Frieden in der Welt und mit der Schöpfung!

Papst Franziskus geht auch an Ostern seinen eigenen Weg. Die bisher üblichen Ostergrüße in mehr als 60 Sprachen ließ der 76-jährige Pontifex schlichtweg ausfallen. Lediglich auf Italienisch dankte der nach seiner Osterbotschaft für den Blumenschmuck und rief dazu auf, die „frohe Botschaft“ des Auferstandenen in alle Familien zu tragen. Die persönliche Umkehr und die Kriege in der Welt standen im Mittelpunkt seiner knapp 15-minütigen Osteransprache. Seine zentrale Botschaft: „Jesus ist auferstanden; es gibt Hoffnung für dich [den Menschen], du bist nicht mehr unter der Herrschaft der Sünde, des Bösen! Gesiegt hat die Liebe, gesiegt hat die Barmherzigkeit!“ Dies müsse konkrete Konsequenzen für das Handeln der Menschen heute haben. Franziskus sprach von den „Wüsten“, die der Mensch heute durchquert. Ein Bild, das sein Vorgänger Benedikt XVI. auch sehr oft verwendet hat. Franziskus bezog es auch auf eines seiner Hauptthemen des Pontifikats: die Bewahrung der Schöpfung. „Wie viele Wüsten muss der Mensch auch heute durchqueren. Vor allem die Wüste in ihm selbst, wenn das Bewusstsein fehlt, Hüter all dessen zu sein, was der Schöpfer uns geschenkt hat und schenkt.“

Vor dem Urbi et Orbi feierte Papst Franziskus die Ostermesse auf dem Petersplatz.

Im zweiten Teil seiner Ansprache ging der Papst dann auf die aktuellen Konflikte in der Welt ein. Israelis und Palästinenser forderte er auf, „mutig und bereitwillig die Verhandlungen wieder aufzunehmen, um einem Konflikt ein Ende zu setzen, der schon viel zu lange andauert.“ Er erinnerte an den Konflikt im Irak und mit Blick auf Syrien beklagte er das „viele Blut“, das bereits vergossen wurde und forderte eine politische Lösung. Mali, die Zentralafrikanische Republik und die Demokratische Republik Kongo sind die Kriegsländer, die er in Afrika eigens erwähnte, dazu Nigeria, „wo die Anschläge leider nicht aufhören, die das Leben vieler Unschuldiger schwer bedrohen, und wo nicht wenige Menschen, auch Kinder, in Geiselhaft von terroristischen Gruppen sind.“ Er rief zur Überwindung der Divergenzen und zur Versöhnung zwischen Nord- und Südkorea auf.

Am Ende kam Franziskus auf Themen zu sprechen, die ihn als Erzbischof von Buenos Aires bereits stark beschäftigt haben, wenn er etwa immer wieder Korruption und Menschenhandel kritisiert hat. Heute bat er um „Frieden für die ganze Welt, die immer noch von der Gier nach schnellem Profit geteilt ist, die verwundet ist vom Egoismus, der das menschliche Leben und die Familie bedroht, vom Egoismus, der den Menschenhandel fortsetzt, die in diesem 21. Jahrhundert am weitesten verbreitete Sklaverei.“ Er kritisierte den Drogenhandel sowie die ungerechte Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und erinnerte an die Opfer von Naturkatastrophen. „Friede für diese unsere Erde!“

In seinen Formulierungen erinnerte der neue Papst an den großen Heiligen, in dessen Spur er sich bewegt. Wenn er etwa sagte, „werden wir zu Werkzeugen dieser Barmherzigkeit, zu Kanälen, durch welche Gott die Erde bewässern, die ganze Schöpfung behüten sowie Gerechtigkeit und Frieden erblühen lassen kann.“ Und fortfuhr, der auferstandene Christus möge „Hass in Liebe“, „Rache in Vergebung“, „Krieg in Frieden“ verwandeln. Wer hatte da nicht das Gebet des Franz von Assisi im Ohr, mit den Worten: „Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens, dass ich liebe, wo man hasst; dass ich verzeihe, wo man beleidigt; …“

Wird Papst Franziskus zum neuen Franz? Dann müssen sich sicher viele warm anziehen. Angesichts des radikalen Stilwechsels und der von ihm erwarteten Reformen in der Kurie gibt es schon besorgte Stimmen in Rom, er könnte sich an dem großen „Projekt“ verheben. Immer wieder wird an 1978 erinnert, wo ein lächelnder Papst, Johannes Paul I., das Werk angehen wollte, die Vatikanbank zu säubern und manch’ andere Reform umzusetzen. Nach 33 Tagen war er tot. Nicht dass jemand Franziskus dieses Schicksal wünschen würde. Aber dem ein oder anderen scheint der Wandel doch zu schnell zu gehen. Noch aber hat Franziskus sein Werk nicht begonnen. Er ist gut beraten, es mit Ruhe und Ausdauer anzugehen. Im Gebet des Franz von Assisi findet sich auch die Bitte, „dass ich verbinde, wo Streit ist“. Diese Fähigkeit wird sein Nachfolger Franziskus brauchen, um die Polarisierungen in der Kurie und der Kirche aufzubrechen. Wenn ihm das gelingt, braucht niemand Sorge zu haben, dass dieses Pontifikat nur 33 Tage dauern könnte.

P.S. Schon gibt es erste kritische Stimmen, Franziskus sei mehr „Urbi“ (Stadt) als „Orbi“ (Welt), weil er heute die Ostergrüße in 65 Sprachen weggelassen hat. Immerhin hatte das vatikanische Presseamt sie noch um 12.01 Uhr verteilt. D.h. die Entscheidung, nicht in den vielen Sprachen zu grüßen, muss sehr kurzfristig gefallen sein. Schon in den letzten Tagen fiel ja immer wieder auf, dass Franziskus den Akzent sehr stark auf sein Amt als Bischof von Rom legt und nicht vom „Papst“ spricht, eigentlich nur Italienisch redet und auch beim Angelus und der Generalaudienz keine anderen Sprachen nutzt. Im Vatikan wurde stets betont, dass sich das wieder ändern könne. Nach diesem Urbi et Orbi scheint das sehr fraglich. Aber Franziskus ist ja immer für eine Überraschung gut. Daher kann sich das doch auch alles wieder ändern – zugunsten des „Orbi“.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.