Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog

Interessantes und Hintergründiges aus dem Vatikan

Der Papst und seine Follower

Papst twittert

Der twitternde Papst

 

Heute war es also so weit, der Papst hat nach der Generalaudienz seinen ersten Tweet verschickt. „Liebe Freunde! Gerne verbinde ich mich mit Euch über Twitter. Danke für die netten Antworten. Von Herzen segne ich Euch“. Und mehr als eine Million Menschen lasen auf ihren mobilen Geräten in acht Sprachen diese Worte. Sie lasen auch, dass Benedikt XVI. kurze Zeit später die Frage nach dem christlichen Leben im Jahr des Glaubens stellte und auch beantwortete: „Sprich mit Jesus im Gebet. Hör Jesus zu, der im Evangelium zu dir spricht. Finde Jesus in den Notleidenden.“
Gut, der Kern der christlichen Botschaft lässt sich so  in 140 Zeichen darstellen. Für den Professor, der Bücher und Enzykliken schreibt, aber eher ungewöhnlich, sich so kurzzufassen. Ob sich jemand dadurch wirklich verleiten lässt, die Bibel in die Hand zu nehmen und darin zu lesen? Sind die Follower auch Follower im Glauben? Und wird Benedikt XVI. sich auch einlassen auf die kritischen Tweets, die ihn auch erreichen werden? Es lohnt sicher, dies ein wenig zu verfolgen.

Missbrauch: Kommt Null-Toleranz-Politik?

Wie soll mit kirchlichen Mitarbeitern umgegangen werden, die sich sexuell an Minderjährigen vergangen haben? Darüber wird in den letzten Tagen wieder verstärkt diskutiert, seit die Deutsche Bischofskonferenz eine neue Studie zum Missbrauch vorgestellt hat. Dabei kamen Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass nur in 15 Prozent der untersuchten Fälle kein Einsatz in der Seelsorge mehr möglich gewesen sei. Bei 47% habe es keine Bendenken gegen eine erneute Arbeit in Gemeinden gegeben; beim Rest wurde die Empfehlung für einen eingeschränkten Einsatz ausgesprochen.

Bischof Stephan Ackermann erhofft sich nach der Studie eine differenziertere Debatte.

Bischof Stephan Ackermann erhofft sich nach der Studie eine differenziertere Debatte.

Heißt das aber, dass die ehemaligen Täter auch wirklich wieder in der Seelsorge eingesetzt werden? Das hatten Kritiker aus den Ergebnissen der Studie geschlossen. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann, Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz, machte bei der Vorstellung der Studie am vergangenen Freitag deutlich, dass das Urteil der Wissenschaftler bei der Entscheidung über die Zukunft eines Täters wichtig ist; aber noch weitere Komponenten in die Entscheidung einflössen. Klar sei, dass die Täter auch bei einem positiven Risikogutachten nicht mehr im Kontakt mit Kindern und Jugendlichen eingesetzt würden. Doch darüber hinaus stelle sich die Frage, ob überhaupt noch eine Arbeit als Seelsorger möglich sei. Sollen auch die deutschen Bischöfe die Null-Toleranz-Politik ihrer US-amerikanischen Kollegen übernehmen? Darüber wird offensichtlich derzeit im Rahmen der Überarbeitung der Leitlinien zum Umgang mit Missbrauchsfällen diskutiert. Denn, so Ackermann, selbst wenn das Risikogutachten keine Bedenken für einen Einsatz sehe, stelle sich noch immer die Frage der Akzeptanz des ehemaligen Täters im neuen Arbeitsumfeld. Wenn diese Akzeptanz fehle, könne ein öffentliches Ärgernis im Sinne des Kirchenrechts vorliegen; d.h. ein weiterer Einsatz wäre trotz anderweitiger wissenschaftlicher Empfehlung nicht möglich. Das hört sich doch sehr danach an, als könnte in den überarbeiteten Richtlinien, die bis zum Sommer 2013 verabschiedet werden sollen, das US-amerikanische Vorbild auch in Deutschland Nachahmung finden.

Die Studie brachte einige interessante Ergebnisse, die hier nur in Kürze dargestellt werden können. Das Hauptergebnis: Katholische Priester sind nicht öfter pädophil veranlagt als andere Menschen. Die Beweggründe für die Übergriffe lassen sich demnach überwiegend dem „normalpsychologischen Bereich“ zuordnen. Die Studie wurde unter Mitwirkung der führenden Experten in Deutschland zum Thema durchgeführt: den forensischen Psychiatern Norbert Leygraf (Leiter der Studie) von der Universität Duisburg-Essen, Hans-Ludwig Kröber von der Charité in Berlin sowie Friedemann Pfäfflin vom Universitätsklinikum Ulm. Sie werteten 78 Gutachten aus, die zwischen 2000 und 2010 erstellt worden waren. Die meisten Vorfälle lagen Jahrzehnte zurück. 66 Geistliche waren wegen sexueller Übergriffe untersucht worden, 12 wegen des Besitzes kinderpornografischen Materials. In 68% der Fälle habe es „keine psychiatrische Diagnose“ gegeben; 12% seien pädophil gewesen. Mehr als die Hälfte der Geistlichen seien heterosexuell orientiert, rund ein Drittel homosexuell. Dass dennoch mehr Jungen Opfer seien, erklärte Leygraf damit, dass Priester in der Kinder- und Jugendarbeit viel leichter Zugang zu Jungen gehabt hätten. So gebe es etwa in vielen Gemeinden erst seit Mitte der 80er Jahre Messdienerinnen.

Auffallend ist der Zeitpunkt der Tat. In den untersuchten Fällen lag er zwischen 36 und 42 Jahren und war oft mit einer Sinn- oder Lebenskrise der Geistlichen verbunden bzw. mit Autoritätsproblemen in der kirchlichen Hierarchie. Hier sieht Bischof Ackermann dringenden Handlungsbedarf für die Zukunft. Wie können solche Krisen erkannt werden? Wie können sie vermieden werden? Zudem will der kirchliche Missbrauchsbeauftragte ein Augenmerk auf das Thema Internetpornografie haben. Hier bescheinigt die Studie, dass die betroffenen Geistlichen wenig Einsicht für ihr kriminelles Verhalten zeigten. Ackermann möchte verhindern, dass sich hier eine neue Art von Missbrauch breit macht.

Einen Schatten hat die Studie allerdings. Nur 21 der 27 Bistümer in Deutschland haben sich daran beteiligt. Dies sei zwar mit Blick auf vergleichbare Untersuchungen im säkularen Bereich weit über dem Durchschnitt, erklärten die Wissenschaftler. Doch der Wille zu rückhaltloser und umfassender Aufarbeitung sieht anders aus.

Mehr Kompetenzen für Georg Gänswein

Nun ist es offiziell: Georg Gänswein wird Präfekt des Päpstlichen Hauses – und er bleibt zugleich Privatsekretär des Papstes. Für den 56-Jährigen aus Riedern im Schwarzwald bedeutet das ein Zuwachs an Macht und Einfluss. Gänswein wird Erzbischof. Ihm ist damit über das Pontifikat Benedikts XVI. hinaus ein fester Platz in der kirchlichen Hierarchie sicher. Der Präfekt des Päpstlichen Hauses ist für den Terminkalender des Papstes zuständig, vergibt sowie organisiert die Audienzen und bereitet etwa die inneritalienischen Reisen vor. Normalerweise macht er dies in enger Abstimmung mit den Privatsekretären des Papstes.

Der alte und der neue Präfekt im Hintergrund: Erzbischof Harvey (l.) und Georg Gänsein (r.) (dpa)

Bis vor zwei Wochen hatte der US-Amerikaner James Harvey das Amt inne. Der machte den Posten seit 1998. Ende November wurde er vom Papst zum Erzpriester der Basilika Sankt Paul vor den Mauern ernannt und bekam den Kardinalspurpur. Eine ungewöhnliche Beförderung mit 63 Jahren; hatten den Posten des Erzpriesters zuletzt eher Kirchenmänner am Ende ihrer kirchlichen Karriere inne (Alter: 70+). Mehr noch als über die Gründe der Beförderung Harveys wurde seitdem über dessen Nachfolger spekuliert. Bisher schien eine Personalunion von Präfekt und Privatsekretär für viele undenkbar. Ob die Verbindung der beiden Ämter hilft, Reibungsverluste im päpstlichen Arbeitsapparat abzubauen und Kommunikation und Entscheidungen zu vereinfachen und zu beschleunigen, bleibt abzuwarten.

Georg Gänswein - bei offiziellen Anlässen immer an der Seite des Papstes - Bundespräsident Gauck zu Gast am 6.12.2012

Georg Gänswein, ein Kirchenrechtler, erhält nun qua Amt mehr Macht, als sein Vorgänger Stanislaw Dziwisz unter Papst Johannes Paul II. je hatte. Dziwisz war zwar auch 1998 zum Bischof ernannt worden; aber nur als beigeordneter Präfekt. Der enge Vertraute Karol Wojtylas war zwar die eigentliche „graue Eminenz“ im Hintergrund, doch er musste seine Macht mit Erzbischof Harvey teilen. Das muss Gänswein jetzt nicht mehr. Nun kommt endgültig niemand mehr an dem 56-Jährigen vorbei, wer zu Papst Benedikt XVI. möchte. Der hat ihn mit dem neuen Posten „belohnt“, weil er die Arbeit seines langjährigen Sekretärs schätzt. Seit 2003 sind sie ein eingespieltes Team. Obwohl Gänswein im Rahmen der Vatileaksaffäre in die Schusslinie geriet, ließ Benedikt XVI. nie einen Zweifel daran, dass er ihm voll und ganz vertraute. Das galt auch schon zu früheren Zeiten. Als Gänswein in den ersten Jahren des Pontifikats gelegentlich Interviews gab und dabei entweder aus dem Nähkästchen plauderte oder den Interpretator des Papstes gab, brachte ihm das heftige Kritik in der Kurie ein. Doch Benedikt hielt an ihm fest; Gänswein hält sich seitdem mit Interviews zurück und nichts scheint das Verhältnis der beiden mehr trüben zu können. Entsprechend wird Benedikt XVI. die Bischofsweihe Gänsweins selbst vornehmen – bei einem Gottesdienst am 6. Januar im Petersdom.

Papstgezwitscher

Jetzt twittert auch der Papst. Ab 12. Dezember wird er im Anschluss an die Generalaudienz über seinen Account @pontifex eine Glaubensbotschaft senden. Die Internetnutzer können ab sofort unter #askpontifex Fragen an Benedikt XVI. stellen. Man darf gespannt sein, wie dieses Angebot angenommen wird und ob der Papst sich auf einen ernsthaften Dialog mit seinen Followern einlassen wird. Die wenigen Zeichen, die ein Tweet erlaubt, (140 Zeichen) machen wohl kaum differenzierte Aussagen möglich.

Andererseits ist es nur konsequent, wenn der Papst die digitale Neuevangelisierung, die er in seiner Botschaft zum Weltkommunikationstag gefordert hat, auch selbst in Angriff nimmt. Der Vatikan dokumentiert damit, dass er die Welt von Twitter, Blog und Social Media zur Kenntnis nimmt. Bislang wurden Medien jedoch meist wahrgenommen ausschließlich als Instrumente, mit denen die Botschaft des Evangeliums verkündet werden kann. Dass die Medien auch ein Eigenleben entfalten und großen Einfluss auf die Lebenswirklichkeit haben, sie auch verändern, das sieht der Präsident des Päpstlichen Rates für die Sozialen Kommunikationsmittel, Claudio Celli, zwar sehr klar, aber  Konsequenzen daraus werden im pastoralen Handeln der Kirche noch sehr wenig gezogen.

Der Papst und das Konzil

Will Papst Benedikt XVI. hinter das II. Vatikanische Konzil zurück? War der junge Theologe Joseph Ratzinger als Berater von Kardinal Josef Frings und offizieller Konzilstheologe ein Reformer? Und denkt der heutige Papst Benedikt XVI. anders über die größte Bischofsversammlung der Neuzeit als eben jener junge Theologe? Diese Fragen beschäftigen viele seit Jahren. Spätestens seit dem Versuch der Versöhnung mit der traditionalistischen Piusbruderschaft liegt die Frage auf dem Tisch, wie steht Benedikt XVI. zum Konzil. Antworten auf diese Fragen finden sich sicherlich in dem neuen Band der „Gesammelten Schriften Joseph Ratzingers“, der gestern Abend in Rom vorgestellt wurde.

 

Theologe Ratzinger und Kardinal Frings - Reformer beim Konzil? (dpa)

In zwei Teil-Bänden auf über 1.200 Seiten sind die wichtigsten Texte Joseph Ratzingers zum II. Vatikanischen Konzil zusammengetragen. Enthalten sind etwa die Entwürfe Ratzingers für die Konzilsreden des Kölner Erzbischofs, Kardinal Josef Frings, die Kommentare Ratzingers zu einzelnen Konzilsdokumenten wie die Kirchenkonstitution „Lumen gentium“ oder die Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, sowie schließlich Ratzingers Berichte über die einzelnen Sitzungsperioden.

1.200 Seiten – das habe ich jetzt in einem Tag nicht geschafft. In den nächsten Wochen werde ich aber sicher gelegentlich hier an dieser Stelle auf die Bände zurückkommen. Vor einiger Zeit hatte ich ja schon über das Vorwort zu dem Konzilsband geschrieben. Das hatte Papst Benedikt XVI. in diesem Sommer verfasst und war interessanter Weise nicht auf die großen Konstitutionen über Kirche, Liturgie oder Ähnliches eingegangen. Vielmehr gab er an, dass für ihn zentral im Rückblick die Aussagen des Konzils zur Ökumene, zur Religionsfreiheit und dem Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen sind. Das war eine überraschende Akzentsetzung. Ich bin gespannt, ob auch die Originaltexte Überraschungen bereithalten.

Bibliografische Angaben: Ratzinger, Joseph/Benedikt XVI.: Zur Lehre des II. Vatikanischen Konzils. Formulierung – Vermittlung – Deutung. Gesammelte Schriften Bände 7/1 und 7/2. Freiburg u.a. 2012.

25.11.2012 – Konzilstag im ZDF

Ein kurzer Hinweis in eigener Sache: Der 25. November ist „Konzilstag“ im ZDF. Am Morgen kam der Gottesdienst aus der Konzilsgedächtniskirche in Wien. Am Abend läuft um 0.20 Uhr unsere Dokumentation „Revolution im Vatikan – 50 Jahre II. Vatikanisches Konzil“. Viele Informationen und Hintergründe zu dem Film gibt es auf unserer Seite: papst.zdf.de.

Hier findet sich auch ein ausführliches Interview mit Professor Hubert Wolf. Der Kirchenhistoriker aus Münster spricht über die Bedeutung des Konzils, den Streit über die Auslegung der Konzilstexte heute und die Rolle von Joseph Ratzinger, Papst Benedikt XVI. bei der Bischofsversammlung in den 1960er Jahren und seiner späteren Rezeption.

Der „Senat“ der Kirche

Seit 1927 gab es kein Konsistorium mehr, bei dem nicht ein Italiener zum Kardinal kreiert wurde. Viele Italiener können es kaum fassen. Doch beim aktuellen Konsistorium mussten nicht nur die Italiener warten; es ist keiun Europäer dabei und damit auch nicht der Chef der (zweit-)wichtigsten Vatikanbehörde: Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, Präfekt der Glaubenskongregation.

Die Kardinäle beraten den Papst und die verschiedenen Behörden des Heiligen Stuhls – daher die Bezeichnung „Senat der Kirche“. Die wohl wichtigste Aufgabe ist die Wahl eines neuen Papstes nach dem Rücktritt oder dem Tod eines Pontifex. Alle Kardinäle, die am Tag vor dem Rücktritt oder dem Tod eines Papstes das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ziehen in ein Konklave ein. Das sind mit dem heutigen Tag 120 der insgesamt 211 Kardinäle. Papst Paul VI. hatte festgelegt, dass die Zahl der Papstwähler nicht über 120 liegen soll; doch haben sich in der Vergangenheit die Päpste auch immer wieder über diese Bestimmung hinweggesetzt.

Noch immer kommt mehr als die Hälfte der Papstwähler aus Europa: 62 (allein 28 aus Italien). Aus Südamerika (21 Papstwähler), Afrika und Asien (je11) sowie Ozeanien (1), wo rund 66% der Katholiken leben, kommen nur 44 wahlberechtigte Kardinäle (d.h. 36%). Um dieses Missverhältnis etwas auszugleichen, hatte Papst Benedikt XVI. dieses Mal nur Nichteuropäer ernannt. Von einer gerechten Verteilung ist die Kirche aber noch weit entfernt. Umso mehr wenn man bedenkt, dass die Wachstumsregionen der katholischen Kirche in Asien und Afrika liegen. Derzeit gibt es neun deutsche Kardinäle, von denen sechs wahlberechtigt wären: der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner (78), der Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann (76), der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx (59), der Berliner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki (56), der ehemalige vatikanische Ökumeneminister Walter Kardinal Kasper (79) sowie der ehemalige vatikanische Entwicklungshilfeminister Paul Josef Kardinal Cordes (78).

Patriarch Rai

Die neuen Kardinäle kommen zum größten Teil aus „Krisenzentren“ der katholischen Kirche. Patriarch Bechara Boutros Rai versucht im Libanon das fragile Mächteverhältnis zwischen Christen und Muslimen zu stärken. Angesichts des Konflikts im Nachbarland Syrien ist das eine schwierige Aufgabe. Mit seinem Besuch Mitte September in Beirut wollte Benedikt XVI. das Engagement der Kirche um Frieden und Versöhnung unterstützen. Der Inder Baselios Cleemis Thottunkal steht an der Spitze der rund 300.000 Mitglieder zählenden syro-malankarischen Kirche. Ihre Mitglieder klagen seit Jahren immer wieder über Diskriminierung und Gewalt in ihrer Heimat.

Kardinal Onaiyekan

Kardinal John Olorunfemi Onaiyekan sucht als Vorsitzender der nigerianischen Bischofskonferenz den Dialog mit gemäßigten Muslimen, um gemeinsam den Islamisten der Terrorgruppe Boko Haram im Land begegnen zu können. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Anschläge von Islamisten auf christliche Kirche, vor allem im Norden Nigerias. Onaiyekan erhielt vor wenigen Tagen den diesjährigen Friedenspreis von Pax Christi International. Kardinal Ruben Salazar Gomez engagiert sich als Vorsitzender der kolumbianischen Bischofskonferenz seit 2008 im Streit zwischen Regierung und der linksgerichteten Rebellenorganisation FARC. Der 70-Jährige kritisiert Menschenrechtsverletzungen bei allen Konfliktparteien, auch der Armee. Durch diese Unabhängigkeit genießt er großen Respekt in seinem Heimatland. Kardinal Louis Antonio Tagle kommt von den Philippinen, der katholischen Hochburg in Asien. Nur in Brasilien und Mexiko leben mehr Katholiken als auf dem Inselstaat. Der 55-Jährige ist ein Experte für das II. Vatikanische Konzil und gilt für Beobachter als einer der wenigen asiatischen Papabile.

Kardinal Tagle

Das Konsistorium vom Wochenende ist das fünfte Konsistorium zur Kreierung neuer Kardinäle im Pontifikat von Papst Benedikt XVI. und das zweite in diesem Jahr. Benedikt XVI. hat damit insgesamt 90 Kardinäle ernannt. Auch wenn das aktuelle Konsistorium noch abgeschlossen ist, gibt es bereits Spekulationen, wann das nächste stattfindet. Ob dies schon zum Fest Cathedra Petri am 22. Februar kommt, ist ungewiss. Denn bis dahin werden nur zwei Kardinäle das 80. Lebensjahr vollenden. Nähme Benedikt noch die Plätze der vier Kardinäle (darunter Kardinal Kasper) dazu, die bis Ende März 80 Jahre alt werden, hätte er immerhin sechs Plätze. Wartet er bis zum Christkönigsfest 2013 hätte er 10 Plätze zu vergeben – immer vorausgesetzt, er geht nicht über die „Sollgrenze“ von 120 Papstwählern.

Sechs neue Kardinäle und Spekulationen um Georg Gänswein

Feierlicher Gottesdienst im Petersdom

Das ist die Überschrift über das letzte Wochenende im Kirchenjahr. Papst Benedikt XVI. hat heute Morgen sechs neue Kardinäle in den „Senat der Kirche“ aufgenommen. Darunter auch den langjährigen Präfekten des Päpstlichen Hauses, James Harvey. Der US-Amerikaner ist seit gestern Erzpriester der Basilika Sankt Paul vor den Mauern. Ein Nachfolger wurde noch nicht ernannt und das schürt die Spekulationen rund um die Person des päpstlichen Privatsekretärs Georg Gänsweins. Wird er neuer Präfekt und muss damit das „Apartamento“, also den engsten Kreis um Papst Benedikt XVI. verlassen? So zumindest war gestern in italienischen Medien zu lesen. Gänswein müsse gehen – letztendlich als Konsequenz aus der Vatileaksaffäre. Schließlich seien die Dokumente zum Teil aus seinem Büro entwendet worden.

Papstsekretär Georg Gänswein

Doch diese Deutung ist wenig wahrscheinlich. Eher dürfte Georg Gänswein aus Personalrochade im engsten Umfeld des Papstes gestärkt hervorgehen – so sie denn kommt. Über eine Bischofsernennung des 56-Jährigen wird seit vielen Wochen in Rom spekuliert. Dabei gibt es verschiedene Szenarien. Der Papst könnte in Kürze einen neuen Präfekten des Päpstlichen Hauses ernennen – oft wird der Name Petar Rajic genannt. Der 53-Jährige ist derzeit Nuntius auf der arabischen Halbinsel und arbeitete früher schon einmal im Apostolischen Palast. Georg Gänswein könnte dann im Bischofsrang zum „beigeordneten Präfekten“ des Päpstlichen Hauses ernannt werden. Genauso war Papst Johannes Paul II. 1998 mit seinem langjährigen Privatsekretär Stanislaw Dziwisz verfahren. Gänswein hätte damit mehr Kompetenzen und würde für eine engere Verzahnung der Arbeit der Präfektur und des Sekretariats des Papstes sorgen. Die Präfektur ist unter anderem für den Terminkalender des Papstes zuständig (außer die Liturgien) und organisiert die Audienzen.

Doch auch für den Fall, dass Georg Gänswein selbst Präfekt des Päpstlichen Hauses wird, muss dies nicht bedeuten, dass er damit aus dem direkten Umfeld des Papstes entfernt würde. Schließlich ließe sich das Verhältnis zwischen Präfektur und Privatsekretariat so gestalten, dass er seinen direkten Zugang zum Papst behält. Es erscheint unwahrscheinlich, dass Benedikt XVI. seinen engsten Mitarbeiter ziehen lässt. Vielmehr bedeutet sein „Einzug“ in die Präfektur des Päpstlichen Hauses, ganz gleich in welcher Form, eine Erweiterung der Kompetenzen und des Handlungsspielraums Gänsweins.

Mit dem Konsistorium an diesem Wochenende wird das Kardinalskollegium wieder etwas bunter und internationaler. Unter den sechs neuen Purpurträgern ist kein Europäer. Neben James Harvey hat der Papst die Erzbischöfe von Abuja/Nigeria, Bogota/Kolumbien und Manila/Philippinen, John Olorunfemi Onaijekan (68), Ruben Salazar Gomez (70) und Luis Antonio Tagle (55) sowie den maronitischen Patriarchen Bechera Boutros Rai (72) aus dem Libanon und das Oberhaupt der syro-malankarischen Kirche, Isaac Cleemis Thottunkal (53), aus Indien zu Kardinälen ernannt. Thottunkal löst den Berliner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, als jüngstes Mitglied im Kardinalskollegium ab.

"Die Kirche ist katholisch: allumfassend."

In seiner Predigt betonte Papst Benedikt XVI. die Universalität der katholischen Kirche. Dem Beispiel Jesu folgend müsse jeder „ethnische, nationale und religiöse Partikularismus“ überwunden werden. Besonders durch dieses Konsistorium wolle er hervorheben, dass die Kirche eine Kirche aller Völker sei und sich in den unterschiedlichen Kulturen der verschiedenen Kontinente ausdrücke. „Es ist die Kirche von Pfingsten, die in der Polyphonie der Stimmen einen einzigen harmonischen Gesang zum lebendigen Gott aufsteigen lässt.“ Die entscheidende Frage ist allerdings, wie viel Polyphonie die Kirche verträgt? Auf diese Frage ging der Papst heute nicht ein. Bleibt abzuwarten, ob mit den neuen Kardinälen mehr Polyphonie in die römische Kurie kommt; denn die Kardinäle gehören zu den Mitgliedern und Beratern der vatikanischen Behörden.

Die Ansprach des Papstes beim heutigen Konsistorium: http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/homilies/2012/documents/hf_ben-xvi_spe_20121124_concistoro_ge.html. Ein paar Statistiken zum Kardinalskollegium gibt es hier in Kürze.

Die Geburt Jesu: die CD zum Ereignis

Der Papst schreibt ein Buch über die Geburt Jesu – und die Päpstliche Schweizergarde veröffentlicht die CD dazu. „Weihnachten mit der Schweizergarde“ lautet der Titel des Werks, das gestern am Fest der Heiligen Cäcilia, der Patronin der Musik, im Vatikan vorgestellt wurde. Das Bläserquintett der Garde hat zusammen mit der Harfenistin Daniela Lorenz 18 Advents- und Weihnachtslieder eingespielt. Aus dem Erlös der CD werden je zur Hälfte die Arbeit der Garde und Sozialprojekte unterstützt.

Bläserquintett mit Harfenistin

Für viele sind die jungen Männer in ihren bunten Uniformen in den Farben der Medici nur ein beliebtes Fotomotiv an den Eingängen zum kleinsten Staat der Welt. Doch was nach außen wie reine Folklore wirkt, ist ein knochenharter Job. Rund 110 Mann ist die Truppe stark. Sie sind zusammen mit der Vatikanischen Gendarmerie für die Sicherheit des Papstes verantwortlich. Neben den normalen Wachdiensten müssen sie auch als Ehrenformation beim Empfang von Staatsgästen antreten. Dazu kommen die Ordnerdienste bei Gottesdiensten und Audienzen des Papstes. Da bleibt wenig Freizeit. Die nutzen die Gardisten zum Sport oder eben zum Musizieren in der Gardekapelle.

Bischof de Nicolò und Vizekommandant Graf

Die Realisierung der CD war nicht ganz einfach, erklärte Vizekommandant Christoph Graf gestern Abend bei der Vorstellung. Nach einem Konzert des Bläserquintetts im vergangenen Dezember hatte Garde-Kommandant Daniel Anrig die Idee, nach über 30 Jahren wieder eine Musik-CD zu produzieren. Doch die übrigen Führungskader waren dagegen; Anrig musste sie erst mühsam überzeugen. Doch im Februar gingen die Aufnahmen los – in einem Studio von Radio Vatikan. Die ersten Töne erklangen just an dem Tag, an dem es in Rom nach Jahren erstmals wieder schneite, erklärt Franz Hürlimann, einer der beiden Saxophonisten. Für den jungen Gardisten ein bewegender Moment. Die Aufnahmen waren harte Arbeit, berichtet er. Teilweise hätten sie einzelne Stücke mehr als 25 Mal eingespielt, bis alle zufrieden waren. Für das Projekt verzichtete Hürlimann sogar über Wochen auf seinen geliebten Sport. Nach gut einem Monat waren die 18 Stücke im Kasten. Für die CD arbeiteten die Gardisten (Saxophon, Waldhorn, Klarinette, Posaune sowie Tambour) mit Daniela Lorenz zusammen, einer Expertin für lateinamerikanische Harfe.

Bald ein Musikstar? Saxophonist Franz Hürlimann

Die Feierstunde im Gardequartier bot an einem lauen Novemberabend für manchen Gast die Gelegenheit, die Stürme der vergangenen Monate für einen Moment zu vergessen. Kurienbischof Paolo de Nicolò hatte beim Gottesdienst im Petersdom vor dem Festakt die „Harmonie“ in den Mittelpunkt seiner Predigt gestellt. Die sei nicht nur in der Musik wichtig; sondern auch für jeden Einzelnen sowie im Miteinander. So schien die Hoffnung vieler Gäste an diesem Abend, dass nach den Zerwürfnissen und Verdächtigungen der jüngsten Vergangenheit im Vatikan wieder etwas mehr Harmonie einkehrt.

Informationen zur CD gibt es auf der Internetseite der Päpstlichen Schweizergarde: http://www.swissguard.va/uploads/media/121122_CD_Taufe.pdf.

Die Kindheit Jesu: Wie es wirklich war!

Wer spektakulär Neues vom Papstbuch über die Kindheitsevangelien erwartet hat, der wird enttäuscht sein von den rund 130 Seiten Text. Den christlichen Glauben aus den Angeln zu heben, darin sieht Joseph Ratzinger nicht sein Aufgabe. Vielmehr geht es ihm darum, die biblischen Erzählungen, die heute an vielen Stellen bisweilen von Wissenschaftlern wie „einfachen“ Gläubigen in Zweifel gezogen werden, neu zu erschließen und ihren Wahrheitsgehalt darzulegen. Das macht er in einer Mischung aus wissenschaftlicher, sprich historisch-kritischer Herangehensweise und gleichzeitiger religiöser Deutung der Ereignisse. Was er darunter versteht, schreibt er in seinem zusammenfassenden Urteil über die Kindheitsgeschichte im Matthäusevangelium. Diese sei „nicht eine in Geschichte gekleidete Meditation, sondern umgekehrt: Matthäus erzählt uns wirkliche Geschichte, die theologisch bedacht und gedeutet ist, und hilft uns so, das Geheimnis Jesu tiefer zu verstehen“.

Benedikt XVI. zweifelt nicht an der Jungfrauengeburt. Es gebe bisher keine andere plausible Erklärung, als dass sie „wahr ist“. Bei der Suche nach Erklärungen für die Jungfrauengeburt widerspricht Ratzinger einer These des Kirchenlehrers Augustinus. Das ist ungewöhnlich, denn Benedikt XVI. ist als großer Augustinusfreund bekannt. An dieser Stelle folgt er ihm nicht. Maria habe nicht, wie Augustinus sagte, ein Jungfräulichkeitsgelübde abgelegt und sich verlobt, um mit Josef einen „Schützer ihrer Jungfräulichkeit“ zu haben. Vielmehr kommt Ratzinger zu dem Ergebnis, – in Einklang mit dem protestantischen Theologen Karl Barth – dass es in der Geschichte Jesu zwei Punkte gebe, an denen Gottes Wirken unmittelbar in die materielle Welt eingreife: die Geburt aus der Jungfrau und die Auferstehung aus dem Grab. „Insofern sind diese beiden Punkte Prüfsteine des Glaubens. Wenn Gott nicht auch macht über die Materie hat, dann ist er eben nicht Gott.“ Dieses Fazit überrascht etwas, da Ratzinger wenige Seiten vorher betont, dass Gott bei der Geburt Jesu auf die Freiheit des Menschen angewiesen ist: „Er [Gott] kann den frei geschaffenen Menschen nicht ohne ein freies Ja zu seinem Willen erlösen. Die Freiheit erschaffend, hat er sich in gewisser Weise vom Menschen abhängig gemacht.“

Wie schon in den anderen beiden Bänden der Jesustrilogie zeigt Ratzinger die enge Verbindung zwischen Christentum und Judentum auf. Jesus und seine Familie seien fromme Juden gewesen, die das Gesetz beachteten. Ratzinger weist die Vorstellung von Jesus als einem Revolutionär entschieden zurück. „Die Freiheit Jesu ist nicht die Freiheit des Liberalen. Es ist die Freiheit des Sohnes und so die Freiheit des wahrhaft Frommen.“ Freiheit und Gehorsam gegenüber Gott gehörten untrennbar zusammen. Umgekehrt müssten Politik und Glauben getrennt werden. „Wo sich der Kaiser vergöttlicht und göttliche Qualitäten in Anspruch nimmt, überschreitet die Politik ihre Grenzen und verspricht, was sie nicht leisten kann.“ An wenigen Stellen blitzen in dem sehr theologisch und spirituell gehaltenen Buch Bezüge wie diese zur Aktualität auf. Etwa auch dann, wenn Ratzinger bei der Auslegung der Erzählung von den drei Magiern von der „Ambivalenz des Religiösen“ spricht und davor warnt, dass das Religiöse dämonisch und zerstörerisch sein kann, wenn es sich gegen Gott stellt. Eine kleine Spitze findet sich gegen die theologische Wissenschaft, die sich nicht im akademischen Disput erschöpfen dürfe.

Ein Gedanke zieht sich durch das Werk durch, der einen starken Gegenwartsbezug hat. Gleich an mehreren Stellen macht Benedikt XVI. deutlich, dass „Gott stört“. Er handelt anders, als der Mensch es erwartet und hat damit etwas Provokatives. „Wir alle wissen, wie sehr heute Christus Zeichen eines Widerspruchs ist, der im Letzten Gott selbst gilt. Gott selbst wird immer wieder als die Grenze unserer Freiheit gesehen, die beseitigt werden müsse, damit der Mensch ganz er selber sein könne. Gott steht mit seiner Wahrheit der vielfältigen Lüge des Menschen, seiner Eigensucht und seinem Hochmut entgegen.“ Unausgesprochen stecken in diesen Ausführungen Fragen, die seit langer Zeit gerade auch im deutschen Sprachraum heftig diskutiert werden: Was bedeutet das für das Auftreten der Christen in Politik und Gesellschaft? Wie eckig und kantig muss Kirche heute sein, wenn der Stifter mit seinem Verhalten und seiner Botschaft aneckte? „Erlösung ist nicht Wellness,“ lautet das Fazit des Papstes. Klingt da auch etwas von „Entweltlichung“ durch?

Das Projekt „Jesusbuch“ war ein Herzensanliegen von Joseph Ratzinger. Nun ist es vollbracht. Anfang nächsten Jahres soll eine Enzyklika über den Glauben veröffentlicht werden. Dann liegt auch bei den Enzykliken eine große Trilogie über die drei Göttlichen Tugenden vor: Glaube (2013), Hoffnung (Spe salvi, 2007) und Liebe (Deus caritas est, 2005). Man darf gespannt sein, was der Papst sich jetzt als nächstes großes Projekt vornimmt.

Literaturhinweis: Joseph Ratzinger / Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Prolog. Die Kindheitsgeschichten. Herder-Verlag Freiburg 2012. EUR 20,–.