Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog

Interessantes und Hintergründiges aus dem Vatikan

Jetzt live aus Rom auf ZDF.de

Es ist sein erster Auftritt seit der historischen Rücktrittsankündigung: Papst Benedikt XVI. wird heute vermutlich die letzte große liturgische Zeremonie seines Pontifikats abhalten. Am Nachmittag (17.00) will das 85-jährige Oberhaupt der Katholiken im Petersdom in Rom die Aschermittwoch-Messe zum Beginn der Fastenzeit feiern. Zuvor ist am Vormittag (10.30) eine Generalaudienz geplant.

heute.de zeigt die Generalaudienz ab 10.25 Uhr im Livestream:

http://www.heute.de/Erster-Papst-Auftritt-seit-Rücktrittsankündigung-26578190.html

Mehr Fragen als Antworten

Am Tag 1 nach der Ankündigung des Rücktritts von Papst Benedikt XVI. zum Monatsende gibt es mehr Fragen als Antworten. Unzweifelhaft ist die weltweite Anerkennung für den mutigen Schritt Joseph Ratzingers. Im Vatikan versucht man eifrig, Antworten auf die vielen offenen Fragen zu finden. Noch ist nicht klar, wie der Titel Benedikts nach seinem Rücktritt sein wird: Alt-Papst, emeritierter Papst? Sicher ist, er ist Altbischof von Rom; denn der Papst ist ja zugleich Bischof der Ewigen Stadt. Unklar ist auch, welche protokollarischen Rang Joseph Ratzinger künftig haben wird. Das müssen die Kirchenrechtler des Vatikans nun schellstens klären.

Benedikt XVI. wird ab 28.2. um 20.01h auf jeden Fall seine Amtsgewalt verlieren und hat dann keinerlei Jurisdiktionsgewalt mehr. Die für Frühjahr erwartete Enzyklika zum Thema Glauben im Rahmen des Jahrs des Glaubens wird bis zum Ende des Pontifikats nicht mehr fertig. Ob und wie der Text eventuell anschließend publiziert wird, ist derzeit noch offen. Sicher ist auch, dass die Entscheidung Benedikts XVI. keine Kurzschlussreaktion ist oder auf eine besondere Krankheitsdiagnose zurückgeht. Schon nach der letzten großen Interkontinentalreise im März 2012 nach Mexiko und Kuba habe der Papst für sich die Entscheidung gefällt. Angesichts der unruhigen Fahrwasser aufgrund des Vatileaksskandals schien ihm aber der rechte Zeitpunkt lange noch nicht gekommen. Jetzt, nachdem sich alles etwas beruhigt hatte, udn Benedikt XVi. in den letzten Monaten erkennen musste, dass seine Kräfte – ganz natürlich – mit zunehmendem Alter weiter schwanden, entschloss der sich zum Handeln.

Bisher ist zum Ende des Pontifikats keine eigene große Feier geplant. Am 27.2. wird die wöchentliche Generalaudienz der letzte öffentliche Auftritt in der Amtszeit Benedikts XVI. sein. In Rom werden dazu Zehntausende Gläubige erwartet. Bis zu diesem Tag gibt es noch eine ganze Reihe von öffentlichen Auftritte. Mit Spannung werden nun die Reden Benedikts erwartet – etwa morgen bei der Generaldaudienz am Vormittag und dann am Nachmittag bei seinem voraussichtlich letzten Gottesdienst als Papst im Petersdom, dem Gottesdienst zum Beginn der Fastenzeit am Aschermittwoch.

Wer wird das Rennen machen?

Nach der überraschenden Ankündigung seines Rücktritts wird heftig darüber spekuliert, wer die Nachfolge von Benedikt XVI. antritt. Viele sehen die Zeit gekommen für einen Papst aus dem „Süden“, andere glauben, dass nur ein Italiener die Kurie reformieren kann. 

Eigendynamik beim Konklave

Das Rennen ist offen am Tag nach der Rücktrittsankündigung Benedikts XVI. In den Wettbüros werden schon Namen gehandelt. Doch Vorsicht ist geboten. Ein altes römisches Sprichwort besagt, wer als Papst(-favorit) ins Konklave einzieht, kommt meist als Kardinal wieder heraus. Die Zeit der Sedisvakanz und ein Konklave entwickeln durchaus eine eigene Dynamik. Selbstverständlich hat hinter den Kulissen bereits das Ringen begonnen, doch wer am Ende das Rennen macht, ist noch unklar.

Entscheidend wird sein, welche Probleme der Kirche die Kardinäle als die zentralen Fragen für die Zukunft sehen. Geht es vor allem darum, die römische Kurie, also die Verwaltung zu reformieren? Dann könnte ein Italiener große Chancen haben. Die letzten beiden Pontifikate haben gezeigt, dass ein Nichtitaliener die doch sehr von Italienern dominierte Kurie nur schwer in den Griff bekommt. Doch die Kandidaten unter den Italienern sind rar.

Mögliche Kandidaten

Oft genannt wird der Mailänder Erzbischof Kardinal Angelo Scola. Der 71-Jährige ist ein enger Vertrauter Benedikts XVI. und wurde aufgrund seiner großen Nähe zum scheidenden Pontifex mehrfach als Kronprinz bezeichnet. Die Einrichtung eines eigenen Ministeriums für Neuevangelisierung im Vatikan durch Benedikt XVI. geht auf eine Idee Scolas zurück.

Auch der vatikanische Kulturminister Gianfranco Ravasi (69) gilt als möglicher Anwärter. Er entwickelte zahlreiche Initiativen zum Dialog mit der säkularen Welt; ein Gebot der Stunde für die katholische Kirche. Manchen Kardinälen ist der quirlige Italiener allerdings etwas zu umtriebig.

Die Nicht-Italiener

Soll mit der Wahl vor allem die Weltkirche gestärkt werden, dann könnte durchaus ein nichteuropäischer Kandidat zum Zuge kommen. Weit mehr als die Hälfte der Katholiken leben heute in Lateinamerika, Afrika und Asien. Auch wenn in Fernost und auf dem schwarzen Kontinent die Katholikenzahlen steigen, steht die Kirche im Süden vor großen Herausforderungen: Freikirchen und evangelikale Gruppierungen, die Auseinandersetzung mit aggressiven Kräften im Islam und die Verschärfung der sozialen Gegensätze angesichts der Globalisierung sind nur einige Stichworte.

Mit am nächsten steht dem noch amtierenden Papst der Erzbischof von Sao Paolo, Kardinal Odilo Scherer. Der 63-Jährige hat deutsche Wurzeln und ist Mitglied in vielen wichtigen Vatikangremien. Als möglicher Kandidat gehandelt wird auch der ghanaische Kardinal Peter Turkson (64).

Ein interessanter Kandidat ist auch Kardinal Leonardo Sandri. Der 69-jährige Argentinier hat italienische Wurzeln. Er ist Chef der mächtigen vatikanischen Ostkirchenkongregation. Davor war er unter Johannes Paul II. vatikanischer Innenminister. Ob er aber als Kurialer den Willen zu notwendigen Reformen in der Zentrale mitbringt, ist ungewiss.

Das gilt auch für den Chef der Bischofskongregation, Kardinal Marc Quellet. Über den Schreibtisch des 68-jährigen Kanadiers liefen in den letzten Jahren fast alle Bischofsernennungen weltweit. Er arbeitete unter Kardinal Kasper im Ökumene-Ministerium und sammelte als Erzbischof von Quebec pastorale Erfahrung. Quellet und Sandri dürften auch das richtige Alter haben. Denn der Rücktritt Benedikts XVI. zeigt, das Amt fordert Kraft. Daher dürfte der neue Papst in einem Alter sein, dass zwischen den Extremen der letzten beiden Päpste liegt: Johannes Paul II. war bei seiner Wahl 58, Benedikt XVI. 78 Jahre alt.

Überraschend bis zum Schluss

Das war ein Paukenschlag heute Nachmittag um 12 Uhr. Papst Benedikt XVI. tritt zurück. Was niemand richtig wahr haben wollte in den letzten Wochen, ist zur Gewissheit geworden. Der Terminkalender war weitestgehend weiß für dieses Jahr. Jetzt füllt er sich: im März ein Konklave; danach ein neuer Papst, auf den nun viele gespannt warten. Schon wird eifrig über mögliche Nachfolger spekuliert. Doch bis zum 28. Februar bleibt zunächst noch Zeit, auf das zu Ende gehende Pontifikat zurückzuschauen.

Benedikt XVI. gibt am 28. Februar 2013 sein Amt auf. (dpa)

„Wir sind Papst“ titelte am 19. April 2005 die BILD. „Oh mein Gott“ auf schwarzem Hintergrund lautete die Schlagzeile der TAZ . Euphorischer Jubel – und Entsetzen. Schon 2005 bei der Wahl Papst Benedikts XVI. zeigte sich, dass der neue Papst in seinem Heimatland polarisiert. Während die einen hofften, dass Joseph Ratzinger als Papst Reformen anpackt; befürchteten die anderen dass er seine konservative Linie fortsetzt.

Am Tag des Rücktritts standen heute allerdings zunächst einmal die positiven Seiten Benedikts im Vordergrund. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz würdigte Benedikt XVI. als wahren „Pontifex – Brückenbauer“: „Er wollte Brücken bauen zwischen Glaube und Vernunft, Brücken hin zu Gott, Brücken zwischen Konfessionen und Religionen, um so dem Frieden der Welt den Weg zu bereiten und dem Reich Gottes Wachstum zu schenken.“

An einem für Deutschland sehr wichtigen Punkt, der Ökumene, hat das Brückenbauen nicht so geklappt. Hier gab es große Hoffnungen, dass es mit einem Papst aus dem Land der Reformation zu sichtbaren Fortschritten kommen werde. Diese Erwartungen wurden enttäuscht. Benedikt XVI. wollte nicht ein deutscher Pontifex sein, sondern ein Papst für die gesamte Kirche. Seine Ziele: Das katholische Profil schärfen, Verkündigung statt Politik und die Einheit der Kirche – dafür hat er sich den traditionalistischen Piusbrüdern angenähert. Dieser Aussöhnungsversuch hat viele Katholiken verunsichert, denn sie befürchteten, dass Benedikt XVI. hinter die Reformen des II. Vatikanischen Konzils zurückgehen möchte. Sein Versuch, die Gegenwart mit der Geschichte zu versöhnen, war ein gewagtes Unterfangen.

Trotz vieler Schwierigkeiten, Benedikt XVI. genießt durchaus Ansehen auch außerhalb der katholischen Kirche. Er gilt als Intellektueller, sucht das Gespräch mit anderen Religionen und der säkularen Welt. Für Deutschland, so das Fazit heute, war dieser Papst trotz aller Spannungen von großer Relevanz. Bundespräsident Joachim Gauck erklärte: „Für uns Deutsche hat dieser Papst eine besondere Bedeutung. Denn dass ein Deutscher die Nachfolge von Johannes Paul II. antrat, war von historischer Bedeutung für unser Land.“

Historisch – war nicht nur der Anfang, sondern ist auch das Ende des Pontifikats. Künftig wird kein Papst mehr unter dem Druck stehen, der erste seit langer Zeit zu sein, der zu Lebzeiten aus dem Amt scheidet. Ein revolutionärer Akt für die katholische Kirche, den Benedikt XVI. hier vollzieht, vielleicht der revolutionärste seines Pontifikats. Mit seinem Rücktritt hat Benedikt XVI. unter Umständen etwas angestoßen, dessen Tragweite heute noch längst nicht abzusehen ist.

Papst tritt zurück

Das gab es zuletzt 1294, dass ein Papst zurücktritt: Nun will Benedikt XVI. überraschend sein Amt am 28. Februar niederlegen. Das teilte er während eines öffentlichen Konsistoriums in Rom in Latein mit. Seine Begründung: Er habe nicht mehr die Kraft, das ihm anvertraute Amt weiter gut zu führen. Der neue Papst soll noch vor Ostern gewählt werden. 

Zum Rücktritt des Papstes sendet das ZDF heute, am 11.02.2013 um 14 Uhr und um 16 Uhr jeweils ein ZDFspezial.

Weitere Informationen gibt es auf http://papst.zdf.de/

Pogromstimmung gegen die Kirche?

Erzbischof Gerhard Müller scheut nicht den Konflikt – weder in seiner Regensburger Zeit als Bischof noch in seinem neuen Amt als Präfekt der Glaubenskongregation. Er liebt kräftige Worte und Vergleiche und erinnert darin an seinen verstorbenen Mitbruder Johannes Dyba. Auch der war mit seinen deftigen Vergleichen und Wortspielen stets ein Liebling der Medien, weil er gut zitierbar war und für Aufsehen sorgte. Mit seinem Interview in der „Welt“ ist Erzbischof Müller ein neuer Aufreger gelungen, als er von einer „künstlich erzeugten Wut“ gegen die katholische Kirche und ihre Kleriker sprach, „die gelegentlich schon heute an eine Pogromstimmung erinnert“.

Es waren die letzten Sätze eines langen Interviews, aber die Empörung über diese Wortwahl schwappte sofort in die Politik und führte zu einer „Pogrom-Debatte“. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), immer gerne bereit, die katholische Kirche zu kritisieren, gab gegenüber der „Welt“ umgehend ihren Protest zu Protokoll. Aber auch Grünen-Chefin Claudia Roth nannte den Vergleich „absolut inakzeptabel und gefährlich geschichtsvergessen“. Tatsächlich wird der Begriff Pogrom überwiegend im Zusammenhang mit judenfeindlichen Ausschreitungen gebraucht – in schlimmster Erinnerung sind diesbezüglich die Greueltaten der Nationalsozialisten gegen die Juden.

Ein Wort der Verteidigung kam ausgerechnet von Rabbi David Rosen, dem Direktor des amerikanisch-jüdischen Komitees für interreligiöse Angelegenheiten. Er sah es als Ergebnis einer böswilligen Absicht, wenn man in Müllers Äußerungen einen Vergleich zum Holocaust sehe. Das ehrt den Rabbiner, kann aber den Erzbischof nicht aus seiner Verantwortung für seine Wortwahl entlasten.

Es ist sicher ein Faktum, dass die kirchenkritischen Töne in der Gesellschaft zunehmen. Auch treue Katholiken formulieren ihre Schwierigkeiten mit ihrer Kirche, wie die jüngsten Umfragen mehr als deutlich zeigen. Es wäre besser, wenn Erzbischof Müller und seine Brüder im Amt mehr darüber nachdächten, warum die Kritik so gewachsen ist und welche Schritte sie unternehmen könnten, das Image der Kirche aufzubessern, als dass er die Kritiker in derart überzogener Weise und mit unzulässigen Vergleichen an den Pranger stellt.

Und er bewegt sich doch

Der Kölner Klinikskandal erregt seit zwei Wochen die Gemüter von Katholiken und Nichtkatholiken. Einer Frau, Opfer einer Vergewaltigung, wurde in katholischen Krankenhäusern Hilfe verwehrt. Kurz nach Bekanntwerden des Falls hatte sich der Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner, beschämt gezeigt über den Vorfall in seinem Bistum, zugleich aber die strikte Ablehnung der „Pille danach“ durch die Kirche bekräftigt. Gestern nun die halbe Kehrtwende. Meisner präzisiert: Die Einnahme eines Präparats, das nach einer Vergewaltigung die Befruchtung verhindert, sei vertretbar. Ein Präparat, das die Nidation einer befruchteten Eizelle hemmt bzw. verhindert, bleibt verboten.

 

Kardinal Meisner bewegt sich. (dpa)

Meisner kommt nach Beratungen mit Experten zu dieser neuen Bewertung der Situation. Das zeigt die Bereitschaft zu Lernen und sollte beispielhaft sein für andere Bereiche. Doch zugleich muss man festhalten, dass der Schaden für die Kirche und der damit verbundene erneute Vertrauensverlust bereits groß sind. Warum konnte diese Beratung nicht schon im vergangenen Jahr stattfinden. Da wurden im Erzbistum Köln nach Testversuchen katholischer Fundamentalisten, in kirchlichen Kliniken die Pille danach zu erhalten, auf Weisung der Kirchenoberen die entsprechenden Richtlinien in den Kliniken überarbeitet. Die Frage muss erlaubt sein, ob nicht gerade dieser Druck aus der rechten Ecke zur Verunsicherung der Mitarbeiter in den kirchlichen Kliniken beitrug, die schließlich zur Abweisung des Vergewaltigungsopfers führte. Dazu kommt, dass der Vatikan schon seit Jahren etwa im Fall von vergewaltigten Ordensfrauen Präparate duldet, die eine Befruchtung verhindern.

Kardinal Meisner erntet nun viel Lob für sein Verhalten. Die Diskussionen um die kirchliche Position dürften aber weitergehen. Zumal wenn Meisner in seiner Erklärung weiter schreibt, dass in der Notsituation vergewaltigter Frauen in kirchlichen Kliniken „auch über Methoden, die nach katholischer Auffassung nicht vertretbar sind, und über deren Zugänglichkeit“ aufgeklärt werden darf. Voraussetzung ist,„ohne irgendwelchen Druck auszuüben“ auch über die katholische Position zu informieren. D.h. konkret: Künftig dürfen in kirchlichen Kliniken die Angestellten auch über die aus kirchlicher Sicht verbotene Variante der „Pille danach“ zumindest informieren, auch wenn sie diese weiter nicht abgeben dürfen.

Die neuen Vorgaben gelten zunächst einmal nur im Erzbistum Köln. Denn jeder Bischof ist für die Kliniken in seinem Bistum zuständig. Die Bischofskonferenz betont, dass es sich um die Position des Erzbischofs von Köln handle. Was ist mit dem Rest der Bischöfe? In den letzten zwei Wochen hielten sie sich in der Angelegenheit bedeckt. Man darf gespannt sein, ob bei der Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz in Trier ab 18. Februar das Thema auf der Tagesordnung stehen wird und die Bischöfe zu einem einheitlichen Meinungsbild kommen werden.

Vatikan gegen aggressive katholische Websites

Klare Worte hat heute der Chef des Päpstlichen Medienrats, Erzbischof Claudio Maria Celli, gefunden. Bei der Vorstellung der Papstbotschaft zum katholischen Weltmedientag warnte er davor, den Glauben auf katholischen Internetseiten zu aggressiv zu vertreten. Er empfehle katholischen Seiten einen respektvollen Dialog mit den anderen. „Manchmal haben wir zu aggressive Seiten“, so der italienische Kurienerzbischof. „Wenn wir keine Haltung des Respekts bewahren, läuft alles falsch“, fuhr er fort. Damit ist er ganz auf päpstlicher Linie. Benedikt XVI. stellt in seiner Botschaft, die sich in diesem Jahr den sozialen Netzwerken widmet, fest: „Auch in der digitalen Welt, wo leicht zu hitzige und polemische Stimmen zu hören sind und wo gelegentlich die Gefahr besteht, dass die Sensationslust die Oberhand behält, sind wir zu einem sorgfältigen Urteil aufgerufen.“

Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um katholische Internetportale, die sich im rechtskatholischen Bereich tummeln und denunziatorische Praktiken in der katholischen Kirche unterstützen, wie etwa das Internetportal „gloria.tv“, oder das vor wenigen Monaten vom Netz gegangene „kreuz.net“, lassen diese Worte aus dem Vatikan aufhorchen. Immer mehr User sehen es als ihre Aufgabe, im Internet als Glaubenswächter aufzutreten und anderen den rechten Glauben und die Katholizität abzusprechen. Den Segen des Papstes haben sie dafür nicht; aus dem Zentrum der katholischen Kirche gibt es zu dem Treiben jetzt mahnende Worte.

Auffallend ist der positive Grundton, mit dem der Papst über die sozialen Netzwerke spricht. Er verschweigt zwar die Gefahren nicht, sieht aber vor allem die Chancen und positiven Seiten der Social Networks. Sie leisteten einen Beitrag, Dialog und Diskussion zu unterstützen sowie die Einheit unter den Menschen zu stärken. Dazu müssten sie von „Respekt, Rücksicht auf die Privatsphäre, Verantwortlichkeit und dem Bemühen um die Wahrheit geprägt sein“. Benedikt XVI. sieht in den Netzwerken natürlich auch eine Möglichkeit zur Weitergabe des Glaubens. Für Katholiken, die in einer Minderheitensituation leben, sieht er die Chance, über die Social Networks mit anderen Gläubigen in Kontakt zu kommen und so die „weltweite Gemeinschaft der Gläubigen“ erfahren zu können.

Erzbischof Celli kündigte übrigens an, dass es in kürze eine Papst-App geben wird. Über „The-Pope-App“ kann man demnächst dann per Livestream große Papstveranstaltungen mitverfolgen oder über eine von sechs Webcams einen Blick in den Vatikanstaat werfen. Bei der Technik geht der Papst also mit der Zeit. An dieser Stelle scheint er keine Berührungsängste mit der Moderne zu haben.

Blick nach Asien

Hoher Besuch aus Vietnam war heute zu Gast im Vatikan. Der Chef der Kommunistischen Partei, Nguyen Phu Tong, traf Papst Benedikt XVI. Dem war der Termin sogar so wichtig, dass er den Politiker an dem sonst audienzfreien Dienstag empfing. Über den Inhalt des Gesprächs wurde wenig bekannt. Herzlich soll es gewesen sein; Fragen von beiderseitigem Interesse habe man erörtert und den Wunsch auf eine „rasche Lösung einiger anstehender Fragen und auf eine Vertiefung der bestehenden Zusammenarbeit“ geäußert. Über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen sei es in dem Gespräch mit dem Papst nicht gegangen, erklärte hinterher Vatikansprecher Federico Lombardi. Dafür gebe es eine Dialogkommission.

 

Ungewöhnliche Begegnung im Vatikan (reuters)

In den letzten Jahren gab es wiederholt die Hoffnung, dass die 1975 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen wieder aufgenommen werden könnten. Doch trotz intensivierter Kontakte ist dies bisher nicht gelungen. Seit 2008 arbeitet eine gemischte Arbeitsgruppe an der Normalisierung der Beziehungen, versucht sich über Bischofsernennungen oder Zugangsquoten für Priesterseminare zu einigen. Ende 2010 hatte Benedikt XVI. einen Sondergesandten für Vietnam ernannt. Erzbischof Leopoldo Girelli, der in Singapur seinen Sitz hat, bereist seitdem regelmäßig das Land. 2011 sprachen angesichts dieser Entwicklungen einige Vatikanbeobachter schon von einer Papstreise ins kommunistische Vietnam. Zumal Benedikt XVI. bisher noch nicht in Asien war. Doch bisher gibt es keine Anzeichen dafür. Ob die Chancen mit dem heutigen Treffen im Vatikan gestiegen sind, lässt sich noch nicht absehen. Fakt ist, die Beziehungen sind nach wie vor schwierig. So gibt es unter anderem bei Bischofsernennungen immer wieder ein zähes Ringen zwischen dem Vatikan und der Regierung in Hanoi.

Der Besuch des Kommunistenführers kommt zu einer Zeit, in der der Vatikan Asien wieder stärker in den Blick zu nehmen scheint. Zu Weihnachten überraschte Benedikt XVI. mit Grüßen an die neue kommunistische Führung in China; jetzt der Besuch aus Vietnam im Vatikan. Benedikt XVI. will für die Katholiken in den kommunistischen Ländern Freiheit – Freiheit in der Religionsausübung. Die Religionsfreiheit sieht er als Hebel für die Menschenrechte und letztendlich für eine menschenwürdigere und gerechtere Gesellschaft. Ein großes Ziel. Den Machthabern dürfte die Sprengkraft des Glaubens im ehemals kommunistischen Polen als warnendes Beispiel vor Augen stehen; ob sie die Entwicklung allerdings durch ihre restriktiven Maßnahmen gegenüber den Religionsgemeinschaften aufhalten können, scheint mehr als zweifelhaft. Auf lange Sicht dürfte nur ein Miteinander und nicht ein Gegeneinander Zukunft haben. Im Zweifelsfall hat dabei wohl die katholische Kirche den längeren Atem.

Aufarbeitung geht weiter

Der Motor stottert, aber er läuft. So ließe sich die aktuelle Situation bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche beschreiben. Letzte Woche das spektakuläre Aus der wissenschaftlichen Studie des Kriminologen Pfeiffer; gestern die Vorstellung der Ergebnisse der Missbrauchs-Hotline der Bischofskonferenz. Anfang kommender Woche treffen sich die 27 Diözesanbischöfe zur monatlichen Sitzung des „Ständigen Rats“ in Würzburg. Da steht das Thema wissenschaftliche Aufarbeitung auf der Tagesordnung. Das Desaster um die Pfeiffer-Studie hat zu einem erneuten Vertrauensverlust in der Bevölkerung – auch unter Katholiken – geführt. Vertrauen und Glaubwürdigkeit sind das wichtigste Kapital, das die Kirche hat. Die Bischöfe stehen erneut unter einem großen Druck. Bleibt zu hoffen, dass sie beim Neustart der wissenschaftlichen Aufarbeitung die Geburtsfehler vermeiden, an denen die Pfeiffer-Studie letztendlich scheiterte.

Bischof Ackermann will aufklären

In dem ganzen Staub, den der Wirbel um die missglückte Studie aufgewirbelt hat, ging gestern die Vorstellung der Ergebnisse der Missbrauchs-Hotline nahezu unter. Zumal der Fokus der Berichterstattung an vielen Stellen auf den skandalösen Vorgängen in zwei Kölner katholischen Kliniken lag. Doch der Blick in die Dossiers der Hotline lohnt sich. Über 9.000 Ratsuchende hatten sich in knapp drei Jahren gemeldet. Sehr detailliert werden die Ergebnisse ausgewertet. Es wird deutlich, der Wille zur Aufarbeitung und Aufklärung ist da. Denn der Bericht ist in Teilen niederschmetternd und führt den kirchlichen Verantwortlichen einmal mehr vor Augen, welche Schuld die Institution hier auf sich geladen hat. Zwar sind die Daten nicht repräsentativ, das mindert aber nicht ihren Aussagegehalt. Von „Täterzirkeln im Heimbereich“ ist die Rede, von einer „Spiritualisierung sexueller Gewalt“ und dem Ausnutzen „moralischer Autorität“. Der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, zeigte sich tief erschüttert, „dass Priester und Seelsorger das Vertrauen, das ihnen gerade von Kindern und Jugendlichen, möglicherweise noch in besonders schwierigen Situationen, wo sie Hilfe gesucht haben, entgegengebracht wurde, auf schändliche Weise missbraucht haben.“

Das Entscheidende wird sein, welche Konsequenzen die Bischöfe nun aus diesen Ergebnissen ziehen. Allein die Tatsache, dass die gemeldeten Fälle in der katholischen Kirche seit den 1990er Jahren rückläufig sind, darf nicht beruhigen. In der Präventionsarbeit wird kirchlicherseits seit mehreren Jahren viel geleistet. Doch die Ergebnisse zeigen, dass auch strukturelle Veränderungen notwendig sind. Weniger die Lebensform, als vielmehr die starke Autoritätsposition des Priesters sei ein Risikofaktor, berichteten die Opfer. Also eine Diskussion um den Zölibat, wie er in der Öffentlichkeit oft gefordert wird, greift zu kurz. Es geht um ganz grundlegende strukturelle Fragen. Und hier wird es unbequem für die kirchlichen Hierarchen – bis hin zum Papst. Denn an dieses Thema rühren sie nicht gerne an. Dabei hat schon der umfassende Bericht, den das Erzbistum München und Freising 2010 nach Durchsicht aller Personalakten seit 1945 hat anfertigen lassen, ein „fehlinterpretiertes klerikales Selbstverstännis“ kritisiert.

Bericht zum Abschluss der Missbrauchshotline:
Teil 1, Teil 2