Die (lange) römische Woche

Selig- und Heiligsprechungen, Papstreisen, eine Enzyklika und ein Telefonat. Es war Einiges los diese Woche in Rom – auch im Bereich der Gerüchte und Spekulationen. Am vergangenen Samstag traf Papst Franziskus den Leiter des Päpstlichen Familienrats, Erzbischof Vincenzo Paglia. Der ist im „Nebenberuf“ Postulator im Seligsprechungsprozess für den salvadorianischen Erzbischof Oscar Romero. Romero gilt als eine Ikone der Befreiungstheologie und wurde mit seinem Engagement für die Armen und Unterdrückten weit über Lateinamerika hinaus bekannt. Am 24. März 1980 erschossen ihn Militärs während eines Gottesdienstes. 1990 wurde in El Salvador das Seligsprechungsverfahren eröffnet; 1996 gingen die Unterlagen an den Vatikan. Dort kommt das Verfahren  seit Jahren nicht richtig voran. Papst Benedikt XVI. würdigte Romero 2007 auf dem Weg nach Brasilien als einen „Mann von großer christlicher Tugend, der sich für den Frieden und gegen die Diktatur eingesetzt hat und der während der Feier der heiligen Messe ermordet wurde. Also ein wahrhaft ‚glaubwürdiger’ Tod, der Tod eines Glaubenszeugen.“ Allerdings sei er politisch “instrumentalisiert“ worden. Dies müsse verhindert werden. Diese Instrumentalisierung und interner Streit unter den Bischöfen Lateinamerikas war der Grund für die Verschleppung des Verfahrens.

Gedenkmarsch für Oscar Romero am 16. März 2013 in San Salvador (dpa)

Jorge Mario Bergoglio sieht in Romero einen „Märtyrer“. Als Papst beauftragte er Erzbischof Paglia vergangene Woche, das Verfahren zu „entblockieren“. Schon beim Treffen mit dem diplomatischen Korps wenige Tage nach seiner Wahl soll Franziskus nach Angaben der Zeitschrift „The Tablet“ gegenüber einem Mitglied der salvadorianischen Delegation seine Hoffnung auf eine baldige Seligsprechung Romeros zum Ausdruck gebracht haben. Ein solcher Akt wäre sicher ein wichtiges Signal für die Menschen in Lateinamerika, aber auch weit darüber hinaus. Die Feier böte Franziskus die Gelegenheit für eine Reise nach El Salvador. Denn seit einigen Jahren werden Seligsprechungen immer in der Heimat des neuen Seligen durchgeführt, meist unter Leitung des Präfekten der Selig- und Heiligsprechungskongregation, Kardinal Angelo Amato. Franziskus kann diese Regelung jederzeit ändern. Zumal man ihm nachsagt, dass er Romero sehr verehre. Im Mai kommt der salvadorianische Präsident Mauricio Funes in den Vatikan. Vielleicht gibt es dann schon Näheres zum Thema.

Apropos Reisen. Vatikansprecher Federico Lombari erklärte diese Woche, dass die Reise zum Weltjugendtag im brasilianischen Rio de Janeiro sehr wahrscheinlich die einzige internationale Reise von Papst Franziskus sein werde. Das heißt, der für Anfang Dezember erwartete Besuch im Heimatland Argentinien scheint vom Tisch. Dafür wird Franziskus Assisi besuchen und wohl noch vor Jahresende seine erste Enzyklika veröffentlichen. Ob er dabei auf Teile der von Papst Benedikt XVI. schon verfassten Enzyklika über den Glauben zurückgreifen wird, ist ungewiss. Ebenso vorstellbar ist ein großes Lehrschreiben mit eher sozialethischen Themen.

Benedikt XVI. wird übrigens wie erwartet Anfang Mai in den Vatikan zurückkehren und dort seine neue und endgültige Bleibe beziehen: das Kloster Mater Ecclesiae im Schatten des Petersdoms in den Vatikanischen Gärten. Franziskus hingegen bleibt vorerst weiter im vatikanischen Gästehaus Santa Marta.

Spekuliert wird in diesen Tagen wieder heftig über eine mögliche Heiligsprechung von Johannes Paul II. im Oktober. Die medizinische Kommission der zuständigen Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen hat vor wenigen Tagen positiv über ein angebliches Wunder auf Fürsprache des seligen Papstes entschieden. Diese Anerkennung muss nun zunächst noch von der Theologenkommission und der Vollversammlung der Kongregation anerkannt werden. Dies ist normalerweise eher Formsache. Die Letztentscheidung liegt dann beim Papst. Sollte die Heiligsprechung wirklich noch im Oktober stattfinden, 35 Jahre nach der Wahl Karol Wojtylas zum Papst, müsste die Entscheidung sehr zeitnah fallen. Denn ein solches Ereignis wie die Heiligsprechung braucht einen gewissen Vorlauf.

Am Mittwoch hat Papst Franziskus nach der Generalaudienz eine Abordnung der „Abuelas de Plaza de Mayo – Großmütter der Plaza de Mayo“ getroffen. Das sind Frauen, die sich für Opfer der Militärdiktatur einsetzen, denen die Kinder weggenommen und zur Adoption gegeben wurden. Estella Carlotto, Vertreterin der Organisation, sagte nach der Begegnung gegenüber der Presse, sie habe Papst Franziskus einen Brief übergeben mit der Bitte, die kirchlichen Archive zu öffnen, um das Schicksal der Kinder zu klären. Mehr als 500 Kinder seien ihren Müttern nach der Geburt weggenommen worden. Bisher sei erst der Verbleib von rund 100 von ihnen geklärt. Carlotto sagte, es gehe nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, das Schicksal der Kinder aufzuklären. Papst Franziskus habe ihr geantwortet: „Ich stehe zu Ihrer Verfügung. Sie können auf mich zählen.“ Die Rolle der Kirche und auch Bergoglios selbst in der Zeit der Militärdiktatur ist immer wieder Anlass für Kritik und Spekulationen. Schon nach seinem Treffen mit dem Friedensnobelpreisträger Esquivel Ende März hatte dieser gesagt, Franziskus wolle die Aufarbeitung voranbringen. Wenn dem so ist, wird das sicherlich schmerzlich sein für die Kirche. Aber Franziskus würde ihr damit einen großen Dienst erweisen. Es wäre ein weiterer Schritt hin zu mehr Glaubwürdigkeit und könnte sicher dabei helfen, dass Menschen verlorenes Vertrauen in die Kirche zurückgewinnen.

P.S. Im Mai kommt es übrigens zu einer weiteren spektakulären Begegnung zweier Päpste. Dieses Mal sind es sogar zwei amtierende Päpste: Der koptisch-orthodoxe Patriarch Tawadros II. kommt in den Vatikan. Das Kirchenoberhaupt trägt ebenfalls den Titel Papst. Zuletzt gab es ein Treffen der beiden Päpste im Vatikan vor 40 Jahren. 1973 hatten Papst Paul VI. und Papst Shenouda III. eine gemeinsame christologische Erklärung unterzeichnet. Der Besuch Tawadros im Mai soll daran erinnern. Tawadros II. ist seit November 2012 im Amt. Die Mitgliedszahlen der vor allem im heutigen Ägypten verbreiteten Kirche reichen je nach Quelle von fünf bis zwölf Millionen. Im Februar 2000 hatte Papst Johannes Paul II. im Rahmen seiner Heilig-Jahr-Pilgerfahrt auf den Spuren der Heilsgeschichte in Kairo Papst Shenouda III. besucht. Der Patriarchensitz wird auf Markus, den gleichnamigen Verfasser des Markusevangeliums zurückgeführt. Bei den Gesprächen zwischen Franziskus und Tawardos dürfte es neben Fragen der Ökumene vor allem um die aktuelle Lage der Christen im Nahen Osten und Nordafrika gehen.

P.P.S. Papst Franziskus greift gerne zum Telefon und sucht so den direkten Kontakt, wenn ihm etwas wichtig ist. So geschehen diese Woche nach der Wahl des neuen (alten) italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano. Nach erfolgter Wahl am vergangenen Samstag schickte Franziskus bereits ein Telegramm und dankte Napolitano für dessen Opferbereitschaft. Am Mittwochnachmittag klingelte dann das Telefon im Quirinalspalast und als Präsident Napolitano abnahm, war der Papst höchstpersönlich dran. Die Botschaft von Franziskus an den italienischen Präsidenten laut vatikanischem Presseamt: „Ich habe Sie angerufen, Herr Präsident, um Ihnen für Ihr Beispiel zu danken. Sie sind ein Beispiel auch für mich gewesen. Mit Ihrem Verhalten haben Sie selbst das fundamentale Prinzip des Zusammenlebens verkörpert, dass die Einheit stärker ist als der Konflikt. Ich bin gerührt über Ihre Entscheidung.”

P.P.P.S. Der Papst hat übrigens am Mittwoch nach der Generalaudienz schon wieder ein Fußballtrikot geschenkt bekommen. Dieses Mal war es Inter Mailands Kapitän Javier Zanetti, der Franziskus gleich ein ganzes Geschenkpaket überreichte. Darin unter anderem eine Kapitänsbinde mit den Flaggen Italiens, Argentiniens und des Vatikans sowie den Initialen Zanettis und des Papstes – und natürlich ein Trikot mit der Nummer 4. Zanetti ist in Buenos Aires geboren und absolvierte mehr als 800 Spiele für Inter Mailand.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.