Papst der Barmherzigkeit

Beim Gottesdienst zur Inbesitznahme seiner Bischofskirche, der Lateranbasilika, hat Papst Franziskus heute erneut das Thema Barmherzigkeit ins Zentrum gestellt. Anlass war der Barmherzigkeitssonntag, den Papst Johannes Paul II. eingeführt hatte und der am Sonntag nach Ostern begangen wird. Für Franziskus ist die Barmherzigkeit allerdings nicht nur heute ein Thema. Schon beim ersten Angelus am Sonntag nach seiner Wahl (17.3.) hatte er über die Barmherzigkeit gesprochen. „Ein wenig Barmherzigkeit macht die Welt weniger kalt und viel gerechter“, sagte er damals. Heute sprach er von der Geduld Gottes, der immer darauf warte, dass der Mensch zu ihm umkehre. „Jesus führt uns diese barmherzige Geduld Gottes vor Augen, damit wir Vertrauen und Hoffnung zurückgewinnen, immer!“ Franziskus erinnerte an den Theologen Romano Guardini, der gesagt habe, „dass die Geduld Gottes auf unsere Schwäche antwortet und dies die Rechtfertigung unserer Zuversicht, unserer Hoffnung ist“. Die Geduld Gottes müsse im Menschen den Mut wecken, „zu ihm zurückzukehren, ganz gleich welchen Fehler, welche Sünde es in unserem Leben gibt“.

Wie versteht Franziskus Barmherzigkeit? Sicher scheint, Franziskus’ Barmherzigkeit bedeutet nicht, dass alles möglich ist und von der Kirche akzeptiert wird. Er spricht heute ganz klar von Sünde und Umkehr. Die Barmherzigkeit bedeutet eine bestimmte Haltung gegenüber dem Sünder, aber nicht die Akzeptanz der Sünde. Soweit ist das theologisch klar. Was heißt das aber konkret? Das lässt er bisher offen.

Papst Franziskus mit "neuem altem" Hirtenstab

Interessant ist übrigens, dass Papst Franziskus heute beim Gottesdienst im Lateran das Pastorale, den Hirtenstab, von Papst Johannes Paul II. und Paul VI. verwendet hat. Jene bronzene Ferula mit Kruzifix, die der italienische Künstler Lello Scorzelli in den 1960er Jahren für Paul VI. angefertigt hatte. Paul VI. benutzte den Hirtenstab erstmals am 8. Dezember 1965 beim feierlichen Abschlussgottesdienst des II. Vatikanischen Konzils. Auch Benedikt XVI. benutzte am Anfang seines Pontifikats diesen Hirtenstab. Ab Palmsonntag 2008 nutzte er einen anderen: einen goldenen Stab mit Kreuz und ohne Korpus. Begründet wurde der Wechsel damals zum einen mit dem geringeren Gewicht des goldenen Kreuzes; zum anderen mit dem Verweis auf die Tradition. Die Päpste hätten stets einen Hirtenstab mit Kreuz, aber ohne Korpus benutzt. Das ist seit heute wieder anders.

Wie ist diese Änderung zu deuten? Franziskus stellt sich ganz offensichtlich in die Tradition Pauls VI. und Johannes Pauls II. Doch dürfte es nicht bedeuten, dass er mit der Tradition Benedikts XVI. bricht. Vielmehr dürfte der Schlüssel zum rechten Verständnis in der Bedeutung des Kruzifixes, das den leidenden Christus in Erinnerung ruft, liegen. Der leidende Christus ist ein zentrales Motiv in der lateinamerikanischen Volksfrömmigkeit. Es gibt eine starke Identifikation des leidenden Volkes mit dem leidenden Christus. Allerdings hat das nichts mit oberflächlichem Mitleid zu tun. Für Franziskus geht vom Kreuz zugleich Hoffnung aus. Beim Kreuzweg am Kolosseum sagte Franziskus am Karfreitag: „Das Kreuz Jesu ist das Wort, mit dem Gott auf das Böse der Welt geantwortet hat. Manchmal scheint es uns, als antworte Gott nicht auf das Böse, als verharre er im Schweigen. In Wirklichkeit hat Gott gesprochen, er hat geantwortet, und seine Antwort ist das Kreuz Christi: ein Wort, das Liebe, Barmherzigkeit und Vergebung ist.“

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.