Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog

Interessantes und Hintergründiges aus dem Vatikan

Politische Agenda: Armut, Frieden, Schöpfung

Mit einem Gottesdienst mit den Gärtnern und Reinigungskräften des Vatikans hat heute der Tag von Papst Franziskus begonnen. Der Pontifex feierte die Messe in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses Santa Marta. Dort wird Franziskus nach Auskunft des Vatikans auch noch einige Zeit wohnen bleiben. Unklar ist nach wie vor, ob er in die Papstwohnung im dritten Stock des Apostolischen Palasts einziehen wird oder eine andere Bleibe im Palast bezieht. Bei der Besichtigung der mehrere Hundert Quadratmeter großen Wohnung am Tag nach seiner Wahl, soll er gesagt haben, diese sei zu groß für ihn und biete ja Platz für 300 Menschen. In Buenos Aires bewohnte Kardinal Bergoglio eine kleine Zweizimmerwohnung. Da wird er sich künftig wohl etwas umstellen müssen.

Politisch wurde es dann beim Treffen mit dem beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps. Auch hier wieder das gewohnte Bild: Franziskus verzichtet im Vergleich zu seinem Vorgänger auf den roten Schulterumhang, die Mozzetta, und den großen roten Thron. In einfachem Weiß sitzt er auf einem schlichten gepolsterten Stuhl. Seine Rede dauert ganze 10 Minuten; gehalten auf Italienisch, der Sprache des Bischofs von Rom, und nicht auf Französisch, der Sprache der Diplomatie. Erneut ging der Papst auf seine Namenswahl ein und leitete von Franz von Assisi die Grundkonstanten auch seiner politischen Arbeit ab: Einsatz für die Armen, für den Frieden und die Bewahrung der Schöpfung. Dabei betonte er heute, dass unter Armut nicht nur die materielle, sondern auch die geistliche Armut der Gegenwart zu verstehen sei. Dabei machte er sich die Worte seines Vorgängers Benedikt XVI. der „Diktatur des Relativismus“ zu Eigen. Einmal mehr wird damit deutlich, dass die beiden Päpste inhaltlich nicht so weit auseinander sind, wie es äußerlich scheinen mag. Franziskus forderte zugleich zum Dialog der Religionen auf. Der Pontifex erklärte, er wolle Brückenbauer sein zwischen Gott und den Menschen, aber auch unter den Menschen. Dazu möchte er die Botschafter und ihre Länder als Verbündete gewinnen: „Die materielle wie die geistliche Armut bekämpfen, Frieden schaffen und Brücken bauen – das sind gleichsam die Bezugspunkte eines Weges, den mitzugehen ich jedes der Länder, die Sie vertreten, einlade.“

Hier findet morgen das Treffen von Papst Franziskus mit Benedikt XVI. statt.

Mit Spannung wird in Rom die Begegnung der beiden Päpste morgen in Castelgandolfo erwartet. Es ist ein historisches Ereignis, denn bisher haben sich nie ein Papst, der freiwillig auf sein Amt verzichtet hat, und sein Nachfolger getroffen. Live-Bilder wird es von der Begegnung mit anschließendem Mittagessen morgen nicht geben. Dennoch ist zu erwarten, dass es Fotos und einige TV-Aufnahmen der Vatikanmedien im Nachhinein geben wird. Ob es die letzten Bilder des emeritierten Papstes sein werden, ist ungewiss. Benedikt XVI. selbst hatte ja angekündigt, dass er künftig für die Welt „verborgen“ sein werde. Ob dies wirklich so sein wird, hängt auch von seinem Nachfolger Franziskus ab. Obwohl die beiden beim Konklave 2005 „Gegenspieler“ waren, ist das Verhältnis gut. Papst Bergoglio hat in den letzten Tagen immer wieder an Papst Ratzinger erinnert und dessen Leistungen gewürdigt; angefangen von der Aufforderung zum Gebet für Benedikt XVI. zu Beginn seines ersten Auftritts nach der Wahl auf der Loggia am 13. März bis heute zur Ansprache an die Diplomaten mit dem Zitat der „Diktatur des Relativismus“. Die beiden Herren in Weiß haben sich also sicher Einiges zu sagen und Benedikt XVI. kann seinem Nachfolger wohl auch einige Hinweise geben, wenn es um Personalentscheidungen und anstehende Reformen geht. Daher wird die morgige Begegnung sicher nicht die letzte sein. Wenn Benedikt XVI. erst einmal in seinem Kloster im Vatikan wohnen wird, womit für Mai, spätestens Juni zu rechnen ist, werden sich die beiden sicher öfters sehen.

Es bleibt spannend

Papst Franziskus geht weiter seinen Weg. Heute ließ er mitteilen, dass er den Gottesdienst zur Erinnerung an das Letzte Abendmahl Jesu am Gründonnerstag nicht wie üblich in der Lateranbasilika feiern wird, sondern in einem römischen Jugendgefängnis. Als Kardinal pflegte Jorge Mario Bergoglio die Tradition, diesen Gottesdienst in einem Gefängnis, Hospiz oder Krankenhaus zu feiern. Das möchte er als Papst weiter so machen. Die übrigen Gottesdienste in den Kar- und Ostertagen sollen aber wie gewohnt stattfinden, teilte der Vatikan zugleich mit. Damit wollte man Spekulationen vorbeugen, dass es noch weitere Änderungen geben könnte. Gespannt sind allerdings einige, ob Papst Franziskus an Ostern auch in über 60 Sprachen Grüße in alle Welt schicken wird. Denn es fällt auf, dass der neue Pontifex bisher nur auf Italienisch gesprochen hat. Weder beim Angelus am letzten Sonntag noch bei der Einführungsmesse hatte er in einer anderen Sprache gegrüßt.

 

Hinter dem geschlossenen Fensterladen wird das Arbeitszimmer des Papstes renoviert. Doch zieht er wirklich in die Wohnung ein? Darüber wird in italienischen Medien heftig spekuliert.

Beim sonntäglichen Mittagsgebet war bei seinen Vorgängern immer ein kurzer Gruß auf Französisch, Englisch, Deutsch und Spanisch dabei; manchmal auch noch in anderen Sprachen. Lediglich bei der Begegnung mit den Medienvertretern am vergangenen Samstag sprach Franziskus am Ende einige Sätze auf Spanisch. Doch dabei ging es nicht um einen Gruß in seiner Muttersprache, sondern es handelte sich wohl eher um ein Versehen, dass er die abschließenden Worte nach dem Shakehands in seiner Muttersprache sagte. Manche interpretieren den Verzicht auf die anderen Sprachen schon dahingehend, dass Franziskus sich in erster Linie als Bischof von Rom sehe und nicht so sehr als Papst der Weltkirche. Doch das dürfte zu weit gehen.

Neue Nahrung bekam auch heute wieder die Diskussion über die Rolle des neuen Papstes in der Zeit der Militärdiktatur in Argentinien. Franziskus traf sich am Vormittag mit dem argentinischen Friedensnobelpreisträger Adolfo Perez Esquivel. Der sagte nach der Begegnung, der Papst wolle „die Wahrheit, die Gerechtigkeit und die Wiedergutmachung der durch die Diktatur erlittenen Schäden“ voranbringen. Esquivel verteidigte erneut Papst Franziskus. Dieser habe seinerzeit weder die Diktatur unterstützt, noch habe er zu den Kirchenvertretern gehört, die sich entschieden dagegen gestellt hätten. Sein Weg sei vielmehr die stille Diplomatie gewesen, mit der er versucht habe, Verhafteten und Verschleppten zu helfen. Das Thema Militärdiktatur bleibt also weiter aktuell.

Unterdessen schreibt der Papstbiograf Sergio Rubin in einer argentinischen Zeitung, Franziskus werde sein Heimatland erst im November oder Dezember diesen Jahres besuchen und nicht wie vermutet im Anschluss an den Weltjugendtag im brasilianischen Rio de Janeiro im Juli. Grund sei, dass man jede Verbindung zu den Parlamentswahlen im Oktober verhindern möchte. Es gebe bereits eine entsprechende Vereinbarung zwischen der Regierung und den argentinischen Bischöfen.

P.S. Es geht übrigens immer noch ein Stückchen einfacher. Normalerweise unterschrieb bisher der Papst eine Botschaft oder ein Schreiben mit der Abkürzung „PP“ (Abk. für Papst) nach dem Namen. Franziskus verzichtet nun auch darauf. Jüngstes Beispiel: Zur Amtseinführung des neuen Primas der Anglikanischen Kirche wurden heute zwei Botschaften des Vatikans veröffentlicht. Die Botschaft, die „Benedictus PP. XVI.“ am 4. Februar nach London schickte, als die Wahl des Erzbischofs von Canterbury, Justin Welby, bestätigt worden war, und die Botschaft, die heute „Francis“ zur Amtseinführung des neuen Anglikanerprimas schickte.

Ökumene und Respekt der Religionen

Tag eins nach der Amtseinführung des neuen Papstes stand heute ganz im Zeichen der Ökumene und des interreligiösen Dialogs. Franziskus traf sich mit den Delegationen, die gestern zum feierlichen Gottesdienst nach Rom gekommen waren. Dabei ließ er keinen Zweifel daran, dass er den Weg des Dialogs fortsetzen möchte. „Ich möchte von meiner Seite versichern, dass ich wie meine Vorgänger den festen Willen habe, den Weg der Ökumene fortzusetzen.“ Aufsehen erregte seine Anrede für den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomäus I., als „Bruder Andreas“. Bartholomäus ist Nachfolger des Apostels Andreas; doch diese vertraute Anrede ließ aufhorchen. An die „lieben Freunde“ der anderen Religionen gewandt, stellte er fest: „Die katholische Kirche ist sich der Bedeutung bewusst, die die Förderung der Freundschaft und des Respekts zwischen Männern und Frauen der verschiedenen Religionen hat.“ Ausdrücklich wiederholte Franziskus diesen Satz und fuhr fort, die Religionen könnten viel dazu beitragen, den Armen, Schwachen und Leidenden zu helfen, sowie Gerechtigkeit und Versöhnung zu fördern und so den Frieden aufzubauen.

Franziskus bleibt, wie bei solchen Begegnungen üblich, allgemein. Aber die grundsätzliche Linie ist klar. Trotz aller Unterschiede des neuen Pontifex, die in den letzten Tagen schon deutlich wurden, bleiben Konstanten, bis hinein in einzelne Gedanken. Man sah seinen Vorgänger, Benedikt XVI., förmlich vor sich, als Franziskus erklärte: „Wir wissen, wie viel Gewalt in der jüngeren Geschichte ausgeübt wurde beim Versuch, Gott zu eliminieren.“ Konfessionen und Religionen seien aufgefordert, gemeinsam die Würde des Menschen zu verteidigen, an einem friedlichen Zusammenleben der Völker mitzuarbeiten und die Schöpfung mit Sorgfalt zu pflegen. Hier klangen wieder die drei Motive an, die der neue Papst aus seiner Namenswahl ableitet: Armut, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, die drei Grundkonstanten seines Pontifikats.

Franziskus wirkte heute am Ende der Audienz beim Shakehands etwas müde. Das verwundert nicht. Die vergangenen Tage und Wochen waren anstrengend und man darf nicht vergessen, der neue Papst ist bereits 76 Jahre alt. Trotzdem hat er heute im Gespräch mit Brasiliens Präsidentin Rousseff seine Teilnahme am Weltjugendtag im Juli in Rio de Janeiro bestätigt und zugleich angekündigt, dass er nach dem WJT auch den brasilianischen Marienwallfahrtsort Aparecida besuchen möchte. Laut Kardinal Salazar Gomez, dem Erzbischof von Bogota, hat Franziskus auch eine Einladung nach Kolumbien angenommen; aber ohne konkreten Termin. Das gilt auch für den Besuch in seiner argentinischen Heimat. Vor Ostern dürfte bezüglich der Reisepläne wohl kaum etwas Konkretes zu erfahren sein, auch wenn im vatikanischen Staatssekretariat in diesen Tagen stets bis spät in die Nacht gearbeitet wird. Auch weit nach 22 Uhr sind die Fenster hoch über dem Petersplatz derzeit oft hell erleuchtet.

Auf dem Petersplatz laufen bereits die Vorbereitungen für Palmsonntag.

In den italienischen Medien wird unterdessen fleißig über die Reform der Kurie und die Regierungsmannschaft des neuen Papstes spekuliert. Erste Entscheidungen sind für nach Ostern zu erwarten. Unterdessen gab es heute noch einmal eine Erklärung des Jesuitenpaters Franz Jalics. Er ist einer der beiden Jesuiten, die von den argentinischen Militärs in der Diktaturzeit gefangen genommen worden waren. Jalics stellt in der heutigen Erklärung nun unmissverständlich klar, dass die beiden nicht „von Pater Bergoglio angezeigt wurden“. In einer ersten Erklärung vom vergangenen Freitag hatte er noch formuliert, dass er keine Stellung „zur Rolle von P. Bergoglio in diesen Vorgängen“ nehmen könne. Nun also die Präzisierung. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hatte am vergangenen Wochenende aus einem Brief zitiert, den der damalige Jesuitenobere Bergoglio an die Familie Jalics geschrieben hatte. Darin versicherte Bergoglio, das es alles tun werde, um die beiden Jesuiten aus der Gefangenschaft frei zu bekommen. Grundtenor des Bericht der FAS war, dass den damalige Jesuitenoberen keine Schuld an der Verhaftung der beiden Patres treffe. Die neue Erklärung Jalics bringt nun ein weiteres Stück Licht ins Dunkel; doch für eine abschließende Bewertung scheint es noch etwas früh.

Schöpfung, Armut, Dienen

Die erste Predigt eines neuen Papstes ist zugleich eine Art Regierungserklärung. Die Schlüsselbegriffe der rund 15-minütigen Ansprache von Papst Franziskus führten das fort, was sich in den letzten Tagen bereits angedeutet hatte. Dem neuen Pontifex geht es um eine Kirche, die nahe bei den Menschen ist, vor allem bei den „Ärmsten, Schwächsten, Geringsten“. Es geht ihm um eine dienende Kirche und ein zentraler Punkt ist die Bewahrung der Schöpfung. Dazu zählt er, wie schon sein Vorgänger, Mensch und Natur.

Knapp 30 Minuten fährt Franziskus mit dem Jeep über den Petersplatz.

Franziskus wählt dabei einen etwas anderen Zugang als Benedikt XVI. Er griff heute das Bild des heiligen Josef auf, dessen Gedenktag die katholische Kirche am 19. März feiert. Josef sei „Hüter und Beschützer“ gewesen – zunächst der Heiligen Familie, dann im übertragenen Sinn der ganzen Kirche. Josef verstehe es, auf Gott zu hören, wisse mit Realismus die Ereignisse zu deuten, sei aufmerksam für seine Umgebung und verstehe die klügsten Entscheidungen zu treffen. Diese Eigenschaften will Franziskus nun auf die Kirche und auf jeden einzelnen Gläubigen übertragen wissen. Der Mensch, der zum Hüter der Mitmenschen und der Schöpfung wird. „Seid Hüter der Gaben Gottes!“ rief der neue Pontifex den rund 200.000 Gläubigen auf dem Petersplatz zu. Franziskus appellierte auch an die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, sich diese Vorstellung des Hüter-Seins zu Eigen zu machen. Er warnte davor, dass „Hass, Neid und Hochmut das Leben verunreinigen.“

Sein Papstamt versteht er als Dienstamt, führte Franziskus aus. „Vergessen wir nie, dass die wahre Macht der Dienst ist und dass auch der Papst, um seine Macht auszuüben, immer mehr in jenen Dienst eintreten muss, der seinen leuchtenden Höhepunkt am Kreuz hat.“ Als seine Aufgabe sieht er es, sich besonders um die zu kümmern, die am Rande stehen. Zum Schluss seiner Predigt richtete Franziskus noch einen flammenden Appell an alle, zuversichtlich zu sein. „Gegen alle Hoffnung voller Hoffnung!“ rief er den Versammelten zu. Das erinnert an seine Ansprache beim Treffen mit den Kardinälen als er sagte: „Mut, Brüder Kardinäle“. Ein bisschen wirken diese Passagen wie die berühmte „Ruck-Rede“ von Altbundespräsident Herzog. Franziskus will sich angesichts der schlechten Nachrichten und Probleme in Kirche und Welt nicht die Zuversicht und Hoffnung nehmen lassen. Und er will sie auch vermitteln. Fast scheint es so, als wolle er die Kirche aus einer gewissen Lethargie herausreißen und neu mit Leben erfüllen. Ist es das, was die Kirche in Europa vom Papst aus Lateinamerika lernen kann: trotz schwieriger Verhältnisse mit Freude und Engagement glauben, den Glauben verkünden und eine Kirche an der Seite der Menschen leben!?

Mit Verve trug Franziskus heute seine Predigt vor; besonders lebendig und nachdrücklich wurde er, wenn es um die Ausgegrenzten und die Bewahrung der Schöpfung ging. Aufhorchen ließen seine Worte über „Liebe“ und „Zärtlichkeit“, mit der man sich dem Mitmenschen und der Schöpfung zuwenden solle. „Zärtlichkeit“ sei nicht etwa die Tugend des Schwachen. Im Gegenteil: Sie deute auf eine „Seelenstärke hin und auf die Fähigkeit zu Aufmerksamkeit, zu Mitleid, zu wahrer Öffnung für den anderen, zu Liebe. Wir dürfen uns nicht fürchten vor Güte, vor Zärtlichkeit!“

Übrigens: Eines der Bücher des wohl berühmtesten Befreiungstheologen, Leonardo Boff, trägt den Titel: „Franz von Assisi und die Liebe zu den Armen“. Boff war Franziskaner und ist 1992 nach heftigen Auseinandersetzungen mit der vatikanischen Glaubenskongregation und einem Lehrverbot aus dem Orden ausgetreten. Hält über Papst Franziskus jetzt etwa die Befreiungstheologie Einzug in den Vatikan? Das Vokabular ist ähnlich; doch sicher vertritt der neue Papst nicht die radikal politische Variante der 80er Jahre.

Eine Modernisierung hat Papst Franziskus schon gebracht. In den offiziellen Texten wird jetzt auch die neue deutsche Rechtschreibung verwendet. Dies war bisher nur in Publikationen der Glaubenskongregation der Fall. Jetzt gilt es auch für den Papst.

Es bleibt schlicht

Papst Franziskus setzt auch bei seinen Insignien auf Schlichtheit. Heute wurden sein Wappen und der Fischerring vorgestellt. Beim Wappen behält er sein Bischofswappen, beim Ring greift er auf ein schon fertiges Exemplar aus der Zeit Papst Pauls VI. (1963-1978) zurück. Der Ring zeigt Petrus mit den Schlüsseln. Er wurde von dem 2004 verstorbenen italienischen Künstler Enrico Manfrini gefertigt. Der vergoldete Silberring Ring war ursprünglich im Besitz des Sekretärs von Paul VI. Das Wappen des Papstes zieren das Symbol der Jesuiten sowie ein Stern für Maria und eine Lavendelblüte als Symbol für den heiligen Josef. Der Schild des Papstwappens ist damit identisch mit dem des Bischofswappens. Auch das Motto „miserando atque eligendo – Durch Erbarmen erwählt“ übernimmt der neue Papst aus seiner Bischofszeit. Es ist einem Kommentar des angelsächsischen Benediktinermönchs Beda Venerabilis (7./8. Jahrhundert) zur Erwählung des Apostels Matthäus entnommen (Mt 9,9-13). Franziskus setzt also auf Kontinuität.

Das neue Papstwappen

Unterdessen laufen die Vorbereitungen für die feierliche Messe zum Beginn des Pontifikats. Auch da hat Franziskus noch einmal Hand angelegt. So werden jetzt doch nur sechs Kardinäle das Gehorsamversprechen öffentlich ablegen (zwei je Kardinalsklasse). Zeremonienmeister Guido Marini hatte noch kurz nach der Ankündigung des Amtsverzichts durch Benedikt XVI. mitgeteilt, dass dieser den Ritus dahingehend geändert habe, dass alle Kardinäle das Versprechen noch einmal öffentlich ablegen. Das hat der neue Papst nun wieder eingekürzt. Auffallend ist, dass Franziskus laut vatikanischem Pressesprecher beim Gottesdienst morgen keine Kommunion austeilen wird. Das hat er auch am vergangenen Sonntag in der Sankt Anna-Kirche im Vatikan schon nicht gemacht. Interessant ist das deshalb, weil natürlich viele sehen wollen, ob Franziskus wie sein Vorgänger für die Gläubigen nur Mundkommunion reicht oder nicht. Aber bisher gibt es darauf keine Antwort.

Abbildung des Fischerrings im Textbuch für den Gottesdienst morgen

Herzlich soll heute die Begegnung zwischen Franziskus und „seiner“ Präsidentin Christina Kirchner verlaufen sein. Bisher war das Verhältnis des Kardinals Bergoglio zur argentinischen Präsidentin durchaus konfliktreich. Zum Treffen heute gab es keine offizielle Erklärung des Vatikans. Lediglich über die Geschenke gab es Informationen. Die Präsidentin brachte dem Papst seinen Mate-Lieblingstee mit; sie bekam umgekehrt eine Majolika mit einer Abbildung des Petersplatzes. Immerhin lud Franziskus Frau Kirchner hinterher zum Mittagessen ein. Vielleicht bringt die Wahl Bergoglios zum Papst auch einen Neuanfang in den Beziehungen zwischen katholischer Kirche und argentinischer Regierung; schließlich hat Kirchner den neuen Pontifex zu einem Besuch in seinem Heimatland eingeladen. Franziskus nahm die Einladung dankend an und versprach, mit seinen Mitarbeitern die Sache zu besprechen. Kommt es vielleicht doch im Umfeld des Weltjugendtags Mitte Juli in Rio de Janeiro zum Heimatbesuch Franziskus’, wie seit Tagen hier in Rom spekuliert wird.

Per Mail können sich übrigens dieses Mal die Gläubigen aus aller Welt nicht an den neuen Papst wenden. Der Vatikan erklärte heute, dass beim letzten Mal der Ansturm so groß war, dass das gesamte System der Server lahm gelegt worden sei. So kann man den neuen Pontifex wohl nur über den guten alten Postweg erreichen, um seine Anliegen vorzutragen.

Wie ein einfacher Pfarrer

Keine leichte Aufgabe heute Morgen für die Sicherheitsleute im Vatikan. Nach dem Gottesdienst in der Pfarreikirche St. Anna des kleinen Kirchenstaats eilte Papst Franziskus durch den Mittelgang nach draußen, stellte sich vor dem Ausgang auf und verabschiedete jeden Gottesdienstbesucher einzeln mit Handschlag. Was er von Zuhause in Buenos Aires gewohnt ist, wollte er wenigstens am ersten Sonntag seines Pontifikats noch einmal erleben. Der Papst, der sich wie ein normaler Gemeindepfarrer um seine Herde kümmert. Das sind die Bilder, die an diesem Sonntag um die Welt gehen. Dazu seine Botschaft des Tages: „Barmherzigkeit ist die wichtigste Botschaft Jesu Christi!“ Sowohl in seiner frei gehaltenen Predigt beim Gottesdienst als auch bei seinem ersten Angelusgebet vom Fenster des Arbeitszimmers im Apostolischen Palast war das zentrale Thema die „Barmherzigkeit“.

300.000 kamen heute laut Angaben der Stadt Rom zum ersten Angelus von Papst Franziskus.

Dabei war Franziskus auch heute wieder zum Scherzen aufgelegt. Er erklärt, dass er gerade ein Buch des deutschen Kardinals Walter Kasper über die Barmherzigkeit gelesen habe. Kasper sei ein tüchtiger und guter Theologe. Dieses Buch habe ihm sehr gefallen. Lächelnd fügte er hinzu, man solle jetzt aber bitte nicht denken, dass er Werbung mache für die Bücher seiner Kardinäle. Kaspers Buch beeindruckte ihn. Der Kardinal schreibe darin, dass Barmherzigkeit alles verändere. „Ein wenig Barmherzigkeit macht die Welt weniger kalt und gerechter,“ zitiert Franziskus aus dem Werk. Grund für die Betrachtungen zum Thema Barmherzigkeit war das heutige Sonntagsevangelium (Joh 8,1-11), in dem Jesus eine Ehebrecherin nicht verurteilt und sie auffordert, künftig nicht mehr zu sündigen. Die Worte des Papstes fanden große Beachtung. Doch was bedeuten sie konkret angewendet? Schon vor wenigen Tagen sagte ein Kardinal im Gespräch, dass Barmherzigkeit bei Franziskus ein großes Thema sei und er sich vorstellen könne, dass sich beispielsweise beim Thema wiederverheiratete Geschiedene etwas bewegen könnte.

Mit seinen Worten heute wächst die Hoffnung, aber auch der Druck auf den neuen Pontifex. Längst wird schon wieder davor gewarnt, ihn nicht mit zu hohen Erwartungen zu überfrachten. Denn die Enttäuschung ist damit schon vorprogrammiert. Vier Tage ist Franziskus nun im Amt; äußerlich hat er bereits einen Stilbruch vollzogen gegenüber seinem Vorgänger. Inhaltlich wird er sicher auch neue Akzente setzen. Doch es ist nicht zu erwarten, dass dort die Veränderungen ähnlich radikal ausfallen.

Zum Äußeren vielleicht noch kurz einige Anmerkungen. Franziskus hat sowohl heute Morgen beim Gottesdienst in Sankt Anna als auch schon beim Gottesdienst mit den Kardinälen am Tag nach seiner Wahl in der Sistina auf besondere Prunkgewänder verzichtet. Heute hatte er ein schlichtes violettes Messgewand an, der liturgischen Jahreszeit entsprechend. Auch die Zeremoniare trugen heute keine Alben mehr mit Spitzen, sondern schlichte Baumwolle. Franziskus geht zur Predigt an den Ambo und spricht nicht von seinem „Thron“ aus. In der Sixtinischen Kapelle hatte er am Donnerstag wieder den provisorischen Volksaltar einbauen lassen. Benedikt XVI. hatte seit Längerem in der Sistina nur noch den Altar genutzt, der direkt unter dem Fresko des Jüngsten Gerichts an der Wand steht und somit große Teile der Messe mit dem Rücken zu den Mitfeiernden zelebriert. Franziskus hat das für seine erste Messe als Papst wieder ändern lassen. Man wird sehen, ob er sich mit seiner Linie auf Dauer durchsetzt.

Das wird die entscheidende Frage sein. Angesichts des radikalen päpstlichen Stilwechsels gibt es schon erste Stimmen, die die übrigen Kirchenführer unter Druck sehen. Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone fährt in der Regel mit einer der neuesten und größten Limousinen vor, die der vatikanische Fuhrpark hergibt; selbst wenn er sich nur innerhalb des Vatikanstaats bewegt – und der ist nun mal gerade einmal 44 Hektar groß. Kann er das auch künftig machen, wenn der Papst einen kleineren Wagen fährt? Das sind zwar zunächst nur Äußerlichkeiten. Aber die darf man in der gegenwärtigen Phase nicht unterschätzen. Es scheint, dass Franziskus sehr genau weiß und beobachtet, was um ihn herum geschieht. Er hat in den letzten acht Jahren, in denen er ja beinahe Papst gewesen wäre, wenn er 2005 nicht Joseph Ratzinger unterlegen wäre, mit angesehen, was hier in der römischen Zentrale vor sich ging. Er wird sich bei manchem Vorgang genau überlegt haben, was er anders gemacht hätte. Damit geht er vielleicht wesentlich besser vorbereitet in das neue Amt, als man auf den ersten Blick glauben mag.

Kirche der Armen

Das waren heute einmal mehr starke Worte und Zeichen, die Papst Franziskus gesetzt hat. Bei der Audienz für die rund 6.000 Medienvertreter, die über den Pontifikatswechsel derzeit aus Rom berichten, erzählte der neue Pontifex scherzend über die Ereignisse rund um seine Namenswahl im Konklave sowie seine Vorstellung von der Kirche. Die zentralen Stichworte dabei: Armut, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Alle drei Elemente findet er in seinem „Namensgeber“: Franz von Assisi.

Es war wohl der brasilianische Kardinal Claudio Hummes, selbst Franziskaner, der neben Bergoglio im Konklave saß. Als der Argentinier die notwendige 2/3-Mehrheit erreicht hatte, habe Hummes ihn umarmt und gesagt: „Vergiss die Armen nicht!“ Er habe dann sofort an Franz von Assisi gedacht, so der neue Papst; dann habe er an die Kriege gedacht und Franz sei ja ein Mann des Friedens. So habe er sich für diesen Namen entschieden. Dazu komme noch, dass Franz von Assisi die Schöpfung achte. „In diesem Augenblick haben wir mit der Schöpfung nicht gerade eine gute Beziehung, oder?“ Und dann kam ein Satz, der dem Papst wirklich aus dem Herzen zu kommen schien: „Ach, wie sehr möchte ich eine arme Kirche und eine Kirche der Armen!“

Viel Beifall gab es für diese Worte Franziskus’, viel Gelächter, als er erzählte, dass einige ihm geraten hätten, sich Hadrian zu nennen, denn Hadrian VI. sei ein Reformer gewesen und es brauche Reformen; oder Clemens XV., so könnte er sich an Clemens XIV. rächen, der im 18. Jahrhundert den Jesuitenorden aufgehoben hatte. Doch die Entscheidung stand für Bergoglio fest: Franziskus. Der Papst äußerte sich heute Morgen auch zum Thema Kirche und Medien. Er zeigte Respekt für die Arbeit der Journalisten; erinnerte zugleich daran, dass sie der Wahrheit verpflichtet seien.

Mit einer kleinen Sensation endete das Treffen mit den Medienvertretern. Franziskus erteilte nicht höchst offiziell und öffentlich den Segen. Das war bisher bei solchen Veranstaltungen üblich. Sondern nach der Begrüßung einiger Medienvertreter, die zum Teil sehr herzlich war, sagte er: „Ich habe gesagt, dass ich Ihnen von Herzen meinen Segen erteilen würde. Da aber viele von Ihnen nicht der katholischen Kirche angehören, andere nicht gläubig sind, erteile ich von Herzen diesen Segen in Stille jedem von Ihnen mit Respekt vor dem Gewissen jedes einzelnen, aber im Wissen, dass jeder von Ihnen ein Kind Gottes ist. Gott segne Sie.“ Sprach es, winkte lächelnd in die Menge und verlies die Audienzhalle.

Der nächste kleine Paukenschlag kam am frühen Nachmittag. In einer Erklärung des Presseamts heißt es, dass Franziskus die Chefs der vatikanischen Behörden im Amt bestätigt. Doch es blieb nicht bei der sonst üblichen Formulierung „donec aliter provideatur“ („solange nichts anderes vorgesehen ist“), die ja bereits eine Vorläufigkeit enthält; sondern es wurde eigens erwähnt, dass die Bestätigung nur „provisorisch“ ist und dass Franziskus sich eine Zeit des Nachdenkens, Gebets und der Gespräche vorbehält, bevor er endgültige Ernennungen und Bestätigungen vornimmt. Deutlicher kann man es nicht sagen, dass wohl der Stuhl so manches Kurienchefs wackelt. Franziskus hat damit zunächst einmal Sicherheit dafür geschaffen, dass das Alltagsgeschäft in der Kurie weitergehen kann, zugleich aber auch signalisiert, dass er sehr schnell handeln und eigene Akzente setzen will.

Der Vatikan gab heute das Programm des Papstes für die nächsten Tage bekannt. Am morgigen Sonntag das erste Angelusgebet vom Fenster des Arbeitszimmers im Apostolischen Palast aus. Montagmittag trifft Franziskus die Präsidentin seines Heimatlands Christina Kirchner. Das Verhältnis der beiden war bis dato nicht besonders gut. Dienstag dann die große Messe zum Beginn des Pontifikats mit der Übergabe des Fischerrings und des Palliums durch Kardinaldekan Angelo Sodano an Franziskus. Im Anschluss trifft der Papst kurz die politischen Delegationen im Petersdom. Aus Deutschland kommen unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Norbert Lammert und Bundesratspräsident Winfried Kretschmann. Mittwoch trifft Franziskus die ökumenischen Delegationen, die an seiner Amtseinführung teilnehmen. Wird er hier erste Akzente setzen? Politisch geht es Freitag zu beim Empfang des beim Heiligen Stuhl akkreditierten diplomatischen Korps. Samstag dann der schon lange erwartete Besuch bei Benedikt XVI. in Castelgandolfo. Die beiden treffen sich zum Mittagessen in der päpstlichen Sommerresidenz. Dem Vatikan unterlief bei der Ankündigung ein kleiner Fehler. Bei der Nennung Benedikts XVI. wurde der Zusatz „emeritus“ vergessen. So treffen sich nun der „Heilige Vater“ Franziskus und „Papst“ Benedikt XVI. Es geht schon los, mit der Zeit der zwei Päpste.

„Nur Mut, Brüder Kardinäle!“

Franziskus pflegt einen anderen Stil. Auch zwei Tage nach seiner Wahl ist er mit seinen üblichen schwarzen Schuhen unterwegs; sein silbernes Bischofskreuz hat er noch nicht gegen ein goldenes ausgetauscht. Am Nachmittag war er wieder in der Stadt unterwegs und hat den argentinischen Kardinal Mejia in einem römischen Krankenhaus besucht. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger hat er sich bisher auch noch nicht zum Führungspersonal geäußert. Benedikt XVI. hatte zwei Tage nach seiner Wahl im April 2005 die Kurienchefs „donec aliter provideatur“(„solange nichts anderes vorgesehen ist“) in ihren Ämtern bestätigt. Franziskus hat das bisher nicht getan. Lässt er sich Zeit für die Personalentscheidungen? Angesichts der großen Hoffnungen, die in ihn gesetzt werden in Bezug auf eine Reform der Kurie, wäre dies sicher angebracht.

Papst Franziskus checkt aus und bezahlt seine Hotelrechnung. (reuters)

Die Audienz für die Kardinäle heute Morgen lies er auf jeden Fall in dieser Angelegenheit verstreichen. Er dankte zwar Kardinaldekan Angelo Sodano und Camerlengo Kardinal Tarcisio Bertone für ihre Arbeit während der Sedisvakanz; aber wer künftig an seiner Seite arbeitet, darüber verlor er kein Wort. Dafür schlug er aber auch beim Treffen mit den Kardinälen einen ungewohnten Ton an. Er sprach nicht von den „Herren Kardinäle“, sondern von den „Brüdern Kardinäle“. Er sprach von der Vielfalt in der Kirche, die nicht des Teufels sei, sondern vom Heiligen Geist gewollt und von diesem zu einer Einheit gebracht werde.

„Geben wir nie dem Pessimismus nach, jener Verbitterung, die der Teufel uns jeden Tag bietet; geben wir nicht dem Pessimismus und der Mutlosigkeit nach: Wir haben die feste Gewissheit, dass der Heilige Geist mit seinem mächtigen Wehen der Kirche den Mut schenkt, fortzufahren und auch nach neuen Wegen der Evangelisierung zu suchen, um das Evangelium bis an die Grenzen der Erde zu bringen.“ „Nur Mut!“ rief er seinen Mitbrüdern zu.  Das Alter, so Franziskus in Anspielung auf sich selbst und die Anwesenden, sei der Sitz der Weisheit. Diese müsse man an die Jugend weitergeben. Und dann plötzlich die ersten Worte auf Deutsch, ein Zitat eines seiner Lieblingsdichter, Friedrich Hölderlin: „Es ist ruhig, das Alter, und fromm.“

Auffallend ist, dass Franziskus in seinen beiden Ansprachen gestern und heute ganz ungezwungen vom „Teufel“ sprach. Das klingt in den Ohren mancher Westeuropäer ungewöhnlich. Man wird sicher daher sicher an eine andere Sprache gewöhnen müssen mit einem Papst, der, wie er selbst bei seinem ersten Auftritt sagte, vom „Ende der Welt“ kommt. Franziskus sprach von „gegenseitiger Offenheit“ und Gemeinschaft unter den Kardinälen, sich selbst eingeschlossen. Man darf gespannt sein, wie diese Erfahrungen in sein Regierungshandeln einfließen werden. Das Stichwort „Kollegialität“ ist in diesen Tagen hier in Rom immer und überall zu hören. Bisher fehlt es an der Umsetzung der bestehenden Möglichkeiten bzw. auch an neuen Impulsen, diese zu verwirklichen.

Ungewöhnlich scharf wies Vatikansprecher Federico Lombardi heute die Anschuldigungen gegen Franziskus zurück, er habe sich in der Zeit der Militärdiktatur in Argentinien (1976-1983) nicht genügend für zwei inhaftierte Mitbrüder eingesetzt. Dabei handle es sich um eine Kampagne  der „antiklerikalen Linken“. Es habe nie eine glaubwürdige konkrete Anschuldigung gegen Bergoglio gegeben, erklärte Lombardi. Einer der beiden betroffenen Jesuiten ließ heute mitteilen, er könne keine Stellung zur Rolle von Bergoglio in diesen Vorgängen nehmen. Er sei „mit den Geschehnissen von damals versöhnt und betrachte sie als abgeschlossen“. Mit den Erklärungen von heute dürfte das Thema allerdings nicht erledigt sein. Es verwundert, dass der Vatikan in derart schroffer Form vorgegangen ist, anstatt die Angelegenheit sachlich anzugehen. Hier sind Historiker und Betroffene gefragt, um den Sachverhalt zu klären.

Unterdessen berichten italienische Medien über Interna des Konklaves. Demnach habe Bergoglio im fünften Wahlgang 90 der 115 Stimmen auf sich vereint. Bei 77 lag die notwendige Zweidrittelmehrheit. So sollen sich die Kardinäle Re und Sodano, der allerdings nicht im Konklave dabei war, sowie der ehemalige Kardinalstaatssekretär Bertone zusammen mit den US-Kardinäle auf einen Kandidaten von Übersee verständigt haben. Auch europäische Kardinäle gehörten sehr bald zu den Unterstützern des Argentiniers. Der Mailänder Erzbischof Angelo Kardinal Scola soll angesichts dieser starken „Opposition“ keine Chance gehabt haben. Er konnte den Berichten zufolge, wie erwartet, nicht einmal auf die italienischen Kardinäle zählen. Die Begegnung Scolas mit Franziskus am Ende der heutigen Audienz der Kardinäle war kurz und weit weniger herzlich als bei vielen anderen Purpurträgern. Eigentlich ist es müßig, die Stimmen nun im Einzelnen nachzuzählen. Bergoglio ist nun Papst; die Kardinäle und die Kirche „müssen“ damit leben. Morgen trifft er die Journalisten und am Sonntag gibt es dann das erste Angelusgebet. Für die Amtseinführung am Dienstag erwartet die Stadt Rom bis zu eine Million Pilger. Dienstag, 19. März ist übrigens der Josefstag. Das ist ein Feiertag im Vatikan, weil Namenstag des Papstes, d.h. des emeritierten Papstes, Benedikt XVI. Obwohl der nicht mehr im Amt ist, wollte man den Tag nicht kurzfristig streichen. Franziskus erinnerte heute beim Treffen mit den Kardinälen noch einmal sehr ausführlich an seinen Vorgänger und würdigte dessen Verdienste für die Kirche. In Rom warten nun alle auf das erste Treffen der beiden Päpste; doch laut Vatikansprecher Lombardi ist dieses zumindest für die nächsten Tage nicht zu erwarten. Doch man wird sehen, im kleinen Kirchenstaat herrscht derzeit nervöse Anspannung und auch viel Unsicherheit, denn noch weiß man nicht so genau, wie der neue Pontifex ist, wie er handelt und was er will. Alle tasten sich langsam heran. Franziskus vermittelt allerdings den Eindruck, als wisse er genau, was er wolle.

Tag 1 der franziskanischen Ära

Heute war der Tag der Analysen und Pressekonferenzen. Überall in der Stadt gaben Kardinäle freundlich Auskunft über den neuen Papst – selbstverständlich nicht über das Geschehen in der Sistina. Einzig der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki ließ sich zu der Feststellung hinreisen, dass es sich nicht um eine „Spitz-auf-Knopf-Entscheidung“ gehandelt habe. Viele Kardinäle berichten aber, dass auch für sie das Ergebnis überraschend kam. Zwar war Kardinal Bergoglio im Vorkonklave positiv aufgefallen; aber auf der persönlichen Favoritenliste stand er nur bei wenigen zu Beginn des Konklaves ganz oben. Italienische Zeitungen wollen zwar wissen, dass Bergoglio bereits im ersten Wahlgang mehr Stimmen hatte als etwa der große Favorit Angelo Scola. Doch das gälte es zu beweisen.

Die Sonderausgabe der Vatikanzeitung L'Osservatore Romano wollten heute viele Pilger.

Franziskus hat auch heute wieder vielversprechende Zeichen gesetzt. Beim Besuch der Marienkirche Santa Maria Maggiore hat er nicht die große Limousine mit dem Stern und dem berühmten Kennzeichen SCV1 gewählt, sondern eine etwas bescheidenere Variante eines Wolfsburger Modells mit normalem SCV-Kennzeichen. Auf dem Rückweg in den Vatikan ist er in seiner Unterkunft vorbeigefahren, in der er während des Vorkonklaves wohnte, packte dort seine Sachen zusammen und bezahlte die Rechnung, wie jeder normale Gast bei seiner Abreise. Es wäre zu wünschen, dass diese Normalität sich auch auf andere Bereiche des päpstlichen Hofes ausbreiten würde.

Die ersten Zeichen lassen ja hoffen. Kardinal Woelki zeigte sich sehr beeindruckt von der Einfachheit und Bescheidenheit, mit der der neue Papst gestern Abend in den ersten Stunden seines Pontifikats aufgetreten sei. Er habe gleich äußere Zeichen des Papstamts zurückgewiesen. Es sei eine brüderliche Begegnung gewesen, der Papst als „Bruder unter Brüdern“. Interessant ist übrigens auch, dass Franziskus in seiner kurzen Ansprache gestern auf der Loggia nicht das Wort Papst aussprach. Von Bischof und Volk war die Rede, von der Kirche und Gott. Woelki erwartet, dass der neue Papst angesichts seiner Herkunft Fragen der sozialen Gerechtigkeit, der Armut und der Menschenrechte stärker in den Vordergrund rücken wird. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx zeigte sich zuversichtlich, dass Franziskus eine Reform der Kurie anpacken wird. Er habe Erfahrung mit Verwaltung und auch unangenehmen Entscheidungen. Der Schweizer Kardinal Kurt Koch, im Vatikan bisher zuständig für die Ökumene, berichtete, Franziskus habe ihm bei der ersten Begegnung gestern erklärt, dass ihm die Ökumene „sehr am Herzen liege“. Das lässt hoffen für das Gespräch mit den anderen christlichen Kirchen.

Die Erwartungen an den neuen Papst sind hoch. Ob sie zu hoch sind oder wie schon bei Benedikt XVI. vielleicht zu blauäugig, wird man erst in einigen Jahren sehen. Kritisch wird man sich sicher mit seiner Geschichte auseinandersetzen müssen. Hier kamen heute sehr widersprüchliche Stimmen auf über sein Verhalten als Jesuitenoberer in Argentinien während der dortigen Militärdiktatur. Er wird sich diesen Fragen stellen müssen. Auch wird sich zeigen müssen, ob er wirklich eine solch „moderne Vision“ der Kirche hat, wie sein Biograf Sergio Rubin in TV-Interviews erzählte. Es wird jetzt zunächst einmal die Zeit sein, hinzuhören und dann ein Urteil zu fällen. Seine erste Predigt heute war kurz. Bei der Messe mit den Kardinälen in der Sixtinischen Kapelle sprach er rund sechs Minuten. Ganz franziskanisch forderte er eine geistliche Erneuerung der Kirche; sonst verkomme sie zu einer nur „barmherzigen NGO“. Gehen, bauen und bezeugen waren die zentralen Stichworte in seiner Predigt. Dabei rückte er das Kreuz Christi ins Zentrum jedes christlichen Handelns. „Wenn wir ohne das Kreuz voranschreiten, aufbauen und bekennen, dann sind wir keine Jünger des Herrn.“ Richtet er den Fokus weg von einer triumphalistischen Kirche, vom triumphierenden Christus hin zu einer mitleidenden Kirche, dem leidenden Christus? Stehen wir hier vor einem Paradigmenwechsel? Sechs Minuten Predigt sind hier zu wenig; aber in den nächsten Tagen und Wochen werden sich mit der Messe zum Pontifikatsbeginn und dann vor allem den Kar- und Ostertagen viele Gelegenheiten bieten, diese Gedanken auszubauen. Dann wird man sicher klarer sehen, über den neuen Kurs. Dann wird sich vielleicht auch schon zeigen, ob der „Kardinal der Armen“ auch zum „Papst der Armen“ wird. Alles ist möglich, lautet derzeit die einhellige Meinung hier in Rom.

Habemus Papam: Papst Franziskus

Am Ende war es dann doch eine Sensation. Der Name des Erzbischofs von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, wurde in den letzten Tagen immer nur am Rande der Papabile-Spekulationen genannt. Zu alt sei er, sein Handeln während der argentinischen Militärdiktatur werfe Fragen auf und zudem sei er ja beim letzten Konklave 2005 dem damaligen Papst Benedikt XVI. unterlegen. Doch es kam ganz anders. Fünf Wahlgänge haben die Kardinäle „nur“ gebraucht. Dafür, dass es vor dem Konklave immer hieß, es gebe keinen Favoriten, ging es am Ende dann doch schnell. Die nächsten Monate werden zeigen, wie es dazu kam. Natürlich gilt das Konklavegeheimnis – aber dennoch ist es wahrscheinlich, dass mit der Zeit das ein oder andere Detail öffentlich werden wird.

Kardinal Jorge Maria Bergoglio - jetzt Papst Franziskus

Doch zunächst muss die Entscheidung etwas sacken. Erst langsam wird man begreifen, was diese Wahl bedeutet. Denn der Gegenkandidat Ratzingers von 2005 hat 2013 gesiegt, nachdem sich Benedikt XVI. aus Altersgründen zurückgezogen hat. War die Kirche damals noch nicht reif für einen Papst Franziskus? Was war dieses Mal anders, dass man ihn gewählt hat? Sicher ist, seine Ansprache beim Vorkonklave am vergangenen Freitag hat viele Kardinäle beeindruckt. Dazu kommt bei ihm die Mischung aus Bescheidenheit und Entschlossenheit. Mit Papst Franziskus dürfte keine triumphale Kirche zu machen sein. Man darf gespannt sein, wie sich das etwa auf die äußerlichen Zeichen auswirken wird. Franziskus ist heute bei seinem ersten Auftritt ohne rote Mozzetta auf die Loggia des Petersdoms gekommen; anders als Benedikt XVI. vor knapp acht Jahren. Auch hatte er das Heft in der Hand bei seiner kurzen Ansprache. So ließ er es sich nicht nehmen, nach dem Segen noch einige Worte an die Gläubigen zu richten.

Es waren keine großen pragmatischen Worte; doch es dürfte schon etwas von dem durchgeklungen sein, was die Menschen in den nächsten Jahren erwartet. Zunächst das Gebet für den Vorgänger, über 100.000 Menschen beten gemeinsam das Vater unser. Dann ruft er die Menge zum Gebet für sich auf, verneigt sich tief und – es herrscht plötzlich Stille auf dem Platz. Gänsehautfeeling. Franziskus hatte nicht nur die Herren auf dem Balkon im Griff, sondern sofort auch die versammelte Menge. Sein Ton: verbindlich. Er machte deutlich, dass es ihm um „einen Weg der Brüderlichkeit, der Liebe, des gegenseitigen Vertrauens geht“. Die Kirche von Rom führe den „Vorsitz in der Liebe gegenüber allen Kirchen“. Ein Weg von „Bischof und Volk“ beginne jetzt. Interessant ist übrigens, dass entgegen des Protokolls der Kardinalvikar der Stadt Rom sowie ein Franziskanerkardinal neben dem neuen Papst auf der Loggia standen. Erste Zeichen. Wie auch die Wahl des Fortbewegungsmittels nach der Wahl. Statt der bereitgestellten Limousine nimmt er zusammen mit den Kardinälen den Bus.

Die nächsten Tage und Wochen werden spannend. Schon am ersten Abend gab es symbolhafte Gesten des neuen Papstes. Sei deuten darauf hin, dass das kommende Pontifikat anders werden wird als das letzte. Mit dem ersten Lateinamerikaner auf dem Stuhl Petri wird sich das Gesicht der Kirche verändern. Auf den Spuren des Heiligen von Assisi wird Papst Franziskus eine Erneuerung der Kirche angehen. Sein Papstname und seine Herkunft als Jesuit werden sein Handeln prägen. Sie lassen darauf schließen, dass er sein Werk bescheiden, aber entschlossen umsetzen wird.

P.S. Hier noch ein kurzes Porträt des neuen Papstes – mehr dann in den nächsten Tagen.

Jorge Mario Bergoglio wurde 1936 als eines von fünf Kindern italienischer Einwanderer in Buenos Aires geboren. Nach dem Diplom als Chemieingenieur entschied er sich, Priester zu werden und trat in den Jesuitenorden ein. Schnell wurde er oberster Jesuit Argentiniens. In seine Amtszeit fiel auch die argentinische Militärdiktatur. Ordensbrüder warfen ihm später vor, er habe sie nicht vor Übergriffen der Machthaber geschützt. Seit 1998 war Bergoglio Erzbischof von Buenos Aires. Er ist ein typischer Vertreter der kirchlichen Hierarchie in Lateinamerika – sozial engagiert, theologisch aber konservativ. Er liebt nicht die großen Auftritte, gilt als wortkarg und medienscheu. Zur Tagespolitik hält er möglichst Distanz. Trotzdem geißelt er mit klaren Worten soziale Ungerechtigkeit und Korruption. Man nennt ihn auch den „Kardinal der Armen“; er besucht Gefängnisse und Armenviertel. Sein persönlicher Lebensstil gilt als prophetisch: bescheiden, volksnah, ökologisch. Er verzichtet auf bischöflichen Prunk. Bergoglio ist am Puls der Zeit; nutzt die modernen Medien, um seine Botschaft unters Volk zu bringen – mit einem eigenen Kirchenfernsehen und Twitter. Sein Biorgraf, Sergio Rubin bezeichnet ihn als moderaten Bischof mit einer modernen Vision der Kirche. In Rom ist der Jesuit ein gefragter Mann. Bergoglio ist seit Jahren Mitglied in wichtigen Ministerien – etwa für Liturgie, Orden und Familie. Im Vorfeld der Wahl wurde mit seiner Person vor allem die Hoffnung verbunden, eine Reform der Kurie durchzuführen. Jorge Mario Bergoglio, ein stiller, aber effizienter Arbeiter – der Nachfolger Benedikts XVI. als Oberhaupt der katholischen Kirche.