Papst der Ökumene?

Wie hält es Papst Franziskus mit der Ökumene? Das ist natürlich aus deutscher Perspektive eine interessante und wichtige Frage. In kaum einem anderen Land ist die Spaltung der Christenheit so präsent wie im Heimatland Martin Luthers. Unter Benedikt XVI. gab es Fortschritte in der Ökumene, doch mit Blick auf die Protestanten fiel die Bilanz gemischt aus. Das betonte am Nachmittag der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, in Rom. Er ist der erste Deutsche, den Papst Franziskus in Audienz empfangen hat. Und dann auch noch den „obersten Protestanten“! Wenn das kein deutliches Zeichen ist. So wird denn auch die Privataudienz für Schneider hier in Rom heute als klares Zeichen für eine Fortsetzung des Dialogs mit den Protestanten gewertet.

 

EKD-Ratsvorsitzender Schneider trifft Papst Franziskus.

Der EKD-Ratsvorsitzende erklärte im Anschluss, dass heute nicht der Zeitpunkt gewesen sei, Forderungen zu stellen. Vielmehr sei es um eine erste Begegnung gegangen, um ein Fundament zu legen für die weiteren Gespräche. Doch habe er nach dem 30-minütigen Treffen sowie den Worten und Gesten des neuen Papstes in den letzten Wochen den Eindruck, dass hier ein Mann ist, der die Nöte der Menschen versteht. Entsprechend hoffe er, dass dieser Papst auch die Nöte der Menschen versteht, die in konfessionsverschiedenen Ehen Tisch und Bett teilten, aber nicht gemeinsam zum Tisch des Herrn treten könnten.

Der im Vatikan für Ökumene zuständige Kardinal Kurt Koch erklärte nach dem Treffen, Papst Franziskus habe seinen Willen bekräftigt, dass er den Weg seines Vorgängers in Bezug auf die Ökumene fortsetzen möchte. Franziskus sei froh gewesen über die Worte Benedikts XVI. zu Martin Luther beim Treffen der Delegationen im kleinen Kreis im Augustinerkloster in Erfurt. Bei diesem Anlass hatte Benedikt XVI. sehr positiv über Luther als „Gott-Sucher“ gesprochen. Die anschließende Predigt beim Gottesdienst, in der der Papst von einem falschen Verständnis von Ökumene sprach im Kontext der Forderungen nach einem ökumenischen Gastgeschenk, war heute hingegen kein Thema. Man konzentrierte sich auf Benedikts Würdigung Martin Luthers.

Die Predigt beim Gottesdienst und Dokumente wie Dominus Iesus aus dem Jahr 2000 nannte EKD-Chef Schneider als zwei Beispiele für negative Erfahrungen der Protestanten mit Joseph Ratzinger, Benedikt XVI. Dem stünden aber auch große Verdienste für die Ökumene gegenüber, etwa der Einsatz Ratzingers für die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre oder eben die bereits erwähnte Würdigung Luthers beim letzten Deutschlandbesuch.

Mit Blick auf das Reformationsjubiläum 2017 unterstrich Schneider im Gespräch mit Franziskus, dass die Protestanten weder ein „deutsches Jubelfest“ daraus machen möchten, noch eine Heroisierung Martin Luthers. Vielmehr gehe es um die Botschaft Martin Luthers: die Umkehr auf Christus hin. „Es soll nicht der Held Martin Luther im Vordergrund stehen, auch wenn wir dankbar sind, dass er den Anstoß für die Umkehr zu Christus gegeben hat.“ In diesem Sinne habe er den Papst zur aktiven Teilnahme an den 500-Jahr-Feiern eingeladen.

Was heute in Rom passiert ist, könnte der Anfang eines guten ökumenischen Weges zwischen Katholiken und Protestanten unter Franziskus sein. Der neue Papst hat aus eigener Anschauung in Argentinien vor allem die evangelikalen und pentekostalen Kirchen und Gemeinschaften erlebt. Die traditionellen protestantischen Kirchen sind dort zahlenmäßig eher gering vertreten. Dennoch machte er heute beim Treffen im Vatikan deutlich, dass er auch diese kenne. So habe er sich im Studium unter anderem mit Dietrich Bonhoeffer beschäftigt. Es sind Töne der Zuversicht, die heute von Rom ausgehen in Bezug auf das Verhältnis von Katholiken und Protestanten. Auch in der Ökumene weckt Papst Franziskus große Hoffnungen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.