Warnung vor innerkirchlichen Schismen

Ein weiteres Geheimnis des Konklaves ist gelüftet. Der Vatikan hat jetzt den Vortrag von Kardinal Prosper Grech veröffentlicht, den der maltesische Kardinal am 12. März nach Schließung der Türen der Sixtinischen Kapelle unmittelbar vor dem ersten Wahlgang gehalten hat. Darin spricht er von der Ökumene, der Glaubens- und Kirchenkrise im Westen, und er warnt vor der „Gefahr kleinerer Schismen/Spaltungen“ innerhalb der katholischen Kirche.

Die Kardinäle beim Einzug ins Konklave am 12.3.2013 - kurz vor der Rede Kardinal Grechs. (reuters)

Der 87-jährige Grech durfte selbst nicht mitwählen. Die Kardinäle hatten ihn im Vorkonklave dazu bestimmt, die in der Wahlordnung vorgesehene Meditation nach dem „Extra Omnes“ zu halten. Er fand deutliche Worte: Grech warnte davor, die Botschaft des Evangeliums zu „verdünnen“. „Wenn man beim Evangelium Kompromisse macht, beraubt man es seiner Dynamik, wie wenn man einer Handgranate den Sprengstoff entnimmt.“ Nur weil das II. Vatikanische Konzil den Weg zum Heil auch für diejenigen geebnet habe, die außerhalb der Kirche seien, bedeute dies nicht, dass die Notwendigkeit der Taufe relativiert werde.

Grech sprach vom „Verfolgt-Sein“, das für die Kirche „konstitutiv“ sei, ebenso wie die Schwäche ihrer Mitglieder. Es habe in der jüngeren Vergangenheit Angriffe von Medien gegeben, die die Kirche nicht liebten. Wenn es Anschuldigungen von außen gegen die Kirche gebe, die unberechtigt seien, sollten diese nicht bekümmern, auch wenn sie schmerzten. Etwas anderes sei es aber, wenn man gegen die Kirche die Wahrheit sage, wie es bei vielen Anschuldigungen wegen Pädophilie der Fall gewesen sei. „Dann müssen wir uns demütig zeigen gegenüber Gott und den Menschen. Dann müssen wir versuchen, das Böse um jeden Preis auszurotten, wie das Benedikt XVI. gemacht hat.“ Nur so könne man Vertrauen in der Welt zurückgewinnen und ein Beispiel der Ehrlichkeit abgeben. „Heute glauben viele Menschen nicht an Christus, weil sein Angesicht verdunkelt oder verdeckt wird von einer Institution, der es an Transparenz mangelt.“

Mit Blick auf die vordringlichsten Aufgaben eines neuen Papstes spricht Grech das Thema Ökumene an. Die Vorurteile würden leider nur langsam abgebaut und theologische Vereinbarungen seien nicht einfach. Doch im Einsatz für die Einheit zu ermüden würde bedeuten, sich „explizit gegen den Willen Gottes zu stellen“. Aber auch innerkirchlich sei es für den neuen Papst eine große Herausforderung, die Einheit der katholischen Kirche zu erhalten. „Zwischen ultratraditionalistischen Extremisten und ultraprogressiven Extremisten, zwischen Priestern, die gegen den Gehorsam rebellieren, und jenen, die die Zeichen der Zeit nicht erkennen, gibt es immer die Gefahr kleiner Schismen.“ Einheit möchte Grech aber nicht mit Uniformismus gleichgesetzt sehen. Es habe in der Kirche immer „inner-kirchliche“ Diskussionen gegeben. Jeder sei frei, seine Meinung zu sagen; allerdings immer innerhalb des „depositum fidei/Glaubensguts“, das der Papst zusammen mit den Bischöfen hüte.

Interessant ist meines Erachtens ein Abschnitt des Vortrags, in dem Grech ausführlich auf den „Glaubenssinn der Gläubigen“ eingeht. In Anlehnung an die Konzilskonstitution Dei Verbum (8) betont er, dass „auch der ‚sensus fidelium‘ ein ‚locus theologicus‘ ist, den die Hirten der Kirche berücksichtigen müssen“.  Bedeutet das, dass künftig die Gläubigen mehr gehört werden sollen?

Grechs Rede unmittelbar vor dem ersten Wahlgang im Konklave erinnert in vielen Punkten an das, was wir hier in den letzten vier Monaten über Papst Franziskus zusammengetragen haben. Grech fasste noch einmal in zentralen Punkten die Inhalte des Vorkonklaves zusammen. Es war also weniger ein Profil des neuen Papstes als vielmehr ein Profil des neuen Pontifikats, das er entwickelte. Das Ergebnis ist bekannt. Ob das „Experiment Franziskus“ gelingt, ist noch offen.

P.S. Papst Franziskus geht es auf jeden Fall weiter beherzt an. Er gönnt sich keinen Sommerurlaub. Heute hat er die Kompetenzen der vatikanischen Finanzaufsichtsbehörde AIF erweitert und ein neues „Finanz-Sicherheits-Komitee“ ins Leben gerufen. Ziel ist der Kampf gegen Geldwäsche und gegen die Finanzierung von Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Franziskus hat die entsprechenden Bestimmungen auf alle Behörden des Heiligen Stuhls sowie im Vatikanstaat ansässige Organisationen und juristische Personen ausgeweitet. Er reagierte mit den neuen Maßnahmen unter anderem auf Forderungen der Anti-Geldwäsche-Organisation der EU-Kommission, Moneyval.

P.P.S. Die vielen Gegenstände, die die Menschen bei den Papamobilfahrten in Rio de Janeiro ins Papamobil geworfen haben, wurden laut Vatikan alle fein säuberlich registriert. Ein Teil sei in Rio geblieben, ein Teil wie etwa Kleidung wurden an die vatikanische Caritas weitergegeben. Andere kommen ‚gar in die Vatikanischen Museen. Die Liste der gegenstände ist lang: T-Shirts, Briefe, Hüte, Schals, Fotos und sogar ein Bischofsring. Übrigens war auch der Ball und das Shirt, die Franziskus nach seiner Rückkehr aus Rio in S. Maria Maggiore ablegte, aus diesem Fundus.

P.P.P.S. Die Rede von Kardinal Grech gibt es bisher leider nur auf Italienisch in den Acta Apostolicae Sedis 105, 4-5 ab Seite 352.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.