Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog

Interessantes und Hintergründiges aus dem Vatikan

Ruhetag und Strandparty

Während Papst Franziskus am Tag nach seiner Ankunft in Brasilien einen Ruhetag einlegte, haben die Jugendlichen mit einem Gottesdienst am berühmten Strand der Copacabana den Weltjugendtag offiziell eröffnet. Das Wetter war leider nicht so toll: Zum Auftakt waren es am Dienstagmittag gerade einmal 21 Grad, dazu immer wieder Nieselregen und manchmal sogar kurze Schauer. Am Abend sank die Temperatur gar auf 15 Grad. So hatten sich sicher die wenigsten Jugendlichen den Weltjugendtag am Zuckerhut vorgestellt; aber es ist eben Winter „am anderen Ende der Welt“. Die Feierlaune konnte das Wetter den knapp 600.000 Jugendlichen allerdings dann doch nicht vermiesen. Der Gottesdienst am Abend, mit  war stimmungsvoll. Als die Nationalfahnen der offiziell mehr als 130 Nationen auf die große Altarbühne getragen wurden, erinnerte das ein wenig an die Olympischen Spiele; und die finden ja bekanntlich in drei Jahren in Rio statt.

Ein erster Blick auf die Altarinsel auf dem Campus Fidei.

Bis dahin sei der Weltjugendtag das größte Ereignis in der Geschichte Brasiliens. Das erzählte heute Morgen der Chefbauleiter, Duda Magalhaes, auf dem Campus Fidei den Journalisten aus dem Papstflieger. Am Ruhetag von Franziskus hatten diese Gelegenheit, die Orte zu besichtigen, die Franziskus während des Weltjugendtages besuchen wird. Auf dem Feld, auf dem am Wochenende die Vigil und die Abschlussmesse stattfinden werden, wird mit Hochdruck gearbeitet. Erst seit 18. Februar wird dort gebaut; denn das ursprünglich vorgesehene Gelände auf einem Militärstützpunkt wurde im November 2012 plötzlich abgesagt. So musste das Projekt in Rekordzeit geplant und umgesetzt werden. Insgesamt hätten sich sicher 10.000 Menschen beteiligt, um die 136 Hektar große Fläche für die Veranstaltungen am Wochenende vorzubereiten, so  Magalhaes; er rechnet mit 900.000 Teilnehmer, die von Samstag auf Sonntag dort übernachten sowie rund 1,5 Millionen Teilnehmer für den Abschlussgottesdienst. Für die Sicherheit der Pilger sei das Militär zuständig; für Notfallszenarien habe mein eigens eine britische Firma engagiert, die bereits bei den Olympischen Spielen in London für „Back-up-Szenarien“ verantwortlich gewesen sei.

Bis zu 15 Kilometer müssen die Jugendlichen am Samstag laufen, um auf das Feld zu kommen. Mit dem Bus heute dauerte es von der Copacabana eine Stunde. Dabei war interessant zu sehen, dass in den Außenbezirken der Stadt die Shoppingmalls und Bürokomplexe wie Pilze aus dem Boden schießen; Zeichen für das aufstrebende Schwellenland Brasilien. Zugleich scheint es aber auch eine ganze Reihe von Bauruinen zu geben – und die Favelas, die überall in der Stadt nicht zu übersehen sind. Oft ziehen sie sich an den Hügeln der Stadt empor; säumen die Ausfallstraßen. Sie liegt hier sehr eng beieinander, diese Kluft zwischen Arm und Reich; die Gegensätze vom Nobelviertel mit englischem Rasen und kaputten Häusern und lehmigen Straßen.

Hier wird Papst Franziskus am Donnerstag durch die Favela gehen.

Papst Franziskus wird am Donnerstagmorgen die Favela Varghinha besuchen. Es ist ein kleines Armenviertel, in dem rund 400 Familien leben. Sie gehört zu den „befriedeten“ Favelas. Vor einem Jahr wurden mit einem massiven Polizeieinsatz Waffen und Drogen aus dem Viertel getrieben. Seitdem sei das Leben hier sicher, erzählt Pater Márcio Sérgio Queiróz. Er lebt seit fünf Jahren in der Favela. Seine Angst habe er lange vor der Befriedung verloren; allerdings sei er sich der Gefahr immer bewusst gewesen. Wie heute Früchte an den Verkaufsständen angeboten werden, seien es früher Drogen und Waffen gewesen. Pater Márcio fühlt sich durch Papst Franziskus in seiner Arbeit bestärkt. Hier seien die Ränder der Gesellschaft. Sicher fühlt sich jetzt auch Auriliene (45) mit ihrem 5-Jährigen Sohn. Über die Zeit vor der Befriedung und die Gewalt damals möchte sie nicht reden. Seit 18 Jahren lebt sie hier. Dass Papst Franziskus komme, sei aber für das Viertel ein großer Segen; denn die Infrastruktur habe sich in den letzten Tagen gebessert und alles sei viel sauberer als sonst, ein kleines Wunder, so Auriliene.

Um Drogen geht es auch in der Klinik, die Papst Franziskus am Mittwochabend nach seiner Rückkehr aus dem Marienwallfahrtsort Aparecida besuchen wird. Der jüngste Patient dort, erklärt der Leiter Pater Francisco Belotti, ist acht Jahre alt. Der Junge war als Drogenkurier tätig. Seine Eltern sind auch in der Klinik. Für Pater Francisco sind die Drogen Ursache vieler Übel. Sie führten zu mehr Gewalt, mehr Abtreibungen, zeigten die ganze Fragilität des menschlichen Lebens.

"Franziskus, Du bist Petrus" wird mit einer Messingplatte auf den Boden der Kapelle der Klinik "geschrieben".

Papst Franziskus hat sich die Eröffnungsmesse im Fernsehen angesehen. Den Tag hat er komplett in seiner Unterkunft verbracht, einem Studienzentrum des Erzbistums Rio de Janeiro, das in einem kleinen Park liegt. Dort hat er am Morgen eine Messe im privaten Kreis gefeiert und den Tag über Gespräche mit verschiedenen Kardinälen und Bischöfen geführt.

P.S. Verantwortliche des Vatikans und Brasiliens haben sich über logistische und Sicherheitsfragen unterhalten, um nach den chaosartigen Erfahrungen von gestern die nächsten Tage zu planen. Von Vatikanseite nahmen der Nuntius, der Sicherheitschef und der Reisemarschall teil. Entsprechend war auch auf brasilianischer Seite ein Vertreter des Präsidentenbüros und der Sicherheitskräfte dabei. Es wurden auch Programmänderungen beschlossen. Morgen fliegt der Papst wegen des schlechten Wetters mit dem Flugzeug nach Aparecida und nicht mit dem Hubschrauber. Außerdem entfällt morgen Nachmittag eine Fahrt mit dem Papamobil in Rio, lt. Vatikansprecher Lombardi aus Gründen der „Vereinfachung“. Und am Donnerstag wird der Papst zusätzlich die 16.000 argentinischen Jugendlichen in der Kathedrale von Rio.

Der Papst unter Löwen

Es war eine Premiere hoch über der Wüste Algeriens: Das Treffen von Papst Franziskus mit den rund 70 Journalisten, die ihn im Flugzeug bei seiner ersten Auslandsreise begleiten. Gleich zu Beginn, nach einem herzlichen „Guten Tag Euch allen!“ stellte er klar: „Ich gebe keine Interviews. Ich weiß nicht, aber es ist anstrengend für mich, das zu machen.“ Sagte es, und hielt dann doch gleich frei eine Rede von rund fünf Minuten, die genug Stoff für die mitreisenden Journalisten bot. Interessant war aber, was dann folgte. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch, begrüßte Franziskus die Journalisten einzeln und wechselte ein paar Worte mit jeder und jedem. Nach knapp einer Stunde war die Begegnung zu Ende. Der Run auf die fünf Satellitentelefone begann; denn jeder wollte als erster die Nachrichten in die Heimatredaktion schicken.

Mit dem Papst über Theologie diskutieren. (c) Alessia Guliani CPP

Immerhin hatte Franziskus eindringliche Worte gesprochen. Angesichts der Statistiken über Jugendarbeitslosigkeit, die er erst vergangene Woche gelesen habe, warnte der Papst davor, es bestehe wegen der Krisen in der Welt die Gefahr, dass eine ganze Generation ohne Arbeit entstehe. Dabei sei es gerade die Arbeit, die ein würdiges Menschsein ermögliche. Er kritisierte eine Haltung des „Abfalls“ in der gegenwärtigen Gesellschaft, die man vielleicht mit Ausgrenzung, Nichtbeachtung und Indifferenz gegenüber diesen Personen übersetzen könnte und die angesichts der Probleme der arbeitslosen Jugendlichen auch zunehmend auf diese ausgeweitet werde. Bisher habe man das vor allem bei den Alten erlebt. Jetzt seien auch die Jugendlichen davon betroffen. Diese Haltung des „Abfalls“ kritisierte Franziskus scharf.

Interessant war, dass Franziskus auf dem Weg zum Weltjugendtag viel über die Alten sprach. Ihm ist wichtig, beide Lebensalter zusammen zu sehen. Beide sind aus seiner Sicht „Brücken zur Zukunft“. Die Jugendlichen, weil sie die Kraft hätten und voranschritten; aber auch die Alten, weil sie das Wissen, die Fülle des Lebens hätten. Es müsse eine Kultur der „Inklusion“ gepflegt werden. Ziel müsse sein, alle in die Gesellschaft zu integrieren. In diesem Sinn möchte er die Jugendlichen in Rio auch nicht isoliert sehen und ansprechen, sondern immer in ihrem sozialen Kontext, als Teil der Gesellschaft.

Schlangestehen für die Begegnung mit dem Papst.

Anschließend hieß es Schlange stehen, um mit dem Papst persönlich zu sprechen. Das erinnert ein wenig an die Ära Johannes Pauls II. Solange dieser gesundheitlich konnte, nahm er sich gerade bei Interkontinentalreisen viel Zeit für die Journalisten und ging durch die Reihen, um zu plaudern. Bei Franziskus war es nun umgekehrt; er ließ die Reihen zu sich kommen. Das war logistisch einfacher; denn der Platz in der A330 der Alitalia ist bei 70 Journalisten, die mit viel Technik bepackt sind, nicht gerade üppig. Sonst flog der Papst meist mit einer Boeing 777 bei Interkontinentalreisen. Da gab es mehr Platz. Also reihten sich alle schön in eine „Fila“ und sprachen mit dem Papst – meist über Persönliches, selten über Kirchenpolitik. Mancher hatte Bilder der Familie dabei, die der Papst segnete. Wir haben über seinen theologischen Lehrvater Lucia Gera gesprochen. Etwas verlegen machte Franziskus Werbung für ein Buch über die „Theologie des Volkes“, die Gera und damit auch ihn prägte. Ein brasilianischer Kollege überreichte eine Flagge seines Heimatlandes; Papstbiograf Sergio Rubin übergab ein I-Pad. Am Ende des persönlichen Gesprächs bat der Papst jeden, für ihn zu beten – auch auf Deutsch.

Auch wenn die Begegnung sehr herzlich war, so spürte man doch eine gewisse Zurückhaltung von Franziskus gegenüber den Medienvertretern. Das lag wohl nicht an der Begrüßung des Papstes durch eine der mitreisenden Journalistinnen. Sie hatte an das Vorurteil erinnert, demnach Journalisten bisweilen wie Löwen seien. Selbst Franziskus musste am Ende der Begegnung feststellen, dass die mitreisende Journaille keine gefährlichen Löwen seien. Das wird aber nichts an seiner Reserviertheit gegenüber der Presse ändern. Hier bleibt er seiner Linie aus der Zeit als Erzbischof treu.

P.S. Auffallend war, dass Franziskus zum Treffen mit den Journalisten alleine kam. Nur der Reisemarschall Alberto Gasbarri und Vatikansprecher Federico Lombardi waren an seiner Seite. Papst Benedikt XVI. wurde bei dieser Gelegenheit immer von einer ganzen Gruppe aus der päpstlichen Delegation umgeben, darunter Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, Innenminister Becciu und Privatsekretär Georg Gänswein. Letzterer ist in seiner neuen Funktion als Präfekt des Päpstlichen Hauses nicht mit auf Reisen. Der Präfekt ist für Termine im Vatikan und Italien zuständig, nicht im Ausland. Bertone und Becciu sind mit dabei. Für den Kardinalstaatssekretär dürfte es die letzte Auslandsreise sein. Denn es ist davon auszugehen, dass Franziskus ihn im Herbst, spätestens aber zum Jahresende in Ruhestand schicken wird. Und für 2013 sind keine weiteren Auslandsreisen geplant; auch wenn in den letzten Tagen das Gerücht aufkam, Franziskus würde dieses Jahr noch nach Mexiko fahren.

Der Papst ist überall präsent.

P.P.S. Nach dem Treffen mit dem Papst eroberten die Journalisten weitere Plätze im Flieger. Denn zunächst waren im vorderen Teil der Economy-Klasse zehn Reihen frei geblieben. So gab es anschließend mehr Platz zum Arbeiten und Schlafen. Das Haupt konnte jeder Journalist übrigens auf ein Kissen mit dem Wappen des amtierenden Papstes betten. Die Fluggesellschaft hat die Tradition fortgesetzt, für die Kopfstützen und Kissen eigens „Papstequipment“ anfertigen lassen, das übrigens so mancher Kollege gerne nach Ende des Fluges als Andenken mit nach Hause nimmt. Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass ein Papst mit einem „kleinen“ A330 fliegt. Benedikt XVI. flog im November 2011 mit einem Flugzeug gleichen Typs nach Benin. Was Reisen über den Atlantik anbetrifft, ist es aber eine Premiere. Allerdings ist es der übliche Typ, mit dem die Fluggesellschaft die Strecke Rom-Rio fliegt. Also war das beinahe so etwas wie Linie heute mit dem Papst auf Reisen. Interessant ist übrigens die Zusammensetzung der Journalistengruppe. Bei der ersten Papstreise nach Benedikt XVI. sind nur zwei deutsche Journalisten an Bord (KNA, ZDF). Frankreich ist mit den acht Kollegen vertreten, die auch Benedikt meist begleitet haben, darunter Le Monde, Le Figaro, Radio France, La Croix und AFP. Italien nimmt wie immer den Spitzenplatz ein. Mit 17 Journalisten sind es dieses Mal allerdings einige mehr als bei den letzten Papstreisen. Allein die RAI ist mit vier Kollegen dabei. Gut vertreten sind auch die US-Medien sind, darunter CNN, ABC-News, CBS-News, NBC-News, AP, Reuters und The Wallstreet Journal, und wie üblich das Zielland (9). Der Flug verlief übrigens sehr ruhig. Nur just zum letzten Snack nach 9000 Kilometern und gut 10 Stunden, als wir gerade bei Vitoria an der brasilianischen Küste entlang „schrammten“, begann es kurz zu wackeln. Die letzten 15 Minuten des Fluges war Papst Franziskus im Cockpit bei den Piloten. Gelandet wurde die Maschine allerdings vom Piloten der Fluggesellschaft.

P.P.P.S. Die Jugend stand auch im Zentrum der Begrüßungsansprache von Franziskus bei der Ankunft in Rio de Janeiro. Seine Rede war wenig politisch. Allerdings forderte er die erwachsene Generation auf, dem jungen Menschen „die Sicherheit und Bildung zu gewährleisten, damit er wird, was er sein kann“. Greift er da etwa eine der Forderungen der Protestantler der letzten Wochen auf? Explizit ging er weder auf dem Flug noch bei der Begrüßungsansprache darauf ein. Der brasilianische Kardinal Joao Braz de Aviz wertete gegenüber den mitreisenden brasilianischen Journalisten die Proteste positiv, so lange sie gewaltlos blieben. Im Vatikan hätte es einige Stimmen gegeben, die dem Papst angesichts der Demonstrationen von der Reise abgeraten hätten. Doch sie habe nie zur Disposition gestanden.

Sorry – dass der Text heute so lang ist. Aber über 11 Stunden Flug; da bleibt viel Zeit zum Schreiben;-) Und dann noch die Ereignisse von Rio:

Hier war es keine Höhle des Löwen – aber durchaus ungewohnte und sicherlich trotz anders lautender Aussagen des Vatikansprechers auch gefährliche Momente: ein Papamobil, das sich in Rio verfährt und plötzlich in der Menge stecken bleibt. Vatikansprecher Federico Lombardi wertete das Ganze anschließend als besonderes Erlebnis des Enthusiasmus. Papstsekretär Alfred Xuereb, der mit dem Papst in dem kleinen Fiat-Papamobil saß, erzählte Lombardi anschließend, dass er durchaus besorgt gewesen sei in diesem Moment; doch Papst Franziskus sei ganz ruhig geblieben und habe durch das offene Fenster die Menschen gegrüßt und Hände geschüttelt. Aus Sicherheitsgründen entschieden die brasilianischen Behörden dann kurzfristig, dass Franziskus das letzte Stück zum Palast des Governators mit dem Helikopter zurücklegt, um mögliche Proteste in der Umgebung des Palasts zu umgehen.

Die Spannung steigt.

Es sind keine 24 Stunden mehr, dann beginnt die erste Auslandsreise von Papst Franziskus. Auch der Pontifex scheint etwas aufgeregt zu sein. Nach dem Besuch bei seinem Vorgänger Benedikt XVI. am Freitag und der Bitte um Begleitung im Gebet, fuhr Franziskus gestern Nachmittag überraschend in die Basilika Santa Maria Maggiore, um vor der Marienikone „Salus Populi Romani“ zu beten. Mehr als eine halbe Stunde verharrte er dort still im Gebet, bevor er kurz mit den Gläubigen und Touristen sprach, die zu dem Zeitpunkt die Basilika besuchten. Heute Mittag beim sonntäglichen Angelusgebet auf dem Petersplatz erinnerte er ebenfalls an die Reise und sprach von einer „Woche der Jugend“, die jetzt bevorstehe.

 

Radtour zum Mittagsgebet mit dem Papst. Franziskus geht morgen selbst auf große Tour: zum Weltjugendtag nach Rio de Janeiro.

Die Protagonisten in dieser Woche seien die Jugendlichen und alle die nach Rio reisten, um die Stimme Jesu zu hören. Sie kämen zu Jesus mit der Frage, was sie mit ihrem Leben machen und welchen Weg sie einschlagen sollten. Eigentlich wollte Franziskus laut vorab veröffentlichtem Redemanuskript nur eine kurze Bitte um Gebete für die Reise äußern. Doch als er auf dem Petersplatz auf großen Plakaten geschrieben sah „Gute Reise“, bedankte er sich, liess sich von der Begeisterung der Massen auf dem Petersplatz anstecken und fügte spontan noch einige Sätze über den WJT hinzu. Zuvor hatte er in seiner kurzen Betrachtung davor gewarnt, die Kirche dürfe vor lauter Zeremonien und Strukturen Christus nicht vergessen. Ora et labora – Beten und Arbeiten – gehörten untrennbar zusammen.

Morgen um 8.45h startet der Papst mit einer Delegation von rund 20 Personen und über 70 Journalisten in Richtung Rio de Janeiro. Ankunft ist nach 12 Stunden und 15 Minuten Flug um 16 Uhr Ortszeit (21h MESZ). Dienstag hat der Papst einen Ruhetag, bevor er dann am Mittwoch den Marienwallfahrtsort Aparecida besucht. Ab Donnerstag taucht er dann in das Weltjugendtagsgeschehen ein. Am Nachmittag gibt es die Willkommensfeier für den Papst an der Copacabana. An dem berühmten Strand findet dann am Freitagabend der traditionelle Kreuzweg statt. Für die großen Abschlussveranstaltungen am Wochenende müssen die Jugendlichen dann rund knapp 50 Kilometer entfernt von der Copacanaba (die letzten rund 13 Kilometer zu Fuß) zum „Campus Fidei“ in Guaratiba. Dort finden am Samstagabend die Vigil (live im ZDF am 27.7. ab 0.30h)  und am Sonntagmorgen der große Abschlussgottesdienst statt. Am Sonntagabend fliegt Franziskus dann direkt wieder zurück nach Rom. Die erste Auslandsreise des Papstes dauert damit 8 Tage 2 Stunden und 45 Minuten. Er legt 18.402 Kilometer zurück und hält 14 Reden.

Jenseits des Weltjugendtagprogramms gibt es noch einige interessante Termine. Darunter der Besuch in einem Krankenhaus für Drogenabhängige sowie in einer Favela. Spannend wird sicher auch das Treffen mit Verantwortlichen aus Politik und Gesellschaft am Samstagnachmittag. Viele erwarten bei dieser Gelegenheit nicht zuletzt vor dem Hintergrund der jüngsten Proteste in Brasilien klare Worte des Papstes zum Thema soziale Gerechtigkeit.

Spannend wird die Reise sicherlich – denn niemand glaubt wirklich, dass sich Franziskus an allen Stellen an das penibel geplante Reiseprogramm halten wird. Auch sein engstes Umfeld ist daher etwas nervös.

Kommission die Nächste!

Papst Franziskus hat heute eine weitere Kommission eingesetzt, die sich mit der Reform der Vatikanverwaltung beschäftigen soll. Konkret geht es um Fragen der Finanzen und der Güterverwaltung des Heiligen Stuhls. Ziel ist die bestehenden Strukturen zu vereinfachen sowie den gesamten Finanz- und Wirtschaftsbereich effizienter zu gestalten. Verschwendung von Ressourcen soll vermieden, mehr Transparenz bei der Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen geschaffen, die Verwaltung der beweglichen Güter und Immobilien perfektioniert werden sowie eine korrekte Buchhaltung und die Funktionalität des Gesundheits- und Sozialsystem für die Vatikanmitarbeiter garantiert werden.

Während in Rio noch alles für den Papst vorbereitet wird, denkt Franziskus schon an die Zeit und die Aufgaben danach. (reuters)

Eine lange Liste. Dafür holt sich der Papst externen Rat von Laien. Ausdrücklich ist im Errichtungsdekret gefordert, dass die Mitglieder der Kommission Experten aus den Bereichen Recht, Verwaltung, Wirtschaft und Finanzen sein sollen. Sieben der acht Mitglieder der Gruppe sind Laien. Leiter der Gruppe ist der Malteser Wirtschaftsexperte und ehemalige Chef der maltesischen Zentralbank, Joseph FX Zahra. Aus Deutschland kommt der Versicherungsexperte Jochen Messemer, Vorsitzender der ERGO International AG. Beide sind bereits in verschiedenen vatikanischen Kontrollfunktionen aktiv. Außerdem gehören der Kommission an: aus Frankreich Jean-Baptiste de Franssu (u.a. ehemaliger Präsident des Branchenverbands European Fund and Asset Management Association, EFAMA) und Jean Videlain-Sevestre, aus Italien Francesca Immacolata Chaouqui (Ernst&Young Italia), aus Spanien Enrique Llano (hatte u.a. Aufgaben im Gesundheitswesen), aus Singapur George Yeo (u.a. ehemaliger Außenminister). Einziger Kleriker ist Lucio Angel Vallejo Balda. Er ist Sekretär der Wirtschaftspräfektur des Heiligen Stuhls und fungiert als Sekretär der Kommission.

Die Kommission nimmt ihre Arbeit sofort auf. Ein erstes Treffen soll unmittelbar nach der Rückkehr des Papstes vom Weltjugendtag in Brasilien stattfinden. Die Kommission untersteht direkt dem Papst und gibt ihm Bericht. Alle vatikanischen Behörden sind ihr gegenüber Auskunftspflichtig und können sich ausdrücklich nicht auf Dienstgeheimnisse berufen.

Die Kommission soll gegebenenfalls auch mit der Kardinalskommission zusammenarbeiten, die Franziskus zur Vorbereitung einer Kurienreform installiert hat. Diese K8-Gruppe trifft sich erstmals Anfang Oktober. Doch die Mitglieder, darunter der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx, sind bereits fleißig am Arbeiten. Fast alle der K8-Gruppe haben sich bereits mit dem Papst zu Einzelgesprächen getroffen; zudem sind sie untereinander im regen Austausch. Kardinal Bertello, einziger „Vatikanier“ in dem Gremium hat unter den Kurienchefs um Eingaben gebeten. Beim Treffen Anfang Oktober sollen bereits erste Entscheidungen fallen. Ob Franziskus so lange wartet mit der Ernennung des neuen Kardinalstaatsekretärs ist unter Beobachtern umstritten. Einerseits erscheint das Staatsekretariat, die eigentliche bisherige Schaltzentrale des Heiligen Stuhls, in diesen Tagen etwas orientierungslos, andererseits besticht das Argument, dass eventuell zunächst erste strukturelle Veränderungen  vollzogen werden sollten, bevor die Personalrochade beginnt. Einige Beobachter rechnen auch für morgen noch mit einigen Ernennungen. Samstag ist ein beliebter Tag im Vatikan für Personalien.

P.S. In Rom wird derzeit heute über einen Artikel der Wochenzeitung „L’Espresso“ diskutiert. Darin berichtet der Vatikanist Sandro Magister über homosexuelle Beziehungen des neuen Prälaten der Vatikanbank IOR, Battista Mario Salvatore Ricca. Ricca war erst am 15. Juni von Papst Franziskus in das Amt berufen worden. Der Prälat ist u.a. ein Bindeglied zwischen der IOR-Kardinalskommission und dem IOR-Aufsichtsrat. Magister berichtet über homosexuelle Affären Riccas und stellt die Frage, ob der Papst vor der Ernennung absichtlich nicht über diese informiert worden sei, oder ob es schlicht eine Fehlentscheidung war. Erste Verschwörungstheorien machen sich breit. Vatikansprecher Federico Lombardi weist die Vorwürfe als „unglaubwürdig“ zurück.

P.P.S. Am Nachmittag hat Papst Franziskus seinen Vorgänger in dessen Zuhause, dem Kloster mater Ecclesiae, im Vatikan besucht. Er bat Benedikt XVI. seine erste Auslandsreise zum Weltjugendtag nach Rio de Janeiro mit seinem Gebet zu begleiten. Nach Vatikanangaben begann das Treffen kurz nach 16 Uhr mit einem gemeinsamen Gebet; anschließend habe es eine herzliche Unterhaltung von einer knappen halben Stunde gegeben. Dabei habe Benedikt XVI. über seine Erlebnisse bei den Weltjugendtagen in Köln (2005), Sydney (2008) und Madrid (2011) berichtet.

P.P.P.S. Nur um den Überblick zu behalten. Es gibt also mittlerweile drei „Reformkommissionen“:
1. die K8-Gruppe (also die acht Kardinäle), die sich mit Reform der Kurie beschäftigt und den Papst bei der leitung der Kirche unterstützen soll.
2. die Untersuchungskommission zur Vatikanbank IOR.
3. die heute eingerichtete Kommission zur Reform der Finzanz- und Wirtschaftsangelegenheiten. Man ist versucht, angesichts der Zusammensetzung von der L7-Gruppe zu sprechen (also sieben Laien).

Ein Papst geht auf Reisen

In fünf Tagen startet Papst Franziskus zu seiner ersten Auslandsreise. Wie schon bei Benedikt XVI. ist der erste Auslandstripp zum Weltjugendtag – dieses Mal nach Rio de Janeiro. Mehr als 1,5 Millionen Teilnehmer werden zu den großen Abschlussveranstaltungen, dem Abendgebet am 27. und dem Abschlussgottesdienst am 28. Juli, erwartet. Langsam werden immer mehr Details zur Reise bekannt. Grundsätzlich hat sie ein traditionelles WJT-Design: Termine mit den Politikern des Landes und natürlich den Jugendlichen (Willkommensfeier, Kreuzweg, Abendgebet und Abschlussmesse, Mittagessen mit einigen Jugendlichen, Beichte-Hören etc.).

Dazu gibt es aber auch einige Akzente, die Franziskus ganz bewusst setzt: ein Besuch des Marienwallfahrtsorts Aparecida. Damit bringt Papst Bergoglio zum einen seine besondere Beziehung zur Mutter Gottes zum Ausdruck. Zum anderen verbindet er mit Aparecida die große Generalversammlung der Bischofskonferenzen Lateinamerikas und der Karibik aus dem Jahr 2007. Das Schlussdokument trägt die deutliche Handschrift des damaligen Erzbischofs von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio. Er war damals „Redaktionsleiter“. Das Papier ist damit auch ein zentraler Schlüssel zum Verständnis von Bergoglios Vorstellung von Kirche im 21. Jahrhundert. Nach Angaben von Vatikansprecher Federico Lombardi hat Papst Franziskus den zahlreichen Staats- und Regierungschefs aus Lateinamerika, die ihn in den letzten Monaten im Vatikan besucht hatten, am Ende der Audienz immer ein Exemplar des Aparecida-Dokuments in die Hand gedrückt mit dem Hinweis, das könnten sie doch auf dem Rückflug einmal studieren. Übrigens wurde auch bei der letzten Bischofssynode im Herbst 2011 häufig auf die Versammlung verwiesen. Aparecida 2007 ist auf dem besten Weg, sich in die großen CELAM-Konferenzen von Medellin (1968) und Puebla (1979) einzureihen – und dazu hat auch Bergoglio beigetragen.

Nicht neu ist der Besuch eines Papstes in einer Favela. Das hat auch Johannes Paul II. bei seinem Besuch 1980 in Rio gemacht. Franziskus wohnt auch im selben kirchlichen Gästehaus, in dem Johannes Paul II. bei seinen Rioaufenthalten 1980 und 1997 untergebracht war. Neu ist hingegen, dass Franziskus nicht das Papamobil mit Panzerglasaufbau benutzt, das unter Benedikt XVI. und in den letzten Jahren des Pontifikats von Johannes Paul II. bei Reisen außerhalb Roms zum Einsatz kam. Franziskus wird den offenen Jeep benutzen, mit dem er auch jeden Mittwoch in Rom über den Petersplatz fährt. So sei ein direkterer Kontakt zu den Menschen möglich, erklärte Vatikansprecher Lombardi heute. Während es von dem Panzerglaswagen zwei baugleiche Fahrzeuge in Weiß gibt, ist nur ein weißer Jeep vorhanden. Sollte Ersatz notwendig sein, würde ein baugleicher grüner Jeep zum Einsatz kommen.

Das Papamobil ist schon da. (reuters)

Neu ist auch, dass Franziskus im Flugzeug keine Pressekonferenz geben wird.  So ist zumindest der Stand heute. Es wird während des Fluges von Rom nach Rio de Janeiro am Montag eine Begegnung mit den rund 70 mitreisenden Journalisten geben, aber nicht in Form einer PK. Vielmehr wolle der Papst jeden Journalisten treffen, erklärte Vatikansprecher Lombardi heute beim Briefing für die Reise. Allerdings ist unklar, ob die Aussagen des Papstes im persönlichen Gespräch anschließend veröffentlicht werden dürfen, oder ob das Ganze nur „unter Drei“ stattfindet. Das wäre schade; denn die fliegenden Pressekonferenzen boten in der Vergangenheit doch immer wieder Gelegenheit, erste inhaltliche Akzente zu setzen. Allerdings boten sie bisweilen auch Anlass für heftige Kritik; erinnert sei an die Aussage Benedikt XVI. zum Thema „AIDS und Kondome“ beim Flug nach Kamerun 2009. Franziskus ist für seine Spontaneität bekannt. Von daher wird man sehen, was auf dem rund zwölf Stunden dauernden Flug passieren wird.

P.S. Das ZDF überträgt übrigens die Vigil live aus Rio de Janeiro am 27.7. ab 0.30Uhr.

P.P.S. Franziskus geht, was die Einfachheit angeht, weiter mit gutem Beispiel voran. Seit einiger Zeit nutzt er für Transfers im Vatikan oft nicht mehr den VW-Phaeton, sondern einen Ford-Focus. Nun sind es im Vatikanstaat kleine Entfernungen von oft nur wenigen Hundert Metern. Allerdings hat Franziskus am vergangenen Sonntag auch für die Fahrt nach Castel Gandolfo das Mittelklassemodell genutzt. Und da war es immerhin eine halbe Stunde Fahrzeit.

Im kleinen Wagen unterwegs. (reuters)

P.P.P.S. Wen übrigens das Abschlussdokument der CELAM-Generalversammlung von Aparecida interessiert, der findet eine deutsche Übersetzung auf der Seite der Deutschen Bischofskonferenz: Link zum Dokument.

Reise mit Symbolcharakter

Es war die erste Reise von Papst Franziskus. Und sie führte ihn auf die Flüchtlingsinsel Lampedusa, die im Mittelmeer zwischen Europa und Afrika liegt. Deutlicher kann die Botschaft nicht sein. Dazu die Absage an Politiker und kirchliche Würdenträger, nicht nach Lampedusa zu kommen. Franziskus ging es um die Flüchtlinge und ihr Schicksal. Entsprechend durften auch sie zu Wort kommen, als Franziskus im Hafen von Lampedusa an Land ging. Sie forderten etwa mehr Solidarität anderer europäischer Staaten. Das tat dann auch der Papst beim Gottesdienst.

Papst Franziskus spricht mit Flüchtlingen. (ap)

Franziskus wählte die für ihn üblichen deutlichen Worte; kritisierte eine „Globalisierung der Gleichgültigkeit“. „Wir haben uns an das Leiden der anderen gewöhnt. Es lässt uns gleichgültig, interessiert uns nicht“. „Die Kultur des Wohlbefindens, die uns dazu bringt, nur an uns selbst zu denken, macht uns unsensibel für den Schrei der Anderen.“ Franziskus bat Gott um Vergebung „für die Grausamkeit in der Welt, in uns und auch in jenen, die in der Anonymität Entscheidungen sozialer und wirtschaftlicher Natur treffen, die den Weg für Dramen wie dieses ebnen“. Eine klare Botschaft in Richtung der politisch Verantwortlichen. Franziskus kritisierte eine Haltung von „anonymen Verantwortlichen ohne Namen und ohne Gesicht“. Unter dem Deckmantel der Anonymität versuche jeder, die Verantwortung von sich zu weisen. Immer wieder stellte Franziskus die Frage: „Wer ist verantwortlich für das Blut dieser Brüder und Schwestern?“ Ein Christ dürfe sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Gott rufe jeden von ihnen beim Namen und verlange Rechenschaft von ihm.

Ambo und Bischofskreuz aus Holz von Flüchtlingsbooten. (ap)

Vor dem Gottesdienst hatte Franziskus von einem Schiff der Küstenwache einen Blumenkranz ins Meer geworfen im Gedenken an die Opfer, die bei der Überfahrt von Afrika nach Europa ums Leben kamen. Die Messe war voller Symbole: Franziskus zelebrierte in einem violetten Gewand, violett, die Farbe der Buße. Der Gottesdienst fand unweit des Bootsfriedhofs statt; der Ort, an dem die Reste der Flüchtlingsboote liegen; das Lesepult war aus Resten von Booten zusammengebaut; ebenso der Bischofsstab, den Franziskus benutzte. Der Pontifex tauchte tief ein in das Flüchtlingsdrama.

Franziskus hat sehr schnell begriffen, dass er mit seinem Amt Zeichen setzen kann und muss – nicht nur innerkirchlich. Mit ihm kamen die Medien aus der ganzen Welt auf die kleine Mittelmeerinsel. Papst Bergoglio versucht die Macht der Worte und der Bilder zu nutzen, um seine Vorstellung vom Christentum konkret zu leben: nahe bei denen zu sein, die am Rande der Gesellschaft stehen, rechtlos sind; denen ins Gewissen zu reden, die politisch und gesellschaftlich Verantwortung tragen sowie zu versuchen, Solidarität und Gerechtigkeit einzufordern.

Keine Neuwagen mehr für Priester!?

Mit einem eher unauffälligen Termin, der es aber in sich hatte, ist heute Abend eine ereignisreiche Woche im Vatikan zu Ende gegangen. Nach neuen negativen Schlagzeilen zum Thema Finanzen, der ersten Enzyklika und der Ankündigung der Heiligsprechung von Johannes Paul II. und Johannes XXIII. traf sich Papst Franziskus im Vatikan mit rund 6.000 Seminaristen sowie Novizinnen und Novizen – sprich dem Priester- und Ordensnachwuchs. Eine herzliche Begegnung mit viel Applaus – Franziskus fühlte sich sichtlich wohl – die ihm die Gelegenheit bot, in seiner gewohnt einfachen und direkten Art seine klare Botschaft rüberzubringen. Er forderte den Nachwuchs auf zu einem authentischen, evangeliumsgemäßen, glaubwürdigen Leben, einer Mischung aus Kontemplation und selbstbewusster Aktion/Mission. Er wünsche sich eine missionarische Kirche, so Franziskus.

Es ging heiter zu beim Treffen des Papstes mit dem Nachwuchs. (ap)

Der Berufung liege eine Freude zugrunde, die ihren Grund nicht im Besitz des neuesten Smartphones habe, des schnellsten Scooters oder des neuesten Autos. Franziskus wörtlich: „Ich sage Euch, ehrlich, es tut mir weh, wenn ich einen Priester oder eine Ordensfrau im neusten Automodell sehe. Das geht so nicht! Ich glaube, dass das Auto notwendig ist, weil man viel arbeitet und von da nach dort kommen muss. Aber nehmt ein bescheideneres, ja!? Und wenn Euch dieses tolle Modell gefällt, denkt an die vielen Kinder, die an Hunger sterben. Nur das!“

Das passt zu den Worten des südafrikanischen Kardinals Wilfried Fox Napier. Der Erzbischof von Durban gehört zum Kardinalsrat, der sich um die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls kümmert. Die Kardinäle hatten sich ja diese Woche im Vatikan getroffen, um die Bilanzen für 2012 abzusegnen. Nach einer der Sitzungen twitterte Napier: „Was für ein Kontrast. Am Sonntag habe ich noch 27 neue Katholiken gefirmt im tiefsten, ländlichen KwaZulu Natal. Am Dienstag sitze ich mit den anderen Kardinälen im Apostolischen Palast.  Wenn ich diese beiden Gesichter der Kirche vergleiche: ein einfacher, freudiger Glaube gegen „high-powered“ Finanzen, die mit Zahlen diskutiert werden, die für einfache Zulus unvorstellbar sind.“

Über die Begegnung mit Papst Franziskus schreibt Napier übrigens, dass es sehr interessant gewesen sei. Wie immer habe der Papst etwas Neues gebracht: „Dieses Mal sein fester Wille zu realen Reformen.“ Vieles müsse verändert werden, um wieder Glaubwürdigkeit zu gewinnen, in erster Linie Transparenz und eine ehrliche Buchführung. Napier zeigte sich aber zuversichtlich, dass die Kardinäle – zumindest aus dem Wirtschaftsrat – bei den Veränderungen mit Franziskus an einem Strang ziehen werden.

Zurück zum Papsttreffen mit dem Kirchennachwuchs. Franziskus mahnte, nicht schlecht über andere zu reden. Er habe das früher auch gerne gemacht, was ihn heute beschäme. „Wenn ich mit einem Bruder oder einer Schwester ein Problem habe, bespreche ich es direkt mit ihm oder ihr oder mit jemandem, der helfen kann; aber ich spreche nicht darüber mit anderen, um ihn oder sie schlecht zu machen. Geschwätz ist übel!“ Franziskus ermahnte die jungen Seminaristen und angehenden Ordensleute, nicht vom besonderen Sport der Alten zu lernen: dem Sport des Lamentierens. Vielmehr sollten sie positiv denken. Das war ein authentischer Franziskus, den die 6.000 heute Abend in der Audienzhalle erlebt haben.  Auch wenn seine Botschaft mit großem Jubel aufgenommen wurde, leichte Kost ist es nicht.

Zwei Päpste, eine Botschaft, ein Auftritt und ein Paukenschlag

Nun liegt sie vor, die erste Enzyklika von zwei Päpsten: „Lumen Fidei – das Licht des Glaubens„. Papst Benedikt XVI. hatte sie als großes Schreiben im „Jahr des Glaubens“ begonnen. Papst Franziskus hat sie vollendet. Sie liest sich wie eine grundlegende (fundamentaltheologische) Abhandlung über den Glauben. Die zentrale Botschaft: Glauben ist auch in der Neuzeit vernünftig und nicht sinnlos (2). Dabei ist das „vernünftig“ durchaus im konkreten Wortsinn zu verstehen. Denn in der Enzyklika findet sich eines der Lieblingsthemen Joseph Ratzingers: das Verhältnis von Glaube und Vernunft (32ff). Auch die Frage nach dem Verhältnis von Glaube und Wahrheit (23ff) ist ganz ratzingerianisch; ebenso der Versuch aufzuzeigen, dass der Glaube nicht von der Wirklichkeit trennt, sondern vielmehr den Glaubenden zu einem intensiveren Leben in der Wirklichkeit führt (18). Glauben heißt demnach nicht, sich vor der Welt zu verschließen und auf ein Jenseits zu warten, sondern die Gesellschaft jetzt konkret mitzugestalten (vgl. 51). „Der Glaube ist keine Privatsache.“ (22)

Großes Medieninteresse bei der Vorstellung der Enzyklika heute im Vatikan. (ap)

Die Enzyklika bleibt bei grundsätzlichen Aussagen und wird nur äußerst selten konkret. Dies geschieht vor allem in den letzten Abschnitten. Da geht es etwa um Konsequenzen des Glaubens, der etwa zum Schutz der Familie, der Achtung der Schöpfung, nachhaltiger Entwicklung oder gerechten Regierungsformen führen soll. (55). Die Päpste wehren sich dagegen, die Wahrheit des Glaubens mit Fanatismus zu verwechseln. (25) Vielmehr handle es sich um eine „Wahrheit der Liebe“. Diese Wahrheit setze sich nicht mit Gewalt durch und unterdrücke auch den Einzelnen nicht. „Der Gläu­bige ist nicht arrogant; im Gegenteil, die Wahr­heit lässt ihn demütig werden, da er weiß, dass nicht wir sie besitzen, sondern vielmehr sie es ist, die uns umfängt und uns besitzt. Weit davon entfernt, uns zu verhärten, bringt uns die Glaubensgewissheit in Bewegung und ermöglicht das Zeugnis und den Dialog mit allen.“ (34)

Anecken wird sicherlich die Vorstellung des Papstes, dass der Glaube nur in der Gemeinschaft der Kirche möglich ist. Die starke Betonung der Bedeutung des Lehramts, das durch die „apostolische Sukzession“ die Kontinuität des Gedächtnisses der Kirche gewährleiste, dürfte ebenfalls Widerspruch hervorrufen. Zumindest muss die Frage erlaubt sein, was mit dem „Glaubenssinn der Gläubigen“ ist, den das II. Vatikanische Konzil noch kennt (vgl. Lumen Gentium 12). Die starke Rückbindung der Theologie an das Lehramt dürfte in Theologenkreisen zu Diskussionen führen. (36) Auch die Frage nach der Einheit des Glaubens, den der Papst in der Enzyklika sehr stark betonen (68ff), wirft angesichts der Uneinigkeit des Christentums und der Aufspaltung in verschiedene Konfessionen Fragen auf. Immerhin dürften Protestanten die Passage gerne lesen, in der es um die Rechtfertigung und die Gnade „nicht aus eigener Kraft“ (Eph 2,8) geht.  (19).

Der Enzyklika fehlt trotz der erwähnten Ermahnung, dass der Glaube für Christen konkrete Konsequenzen haben muss, etwas die Konkretheit und Frische des Franziskus, die in den letzten gut 100 Tagen des Pontifikats erkennbar geworden sind. Wie im Vorwort auch angedeutet, muss die Enzyklika im Zusammenhang mit den anderen großen Lehrschreiben von Papst Benedikt XVI. über die Hoffnung (Spe salvi) und die Liebe (Deus caritas est, Caritas in veritate) gelesen werden. Mit der Glaubensenzyklika wollte Benedikt die Trias „Glaube, Hoffnung, Liebe“ vollenden. Die Glaubensenzyklika ist daher vielleicht eher als theologische Grundlegung zu verstehen; die konkreten Konsequenzen, die sich daraus ergeben, finden sich in den Enzykliken über die Hoffnung und die Liebe. Ähnlich wie bei seinen Jesusbüchern legt Benedikt XVI. damit den Grundlagenteil als letztes vor. Allerdings wurde dieser nicht mehr rechtzeitig vor seinem Amtsverzicht fertig. Dass Franziskus die Glaubensenzyklika in wesentlichen Punkten übernommen hat, zeigt auch etwas von der inhaltlichen Kontinuität der beiden Päpste. Dennoch wirkt sie nach 100 Tagen Franziskus auch etwas fremd – in Sprache und Inhalt. Darin wird auch wieder die Unterschiedlichkeit der beiden Päpste deutlich.

Am Tag der Veröffentlichung der gemeinsamen Enzyklika gab es übrigens auch einen gemeinsamen Auftritt der beiden Päpste. Zur Weihe des Vatikanstaats an den Erzengel Michael und den heiligen Joseph hatte Franziskus seinen Vorgänger eingeladen. Der war dann auch zu der Zeremonie vor dem Governatorat, dem Regierungssitz des Vatikanstaats, erschienen.

Gläubige fordern bei der Beerdigung von Papst Johannes Paul II. am 8. April 2005 die sofortige Heiligsprechung. (dpa)

Zum Schluss noch die News des Tages: Papst Franziskus hat ein Konsistorium, ein Treffen aller in Rom anwesenden Kardinäle einberufen, das über die Heiligsprechung der beiden seligen Päpste Johannes XXIII. (1881-1963) und Johannes Paul II. (1920-2005) entscheiden soll. Schon seit Tagen war in Rom darüber spekuliert worden, dass die Heiligsprechung der beiden noch in diesem Jahr stattfinden könnte. Anfangs wurde als Datum der 20. Oktober genannt, zuletzt aber auch der 8. Dezember. Papst Franziskus hat heute ein Wunder auf Fürsprache des seligen Johannes Pauls II. anerkannt. Damit steht seiner Heiligsprechung nichts mehr im Wege. Etwas anders verhält es sich beim seligen Johannes XXIII. Für ihn wurde bisher noch kein neues Wunder anerkannt. Die Bemerkung von Vatikansprecher Federico Lombardi am Rande der Enzyklika-PK, der Papst könne von der Notwendigkeit eines Wunders dispensieren, zeigt, dass Franziskus den Konzilspapst wohl ohne ein weiteres Wunder zum Heiligen machen möchte. Es scheint Bergoglio ein persönliches Anliegen zu sein, Johannes XXIII. heilig zu sprechen.

 

Eine Heiligsprechung von Johannes Paul II. noch in diesem Jahr, also nur acht Jahre nach seinem Tod im April 2005, wäre ein Rekord in der neueren Kirchengeschichte. Das rasche Verfahren wurde vor allem aus seinem Heimatland Polen gepuscht. Allerdings gab es immer wieder auch kritische Stimmen, die eine gründlichere Aufarbeitung des Pontifikats forderten. Sie sehen etwa offene Fragen zur Rolle Papst Johannes Pauls II. beim Umgang mit Missbrauchsfällen oder auch in Bezug auf Finanzfragen. Wann das Konsistorium stattfindet, ist bisher noch offen.

Wenigstens schwarze Zahlen

Nach einer turbulenten „Finanzwoche“ wartete der Vatikan heute mit positiven Meldungen aus dem Wirtschafts-Bereich auf. Die Haushalte des Heiligen Stuhls und des Vatikanstaats haben 2012 mit Gewinnen abgeschlossen: der Heilige Stuhl, sozusagen die Verwaltung der Weltkirche, mit einem Plus von 2,18 Millionen Euro, der Staat der Vatikanstadt sogar mit einem Plus von 23 Millionen Euro. Der Vatikanstaat konnte damit sein Plus gegenüber 2011 um mehr als eine Million Euro steigern. Ein Großteil der Einnahmen stammt aus dem Erlös der Eintrittsgelder der jährlich mehr als fünf MIllionen Besucher der Vatikanischen Museen sowie aus dem Verkauf von Briefmarken durch die Vatikanpost.

Der Heilige Stuhl hatte im vergangenen Jahr noch ein Minus von 14,9 Millionen Euro zu verbuchen. Dass in diesem Jahr ein leichter Überschuss zu verzeichnen ist, sei den guten Renditen bei den Finanzgeschäften zu verdanken. Größter Ausgabenposten für den Heiligen Stuhl sind die Gehälter für die 2.823 Mitarbeiter sowie die Kosten für die vatikanischen Medien (v.a. Radio Vatikan und die Tageszeitung L’Osservatore Romano). Zudem habe 2012 die neue Immobiliensteuer zu Mehrausgaben von rund fünf Millionen in diesem Bereich geführt. Der Vatikanstaat hatte Ende 2012 übrigens 1.936 Mitarbeiter.

Wie schon in den vergangenen Jahren gab es zur Vorstellung der Bilanzen keine Pressekonferenz, sondern lediglich eine Mitteilung des vatikanischen Presseamts. Auch wurden keine Details über Ausgaben und Einnahmen mitgeteilt. Das passt nicht so richtig zur viel beschworenen neuen Transparenz. Vielleicht war aber auch die Zeit zu kurz, um auf diese neue Entwicklung zu reagieren. Allerdings wird schon seit Jahren von Journalisten reklamiert, dass die Zahlen nicht nachvollziehbar offen gelegt werden. Immerhin geht es zu einem großen Teil auch um Spendengelder der Gläubigen.

In diesem Bereich wurden, wie üblich, wenigstens einige Zahlen veröffentlicht. Und die müssten bei den Kardinälen im Vatikan die Alarmglocken schrillen lassen. So ist etwa der Erlös aus dem sogenannten „Peterspfennig“ von 69,7 Millionen US-Dollar (53,7 Millionen Euro) im Jahr 2011 auf 65,9 Millionen US-Dollar (50,8 Millionen Euro) gesunken, ein Minus von über 5 Prozent. Auch die Zuwendungen aus den Diözesen in aller Welt sind von 32,1 Millionen US-Dollar (24,7 Millionen Euro) um 11,9 Prozent auf 28,3 Millionen US-Dollar (21,8 Millionen Euro) gesunken. Dieser Rückgang lässt sich sicherlich nicht allein durch die Wirtschaftskrise erklären, sondern dürfte auch inhaltliche Gründe haben.

Die Vatikanbank IOR hat 2012 übrigens 50 Millionen Euro ausgeschüttet, die dem Papst zur Verwendung für soziale Zwecke zur Verfügung stehen. Dazu kamen noch fünf Millionen Euro des IOR an verschiedene Fonds, unter anderem zur Unterstützung von Klausurklöstern oder den Kirchen auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion.

News zur Vatikanbank

Der Generalidrektor der Vatikanbank IOR, Paolo Cipriani, und sein Stellvertreter, Massimo Tulli, sind heute von ihren Ämtern zurückgetreten. Das teilte der Vatikan am Abend mit. Interims-Generaldirektor der Vatikanbank wird der Deutsche Ernst von Freyberg, der erst im Februar von Papst Benedikt XVI. zum Präsidenten des Aufsichtsrats der Vatikanbank ernannt worden war. In einer Erklärung des Vatikans vom Abend heißt es, Cipriani und Tulli hätten nach vielen Jahren im Dienst des IOR entschieden, dass der Rücktritt im besten Interesse des IOR und des Heiligen Stuhls sei. Von Freyberg wird mit den Worten zitiert, das IOR und die Direktion hätten seit 2010 versucht, Strukturen und Abläufe den internationalen Standards gegen Geldwäsche anzupassen. Heute sei jedoch eine neue Direktion nötig, um den Transformationsprozess schneller voranzubringen.

Nach den jüngsten Schlagzeilen um einen Rechnungsprüfer der Vatikanischen Güterverwaltung Ende vergangener Woche, dem vorgeworfen wird, illegal 20 Millionen Euro aus der Schweiz nach Italien überführt haben zu wollen, könnte die Personalie heute der Versuch eines Befreiungsschlages sein. Zumindest soll er wohl ein Signal sein, dass der Vatikan ernsthaft mit den alten Seilschaften in der Vatikanbank brechen möchte. Der neue Wind des Anfangs des Pontifikats von Papst Franziskus, die massive Kritik der Kardinäle im Vorkonklave und wohl auch die mit dem Pontifikatswechsel eingetretene Macht-Schwäche des noch amtierenden Kardinalstaatssekretärs Tarcisio Bertone scheinen diesen Neuanfang möglich zu machen. Bertone wurde in den vergangenen Jahren immer wieder als Bremser wahrgenommen beim Vesuch, das Anliegen Benedikts XVI. zur Reinigung der Bank umzusetzen.

Vieles hängt nun davon ab, wer neuer IOR-Generaldirektor wird. Denn von Freyberg wird die Doppelfunktion als Generaldirektor und Chef des Aufsichtsrats nicht lange ausüben können. Immerhin dürfte es aber ein Vertrauensbeweis von Papst Franziskus gegenüber dem deutschen Manager sein. In den vergangenen Wochen hatte es immer wieder Gerüchte gegeben, der neue Pontifex und von Freyberg verstünden sich nicht.

Nach den IOR-Direktoren könnte nun auch bald der Kardinalsstaatssekretär ersetzt werden. In den vergangenen Tagen kocht die Gerüchteküche rund um den Vatikan auf Hochtouren. Viele rechnen noch vor der „Sommerpause“ mit der Ernennung des Nachfolgers von Bertone.