Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog

Interessantes und Hintergründiges aus dem Vatikan

Zurück zu den Quellen

Papst Franziskus hat am Nachmittag die Nekropole unter Sankt Peter besucht und an der Stelle gebetet, an der der Apostel Petrus begraben worden sein soll. Im Anschluss an den Besuch der Ausgrabungen betete er in den vatikanischen Grotten an den Gräbern der Päpste des vergangenen Jahrhunderts: Benedikt XV., Pius XI., Pius XII., Paul VI. und Johannes Paul I. Die beiden übrigen Päpste des 20. Jahrhunderts, die seligen Johannes XXIII. und Johannes Paul II., sind ja im Petersdom in Altären beigesetzt. 45 Minuten dauerte sein Besuch in den Tiefen des Petersdoms.

Als Bischof von Rom ist Franziskus Nachfolger des Apostels Petrus, der 265. offiziell. Die spannende Frage in diesen Tagen ist, wie er sein Amt in dieser Nachfolge versteht und ausüben wird. Es deutet sich ja an, dass er wohl ein Papst eines etwas anderen Typs sein wird als seine Vorgänger. Sollte er weiter so stark den Aspekt des „Bischofs von Rom“ betonen, wird dies große Auswirkungen sowohl auf die innerkatholische „Ökumene“ als auch auf den Dialog mit den anderen christlichen Kirchen haben. Schon sieht der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I., Chancen für eine Kircheneinheit mit Rom. Es dürfte noch etwas früh sein dafür; doch spannend ist, ob Franziskus auf den Vorschlag von Bartholomäus eingeht, dass sich beide im nächsten Jahr in Jerusalem treffen sollen. 2014 jährt sich zum 50. Mal die historische Begegnung von Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras im Jahr 1964 in Jerusalem, die schließlich zur Aufhebung der gegenseitigen Exkommunikation aus dem Jahr 1054 führte. Welches historische Zeichen könnten Franziskus und Bartholomäus setzen, wenn sie sich nächstes Jahr in der Heiligen Stadt begegnen sollten?

Geht die katholische Kirche mit Franziskus zurück zu den Quellen, den Ursprüngen? Der „Vorsitz in der Liebe“, den Rom innehat und von dem Franziskus bei seinem ersten Auftritt am 13. März auf der Loggia des Petersdoms sprach, ist ein Zitat von Ignatius von Antiochien aus dem 2. Jahrhundert. Damals war die Vormachtstellung Roms gegenüber den anderen Patriarchaten, und heute müsste man wohl auch hinzufügen Ortskirchen, längst nicht so ausgeprägt wie gegenwärtig. Ein solches Kirchenmodell würde die aktuelle Verfasstheit der katholischen Kirche vielleicht nicht komplett auf den Kopf stellen, aber doch grundlegend verändern. Es würde allerdings auch bedeuten, dass auf die unteren Ebenen mehr Verantwortung zukäme: die Ortsbischöfe, die Kirchenprovinzen und die seit dem II. Vatikanischen Konzil fest in der Kirchenverfassung verankerten Bischofskonferenzen. Mehr Kollegialität, wie sie nicht nur in der Sedisvakanz von vielen Kardinälen gewünscht wurde, sondern schon seit Jahren auf dem Forderungskatalog von Reformern – Bischöfe, Kleriker und Laien – steht, bezieht sich ja nicht nur auf das Verhältnis des Papstes zum Bischofskollegium. Wenn Kollegialität als Grundprinzip ernst genommen wird, müsste es auf allen Ebenen praktiziert werden. Ob das gelingt? Da sind Zweifel sicher angebracht. Denn die Zahl der Bischöfe ist nicht gering, die gerne nur sich selbst und dann den Papst sehen, die Instanzen dazwischen aber gerne übergehen. Auch diese Haltung hat den Zentralismus der vergangenen Jahre begünstigt. Unter Papst Franziskus könnte damit jetzt Schluss sein.

P.S. Heute Mittag gab es übrigens eines der „franziskanischen“ kurzen Mittagsgebete auf dem Petersplatz. Der Papst ist dafür eigens ins offizielle Arbeitszimmer im dritten Stock des Apostolischen Palasts gegangen, um die Menge auf dem Petersplatz zu grüßen und, wie das in der Osterzeit üblich ist, das Regina Caeli zu beten. Seine Ansprache, wie immer nur auf Italienisch. Das Ganze dauerte rund zehn Minuten. Franziskus liebt es kurz, aber herzlich und würdig. Das kann man nach den Liturgien in den Kar- und Ostertagen vielleicht als ein Resümee mit Blick auf die äußere Form ziehen. Über Inhalt wurde hier ja schon viel gesagt und wird es auch in den nächsten Wochen noch viel zu sagen geben.

Frieden in der Welt und mit der Schöpfung!

Papst Franziskus geht auch an Ostern seinen eigenen Weg. Die bisher üblichen Ostergrüße in mehr als 60 Sprachen ließ der 76-jährige Pontifex schlichtweg ausfallen. Lediglich auf Italienisch dankte der nach seiner Osterbotschaft für den Blumenschmuck und rief dazu auf, die „frohe Botschaft“ des Auferstandenen in alle Familien zu tragen. Die persönliche Umkehr und die Kriege in der Welt standen im Mittelpunkt seiner knapp 15-minütigen Osteransprache. Seine zentrale Botschaft: „Jesus ist auferstanden; es gibt Hoffnung für dich [den Menschen], du bist nicht mehr unter der Herrschaft der Sünde, des Bösen! Gesiegt hat die Liebe, gesiegt hat die Barmherzigkeit!“ Dies müsse konkrete Konsequenzen für das Handeln der Menschen heute haben. Franziskus sprach von den „Wüsten“, die der Mensch heute durchquert. Ein Bild, das sein Vorgänger Benedikt XVI. auch sehr oft verwendet hat. Franziskus bezog es auch auf eines seiner Hauptthemen des Pontifikats: die Bewahrung der Schöpfung. „Wie viele Wüsten muss der Mensch auch heute durchqueren. Vor allem die Wüste in ihm selbst, wenn das Bewusstsein fehlt, Hüter all dessen zu sein, was der Schöpfer uns geschenkt hat und schenkt.“

Vor dem Urbi et Orbi feierte Papst Franziskus die Ostermesse auf dem Petersplatz.

Im zweiten Teil seiner Ansprache ging der Papst dann auf die aktuellen Konflikte in der Welt ein. Israelis und Palästinenser forderte er auf, „mutig und bereitwillig die Verhandlungen wieder aufzunehmen, um einem Konflikt ein Ende zu setzen, der schon viel zu lange andauert.“ Er erinnerte an den Konflikt im Irak und mit Blick auf Syrien beklagte er das „viele Blut“, das bereits vergossen wurde und forderte eine politische Lösung. Mali, die Zentralafrikanische Republik und die Demokratische Republik Kongo sind die Kriegsländer, die er in Afrika eigens erwähnte, dazu Nigeria, „wo die Anschläge leider nicht aufhören, die das Leben vieler Unschuldiger schwer bedrohen, und wo nicht wenige Menschen, auch Kinder, in Geiselhaft von terroristischen Gruppen sind.“ Er rief zur Überwindung der Divergenzen und zur Versöhnung zwischen Nord- und Südkorea auf.

Am Ende kam Franziskus auf Themen zu sprechen, die ihn als Erzbischof von Buenos Aires bereits stark beschäftigt haben, wenn er etwa immer wieder Korruption und Menschenhandel kritisiert hat. Heute bat er um „Frieden für die ganze Welt, die immer noch von der Gier nach schnellem Profit geteilt ist, die verwundet ist vom Egoismus, der das menschliche Leben und die Familie bedroht, vom Egoismus, der den Menschenhandel fortsetzt, die in diesem 21. Jahrhundert am weitesten verbreitete Sklaverei.“ Er kritisierte den Drogenhandel sowie die ungerechte Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und erinnerte an die Opfer von Naturkatastrophen. „Friede für diese unsere Erde!“

In seinen Formulierungen erinnerte der neue Papst an den großen Heiligen, in dessen Spur er sich bewegt. Wenn er etwa sagte, „werden wir zu Werkzeugen dieser Barmherzigkeit, zu Kanälen, durch welche Gott die Erde bewässern, die ganze Schöpfung behüten sowie Gerechtigkeit und Frieden erblühen lassen kann.“ Und fortfuhr, der auferstandene Christus möge „Hass in Liebe“, „Rache in Vergebung“, „Krieg in Frieden“ verwandeln. Wer hatte da nicht das Gebet des Franz von Assisi im Ohr, mit den Worten: „Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens, dass ich liebe, wo man hasst; dass ich verzeihe, wo man beleidigt; …“

Wird Papst Franziskus zum neuen Franz? Dann müssen sich sicher viele warm anziehen. Angesichts des radikalen Stilwechsels und der von ihm erwarteten Reformen in der Kurie gibt es schon besorgte Stimmen in Rom, er könnte sich an dem großen „Projekt“ verheben. Immer wieder wird an 1978 erinnert, wo ein lächelnder Papst, Johannes Paul I., das Werk angehen wollte, die Vatikanbank zu säubern und manch’ andere Reform umzusetzen. Nach 33 Tagen war er tot. Nicht dass jemand Franziskus dieses Schicksal wünschen würde. Aber dem ein oder anderen scheint der Wandel doch zu schnell zu gehen. Noch aber hat Franziskus sein Werk nicht begonnen. Er ist gut beraten, es mit Ruhe und Ausdauer anzugehen. Im Gebet des Franz von Assisi findet sich auch die Bitte, „dass ich verbinde, wo Streit ist“. Diese Fähigkeit wird sein Nachfolger Franziskus brauchen, um die Polarisierungen in der Kurie und der Kirche aufzubrechen. Wenn ihm das gelingt, braucht niemand Sorge zu haben, dass dieses Pontifikat nur 33 Tage dauern könnte.

P.S. Schon gibt es erste kritische Stimmen, Franziskus sei mehr „Urbi“ (Stadt) als „Orbi“ (Welt), weil er heute die Ostergrüße in 65 Sprachen weggelassen hat. Immerhin hatte das vatikanische Presseamt sie noch um 12.01 Uhr verteilt. D.h. die Entscheidung, nicht in den vielen Sprachen zu grüßen, muss sehr kurzfristig gefallen sein. Schon in den letzten Tagen fiel ja immer wieder auf, dass Franziskus den Akzent sehr stark auf sein Amt als Bischof von Rom legt und nicht vom „Papst“ spricht, eigentlich nur Italienisch redet und auch beim Angelus und der Generalaudienz keine anderen Sprachen nutzt. Im Vatikan wurde stets betont, dass sich das wieder ändern könne. Nach diesem Urbi et Orbi scheint das sehr fraglich. Aber Franziskus ist ja immer für eine Überraschung gut. Daher kann sich das doch auch alles wieder ändern – zugunsten des „Orbi“.

Keine Angst vor Neuem!

Jorge Mario Bergoglio feiert sein erstes Osterfest als Papst. Den Auftakt machte am Abend die Vigilfeier mit rund 10.000 Gläubigen im Petersdom. Dabei warnte er, Angst vor Neuem und Überraschendem zu haben. „Jesus öffne uns für die verwandelnde Neuheit, für die Überraschungen Gottes; er mache uns zu Menschen, die fähig sind, sich an das zu erinnern, was er in ihrer persönlichen Geschichte und in der der Welt gewirkt hat.“ Die Menschen sollten sich nicht in Traurigkeit und Bitterkeit verschließen, so Franziskus, sondern auf Gott vertrauen. Die Predigt reiht sich ein in die Ansprachen des neuen Pontifex, in denen er versucht, den Menschen Mut zu machen, Mut, der aus seiner Sicht im christlichen Glauben gründet.

Osternachtsfeier im Petersdom

Die Osternachtsfeier hatte keine politischen Akzente. Die Predigt des Papstes war auf den einzelnen Glaubenden zugeschnitten. Zwar ging es in den Fürbitten um die Themen Frieden, Christenverfolgung und Armut. Der eigentliche politische Akzent wird aber für morgen erwartet, wenn Papst Franziskus beim Segen Urbi et Orbi seine erste Osterbotschaft verkünden wird.

In Rom machte heute erneut ein Gerücht die Runde, das in den vergangenen Wochen immer wieder kolportiert worden war. Demnach plane Benedikt XVI. sich doch in seine bayerische Heimat zurückzuziehen. Vatikansprecher Federico Lombardi dementierte umgehend. Der emeritierte Papst werde wie geplant in einigen Wochen in das Kloster Mater Ecclesiae in den Vatikanischen Gärten umziehen. Der Umbau dort, der bereits im November begonnen hatte, werde bis Mai abgeschlossen sein. Bis dahin bleibt Benedikt XVI. in der Päpstlichen Sommerresidenz in Castel Gandolfo. Dort feiert er im Kreise seiner „päpstlichen Familie“ das Osterfest.

P.S. Ob er mit dem Mut zu Neuem auch seine Kirche gemeint hat? Viele erwarten von Franziskus grundlegende Reformen bei Strukturen und Inhalten. Die Zeit zwischen der Wahl am 13. März und den Kar- bzw. Osterfeierlichkeiten ließen dem neuen Papst wenig Zeit, grundlegende Entscheidungen vorzubereiten. Nach Ostern erwarten viele erste Zeichen. Allerdings könnte es durchaus eine Weile dauern, bis Franziskus richtig mit Veränderungen ansetzt. Zumindest was die Kurie anbetrifft, ist er doch ein Fremder und braucht wohl erst noch eine gewisse Zeit der Analyse, bis Entscheidungen fallen können.

P.P.S. Der Oberrabbiner von Rom, Riccardi Di Segno, hat Papst Franziskus ein Glückwunschreiben zum Osterfest geschickt. Darin würdigt er die christlich-jüdischen Beziehungen. Ostern stelle sowohl die Verbindung als auch den Unterschied der beiden Religionen dar. Zugleich kritisiert Di Segno in seinem Schreiben die Karfreitagsfürbitte in der außerordentlichen Form des römischen Ritus. Sie sei geprägt von „einer Geschichte des Unverständnisses“. Er hoffe, dass eines Tages Juden und Christen „gegenseitig den Sinn des Unterschieds und den Wert der Brüderlichkeit erkennen“. Die kritisierte Karfreitagsfürbitte hatte Benedikt XVI. 2008 eigens formuliert. Sie ersetzte eine Version, die zur Mission der Juden aufgerufen hatte. Doch auch die neuformulierte Bitte ist seitdem immer wieder Anlass für heftige Diskussionen und Kritik.

Buchstabe, Geist und Kreuz – Karfreitag in Rom

„Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig.“ Dieses Zitat aus dem 2. Korintherbrief stand heute Nachmittag ziemlich am Ende der Predigt bei der Karfreitagsliturgie im Petersdom. Ist das die neue Marschrichtung? Der Kapuziner Raniero Cantalamessa, der als Päpstlicher Hausprediger traditionell an Karfreitag die Predigt hält, sprach von einem „Augenblick, da für die Kirche eine neue Zeit anbricht, voller Hoffnungen und Versprechen“. In den letzten Jahren hatten viele Gläubige den Eindruck, dass der Buchstabe mehr zählt als der Geist. Mit dem neuen Pontifikat verbinden viele die Hoffnung, dass sich das künftig ändern könnte. Immerhin hat Papst Franziskus gestern Abend zwei Frauen die Füße gewaschen, obwohl die liturgischen Vorgaben empfehlen, den Ritus nur an Männern zu vollziehen.

Traditionalisten sehen in diesem Vorgang bereits ein weiteres Beispiel dafür, dass es der neue Papst mit der katholischen Theologie und den Kirchengesetzten nicht so genau nimmt und befürchten nun schon das Schlimmste für Glauben und Kirche. Der Vatikan beschwichtigt und erklärt, es sei eine besondere Situation gewesen, eine Ausnahme. Doch genau damit trifft es ja den Nagel auf den Kopf. So versteht Franziskus den katholischen Glauben: der konkreten Situation der Menschen angepasst. Der Ritus der Fußwaschung brachte für ihn zum Ausdruck, was Grundprinzip der christlichen Botschaft ist: den Menschen zu dienen. Denen, die am Rande stehen, zu zeigen, dass sie ernst genommen werden und angenommen sind.

Der Päpstliche Hausprediger hat sich diese Vorstellung heute bereits zu Eigen gemacht: „In der Offenbarung sagt Jesus, dass er vor der Tür steht und anklopft (Offb 3,20). Manchmal, wie unser Papst Franziskus bemerkt, klopft er nicht um hineinzutreten, sondern um rauszugehen, zu den ‚existenziellen Vororten der Sünde, des Leidens, der Ungerechtigkeit, der religiöse Unwissenheit und Gleichgültigkeit, und aller Formen des Elends.’“ Dass Cantalamessa eine Erneuerung der Kirche forderte und den Abbau von Bürokratie ist angesichts des neuen Winds, der seit knapp drei Wochen in Rom weht, schon fast keine Besonderheit mehr. Auch wenn noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen werden soll, dass die Erneuerung der Kirche nicht eine Erfindung von Franziskus ist, sondern auch schon sein Vorgänger Benedikt XVI. dies immer wieder gefordert hatte. Nur verhallten seine Worte, weil sein Umfeld sie nicht weiter entfaltete, oder sie wurden scharf kritisiert, weil man Benedikt einen reaktionären Kurs vorwarf.

Textheft des Kreuzwegs vom Kolosseum

Doch zurück zum Geschehen in Rom. Am Abend fand dort der traditionelle Kreuzweg statt. Zwei Jugendliche aus dem Libanon hatten die Texte dazu verfasst. Sie fanden deutliche Worte. Kritisierten etwa den Machtmissbrauch durch politisch Verantwortliche, die „die Würde des Menschen und sein Recht auf Leben mit Füßen treten“. Sie kritisierten Tendenzen, „wie der blinde Laizismus, der im Namen einer vermeintlichen Verteidigung des Menschen die Werte des Glaubens und der Moral erstickt; oder der gewaltsame Fundamentalismus, der die Verteidigung religiöser Werte als Vorwand benutzt.“ Es ging um die Rechte der Frauen und die Abwanderung der Christen aus dem Nahen Osten, um Jugendliche, die Opfer von Drogen und Sekten werden, sowie um die Themen Abtreibung und Euthanasie, Krieg und Frieden im Nahen Osten.

Papst Franziskus stellte das Kreuz in den Mittelpunkt seiner kurzen Ansprache. Das Kreuz sei die Antwort Gottes auf das Böse in der Welt gewesen. „Die Christen müssen auf das Böse mit dem Guten antworten, indem sie wie Jesus das Kreuz auf sich nehmen,“ lautet seine Botschaft.

Der Papst im Knast

Viele Bischöfe feiern Gottesdienste in Gefängnissen. Meist machen sie das rund um Weihnachten. Auch Päpste waren schon oft in Gefängnissen zu Besuch, angefangen vom seligen Papst Johannes XXIII. über Johannes Paul II. und zuletzt Benedikt XVI. Der hatte im März 2007 eben jenes römische Jugendgefängnis Casal del Marmo besucht, in dem heute sein Nachfolger Franziskus war. Einerseits ist der Besuch also nichts Neues; das Besondere ist aber, dass der neue Papst ausgerechnet am Gründonnerstagabend den Gottesdienst dort feiert. In dieser Messe wird an das Letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern erinnert; gleichsam die Einsetzung der Eucharistie nach katholischem Verständnis. Wenn ein Papst einen solchen wichtigen Gottesdienst mit Häftlingen feiert, dann ist das ein starkes Zeichen. Getoppt dann noch durch den Ritus der Fußwaschung. Das Oberhaupt der katholischen Kirche, nach katholischem Verständnis der Stellvertreter Christi auf Erden, wäscht 12 Gefangenen die Füße. Was für ein Zeichen!

Das war bisher unvorstellbar. Die früheren Päpste haben bei diesem Ritus meist Klerikern die Füße gewaschen. Franziskus macht nun das, was er seit Tagen als Papst und seit vielen Jahren als Erzbischof von Buenos Aires predigt. Er geht zu denen, die am Rande (der Gesellschaft) stehen und lebt ihnen die christliche Botschaft vor, so wie er sie verstanden hat. Eine liebende Zuwendung zu denen, die am Rande stehen; nicht um sie zu missionieren, weil das hier gelegentlich in den Kommentaren so angedeutet wird. Es ist ein uneigennütziges Sich-Zuwenden, um es etwas theologisch auszudrücken. Dass Franziskus für den Gottesdienst heute ein Jugendgefängnis gewählt hat, dürfte kein Zufall sein. „Padre Bergoglio“, wie er in Argentinien genannt wurde, sorgte sich besonders um das Schicksal von Jugendlichen, ihre Ausbildung in Schule und Beruf. Mehrfach kritisierte er, dass allein im Raum Buenos Aires mehr als zwei Millionen Jugendliche ohne Arbeit und Ausbildung lebten.

50 Jugendliche nahmen an dem Gottesdienst teil. Unter den Gefangenen waren auch Nichtkatholiken. Zwei der zwölf Jugendlichen, denen der Papst die Füße gewaschen hatte, waren junge Frauen, eine von ihnen eine Muslima. Nach dem Gottesdienst traf sich Papst Franziskus in der Sporthalle des Gefängnisses noch mit den übrigen Jugendlichen und Mitarbeitern des Gefängnisses. An der Begegnung nahmen etwa 150 Personen teil. Die Jugendlichen schenkten dem Papst ein Kreuz und eine Kniebank, beides aus Holz und von ihnen selbst gefertigt. Der Papst revanchierte sich mit Eiern und „Tauben“, dem typischen Ostergebäck in Italien in Form einer Taube.

Franziskus hat mit dem Gottesdienst in Casal del Marmo ganz praktisch gezeigt, was er am Vormittag in seiner Predigt bei der Chrisammesse im Petersdom den Priestern mit auf den Weg gegeben hatte: Sie sollen Hirten sein mit dem „Geruch der Schafe“ und nicht Verwalter. Die Priester müssen das Alltagsleben der Menschen erreichen, auch in den Randgebieten wo Blutvergießen, Leiden und Blindheit herrscht. Dabei wurde der Papst auch sehr konkret und rief die Priester auf, in ihren Predigten die Alltagswirklichkeit der Menschen einzubeziehen und nicht über ihre Köpfe hinweg zu sprechen.

Übrigens hat Papst Franziskus angeordnet, dass für die Gottesdienste in den nächsten Tagen im Petersdom 4.000 Einlasskarten an die Caritas des Bistums Rom gegeben werden. Diese werden dann an Menschen verteilt, die deren Dienste in Anspruch nehmen. Die Präfektur des Päpstlichen Hauses brachte diese Geste etwas ins Schwitzen; denn die rund 9.000 Karten für die Sitzplätze im Petersdom sind über die Kar- und Ostertage heiß begehrt und in den letzten Jahren immer schnell vergriffen gewesen. So wird für viele Pilger und Touristen wohl nur der Blick auf einen der Großbildschirme auf dem Petersplatz bleiben.

P.S. Die Karten für die Teilnahme an Veranstaltungen mit dem Papst sind selbstverständlich kostenlos.

P.P.S. Interessant ist, dass Franziskus, als er beim Besuch im Gefängnis von sich selbst sprach, wieder einmal nur von „Priester“ und „Bischof“ redete, der sich im Dienst der Liebe zum Diener der Jugendlichen machen müsse, nicht vom „Papst“. Dem neuen Pontifex scheint es also ernst zu sein mit seinem etwas eigenen Amtsverständnis. Er sieht sich in erster Linie als Bischof von Rom und dann erst als Papst, sprich Oberhaupt von 1,1 Milliarden Katholiken weltweit. Man darf gespannt sein, zu welchen praktischen Konsequenzen das im Pontifikat noch führen wird.

Radikale Umkehr für die Kirche

Die Nachricht des Tages kommt heute aus Kuba. Dort hat der Erzbischof von Havanna, Jaime Lucas Ortega y Alamino, jetzt die Rede veröffentlicht, die Kardinal Bergoglio im Vorkonklave gehalten hat. Seit Tagen ist bekannt, dass diese kurze Ansprache von dreieinhalb Minuten die versammelten Kardinäle nachdrücklich beeindruckt hat. Was bei Joseph Ratzinger 2005 die Predigt beim Gottesdienst zum Einzug ins Konklave mit der berühmten Formulierung von der „Diktatur des Relativismus“ war, war bei Bergoglio diese kurze Rede vier Tage vor Beginn des Konklaves am 8. März. Kardinal Ortega bat hinterher Bergoglio um einige schriftliche Notizen des Vortrags. Mit ausdrücklicher Zustimmung des Papstes, so der kubanische Kardinal, habe er sie nun veröffentlicht.

Der Auszug des Vortrags von Kardinal Bergoglio, der seit gestern Abend im Internet kursiert.

Vier Punkte trug Bergoglio vor, die so etwas wie sein Regierungsprogramm sind. Einige der Inhalte haben sich schon in den Worten und Gesten der ersten Tage des Pontifikats abgezeichnet. Eigentliche Aufgabe der Kirche, so Bergoglio im Vorkonklave, sei die Evangelisierung. Die Kirche sei deshalb dazu berufen, aus sich herauszugehen und in die Peripherien zu gehen, nicht nur geografisch, sondern auch existentiell; also dorthin wo Sünde, Schmerz, Ungerechtigkeit, Ignoranz und jede Form von Elend herrschten. Wenn die Kirche nicht so aus sich herausgehe, werde sie selbstreferenziell. Es komme zu einem theologischen Narzissmus. Eine selbstreferenzielle Kirche schließe Christus in sich ein und lasse ihn nicht hinaus in die Welt. Letztendlich sei eine solche Kirche eine „verweltlichte Kirche“. In Anlehnung an den Konzilstheologen Henri de Lubac (1896-1991) bezeichnet Bergoglio dies als das „schlimmste Übel“,  das über die Kirche kommen könne. Da klingt übrigens etwas von der Aufforderung der Entweltlichung der Kirche Benedikts XVI. an, die er in seiner Freiburger Rede im September 2011 gefordert hatte.

Der Begriff der „spirituellen Mondänität“ Lubac’s taucht bei Kardinal Bergoglio immer wieder auf. 2007 etwa in einem Interview nach dem Konsistorium, dem Treffen aller Kardinäle in Rom, sagte der damalige Erzbischof von Buenos Aires: „Spirituelle Mondänität ist, wenn man sich selbst in den Mittelpunkt stellt. Es ist das, was Jesus unter den Pharisäern erkennen kann: ‚Ihr, die ihr euch selbst verherrlicht, die ihr einander selbst verherrlicht.’“ Eine solche Kirche bezeichnete Bergoglio jetzt im Vorkonklave als „weltliche Kirche“, die in sich selbst, aus sich selbst und für sich selbst lebe. Vor diesem Hintergrund müsse man mögliche Veränderungen und Reformen der Kirche angehen, die notwendig seien für die Rettung der Seelen. Der neue Papst, so Bergoglio abschließend, müsse aus der Betrachtung und Verehrung Christi heraus der Kirche helfen, zu den „existentiellen Peripherien“ zu gehen.

Papst Franziskus heute beim Giro über den Petersplatz

Das ist es, was Franziskus nun umzusetzen versucht. Bei seiner ersten Generalaudienz heute etwa beklagte er, dass es zu viele Pfarreien gebe, die in sich verschlossen seien. „Uscire, uscire, uscire!“ lautet die Devise des neuen Pontifex, der übrigens auch heute wieder nur auf Italienisch sprach. Selbst seine Grüße an die fremdsprachigen Pilger ließ er zusammen mit einer Kurzfassung seiner Rede von Mitarbeitern des vatikanischen Staatssekretariats vortragen – auch auf Spanisch, seiner Muttersprache. Franziskus will eine Kirche, die bei den Menschen ist, die herauskommt aus der Sakristei, aus Eitelkeiten und Karrierismus. Franziskus’ Botschaft heute: „Herausgehen aus sich selbst, aus einer Art, den Glauben müde und gewohnheitsmäßig zu leben, aus der Versuchung, sich in den eigenen Schemata einzuschließen, die letztendlich dazu führen, den Horizont des kreativen Handelns Gottes zu beschneiden.“

P.S. Die „Autoreform“ (bitte hier nicht missverstehen – „auto“ im Sinne von automatisch) geht übrigens weiter. Dem Vernehmen nach benutzt jetzt auch Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone nicht mehr die große Limousine, mit der er noch im Vorkonklave täglich vorgefahren ist, sondern ein kleineres Modell eines Herstellers, der auch in Köln produziert.

P.P.S. Es wirkt schon etwas seltsam, wenn der Papst die fremden Sprachgruppen auf Italienisch grüßt und diese Grüße dann übersetzen lässt. Denn eigentlich spricht Franziskus ja neben Spanisch und Italienisch auch Deutsch, Englisch und Französisch sowie etwas Portugiesisch. Offiziell heißt es, dass der Papst keine Sprache bevorzugen oder benachteiligen will. Daher spreche er zunächst nur Italienisch. Das könne sich aber noch ändern. Wie an vielen anderen Stellen gilt auch für die Sprachen: Man ist in einer Phase des Experimentierens und Eingewöhnens. Gespannt darf man sein, ob Franziskus am Ostersonntag in über 60 Sprachen grüßen wird, wie das seine Vorgänger gemacht haben. Angeblich soll es so sein. Es bleibt spannend!

P.P.P.S. Im vatikanischen Presseamt wurde heute eine DVD vorgestellt, die das Vatikanfernsehen über den Pontifikatswechsel zusammengestellt hat. 50 Minuten emotionale Bilder wurden versprochen. Allerdings gab es noch kein Ansichtsexemplar für Journalisten. Die italienische Fassung wird ab 2. April mit der Tageszeitung Corriere della Sera verkauft. Verraten wurde aber schon, dass Kardinal Comastri in dem Film mit Zustimmung von Franziskus das Geheimnis der ersten Worte des neuen Papstes nach der Wahl lüftet. Kardinal Bergoglio sagte demnach: „Ich bin ein großer Sünder. Vertrauend auf die Barmherzigkeit und Geduld Gottes, unter Schmerzen nehme ich [die Wahl] an.“

Zimmer frei!

Papst Franziskus geht weiter seinen eigenen Weg. Bis auf Weiteres wird er nicht in die Papstwohnung im dritten Stock des Apostolischen Palasts einziehen. Das erklärte heute Vatikansprecher Federico Lombardi. Die Wohnung sei fertig renoviert; doch der neue Papst ziehe es vor, noch einige Zeit im vatikanischen Gästehaus Santa Marta zu wohnen. Wie lang das dauern wird, konnte Lombardi heute nicht sagen. Man sei in einer Phase des Experimentierens und der Einführung, so der Jesuit gegenüber Journalisten. Papst Franziskus wolle mit den Menschen leben. Deshalb bleibe er vorerst in Santa Marta. Dort sei er allerdings mittlerweile in die „Papst-Suite“ umgezogen. Zimmer Nr. 201 bietet einen kleinen Empfangsraum, in dem unter anderem die Audienzen für die Kurienmitarbeiter stattfinden. Für offizielle Termine etwa mit Politikern nutzt Franziskus die üblichen Audienzräume im zweiten Stock des Apostolischen Palasts. Auch wird er den Angelus an Sonntagen laut Lombardi vom Fenster des Arbeitszimmers in der Terza Loggia beten, wie üblich.

Vorerst unbenutzt - die Papstwohnung im 3. Stock.

In Santa Marta sind unterdessen wieder die rund 40 Kurienmitarbeiter eingezogen, die in dem Gästehaus ihre dauerhafte Bleibe haben und für die Zeit des Konklaves ausquartiert worden waren. So lebt der neue Papst unter den Kurialen und den sonstigen Gästen. Er feiert mit ihnen am Morgen um 7 Uhr die Heilige Messe und isst im Speisesaal mit ihnen. Ein Lebensstil, der noch vor wenigen Tagen für einen Pontifex undenkbar gewesen wäre, alleine schon aus Sicherheitsgründen. Denn Benedikt XVI. wurde von den Personenschützern oft weiträumig abgeschirmt. Selbst wenn er sich innerhalb des Vatikans bewegte, mussten Türen und Fenster geschlossen bleiben. Wenn Papst Ratzinger in den vatikanischen Gärten spazierte, durfte dort meist niemand sonst sein. Das hat sich nun schnell geändert. Franziskus sucht den Kontakt zu den Menschen und die Sicherheitsleute haben diesen neuen Stil in kürzester Zeit adaptiert.

So wird es sicherlich auch noch viele weitere Änderungen geben. Franziskus bewahrt sich seine Eigenständigkeit. Allein schon durch die Entscheidung, derzeit nicht in die Papstwohnung zu ziehen, setzt er ein klares Zeichen. Selbst wenn er in einigen Wochen oder Monaten doch dort einziehen sollte, signalisiert er mit seiner heutigen Entscheidung, dass die in katholischen Kreisen gerne bemühte Begründung: „Das war schon immer so!“ für ihn nicht zählt. Die vielleicht auf den ersten Blick für manche eher nebensächlich wirkende Entscheidung des Aufenthaltsorts verschafft ihm Respekt und Handlungsspielraum auch auf anderen Gebieten. Er ist und bleibt ein freier Geist. Das wird ihn nicht davon befreien, sich auch der ein oder anderen Tradition päpstlicher Amtsausübung unterordnen zu müssen. Auch Franziskus wird sich bewegen müssen. Er wird seinen Stil, den er als Erzbischof von Buenos Aires pflegte, nicht eins zu eins auf das Papstamt übertragen können. Doch er zeigt, dass er sich auch nicht allzu schnell in vorgefahrene Spuren hineindrängen lässt. Natürlich hilft ihm dabei der revolutionäre Amtsverzicht seines Vorgängers. Benedikt XVI. hat damit den Weg für Neues, Anderes frei gemacht. Der Papst, dem man immer wieder vorgeworfen hat, die Kirche nach Rückwärts hin orientieren zu wollen, hat die Möglichkeit für einen Aufbruch und einen Neuanfang geschaffen.

Der Alltag beginnt.

Nach den turbulenten Tagen der Wahl und der Amtseinführung beginnt für Papst Franziskus nun langsam der Alltag im neuen Amt. Heute Morgen hat er den Chef der Bischofskonkongregation, Kardinal Marc Ouellet getroffen. Da dürfte es um die ersten Personalentscheidungen gegangen sein; allerdings weniger um das mit Spannung erwartete Stühlerücken in der römischen Zentrale als vielmehr um Bischofsernennungen in den Diözesen. Weit über 200 Posten müssen jedes Jahr neu besetzt werden. Die Bischofskongregation bereitet die Entscheidungen vor, abgesehen von den Bistümern in den traditionell als Missionsgebiete bezeichneten Diözesen, für die die Missionskongregation zuständig ist. Das letzte Wort hat aber immer der Papst bzw. in einigen Bistümern im deutschen Sprachraum das jeweilige Domkapitel, wenn das entsprechende Konkordat eine Wahl aus drei Kandidaten vorsieht. Die wiederum hat aber der Papst festgelegt, so dass letztendlich auch in diesen Fällen er entscheidet.

 

Papst Franziskus grüßt überall in der Stadt - und wird begrüßt.

Ouellet wird also heute Morgen mit einem großen Stapel Dokumente beim Papst erschienen sein; denn seit dem 1. März hat es keine Ernennungen mehr gegeben und der Stau muss nun abgearbeitet werden. In Deutschland warten etwa die Bistümer Passau und Erfurt auf einen neuen Diözesanbischof; daneben stehen einige Ernennungen von Weihbischöfen aus, etwa in Freiburg und Köln. Franziskus wird mit seinem Personalchef sicher auch über die Kurie gesprochen haben; denn schließlich kennt Ouellet, der ja selbst lange als höchst papabile galt, den Episkopat weltweit und er bringt mittlerweile einige Jahre Kurienerfahrung mit, zunächst als zweiter Mann im Ökumenerat (2001-2002), dann – nach einem Zwischenspiel als Erzbischof in Quebec – ab 2010 als Chef der Bischofskongregation.

Als solcher gehört er zu den wenigen Kurienchefs, die unter Benedikt XVI. einen regelmäßigen Audienztermin beim Papst hatten. Am Samstagnachmittag besprach er wöchentlich mit dem Pontifex die anstehenden Personalentscheidungen. Neben ihm hatten nur noch wenige Kurienchefs einen regelmäßigen Termin wie etwa der Präfekt der Glaubenskongregation am Freitagnachmittag sowie der Kardinalstaatssekretär und der Außen- bzw. der Innenminister. Alle anderen Leiter mussten oft lange auf eine Audienz beim Papst warten. Dies wurde im Vorkonklave von vielen Kardinälen heftig kritisiert. Sie forderten unter anderem die Wiedereinführung der Tabellaraudienzen, wie man die regelmäßigen Termine beim Papst nennt, für möglichst alle Kurienchefs. Es wird sich zeigen, ob Franziskus diesem Wunsch nachkommt.

Außer Kardinal Ouellet empfing der neue Papst auch den Chef der Ordenskongregation, Kardinal Joao Braz de Aviz. Mit einem Jesuiten auf dem Stuhl Petri dürfte im neuen Pontifikat auf den Orden sicher ein besonderes Augenmerk liegen. Gerade die großen traditionellen Orden leiden seit Jahren an Nachwuchsmangel. Zugleich werden immer mehr Klöster zu spirituellen Zentren, die große Massen anziehen. Hier liegt eine Chance für die Neuevangelisierung, die auch dem neuen Papst am Herzen liegt und die er sicher nicht ungenutzt verstreichen lassen will. Das Ministerium von Braz de Aviz, das bisher eher ein Schattendasein fristete, könnte also in Zukunft an Bedeutung gewinnen.

P.S. Der Vatikan hat heute übrigens alle Ostertermine des Papstes offiziell bestätigt. Gründonnerstag feiert er um 9.30h im Petersdom die Chrisammesse und um 17.30h den  Abendmahlsgottesdienst im römischen Jugendgefängnis „Casal del Marmo“. Von diesem Gottesdienst wird es voraussichtlich keine Live-Bilder geben wegen des Persönlichkeitsschutzes der Häftlinge. Karfreitag findet um 17h die Karfreitagsliturgie im Petersdom statt und um 21.15h der Kreuzweg am Kolosseum. Die Osternachtsfeier ist am Karsamstag um 20.30h im Petersdom. Ostersonntag feiert der Papst auf dem Petersplatz um 10.15h den Ostergottesdienst; um 12h erteilt er den Segen Urbi et Orbi und verkündet seine Osterbotschaft von der Mittelloggia des Petersdoms.

Einzug im Vatikan

Feststimmung bei sonnigem frühlingshaftem Wetter haben mehr als 200.000 Menschen heute auf dem Petersplatz in Rom erlebt. Was sich auf dem Platz abspielte, erinnerte eher an den Einzug Jesu in Jerusalem als an sein Leiden. Beides war ja heute Thema in der Palmsonntagsliturgie. Am Ende wirkte es so, als ziehe an diesem Sonntag Franziskus im Vatikan ein, und – auch wenn das jetzt für manchen Leser befremdlich wirken mag – in die Herzen der Menschen auf dem Platz. Bei der 20-minütigen Fahrt mit dem Papamobil nach dem Gottesdienst schwenkten die Menschen ihre Palmzweige; so ungefähr muss das auch vor knapp 2000 Jahren gewesen sein, als Jesus in Jerusalem eingezogen ist. Franziskus segnete Kinder und küsste sie; Kranke und Behinderte in Rollstühlen wurden von den Sicherheitsleuten zu ihm getragen, dass er sie segnen und mit ihnen sprechen konnte. Er bat mit einer Geste immer wieder darum, dass die Menschen für ihn beten sollten.

Papst Franziskus beim Bad in der Menge

Zuvor hatte Franziskus bereits während der knapp zweistündigen Liturgie mit seiner Predigt viele begeistert. Applaus während und nach der Ansprache des Papstes während einer Messe, das gab es zuletzt selten auf dem Petersplatz. Freude, Kreuz und Jugendliche – das sind die Stichworte, um die es in der 14-minütigen Predigt ging. Der Grundtenor war, wie schon bei seinen bisherigen Ansprachen, positiv. Die Christen sollten sich niemals von Mutlosigkeit überwältigen lassen, sondern sich im Vertrauen auf Christus für den Nächsten und die Umwelt einsetzen. „Seid niemals traurige Menschen: ein Christ darf das niemals sein!“ Dabei scheut Franziskus auch nicht davor zurück, von Sünde oder dem Teufel zu sprechen. Er kritisierte Kriege, Wirtschaftskonflikte, Gewinnsucht, Machtstreben und Korruption als Zeichen der Sünde in der Welt. „Wir dürfen uns niemals an das Böse gewöhnen! Mit Christus können wir uns selbst und die Welt verwandeln.“ Was zählt sei nicht irdische Macht, so Franziskus. In dem Kontext erinnert er an seine Großmutter, die immer gesagt habe, das Totenhemd habe keine Taschen, in denen man irgendeinen Besitz mitnehmen könne.

Dann sprach er die Jugendlichen direkt an, die zahlreich auf dem Platz versammelt waren. Seit 28 Jahren steht der Palmsonntag im Zeichen der Weltjugendtage. Franziskus bestätigte, dass er beim nächsten Weltjugendtag dabei sein werde. „Mit Freude sehe ich dem kommenden Juli in Rio de Janeiro entgegen! Ich verabrede mich mit euch in dieser großen Stadt Brasiliens!“ Im Anschluss an den Gottesdienst forderte der Papst dann die Jugendlichen in verschiedenen Sprachen auf, sich spirituell auf das Treffen in Rio vorzubereiten. Auf Deutsch sagte er: „Alles Gute auf eurem Weg nach Ostern hin und nach Rio.“

Nach dem Gottesdienst gab es wieder eine spontane Aktion des neuen Papstes. Als der Jeep auf dem Weg vom Petersplatz zum Gästehaus Santa Marta am deutschen Kolleg Campo Santo Teutonico vorbei kam, ließ Franziskus anhalten und besuchte spontan den Friedhof und die Kirche. Der Besuch kam so überraschend, dass in der Eile nicht einmal der Rektor des Hauses ausfindig gemacht werden konnte. Der Kommandant der Schweizergarde sowie ein langjähriger Bewohner des Kollegs erklärten dem Pontifex dann kurz Geschichte und Gegenwart der deutschen Enklave im Vatikan. Sie luden Franziskus ein, doch einmal gemeinsam mit der Kollegsgemeinschaft die Morgenmesse zu feiern. Bei der bekannten Spontaneität des neuen Papstes könnte es also gut sein, dass er in den nächsten Tagen noch einmal im Campo Santo Teutonico vorbeischaut.

Zwei Männer in Weiß

Es war eine historische Begegnung heute in Castelgandolfo. Papst Franziskus und sein Vorgänger Benedikt XVI. haben sich zum ersten Mal getroffen. 45 Minuten dauerte das Vier-Augen-Gespräch. Danach gab es ein gemeinsames Mittagessen mit den beiden Sekretären, Erzbischof Georg Gänswein und Monsignore Alfred Xuereb. Es war nicht der erste Kontakt der beiden Päpste seit der Wahl Franziskus‘ am 13. März. Zweimal haben die beiden bereits telefoniert. Aber es war die erste direkte Begegnung zweier Päpste seit Jahrhunderten. Über den Inhalt des Gesprächs wurde nichts bekannt. Es dürfte aber wahrscheinlich zum einen um den historischen Schritt des Rücktritts Benedikts XVI. und die Beweggründe gegangen sein sowie auch um die Zukunft der Kirche – und damit auch um Fragen des Personals.

Zwei Päpste vereint im Gebet.

Hier werden ja große Hoffnungen in Franziskus gesetzt. Er will sich Zeit lassen, um seine „Regierungsmannschaft“ mit Bedacht zusammenzustellen. Auch wenn Papst Bergoglio sicher bereits klare Vorstellungen über seine künftigen Mitarbeiter hat, dürfte das heutige Treffen eine wichtige Etappe auf dem Weg der Entscheidungsfindung gewesen sein. Bergoglio kennt durch seine Mitarbeit als Kardinal in verschiedenen Dikasterien die Kurie; auch hatte er in den letzten Tagen bereits intensive Gespräche geführt. Er beriet sich mit Kardinälen, die er auch abseits der offiziellen durch das vatikanische Presseamt bekannt gegebenen Audienztermine getroffen hat. So gab es etwa ein langes Gespräch mit Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga. Der Honduraner kennt sich an der Kurie gut aus; ist durch sein Amt als Präsident von Caritas Internationalis international vernetzt und zudem seit langer Zeit ein Freund des amtierenden Papstes.

Es fällt bereits in den ersten Tagen des neuen Pontifikats auf, wie sich der Fokus verschiebt. Der neue Papst ist trotz seiner internationalen Kontakte und Erfahrungen stark in Lateinamerika verwurzelt; von dort kommen daher auch seine engsten Vertrauten. Der Eurozentrismus am Vatikan, der trotz der Internationalisierung der Kurie in der Folge des II. Vatikanischen Konzils nach wie vor besteht, wird dadurch weiter aufgebrochen werden.

Benedikt XVI. wirkte übrigens beim ersten öffentlichen Auftritt seit seinem Amtsverzicht am 28. Februar stark gealtert. Die Bilder werden sicher die Spekulationen um den Gesundheitszustand des Papa emeritus anheizen; offiziell gibt es keine Stellungnahme zu dem Thema. Dass heute nun gleich zwei Päpste über die Bildschirme flimmern, scheint für die Italiener hier kein Problem zu sein. Sie fanden die Begegnung sehr emotional und könnten sich mit einem Papa emeritus auf Dauer durchaus anfreunden. Das unterscheidet sie von vielen Kurialen und auch Kardinälen. Es gab große Sorgen vor dem heutigen Treffen und der Wirkung der Bilder zweier Männer in Weiß. Die Kritiker sehen durch den Rücktritt das Papstamt beschädigt. Sie hoffen nun sehr, dass Franziskus seinem Vorgänger in diesem Punkt nicht folgen wird.

P.S. Vatikansprecher Lombardi betonte, dass Benedikt XVI. noch einmal sein Versprechen des Gehorsams und der Unterordnung gegenüber dem amtierenden Papst wiederholt habe. Damit nimmt er all jenen den Wind aus den Segeln, die sich mit dem Kurs des neuen Papstes nicht anfreunden können oder wollen und versuchen könnten, hier eine Art Gegenpapsttum zu installieren. Dass Benedikt seinen Platz jetzt in der „zweiten Reihe“ sieht, wurde deutlich, als die beiden Päpste die Kapelle im Apostolischen Palast in Castelgandolfo betraten. Für Franziskus war der Ehrenplatz mit weißem Stuhl und Kniebank in der Mitte gerichtet, den er zunächst auch ansteuerte. Als er aber sah, dass Benedikt XVI. sich zur zweiten Reihe begab, ging auch Franziskus dorthin. Benedikt wollte ihn davon abhalten mit der Begründung, Franziskus sei doch der Papst; doch Franziskus ließ das nicht gelten. Mit den Worten „Wir sind Brüder!“ kniete er sich mit Benedikt zusammen in die zweite Reihe.