Ehe für alle?

Streitpunkt Gleichgeschlechtliche Partnerschaften (dpa)

Wer heute Morgen die FAZ aufschlägt, kommt um das Thema nicht herum: „Ehe für Homosexuelle in den USA“ auf Seite 2, „Spanisches Verfassungsgericht entscheidet für Homo-Ehe“ und „Regierung Frankreichs bringt Homo-Ehe auf den Weg“ auf Seite 6. Rund um den Globus erhitzt das Thema einmal mehr die Gemüter. Die katholischen Bischöfe in den betroffenen Ländern und der Vatikan lehnen die Gesetzesinitiativen stets mit mehr oder weniger markigen Worten ab. Sie sehen durch derartige Initiativen die traditionelle Ehe zwischen Mann und Frau gefährdet. Aber ist das so? Dieser Vorwurf setzt ja voraus, dass sich eine Person freiwillig entscheidet, ob sie eine Beziehung mit einem Mann oder mit einer Frau eingeht? Ist das so? Entscheidet man über seine sexuelle Orientierung so, wie über den Kauf eines neuen Autos?

Spanien gehört weltweit zu den ersten Ländern, die gleichgeschlechtliche Partnerschaften legalisierten. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes im Juli 2005 bis 2011 wurden dort laut Statistikamt 20.000 Partnerschaften geschlossen. Das sind zwei Prozent (!) aller Eheschließungen im Land in diesem Zeitraum. Die Verhältnisse sind in den anderen Ländern, in denen gleichgeschlechtliche Partnerschaften möglich sind, ähnlich. Ist es da nicht auch eine Frage der Prioritäten? Sollte sich Kirche nicht darauf konzentrieren, dass die 98 Prozent der Eheschließungen gelingen und eine Perspektive haben, anstatt die zwei Prozent zu verhindern zu suchen? Eines soll hier noch klargestellt sein: Es geht hier um die Frage nach der kirchlichen Position zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, nicht um die dann weitergehenden Forderungen, was Adoption o.ä. anbetrifft. Das ist dann ein neues Thema. Ein eigenes Thema ist auch die Hetze gegen Homosexuelle auf vermeintlich katholischen Internetseiten wie kreuz.net.

Spannend ist es, die Debatte in der katholischen Moraltheologie zu verfolgen. Dort lässt sich in den letzten Jahren eine Akzentverschiebung von der Sexualethik hin zur Beziehungsethik feststellen. Vor diesem Hintergrund können sich dann auch katholische Moraltheologen vorstellen, dass eine gleichgeschlechtliche Beziehung, die denselben Anforderungen unterliegt wie eine heterosexuelle Beziehung (dauerhaft, treu, freiwillig etc.) eine Qualität hat, die schützenswert ist. Man erinnere sich auch an die Aussage des Berliner Kardinals Rainer Maria Woelki beim Katholikentag im Mai in Mannheim. Damals sagte er, dass es vorstellbar sei, dass „dort, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, wo sie in einer dauerhaften homosexuellen Beziehung leben und umgehen, dass das in ähnlicher Weise zu einer heterosexuellen Beziehung anzusehen ist“. Die harten Vorwürfe, die Woelki aus bestimmten Kreise danach erreichten, zeigen deutlich, dass selbst so vorsichtige Annäherungen in katholischen Kreisen immer noch schwierig sind.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.