Klar und offen

Die katholische Weltkirche dreht sich weiter. In Deutschland wurde nach langer schwieriger und zum Teil für Außenstehende nicht mehr nachvollziehbarer Suche mit Bernhard Remmers endlich ein neuer Direktor für die „katholische Journalistenschule“ ifp gefunden. Im Erzbistum Freiburg wartet man gespannt auf die Diözesanversammlung, bei der ab Donnerstag über vier Tage lang gebetet und über eine zukunftsfähige Kirche diskutiert werden soll. In den USA bangen 80 Prozent der katholischen Frauenorden darum, wie es im Verfahren der vatikanischen Glaubenskongregation gegen ihren Dachverband weiter geht. Beim Nationalen Eucharistischen Kongress in Costa Rica erklärt Erzbischof Piero Marini, im Vatikan für die Internationalen Eucharistischen Weltkongresse zuständig und lange Jahre Päpstlicher Zeremonienmeister unter Johannes Paul II., dass die Kirche zwar die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ablehne, mit zivilrechtlichen Regelungen aber kein Problem habe. Und in Rom stellt Papst Franziskus fest: „Jesus ja, Kirche nein“ – das ist mit ihm nicht zu machen.

80.000 kamen heute zur Generalaudienz mit Papst Franziskus.

Seinen Namenstag nutzte gestern Papst Franziskus für einen Gottesdienst mit den in Rom residierenden Kardinälen. Die Predigt, wie immer frei gehalten, in jesuitischer Tradition mit drei zentralen Punkten, machte einmal mehr deutlich, dass dieser Papst bei all seinem offenen Stil eine klare Botschaft hat. Christsein ohne Härte sei nicht zu haben. Zwischen Kreuz und Auferstehung, Verfolgung und Trost verlaufe das Leben der Kirche. Jesus nachzufolgen, ohne zur Kirche zu gehören, das sei nicht möglich, so Franziskus mit Verweis auf die Worte Jesu im Johannesevangelium: „Ihr glaubt nicht, weil ihr nicht zu meinen Schafen gehört.“ (10,26) Außerhalb der Kirche könne man Christus nicht finden. Die Kirche sei die Mutter, die den Christen Identität gebe. Diese Identität sei nicht einfach nur ein „Personalausweis“, sondern bedeute Mitgliedschaft. Mit Verweis auf Papst Paul VI. und sein Apostolisches Schreiben „Evangelii Nuntiandi“, die Magna Charta der missionarischen Kirche, bezeichnet Franziskus die Vorstellung „Jesus ja, Kirche nein“ als einen „absurden Widerspruch“.

Klare Worte. Die Frage ist nun, wer ist diese „Mutter Kirche“? Ist es die katholische Kirche? Da würde Franziskus sicher ja sagen; allerdings zeigen die letzten Wochen, dass er mit dem zustand dieser „katholischen Kirche“ nicht zufrieden ist. Vergangene Woche predigte er beim Morgengottesdienst im vatikanischen Gästehaus Santa Marta über das II. Vatikanische Konzil. Er bezeichnete es als großes Werk des Heiligen Geistes und fragte, ob denn all das umgesetzt worden sei, was der Geist damals gesagt habe. Seine klare Antwort. „Nein, im Gegenteil: Wir feiern dieses Jubiläum und es scheint, dass wir dem Konzil ein Denkmal bauen, aber eines, das nicht unbequem ist, das uns nicht stört. Wir wollen uns nicht verändern und es gibt sogar auch Stimmen, die gar nicht vorwärts wollen, sondern zurück: Das ist dickköpfig, das ist der Versuch, den Heiligen Geist zu zähmen. So bekommt man törichte und lahme Herzen.“

Ganz von diesem Heiligen Geist des Konzils inspiriert sind nach eigenen Angaben die US-amerikanischen Ordensfrauen, die in den vergangenen Jahren ins Visier vatikanischer Visitatoren und Ermittler geraten sind. 2008 hatte die vatikanische Ordenskongregation eine Visitation der US-amerikanischen Frauenorden angekündigt; kurz darauf eröffnete die vatikanische Glaubenskongregation ein Verfahren gegen den Dachverband LCWR, in dem rund 80 Prozent der US-Frauenorden organisiert sind. Im Januar 2012 wurde die Apostolische Visitation abgeschlossen und der Untersuchungsbericht an den Vatikan geschickt. Seitdem warten die Ordensfrauen auf Antwort. Anders sieht es im Fall des Dachverbands aus. Vergangene Woche gab es ein Treffen mit Vertretern der Glaubenskongregation. Dabei teilte deren Chef, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, den Ordensfrauen mit, dass Papst Franziskus den Kurs von Benedikt XVI. gegenüber dem LCWR fortsetzen wolle. Dabei geht es um strukturelle Reformen, aber auch um lehrmäßige Fragen, die zu klären seien. Äußerungen einzelner Ordensfrauen zu Themen wie Homosexualität und Frauenpriestertum sind dem Vatikan ein Dorn im Auge. Der Fortgang der „Causa LCWR“ wird zu einer ersten Nagelprobe für Papst Franziskus werden. Denn viele der US-amerikanischen Ordensfrauen leben genau eine solche offene Kirche, die hinausgeht in die Peripherien menschlicher Existenz, wie Franziskus sie seit seiner Wahl ununterbrochen fordert. In einem Brief an seine argentinischen Bischofskollegen schrieb er vergangene Woche: „Wir müssen wachsen im freien Austausch der Meinungen.“ Ob das auch für den Umgang mit den US-Ordensfrauen gilt? Die haben die Hoffnung, dass sich Papst Franziskus noch eingehend mit der „Causa LCWR“ beschäftigen und dann einen versöhnlicheren Kurs einschlagen wird, als das bisher der Fall ist.

P.S. Bei der Morgenmesse heute warnte Franziskus, dass die Kirche sich nicht ihrer Größe und der Vielzahl der Organisationen brüsten dürfe. Sie werde dann schnell zu einer reinen Bürokratie, zu einer NGO, die ihr ihre prinzipielle Substanz verliere. Die Kirche sei eine „Geschichte der Liebe“. Die Vatikanbank IOR, die Büro seien durchaus notwendig, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Die entscheidende Frage sei, wie sie dieser „Geschichte der Liebe“ helfen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.