Sede vacante

Der Stuhl Petri ist leer. Papst Benedikt XVI. hat sein Amt aufgegeben. Die katholische Kirche ist ohne ein irdisches Oberhaupt. Eine historische Stunde. Denn zum ersten Mal seit Jahrhunderten gibt es einen emeritierten Papst. Die Stimmung in Rom ist seltsam; mit großer Aufmerksamkeit verfolgten Römer, Pilger und Touristen die letzten Stunden des deutschen Pontifex. Das Fernsehen übertrug seinen „Umzug“ nach Castelgandolfo am Nachmittag live – inklusive des Hubschrauberflugs. Bereits am Morgen war in den Bars rund um den Petersplatz auf den Bildschirmen, auf denen sonst fast nur Sport läuft, die Verabschiedung des Papstes von den Kardinälen zu sehen.

Bescheiden hat Benedikt XVI. sein Pontifikat beendet. Eine kurze Ansprache an die Kardinäle heute morgen; Dank für die gemeinsame Arbeit, ein einfacher Gedanke Romano Guardinis über die Kirche, die keine erfundene Sache sei, sondern eine Realität, und schließlich das feste Versprechen, dem neuen Papst seine „bedingungslose Ehrerbietung und Gehorsam“entgegenzubringen. „Ich bin nur noch einfacher Pilger“, so Benedikt XVI. nach seiner Ankunft in Castelgandolfo heute Mittag zur Menge auf dem Dorfplatz. Das Ende des Pontifikats steht etwas im Gegensatz zu vielen Bildern, die aus den letzten acht Jahren in Erinnerung sind. Dafür sind sie aber vielleicht umso typischer für den Menschen Joseph Ratzinger. Leise Töne, sehr spirituell etwa seine Ansprache gestern bei der Generalaudienz, dazu kein großes Zeremoniell.

Sehr emotionall war der Abschied aus dem Apostolischen Palast im Vatikan. Im Damasushof, wo sonst ausländische Staatsgäste begrüßt werden, hatten sich zu dem Anlass viele Mitarbeiter des Staatssekretariats und anderer vatikanischer Behörden versammelt.  Während Benedikt XVI. gefasst wirkte, hatte nicht nur sein Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein Tränen in den Augen. Rund um den Petersplatz senden die TV-Anstalten aus aller Welt von den Dächern der anliegenden Palazzi und eigens aufgebauten Tribünen direkt vor dem Petersplatz. In der Berichterstattung steht heute noch einmal Benedikt XVI. im Mittelpunkt; aber der Blick geht überall auch schon nach vorne.

144 der 208 Kardinäle waren heute Morgen bei der Verabschiedung im Apostolischen Palast. War unter ihnen vielleicht schon der neue Papst? Genau wurde beobachtet, mit wem Benedikt XVI. wie lange und mit welchem Gesichtsausdruck sprach bei der kurzen persönlichen Begegnung am Ende des Treffens. Scherer, Scola, Turkson oder vielleicht doch Schönborn? Sie waren alle da. Das Rennen ist eröffnet.

 

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.