Machtmissbrauch, Sex und Intrigen?

Was ist los hinter den Mauern des Vatikans?

Mit Spekulationen über den Start des Konklaves lässt sich kein Blumentopf mehr gewinnen. So stürzen sich die italienischen Medien jetzt wieder auf die Frage nach dem „Warum?“ des Papstrücktritts. Wild wird über Intrigen, Sex und Machtmissbrauch spekuliert, ohne dass konkrete Details und Informationen genannt werden. Vieles rankt sich um den zweiten Bericht, den die Kardinalskommission am 17. Dezember letzten Jahres Papst Benedikt XVI. übergeben hat. Der hatte die drei Kardinäle Julian Herranz (82), Jozef Tomko (88) und Salvatore De Giorgi (82) damit beauftragt, neben der vatikanischen Justiz Hintergründe zum Vatileaksskandal aufzudecken. In ihrem zwieten Bericht soll ein düsteres Bild über die Situation in der Zentrale der katholischen Kirche gezeichnet werden. Offiziell kennen den Bericht nur die drei Kardinäle sowie der Papst selbst und (offenbar) sein Privatsekretär, Erzbischof Georg Gänswein. Dennoch sind einige Inhalte, zumindest aber Grundaussagen des Reports, nach außen gedrungen.

Wie schon vor einigen Tagen hier berichtet, darf als sicher angenommen werden, dass dieser Bericht nicht ausschlaggebend war für die grundsätzliche Entscheidung Benedikts XVI., in absehbarer Zeit auf das Papstamt zu verzichten. Dieser Schritt ist schon länger gereift. Man könnte höchstens fragen, ob der Kardinalsbericht dazu beigetragen hat, dass der Rücktritt jetzt erfolgt ist und nicht zu einem späteren Zeitpunkt. Aber auch dafür finden sich bislang keine stichhaltigen Beweise. Fest steht, dass es in den vergangenen Jahren immer wieder Medienberichte über Intrigen und Korruption im Vatikan gab. Mit anonymen Briefen versuchten vermeintliche Retter der Kirche auf angebliche Missstände aufmerksam zu machen. So tauchte etwa im Oktober letzten Jahres der Brief eines „Michele degli Arcangeli“, nach eigenen Angaben eines Kreises von Priestern der Weltkirche, auf, in dem vor einem Homosexuellennetzwerk im Kirchenstaat gewarnt wurde. Derartige Aktionen gab es unzählige.

Um die Spekulationen zu beenden, könnte der Papst natürlich die Veröffentlichung der zwei Geheimberichte veranlassen. Doch das ist unwahrscheinlich. Bleibt zu hoffen, dass er sie seinem Nachfolger übergibt, damit dieser die entsprechenden – auch personellen – Konsequenzen ziehen kann. Eine ganze Reihe von Kardinälen haben schon angedeutet, dass sie in den Generalkongregationen, den täglichen Versammlungen während der Sedisvakanz, auch über Vatileaks sowie den Zustand und das Personal der Kurie sprechen möchten. Die drei Mitglieder der Kardinalskommission werden bei diesen Beratungen anwesend sein; auch wenn sie später aufgrund ihres Alters nicht mit ins Konklave einziehen werden. Man darf also gespannt sein, wie sie sich in der Zeit des Vorkonklave verhalten werden.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.