiden Bänden versucht Benedikt XVI. eine Verbindung von wissenschaftlicher, historisch-kritischer Herangehensweise an die Texte mit einer religiösen Deutung. Wissenschaft/Vernunft und Glaube versucht er zusammenzubringen, um Herkunft, Geburt und Kindheit Jesu zu deuten. Es geht Ratzinger darum, die Historizität der in den Evangelien geschilderten Ereignisse sowie die Gottes-Sohnschaft Jesu plausibel zu machen.

Für Benedikt XVI. klingen etwa in den Kindheitsevangelien bereits die großen Themen des Lebens und der Botschaft Jesu an. Der universale Anspruch Jesu und der christlichen Botschaft sieht er etwa im Hinweis auf die Volkszählung unter Kaiser Augustus bei Lukas angedeutet (Lk 2,1): „Erst in diesem Augenblick, in dem eine Rechts- und Gütergemeinschaft auf breitem Raum besteht [durch das römische Weltreich] und eine universale Sprache einer kulturellen Gemeinschaft die Verständigung im Denken und Handeln ermöglicht hat, kann eine universale Heilsbotschaft, kann ein universaler Heilsbringer in die Welt hineintreten.“ Ein anderes Beispiel sind etwa die Engel bei der Verkündigung der Geburt Jesu an die Hirten. Da sprechen die Engel bereits vom „Messias“ (Lk 2,10f).

Mit der Veröffentlichung des aktuellen Bandes ist ein Herzensprojekt Joseph Ratzingers abgeschlossen. Erstmals sprach er 2002 in einem Interview über seinen Wunsch, ein Jesusbuch zu schreiben. Im Sommer 2004 waren die ersten drei Kapitel fertig; dann kam im April 2005 die Wahl zum Papst. Er nutzte jede freie Minute, um das Werk zu vollenden. Im April 2007 zu seinem 80. Geburtstag kam der erste Band heraus, der die Zeit von Jesu Taufe bis zu „Verklärung“ behandelte. 2010 kam der zweite Band von der Passion bis zur Auferstehung heraus. Jetzt „endlich“, wie Ratzinger im Vorwort schreibt, kommt der dritte Band. Insgesamt umfasst die Trilogie über 1000 Seiten. Bei allen drei Bänden steht an erster Stelle der bürgerliche Name Joseph Ratzinger; erst dann folgt der Papstname. Ratzinger möchte das Buch nicht als lehramtliche Publikation verstanden wissen, sondern als Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion über Jesus von Nazareth.

Kritiker warfen Benedikt XVI. in den vergangenen Jahren immer wieder vor, er kümmere sich zu wenig um die Kirchenpolitik, führe die Kirche nicht richtig, und schreibe stattdessen theologische Bücher. Wer, wenn nicht der Papst, sollte theologische Bücher über Jesus schreiben? Wichtig ist dann, dass seine Mitarbeiter wie etwa der Kardinalstaatssekretär den politischen Part gut abdecken. Ob das der Fall ist, ist ein anderes Thema.

Was der Papst zur Jungfrauengeburt sagt, zum Stern von Betlehem und dem Verhältnis von Glaube und Politik – das kommt nach Ende des Embargos; bis dahin muss die Kindheit Jesu noch etwas warten.

Kommt der Papst nach Rio?

242 Tage sind es noch bis zum nächsten Weltjugendtag. Der findet vom 23. bis 28. Juli 2013 in Rio de Janeiro in Brasilien statt. Heute wurde im Vatikan die Papstbotschaft für das Jugendtreffen am Zuckerhut veröffentlicht. Darin lädt Benedikt XVI. die Jugendlichen ein, nach Rio zu kommen. Ob er selbst allerdings kommen wird, sagt er nicht. Bisher hat der Vatikan noch keine offiziellen Reisepläne für das nächste Jahr veröffentlicht. Das ist ungewöhnlich. In den vergangenen Jahren gab es bis Mitte November meistens schon einige Ideen für mögliche künftige Reiseziele. Aber eines scheint klar, der Weltjugendtag ist ein Pflichttermin für den Papst. Ein WJT ohne Papst ist kaum vorstellbar. Benedikt XVI. ist dann 86 Jahre alt; die Reise wird sicher nicht einfach werden. Allerdings hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass die Begegnung mit Jugendlichen den Pontifex aufbaut.

In seiner Botschaft ermutigt Benedikt XVI. die Jugendlichen, ihren Glauben selbstbewusst zu leben. Er fordert sie auf, vor allem in zwei Bereichen als Missionare tätig zu sein: im „digitalen Kontinent“, dem Internet, und im Bereich der „Mobilität“. Junge Menschen reisten heute viel – aus beruflichen Gründen, zu Studienzwecken oder zur Unterhaltung. Hier böten sich viele Gelegenheiten für die Verbreitung des Evangeliums. Zum Thema Internet schreibt der Papst in Anlehnung an seine Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel 2009: „Liebe junge Menschen, fühlt euch verantwortlich, in die Kultur dieser neuen kommunikativen und informativen Umwelt die Werte einzubringen, auf denen euer Leben ruht! Euch jungen Menschen, die ihr euch fast spontan im Einklang mit diesen neuen Mitteln der Kommunikation befindet, kommt in besonderer Weise die Aufgabe der Evangelisierung dieses ‚digitalen Kontinents’ zu.“

In Deutschland werben die Bistümer in diesen Monaten intensiv für die Teilnahme am WJT in Rio. Neben den Kosten lässt vor allem die Frage nach der Sicherheit viele Jugendliche zögern. Beim letzten Weltjugendtag in Madrid waren über 16.000 Deutsche dabei. In Rio wird sich die Zahl wohl eher im Bereich des WJT in Sydney 2008 bewegen. Damals waren 6.000 Deutsche angereist. Insgesamt rechnen die Organisatoren mit bis zu zwei Millionen Teilnehmern. Einer von ihnen soll der Papst sein. Darauf hoffen alle.

Reformation 2017 – ein Grund zu Feiern?

Mann der Ökumene: Kardinal Kurt Koch (dpa)

Gibt es 2017 etwas zu feiern oder nicht? Darüber streiten sich seit langer Zeit Katholiken und Protestanten – nicht nur in Deutschland. Der Ökumeneminister des Vatikans, Kardinal Kurt Koch, stellt heute in einem Interview der Rheinischen Post noch einmal klar, dass aus katholischer Sicht das Datum kein Grund zum Feiern sei. Die Reformation habe Positives gebracht; aber sie habe auch zur Kirchenspaltung und zu den anschließenden blutigen Konfessionskriegen im 16. und 17. Jahrhundert geführt. Mit einem Reformations-Gedenken hat Koch hingegen kein Problem. Schon bei früheren Gelegenheiten erinnerte Koch bei seiner kritischen Sicht des „Jubiläums“ an die Worte des protestantischen Ökumenikers Wolfhart Pannenberg. Der hatte die Kirchenspaltung und die daraus entstandenen Konfessionskriege als eine – wenn auch ungewollte – Ursache der neuzeitlichen Säkularisierung und der damit verbundenen Abdrängung von Religion und Kirche in den privaten Bereich gesehen. Die modernen Gesellschaften hätten sich angesichts der blutigen Auseinandersetzungen der Konfessionen eine Grundlage des Zusammenlebens geschaffen, das von diesen Konfliktparteien unberührt war.

Was erwarten die Protestanten von den Katholiken mit Blick auf 2017? Der amtierende Ratsvorsitzende, Präses Nikolaus Schneider, wie viele andere Protestanten auch, erwartet ein Signal, ein Zeichen des Papstes. Die Reformationsbotschafterin und ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margit Käßmann hingegen wird nicht müde zu betonen, dass sie vom Papst nichts mehr in Bezug auf die Ökumene erwartet. Was soll die katholische Seite mit diesen unterschiedlichen Vorstellungen machen? Immerhin wird seit geraumer Zeit in der katholischen Kirche über eine Art Schuldbekenntnis diskutiert. Aus dem Schülerkreis des Papstes verlautete im Sommer, dass auch Benedikt XVI. sich so etwas vorstellen könne. Allerdings, und darauf legt man in Rom Wert, müsse es sich dabei um ein „beidseitiges“ Vergewissern über Fehler in der Vergangenheit handeln. Denn offensichtlich ist man sich auf katholischer Seite im Klaren darüber, dass man Fehler gemacht hat und im 16. Jahrhundert durchaus Veränderungen notwendig gewesen wären.

Ganz in diesem Sinne erklärte Kardinal Koch in dem bereits erwähnten Interview, dass er seinerzeit auf der Seite der Kirchenreformer gestanden hätte. Allerdings kann sich Koch Veränderungen nur in Einheit mit Kirche und Papst vorstellen. Hier unterscheidet er sich dann vom späteren Verlauf der Reformation. Papst Benedikt XVI. bekräftigte heute übrigens noch einmal, dass „die sichtbare Einheit unter den getauften Christen“ das Ziel aller ökumenischen Bemühungen sei. Er empfing die Mitglieder der Vollversammlung des vatikanischen Einheitsrats. Dabei erklärte er, dass die Glaubenskrise in der Welt eine Herausforderung für alle Christen sei. Trotz der „Unvollständigkeit der kirchlichen Gemeinschaft“, müsse man gemeinsam gegen die wachsende religiöse Gleichgültigkeit kämpfen. Hier ließe sich im Anschluss an Pannenberg sicher fragen, ob nicht gerade die noch bestehende Spaltung Mitursache für die wachsende religiöse Gleichgültigkeit ist. Zwar werden die Auseinandersetzungen heute nicht mehr mit dem Schwert geführt. Doch gibt es nach wie vor Unterschiede und „verbale Grabenkämpfe“ um die Wahrheit, die die Menschen durchaus sensibel wahrnehmen.

Musik erfrischt

Benedikt XVI. wirkte müde, als er gestern Abend in die Sixtinische Kapelle kam. Ein kleiner Kreis von Auserwählten erwartete ihn und seinen Bruder zur vatikanischen Erstaufführung der Messe, die von Georg Ratzinger zum Heiligen Jahr 2000 komponiert worden war. Das Festival der Stiftung Pro Musica et Arte Sacra, das derzeit im Vatikan stattfindet, war der Anlass für diese Sonderveranstaltung.

Die Cappella Musicale Pontificia Sistina unter ihrem Dirigenten Massimo Palombella brachte das Werk zur Aufführung, ergänzt durch ein Credo von Palaestrina und zwei weiteren Kompositionen. Ein Genuss fuer alle Zuhörer, der Musik zu lauschen und die wunderbaren Fresken Michelangelos zu bewundern, die – zumindest die Deckenfresken – gerade erst ihr 500-jähriges Bestehen feiern konnten.

Für den Papst schien die Musik und die Gesellschaft seines Bruders ein Jungbrunnen zu sein; denn als er die Sixtinische Kapelle verließ, schien er deutlich erfrischt.

Ex-Ölmanager wird Anglikanerprimas

Was für eine Karriere: Justin Welby ist erst seit einem Jahr anglikanischer Bischof und jetzt soll er geistliches Oberhaupt der rund 80 Millionen Anglikaner weltweit werden. Am Vormittag wurde in London offiziell bestätigt, dass der 56-Jährige Nachfolger von Rowan Williams als Erzbischof von Canterbury werden soll. Williams (60) gibt sein Amt zum Jahresende auf und kehrt in die Wissenschaft zurück. Welby ist Jurist, Theologe und fünffacher Familienvater. Bevor er 1993 zum Priester geweiht wurde, war er elf Jahre als Finanzmanager in der Ölbranche tätig. Erst seit Oktober 2011 ist er Bischof von Durham im Nordosten Englands.

Seine Managementqualitäten wird der Quereinsteiger in den nächsten Jahren gut brauchen können. Als Ehrenoberhaupt der Anglikaner hat er eigentlich keine Macht; muss aber trotzdem die 80 Millionen Anglikaner zusammenhalten. Und das ist nicht immer einfach. Das musste der scheidende Primas, Rowan Williams, in den letzten Jahren immer wieder schmerzlich erfahren. Am Streit um die Bewertung der Homosexualität und die Frage der Bischofsweihe für Frauen droht die anglikanische Weltgemeinschaft seit Jahren zu zerbrechen. Im Moment herrscht Waffenstillstand zwischen den Streitparteien innerhalb der Kirche.

Diese internen Schwierigkeiten brachten das ökumenische Gespräch nahezu zum Erliegen. Zwar blieb der Kontakt etwa zwischen Rowan Williams und dem Vatikan immer sehr eng – jüngstes Beispiel ist die Teilnahme des Primas am Gottesdienst zum 50. Jahrestag der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils am 11. Oktober 2012 auf dem Petersplatz im Vatikan; doch theologisch kam man in den letzten Jahren nicht viel weiter. Einige konservative Anglikaner sind in den letzten Jahren zur katholischen Kirche übergetreten. Der Vatikan hatte eigens für die eine Struktur geschaffen, die mit dem Kurs einiger Nationalkirchen der Anglikaner – etwa der Öffnung für Frauen im Priesteramt und der positiven Haltung gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften – nicht einverstanden waren. Dieser Schritt führte ebenfalls zu Verstimmungen im Dialog zwischen Canterbury und Rom.  

Ob sich das ökumenische Klima unter Welby ändern wird, ist noch nicht abzusehen. Welby gehört eher dem evangelikalen Flügel an, die traditionell eher konservative Positionen vertreten. So lehnte er etwa wiederholt die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ab; zugleich zeigte er sich aber in der Vergangenheit bei der Frage der Bischofsweihe für Frauen kompromissbereit. Welby ist ein großer Freund der katholischen Liturgie. Vielleicht findet sich ja darüber eine Brücke für den Dialog.

Ehe für alle?

Streitpunkt Gleichgeschlechtliche Partnerschaften (dpa)

Wer heute Morgen die FAZ aufschlägt, kommt um das Thema nicht herum: „Ehe für Homosexuelle in den USA“ auf Seite 2, „Spanisches Verfassungsgericht entscheidet für Homo-Ehe“ und „Regierung Frankreichs bringt Homo-Ehe auf den Weg“ auf Seite 6. Rund um den Globus erhitzt das Thema einmal mehr die Gemüter. Die katholischen Bischöfe in den betroffenen Ländern und der Vatikan lehnen die Gesetzesinitiativen stets mit mehr oder weniger markigen Worten ab. Sie sehen durch derartige Initiativen die traditionelle Ehe zwischen Mann und Frau gefährdet. Aber ist das so? Dieser Vorwurf setzt ja voraus, dass sich eine Person freiwillig entscheidet, ob sie eine Beziehung mit einem Mann oder mit einer Frau eingeht? Ist das so? Entscheidet man über seine sexuelle Orientierung so, wie über den Kauf eines neuen Autos?

Spanien gehört weltweit zu den ersten Ländern, die gleichgeschlechtliche Partnerschaften legalisierten. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes im Juli 2005 bis 2011 wurden dort laut Statistikamt 20.000 Partnerschaften geschlossen. Das sind zwei Prozent (!) aller Eheschließungen im Land in diesem Zeitraum. Die Verhältnisse sind in den anderen Ländern, in denen gleichgeschlechtliche Partnerschaften möglich sind, ähnlich. Ist es da nicht auch eine Frage der Prioritäten? Sollte sich Kirche nicht darauf konzentrieren, dass die 98 Prozent der Eheschließungen gelingen und eine Perspektive haben, anstatt die zwei Prozent zu verhindern zu suchen? Eines soll hier noch klargestellt sein: Es geht hier um die Frage nach der kirchlichen Position zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, nicht um die dann weitergehenden Forderungen, was Adoption o.ä. anbetrifft. Das ist dann ein neues Thema. Ein eigenes Thema ist auch die Hetze gegen Homosexuelle auf vermeintlich katholischen Internetseiten wie kreuz.net.

Spannend ist es, die Debatte in der katholischen Moraltheologie zu verfolgen. Dort lässt sich in den letzten Jahren eine Akzentverschiebung von der Sexualethik hin zur Beziehungsethik feststellen. Vor diesem Hintergrund können sich dann auch katholische Moraltheologen vorstellen, dass eine gleichgeschlechtliche Beziehung, die denselben Anforderungen unterliegt wie eine heterosexuelle Beziehung (dauerhaft, treu, freiwillig etc.) eine Qualität hat, die schützenswert ist. Man erinnere sich auch an die Aussage des Berliner Kardinals Rainer Maria Woelki beim Katholikentag im Mai in Mannheim. Damals sagte er, dass es vorstellbar sei, dass „dort, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, wo sie in einer dauerhaften homosexuellen Beziehung leben und umgehen, dass das in ähnlicher Weise zu einer heterosexuellen Beziehung anzusehen ist“. Die harten Vorwürfe, die Woelki aus bestimmten Kreise danach erreichten, zeigen deutlich, dass selbst so vorsichtige Annäherungen in katholischen Kreisen immer noch schwierig sind.

Der gemeinsame Glaube verpflichtet

Christen und Muslime glauben an den einen Gott. Eine Feststellung, die sowohl im Koran als auch in der Erklärung  „Nostra Aetate““ des Zweiten Vatikanischen Konzils (das ja in diesem Jahr 50jähriges Jubiläum feiert) ausdrücklich enthalten ist und die im alltäglichen Miteinander der Religionen gerne vergessen wird. Das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken hat jetzt in einer Erklärung seines christlich-muslimischen Gesprächskreises daran erinnert und den gemeinsamen gesellschaftspolitischen Auftrag betont, der aus dem Glauben erwächst.

Dem Gesprächskreis gehören 11 Christen und 7 Muslime an. Das zahlenmäßige Ungleichgewicht entspricht der ursprünglichen anwaltschaftlichen Funktion, die Christen für Muslime übernommen hatten. Diese ist heute einer Partnerschaft gewichen, denn die Muslime haben sich inzwischen in der deutschen Gesellschaft etabliert und haben ihre eigenen Institutionen und Organisationen. Es geht daher darum, so die Erklärung, bei aller Unterschiedlichkeit, die gemeinsamen Werte und ethischen Maßstäbe zu betonen und die Zusammenarbeit auszubauen. Handlungsfelder, auf denen eine partnerschaftliche Zusammenarbeit nötig ist, gibt es genug, von Altenarbeit und Notfallseelsorge über Bildung und internationale Entwicklungszusammenarbeit bis hin zu gemeinsamer Stellungnahme zu ethischen Fragestellungen in Gesellschaft und Politik.

Mit einer klaren Absage an jede Art von Fundamentalismus setzen sich die Autoren für eine pluralistische Gesellschaft ein. „Pluralismus ist kein notwendiges Übel, sondern Ausdruck der Menschenwürde, von Gott gewollt und notwendige Folge menschlicher Freiheit“, heißt es wörtlich. Dies gelte innerhalb und außerhalb der Religionen. Mit diesem Plädoyer für einen Pluralismus, der im gemeinsamen Glauben an den einen Gott wurzelt, legt die Erklärung eine Grundlage für einen Dialog, der gemeinsames Handeln und gegenseitige Anerkennung ermöglicht und auch andere Religionen einbezieht. Es wäre zu wünschen, dass viele Christen und Muslime diese Erklärung nicht nur lesen, sondern auch umsetzen.

Im Kampf gegen den Missbrauch

Der Kampf gegen Missbrauch muss weiter gehen

Kampagne gegen Missbrauch

Aus den Schlagzeilen der Weltpresse ist der sexuelle Missbrauch weitgehend verschwunden – doch das Thema muss bleiben und wird auch in der katholischen Kirche weiter behandelt. Zum einen geht es um die lückenlose Aufklärung von Verbrechen in der Vergangenheit, zum anderen um die Prävention künftiger Fälle. Mit Letzterem tut sich die Kirche leichter und wird gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppierungen sogar zum Vorreiter. Auf einer internationalen Konferenz der katholischen Kirche in Freising bei München wurde jetzt ein neues Schulungsprogramm vorgestellt, das vom Kinderschutzzentrum in München entwickelt wurde und ab 2014 von Kirchenmitarbeitern in aller Welt genutzt werden soll.

 Der Missbrauchsskandal hat die katholische Kirche in vielen Ländern erschüttert, die deutsche Kirche hatte er 2010 erreicht. Weltweit haben inzwischen fast 80 Prozent der nationalen Bischofskonferenzen eigene Richtlinien zum Umgang mit diesem Problem erlassen, so der Vizerektor der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, Jesuitenpater Hans Zollner, bei der Tagung. Er glaubt, dass die Vernetzung der katholischen Kirche dazu führen kann, Fehler zu vermeiden, die in anderen Ländern gemacht wurden und voneinander zu lernen.

Benedikt XVI. hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass nur eine Nulltoleranz gegenüber sexuellem Missbrauch die richtige Haltung sein kann. In Deutschland sind inzwischen knapp tausend Opfer entschädigt worden, offene Anträge gibt es nicht mehr. Und auch die Missbrauchsstudie, die die Deutsche Bischofkonferenz beim Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen in Auftrag gegeben hat, läuft weiter, auch gegen den Widerstand einiger Priester, die sich dadurch unter Generalverdacht gestellt sehen. Das Signal, dass radikal aufgeklärt werden soll, ist jedoch für die Öffentlichkeit notwendig, um wieder Vertrauen aufzubauen.

Zuviel Zentralismus?

Blick in die Konzilsaula (dpa)

Gibt es in der katholischen Kirche zuviel Zentralismus? Diese Frage wird immer wieder diskutiert. Der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, sieht im Zentralismus auf jeden Fall eine der unbearbeiteten Aufgaben des II. Vatikanischen Konzils. Das erklärte er gestern Abend in München im Rahmen einer Jubiläumsveranstaltung zum 50. Jahrestag der Eröffnung des Konzils. Als Beispiel nennt Lehmann etwa den Bereich der Liturgie. Da habe das Konzil durch die Liturgiereform relativ viel Freiheit ermöglicht. Doch heute bestimme etwa Rom über ein neues Gebet- und Gesangbuch für die Kirche in Deutschland. „Wir haben uns auch einfach manches gefallen lassen,“ wird der Kardinal zitiert. In einigen Angelegenheiten „hätte man auf den Tisch hauen müssen“.

Wie viel Freiheit haben die Ortskirchen? Was muss mit Rom abgesprochen werden und wo können etwa Bischöfe autark handeln? Immerhin haben sie „eigene, ordentliche und unmittelbare Gewalt“ des Lehrens und Leitens. Müssen sie da etwa bei der Ernennung von Theologen an den Universitäten unbedingt in Rom Rücksprache halten? Können sie nicht auch alleine über ein neues Gesang- und Gebetbuch entscheiden? Wer entscheidet, wie ein liturgisches Buch – derzeit konkret das Messbuch – richtig ins Deutsche übersetzt wird: Rom oder die entsprechende Fachkommission der Deutschen Bischofskonferenz? Ein weiteres Beispiel ist etwa der lange Streit um den Ausstieg der katholischen Kirche aus der staatlichen Schwangerschaftskonfliktberatung in den 1990er Jahren. Die Liste könnte man weiter fortführen. Das Konzilsjubiläum dürfte auch bei der Frage nach dem Verhältnis von Ortskirche und Universalkirche eine gute Gelegenheit sein, über die richtige Zuordnung nachzudenken – und die Frage, ob es nicht doch zuviel Zentralismus gibt.

Erzbischof Müller vorerst nicht Kardinal

Es ist eine doppelte Überraschung: Benedikt XVI. hat für den 24. November ein Konsistorium einberufen – doch Erzbischof Gerhard-Ludwig Müller, der Chef der Vatikanischen Glaubenskongregation und damit dritte Mann in der katholischen Kirche, ist nicht dabei. Eine ungewöhnliche Entscheidung; galt es doch gleichsam als ungeschriebenes Gesetz, dass Müller, ein enger Vertrauter des Papstes, bei der nächsten Kardinalskreierung mit dabei sein würde. Gut, der ehemalige Regensburger Bischof ist mit seinen 64 Jahren noch jung und kann daher auch noch etwas warten; doch kann ein so wichtiger Posten im Vatikan längere Zeit ohne den Kardinalspurpur bleiben? Haben sich etwa im Vatikan die Kräfte durchgesetzt, denen Müller nicht zuletzt wegen seiner guten Beziehungen zum Befreiungstheologen Gustavo Gutiérrez zu liberal ist, und die eigentlich schon seine Ernennung zum Chef der Glaubenskongregation verhindern wollten?

Sechs neue Kardinäle gibt es Ende November. Dazu gehören die Erzbischöfe von Abuja in Nigeria, John Olorunfemi Onaiyekan, Bogota, Rubén Salazar Gómez, und Manila, Luis Antonio Tagle, sowie der maronitische Patriarch Béchara Boutros Raï (Libanon) und der syro-malankarische Großerzbischof Baselios Cleemis Thottunkal (Indien). Mit dem kleinen Konsistorium schafft der Papst einen kleinen Ausgleich zur letzten Kardinalskreierung im Februar dieses Jahres. Damals kamen 10 der 22 neuen Kardinäle aus der römischen Kurie; viele von ihnen Italiener. Das hatte zu Unmut geführt. Mit dem Konsistorium am 24. November wären genau 120 Kardinäle wahlberechtigt (d.h. unter 80 Jahren) in einem Konklave. Paul VI. hatte festgelegt, dass diese Grenze nicht überschritten werden soll. Allerdings hatte Benedikt XVI. sie bei früheren Konsistorien auch schon überschritten.

Interessant ist der sechste neue Kardinal: Erzbischof James Michael Harvey. Der 63-Jährige US-Amerikaner ist seit 1998 Präfekt des Päpstlichen Hauses; d.h. er koordiniert die Termine des Papstes. Harvey gehört zu den engsten Mitarbeitern des Pontifex und begleitet ihn zu allen öffentlichen Auftritten im Vatikan und Italien. Harvey soll Erzpriester der Basilika Sankt Paul vor den Mauern werden, kündigte der Papst an. D.h. sein Posten als Präfekt des Päpstlichen Hauses muss neu besetzt werden. Diese Aufgabe könnte Georg Gänswein übernehmen, der bisherige Privatsekretär des Papstes. Damit wäre ihm das Bischofsamt sicher. Seit Wochen wird in Rom über eine entsprechende „Beförderung“ Gänsweins spekuliert. Diese Ernennung zum Bischof könnte schon in Kürze  erfolgen. Sie wäre auch ein Vertrauensbeweis Benedikts XVI. gegenüber seinem Privatsekretär, der im Rahmen der Vatileaks-Affäre in den vergangenen Monaten immer wieder auch in der Kritik stand. Eine Bischofsernennung Gänsweins wäre allerdings auch ohne die gleichzeitige Berufung zum Präfekten des Päpstlichen Hauses möglich – analog zum letzten Pontifikat. Da hatte Papst Johannes Paul II. seinen langjährigen Sekretär Stanislaw Dziwisz 1998 unter Beibehaltung seiner bisherigen Aufgabe zum Bischof und  „Beigeordneten Präfekten des Päpstlichen Hauses“ ernannt.