Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog

Interessantes und Hintergründiges aus dem Vatikan

Erst am Anfang

Ein halbes Jahr ist er nun im Amt, Papst Franziskus. Und er hat doch schon Einiges durcheinander gewirbelt. So überraschend wie seine Wahl am 13. März für Viele erfolgte, so überraschend verliefen auch die ersten sechs Monate. Jorge Mario Bergoglio kam von außen. Das wollten viele Kardinäle nach den Skandalen der letzten Jahre und dem zunehmenden Zentralismus in der katholischen Kirche. Doch obwohl er von außen kam, hat er von Anfang an sehr selbstbewusst sein Amt ausgeführt. Mit der Weigerung in die päpstliche Wohnung im Apostolischen Palast zu ziehen und stattdessen im vatikanischen Gästehaus Santa Marta zu bleiben, setzte er gleich das erste Zeichen. Er setzte Kommissionen ein, wirbelt beständig das vatikanische Protokoll durcheinander und sucht den Kontakt zu den Menschen. Seine Worte sind klar und fordernd. Etwa bei seinem Besuch einer Flüchtlingshilfeeinrichtung in Rom am Dienstag dieser Woche, als er die Ordensgemeinschaften aufforderte, leerstehende Konvente nicht in Hotels zu verwandeln, sondern dort Flüchtlinge aufzunehmen. Auch in Deutschland sind einige Bistümer bereits dabei, ihre Immobilien daraufhin zu prüfen, ob man Flüchtlinge etwa aus Syrien aufnehmen könnte.

Überhaupt war dieser Dienstag, oder sagen wir besser diese „Halbjahres-Woche“ des Pontifikats, symptomatisch für Franziskus. Am Dienstagmorgen trifft er die Kurienchefs, um mit ihnen über die anstehende Kurienreform zu sprechen. Drei Stunden dauerte das Treffen, ungewöhnlich lang. Am Nachmittag besucht Franziskus dann die Flüchtlinge. Das erinnert an seine erste Reise. Die führte ihn auf die Flüchtlingsinsel Lampedusa . Gleich zweimal sprach Franziskus dann in dieser Woche auch sehr selbstkritisch über die Kirche. Bei der Generalaudienz am Mittwoch sagte er, dass auch die Kirche „Fehler“ habe. In einem offenen Brief an einen Journalisten in der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“ schrieb er: „So langsam, untreu und voller Irrtümer und Sünden die Menschen, die die Kirche bilden, auch waren und noch sind, die Kirche hat doch kein anderes Ziel als das, Jesus zu leben und zu bezeugen.“

Franziskus scheint einen sehr realistischen Blick auf die Kirche zu haben. Ein halbes Jahr ist zu kurz, um den Tanker Kirche auf einen neuen Kurs zu bringen. Doch erste Ansätze sind da. Langsam beginnt Franziskus auch seine Führungsmannschaft zu formieren. Mit der Wahl des neuen Kardinalstaatssekretärs hat er eine von vielen Seiten sehr gelobte Wahl getroffen. Erzbischof Parolin hat dann auch diese Woche gleich einen Akzent gesetzt, indem er gegenüber einer venezolanischen Zeitung erklärte, dass der Zölibat „kein Dogma der Kirche“ sei und man darüber diskutieren könne. Bleibt zu hoffen, dass es ihm nicht so ergeht wie im Jahr 2006 Kardinal Hummes. Der ehemalige Erzbischof von Sao Paolo war gerade zum neuen Präfekten der Kleruskongregation ernannt und äußerte sich kurz vor seiner Abreise nach Rom bezüglich des Zölibats wie jetzt Parolin. Kaum in Rom angekommen, hatte der Vatikan klargestellt, dass es in der Frage keine Diskussion geben werde. Hummes wirkte in seinen Jahren im Vatikan stets isoliert. Heute gehört er zu den engsten Vertrauten des amtierenden Papstes. Er war es, der den eben gewählten Kardinal Bergoglio im Konklave umarmte und sagte: „Vergiss die Armen nicht.“ Woraufhin Bergoglio den Papstnamen Franziskus wählte. (Hummes ist Franziskaner.)

P.S. Übrigens hat das Treffen zwischen Papst Franziskus und dem Vater der Befreiungstheologie, Gustavo Gutiérrez, am Mittwochmorgen im kleinen Kreis stattgefunden. Gutierrez und Erzbischof Gerhard-Ludwig Müller, der Chef der Glaubenskongregation, feierten in Santa Marta den Morgengottesdienst zusammen mit dem Papst. Danach gab es eine kurze Begegnung. Interessant ist, dass davon bisher vom Vatikan nichts offiziell verlautete. Am Mittwoch gab es zwar auch ein Interview mit Gutiérrez in der Vatikanzeitung L‘Osservatore Romano. Aber von der Begegnung wurde nichts offiziell mitgeteilt.

Es wird diskutiert in Stuttgart.

P.P.S. In Stuttgart hat heute das dritte Dialogtreffen im Rahmen des Gesprächsprozesses der Deutschen Bischofskonferenz begonnen. Es ist interessant, wie oft hier Papst Franziskus erwähnt oder zitiert wurde – und zwar von Bischöfen und Laien. Soviel Papst war selten auf einer derartigen Veranstaltung in den letzten Jahren. Im Mittelpunkt des Treffens steht die Liturgie. Ausführliches gibt es morgen im Blog. Bei einer Zwischenbilanz des bisherigen Gesprächsprozesses am Abend wurde deutlich, das Thema wiederverheiratete Geschiedene ist DAS zentrale Thema, das die Gläubigen beschäftigt. Hier sehen sie Handlungsbedarf und rechnen sich große Chancen aus, dass sich etwas ändert. Der Chef des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Alois Glück bat die Bischöfe eindringlich, bei dieser Frage zu einer guten Lösung zu kommen, da sonst der Frust sehr groß sein werde unter den Gläubigen. Am Nachmittag war schon von Bischöfen im Kontext dieses Themas zu hören, dass die Kommunionbank keine „Richterbank“ oder „Gerichtsbank“ sein dürfe.

P.P.P.S. „Papst Franziskus ist ein großer Wegbereiter einer angstfreien Kommunikation in der Kirche.“ Diese Aussage des ZdK-Präsidenten Glück passt vielleicht ganz gut ans Ende einer kurzen Halbjahresbilanz des Pontifikats.

Sensation oder Normalität?

Das waren heute Bilder in Mantua, die man sich vor kurzer Zeit nur schwer vorstellen konnte. Der Chef der vatikanischen Glaubenskongregation trifft einen der prominentesten Vertreter der Befreiungstheologie. Und es soll noch besser kommen. Im Verlauf der Woche wird Papst Franziskus sich mit dem Befreiungstheologen treffen. Das kündigte der Chef der Glaubenskongregation bei der Begegnung heute an.

Erzbischof Müller und Gustavo Gutiérrez in Mantua.

Gut – die beiden Personen, die sich in Mantua getroffen haben, sind Freunde seit fast zwei Jahrzehnten. Der heutige Präfekt der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, und der „Vater“ der Befreiungstheologie Gustavo Gutiérrez lernten sich 1988 in Peru kennen. 2004 veröffentlichten sie gemeinsam ein Buch mit dem Titel „An der Seite der Armen. Theologie der Befreiung“, das damals auf Deutsch und Spanisch erschien. Die Präsentation der italienischen Ausgabe im Rahmen des „Festivalettura“ von Mantua war Anlass des ersten öffentlichen Auftritts der beiden seit der Ernennung Gerhard Ludwig Müllers zum Chef der Glaubenskongregation im vergangenen Jahr. Italienische Zeitungen sprachen in dieser Woche gar von einem „Friedensschluss“ zwischen Vatikan und Befreiungstheologie.

Gutiérrez und Müller fanden das beide etwas übertrieben. Müller merkte im Gespräch mit dem ZDF an, dass ja nur bestimmte Formen der Befreiungstheologie vom Vatikan seinerzeit in den 1990er Jahren verurteilt worden seien. Gutiérrez befand, dass die Versöhnung doch schon vor Jahren stattgefunden habe. Auffallend ist es aber schon, dass die Zeichen auf Entspannung stehen. Selbst die Vatikanzeitung L’Osservatore Romano stellte Anfang der Woche das Buch der beiden vor und veröffentlichte einen Artikel von Gutiérrez. Dafür, dass man sich in Gegenwart mancher Kirchenhierarchen nach wie vor kaum traut, das Wort Befreiungstheologie mit einer positiven Konnotation zu erwähnen, scheinen die aktuellen Ereignisse doch anmerkenswert.

Nun gilt der im Juni 85 Jahr alt gewordene Gutiérrez zwar als einer der „Väter“ der Befreiungstheologie; doch scheint er aus vatikanischer Sicht nie über die Stränge geschlagen zu haben, wie man das etwa bei den Brüdern Boff glaubte feststellen zu müssen. Zwar prüfte die Glaubenskongregation in den 1990er Jahren sein Werk intensiv; doch kam es nie offiziell zu Maßnahmen gegen ihn. In seinem Interviewbuch „Salz der Erde“ sagt der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, der zum Teil persönlich mit Gutiérrez im Dialog stand, dass dieser sein Werk „weiterentwickelt“ habe auf eine „sachgerechte und integrationsfähige Form von ‚Befreiungstheologie‘“. Der amtierende Präfekt sieht nach eigenen Worten in der Befreiungstheologie eine der „bedeutsamsten Strömungen der katholischen Theologie im 20. Jahrhundert“.

Mit dem ersten Papst aus Lateinamerika wird das Thema Befreiungstheologie wieder aktuell. Armut, Unterdrückung und Ungerechtigkeit rücken wieder stärker ins Bewusstsein, und auch die Aufgabe der Kirche, sich in diesem politischen Bereich zu engagieren.

P.S. Erzbischof Müller erklärte übrigens bei der Begegnung in Mantua, dass aus Sicht der Glaubenskongregation nichts gegen eine Seligsprechung von Erzbischof Oscar Romero spreche. Er habe zusammen mit dem Sekretär der Kongregation, Erzbischof Ladaria, die Predigten Romeros durchgesehen, ein sechs-bändiges Werk. Dabei hätten sich keine Einwände ergeben. Der Ball liege nun wieder bei der Heiligsprechungskongregation. Die Durchsicht der Texte habe schon unter Benedikt XVI. begonnen.

P.P.S. Papst Franziskus hat sich auch heute wieder dem Thema Krieg und Frieden gewidmet. Beim Mittagsgebet kritisierte er scharf den Waffenhandel. „Es muss darum gehen der Gewalt abzusagen in allen ihren Formen. Nein zu sagen der Verbreitung von Waffen und ihrem illegalen Handel. Davon gibt es viele. Es bleibt immer im Zweifel, ob dieser oder jener Krieg – denn es gibt sie überall – wirklich ein Krieg aufgrund von Problemen ist, oder ob es ein Wirtschaftskrieg ist, um diese Waffen im illegalen Handel zu verkaufen. Das sind die Feinde, die zu bekämpfen sind, vereint und konsequent. Es geht darum nicht anderen Interessen zu folgen als dem Frieden und dem Gemeinwohl.“

P.P.P.S. Am Dienstag trifft sich Papst Franziskus übrigens mit den Chefs der Kurienbehörden, um eine Halbjahresbilanz seines Pontifikats zu ziehen.

Schrei nach Frieden

Vier Stunden dauerte die Feier auf dem Petersplatz in Rom; rund um den Globus schlossen sich Katholiken dem Friedensgebet des Papstes an. Und wie auf dem Petersplatz, wo auch andere christliche Kirchen und Religionen vertreten waren, wurde die Initiative von Franziskus an vielen Orten zu einer ökumenischen und interreligiösen Sache. Die Feier auf dem Petersplatz war eindrucksvoll; etwa als die mehreren Zehntausend Menschen rund eine viertel Stunde in stillem Gebet vor dem Allerheiligsten verharrten. Solch lange Stille gab es mehrfach; das ist bisher einmalig auf dem Petersplatz.

Zehntausende beten auf dem Petersplatz für Frieden - nicht nur in Syrien. (ap)

Gleichsam mit der Autorität von sechs Päpsten erhob der Vatikan an diesem warmen Spätsommerabend seine Stimme. Pius XII., Johannes XXIII., Johannes Paul II. und Benedikt XVI. wurden mit Friedensgebeten zitiert. Die Worte Pauls VI. vor der UNO im Jahr 1965 machte sich Papst Franziskus dann in seiner Ansprache zu Eigen: „»Nicht mehr die einen gegen die anderen, nicht mehr, niemals! … niemals mehr Krieg, niemals mehr Krieg!“ sowie aus der Botschaft zum Weltfriedenstag 1976: „Den Frieden kann man nur mit Frieden durchsetzen – mit jenem Frieden, der nicht losgelöst ist von den Pflichten der Gerechtigkeit, aber genährt wird durch das persönliche Opfer, durch Milde, Barmherzigkeit und Liebe.“ Nach Franziskus sind Vergebung, Dialog und Versöhnung Worte und damit der Schlüssel zum Frieden. „Möge das Waffenrasseln aufhören! Krieg bedeutet immer das Scheitern des Friedens. Er ist immer eine Niederlage für die Menschheit.“

Hinter Gewalt und Krieg sieht Franziskus Egoismus und Gleichgültigkeit als Wurzeln dieser Übel. „Wir haben unsere Waffen vervollkommnet, unser Gewissen ist eingeschlafen, und wir haben ausgeklügeltere Begründungen gefunden, um uns zu rechtfertigen. Als wäre es etwas Normales, fahren wir fort, Zerstörung, Schmerz und Tod zu säen! Gewalt und Krieg bringen nur Tod, sprechen vom Tod! Gewalt und Krieg sprechen die Sprache des Todes!“ Franziskus sprach jeden an „vom Kleinsten bis zum Größten“, auch die Regierenden. „Ich möchte heute Abend den Herrn bitten, dass wir Christen, die Brüder und Schwestern der anderen Religionen, alle Menschen guten Willens mit Nachdruck rufen: Gewalt und Krieg sind niemals der Weg des Friedens! Möge ein jeder Mut fassen, auf den Grund seines Gewissens zu schauen und auf jene Stimme zu hören, die sagt: Komm heraus aus deinen Interessen, die dein Herz verengen, überwinde die Gleichgültigkeit gegenüber dem anderen, die das Herz gefühllos macht, besiege deine Todesargumente und öffne dich dem Dialog, der Versöhnung: Schau auf den Schmerz deines Bruders und füge nicht weiteren Schmerz hinzu, halte deine Hand zurück, baue die Harmonie wieder auf, die auseinander gebrochen ist – und das nicht mit dem Zusammenprall, sondern mit der Begegnung!“

Lange Zeit verharren Papst und Gläubige in Stille im Gebet. (dpa)

Wenn man die zahlreichen Initiativen des Papstes und des Vatikans der letzten Tage sieht, wird der heutige Abend sicher nicht der letzte Akt im „Kampf“ von Franziskus gegen weiteres Blutvergießen und einen Militärschlag in Syrien und für den Frieden dort, im ganzen Nahen Osten und an anderen Konfliktorten gewesen sein. Aber es war sicherlich einer der eindrücklichsten Akzente, der durch seine weltweite Nachahmung durchaus zeigt, dass der Papst fähig ist, Menschen zu mobilisieren. Die Frage ist natürlich, welche konkreten Folgen wird diese Initiative haben?

P.S. Begegnung, Gespräch, Dialog. Diese Begriffe gehören zu den am meisten gebrauchten im Vokabular von Papst Franziskus. Das betrifft politische Zusammenhänge und Konflikte; das betrifft aber auch innerkirchliche Auseinandersetzungen. Im diesem Sinne dürfte jetzt auch die Initiative mit dem Besuch von Kardinal Lajolo im Bistum Limburg zu verstehen sein. Wie aus einem vom Bistum veröffentlichten Brief des Chefs der vatikanischen Bischofskongregation, Kardinal Marc Ouellet, hervorgeht, hatte der Limburger Bischof Tebartz-van Elst den Vatikan mehrfach um eine Apostolische Visitation in seinem Bistum gebeten. Dazu sieht Papst Franziskus nach dem Schreiben  keinen Anlass. Dennoch scheint man auch im Vatikan erkannt zu haben, dass die Situation im Bistum Limburg schwierig und verfahren ist. So wird Lajolo, der von 1995 bis 2003 Nuntius in Deutschland war, dem Bistum einen „brüderlichen Besuch“ abstatten. De jure handelt es sich also nicht um eine offizielle Visitation. De facto wird Lajolo aber Ähnliches tun: Er wird mit dem Bischof, dem Domkapitel sowie anderen wichtigen Vertretern aus Gremien und Verwaltung im Bistum sprechen. Laojolo soll laut dem vatikanischen Schreiben „wachen Auges auf die Gegebenheiten der  Ortskirche schauen, die Geister zu unterscheiden helfen, gegebenenfalls brüderlich zu ermahnen, vor allem aber um Ihren bischöflichen Dienst zu stützen und zum Frieden und zur Einheit zu ermutigen.“ Lajolo wird bereits am Montag in Limburg erwartet.

„Militärische Lösung = sinnloses Streben“

Papst Franziskus ist es ernst mit seiner Forderung nach einer friedlichen Lösung des Konflikts in Syrien. Alle nur möglichen Mittel setzt er ein, um seine Botschaft an den Mann und die Frau zu bringen: Am Sonntag widmete er den kompletten Angelus dem Thema, seine letzten Twitter-Botschaften ebenfalls. Heute schrieb er an Russlands Präsident Putin aus Anlass des G20-Treffens in Sankt Petersburg. In einer eher ungewöhnlichen Aktion lud der Vatikan heute alle beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschafter zu einem Treffen ein, um die vatikanische Position darzustellen. Und dann ist da noch der große Fasten- und Gebetstag für den Frieden am Samstag, zu dem Papst Franziskus aufgerufen hat. Er selbst wird auf dem Petersplatz vier Stunden lang am Abend mit den Gläubigen beten. Weltweit haben sich Bischöfe in allen Kontinenten angeschlossen; auch von Vertretern anderer Konfessionen und Religionen kamen positive Rückmeldungen; will man sich an der Initiative beteiligen.

Papst Franziskus richtet beim Mittagsgebet am vergangenen Sonntag einen Friedensappell an die Welt. (ap)

In seinem Brief an Putin findet Franziskus die gewohnt deutlichen Worte. Er spricht von einem „sinnlosen Streben nach einer militärischen Lösung“, das die politisch Verantwortlichen aufgeben sollten und stattdessen mit „erneuertem Einsatz sowie mit Mut und Entschlossenheit nach einer friedlichen Lösung auf der Basis von Dialog und Verhandlungen auf beiden Seiten“ suchen sollten, unterstützt von der Internationalen Gemeinschaft. Bereits am Sonntag hatte sich Franziskus ja zu einem Fürsprecher des „Schreis nach Frieden“ gemacht, den es an vielen Stellen weltweit gebe.

Während der Papst sonst nur am Ende des Angelusgebets kurz auf aktuelle Ereignisse eingeht, hatte er dieses Mal die komplette Ansprache dem Thema Frieden gewidmet; Ausdruck der Dringlichkeit, die er dem Ganzen verleiht: „Der Schrei, der mit Nachdruck besagt: Wir wollen eine Welt des Friedens, wir wollen Männer und Frauen des Friedens sein, wir wollen, dass in dieser unserer Gesellschaft, die von Spaltungen und Konflikten zerrissen ist, Frieden entsteht; nie mehr Krieg! Nie mehr Krieg! Der Frieden ist ein äußerst kostbares Geschenk, das gefördert und geschützt werden muss.“

Das Ganze erinnert an das Jahr 2003. Damals versuchte der Vatikan und allen voran Papst Johannes Paul II. den Irakkrieg zu verhindern. Unvergessen die Worte Johannes Pauls II. beim Angelusgebet am 23. Februar mahnte er: „Niemals kann die Zukunft der Menschheit durch Terrorismus und durch die Logik des Krieges gesichert werden.“ Der Vatikan startete eine diplomatische Großoffensive. Innerhalb weniger Tage gaben sich Tony Blair, UNO-Generalsekretär Kofi Annan, José Maria Aznar und Joschka Fischer im Vatikan die Klinke in die Hand. Der Vatikandiplomat Kardinal Etchegaray reiste im Auftrag des Papstes in den Irak und in die USA. Verhindern konnte Johannes Paul II. den Irakkrieg nicht; aber er versuchte die Mittel in die Waagschale zu werfen, die er als Papst hat – und das sind nicht Militärs, sondern Worte, Diplomatie und – aus christlicher Sicht natürlich konsequent – das Gebet. Übrigens gab es auch 2003 zum Aschermittwoch einen Fast- und Gebetstag.

Vatikanaußenminister Mamberti informiert die Botschafter über die vatikanische Syrienpolitik. (ap)

Auch dieses Mal ist die katholische Position klar: keine militärische Lösung. Dabei sind sich katholische Bischöfe weltweit weitestgehend einig – auch die US-Bischöfe und der „Außenminister“ der Deutschen Bischofskonferenz, der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick. Sie fürchten eine weitere Destabilisierung der Region und negative Konsequenzen für die christlichen Minderheiten in den Ländern des Nahen Ostens. Auch gerade deshalb ist es wichtig, dass die Kirche auf den Dialog setzt und nicht auf Konfrontation und Waffen.

P.S. Franziskus geht in seiner Botschaft an die G20-Staats- und Regierungschef natürlich auch auf wirtschaftliche Fragen ein. Die aktuelle Situation erfordere „weltweiten Finanzrahmen mit gerechten und klaren Regeln“ für eine gerechtere und solidarischere Welt. Franziskus spricht vom Kampf gegen den Hunger, von würdiger Arbeit  sowie angemessenen Wohnungen und Gesundheitsversorgung für alle Menschen. Die Weltwirtschaft könne sich nur in dem Maße wirklich weiterentwickeln, in dem sie es schafft allen Menschen ein würdiges Leben zu ermöglichen, von den Alten bis zu den ungeborenen Kindern – und zwar nicht nur für die Menschen in den G20-Ländern sondern in allen Ländern weltweit. Gewalt und Krieg seien Hindernisse für den wirtschaftlichen Fortschritt. „Ohne Frieden gibt es keine wirtschaftliche Entwicklung.“

Römische Personalien

Die Gerüchteküche war schon seit einigen Tagen am Brodeln, seit heute ist es amtlich. Papst Franziskus hat seine Entscheidung für einen neuen Staatssekretär getroffen. Es ist der italienische Vatikandiplomat Pietro Parolin, derzeit Nuntius in Caracas. Gleichzeitig nahm der Papst den Rücktritt des bisherigen Amtsinhabers, Kardinal Tarcisio Bertone an.

Die Ablösung Bertones war überfällig. Schon Benedikt XVI. war immer wieder darauf aufmerksam gemacht worden, dass er sich besser von seinem Kardinalstaatssekretär trennen solle. Aber er hielt seinem früheren Mitarbeiter aus den Zeiten der Glaubenskongregation stets die Treue, auch wenn dieser sich in zahlreichen Konflikten als unfähig erwies – nicht zuletzt im Fall Williamson wird ihm die Schuld gegeben. Auch im Vorkonklave haben die Kardinäle ihre Unzufriedenheit mit der Spitze der Kurie deutlich zum Ausdruck gebracht.

Indem Franziskus, der die Sommerpause nicht für Ferien, sondern für zahlreiche Gespräche mit unterschiedlichsten Mitarbeitern im Vatikan genutzt hat, die Personalentscheidung getroffen hat, hat er sowohl ein Versprechen eingelöst als auch den wohl wichtigsten Schritt zur Kurienreform getan. Im Oktober wird dann die von ihm eingesetzte Kommission der acht Kardinäle, darunter der Deutsche Reinhard Marx, weitere Reformen vorschlagen.

Die Wahl eines Italieners, der als erfahrener und begabter Diplomat gilt, ist sicherlich ein kluger Schachzug. Zum einen hätte ein Nichtitaliener die überwiegend italienischen Mitarbeiter nicht erfreut, zum anderen bringt der neue Staatssekretär viele Jahre diplomatischer Erfahrung mit sich. Von 2002 bis 2009 war er „stellvertretender Außenminister“, verhandelte mit Israel, Vietnam, China und Russland in diversen komplizierten Konstellationen und gehörte im Zusammenhang mit den Bemühungen, einen Irakkrieg zu vermeiden, zu den engsten Beratern von Johannes Paul II.

Pietro Parolin, der neue Kardinalstaatssekretär

Pietro Parolin, der neue Staatssekretär

 

Auf den 58-Jährigen Parolin warten gewaltige Aufgaben. Er wird sein neues Amt am 15. Oktober antreten. Auch wenn er gut vernetzt ist im Vatikan, ist es nicht leicht, einen eingespielten, trägen Apparat auf Trab zu bringen. Als „alter ego“ des Papstes und dessen engster Vertrauter kommt ihm zugute, dass er ebenfalls als bescheiden gilt. Franziskus braucht solche Verbündete, wenn er sein großes Werk in Angriff nehmen will.

PS: Auch in seinem engeren Umfeld hat Franziskus in diesen Wochen Entscheidungen getroffen. Georg Gänswein ist nicht mehr sein Sekretär, sondern weiterhin Präfekt des Päpstlichen Hauses.und bleibt auch Privatsekretär von Benedikt XVI. Der Malteser Alfred Xuereb, bisher die Nummer zwei, ist jetzt Papstsekretär Nummer eins. Und neu im Team ist der 49-jährige Fabian Pedacchio Leaniz, ein Landsmann des Papstes. Dass dieser weitgehend selbst das Heft in der Hand behalten will, hat er in mehreren Interviews gesagt: “ Ich entscheide selbst, wen ich sehen muss, und nicht meine Sekretäre.“

 

 

 

Der Papst im Original

Mittlerweile gibt es ja schon eine ganze Reihe von Texten und Ansprachen des neuen Papstes. Die sind alle auch abrufbar auf der Internetseite des Vatikans. Die deutsche Übersetzung hinkt bisweilen etwas hinterher. Aber meist ist sie auch nach einigen Tagen online. Wer mehr erfahren will, wie Jorge Mario Bergoglio vor seiner Wahl zum Papst gedacht hat, dem seien die beiden folgenden Bücher empfohlen. Übrigens, um es gleich vorweg zu nehmen, man kann meines Erachtens sehr schnell erkennen, dass es da eine große Kontinuität gibt. Es ist spannend zu sehen, dass manches, was man jetzt in Ansprachen hört, auch schon früher über Bergoglios Lippen kam.

Über lange Zeit hinweg hat sich der ehemalige Erzbischof von Buenos Aires regelmäßig mit dem Rabbiner Abraham Skorka getroffen und mit ihm im wahrsten Sinne des Wortes über „Gott und die Welt“ gesprochen.  Diese Begegnungen fanden zum Teil auch öffentlich statt und wurden im Fernsehen des Erzbistums Buenos Aires übertragen.  Teile der Gespräche wurden schriftlich festgehaltenin dem Buch „Über Himmel und Erde“  das in Argentinien 2010 erschienen ist. Die deutsche Ausgabe gibt es seit Mai. Darin erfährt man viel darüber, wie Jorge Mario Bergoglio denkt. Angefangen von eher theologischen Fragen wie Gott, Teufel, Gebet und Schuld, über ganz konkrete ethische Fragen wie Sterbehilfe, Abtreibung, Scheidung und die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren bis hin zu eher politischen Themen wie ‚Politik und Macht‘, Armut, Globalisierung und das Geld.

Jorge Mario Bergoglio und seine Eltern 1958. (reuters)

Persönlicher wird es in dem zweiten Buch: „Mein Leben, mein Weg“. Das ist ein Gesprächsband. Zwei Journalisten haben mit Jorge Mario Bergoglio über sein Leben und natürlich auch über Theologisches gesprochen.  Hier erfährt man sehr viel über Bergoglios Familie, seine Wurzeln und seine Prägung. In dem ebenfalls 2010 erstmals in Argentinien erschienen Buch erzählt der heutige Papst über seine Berufung zum Priesteramt und warum er Jesuit geworden ist. Hier geht es auch in einem kurzen Abschnitt über die schwierige Zeit der Militärdiktatur und die Rolle Bergoglios in diesen Jahren. Es dürfte das wohl persönlichste Buch sein über den heutigen Papst. Denn der ehemalige Erzbischof von Buenos Aires ist sehr zurückhaltend mit Interviews und gar selbst zur Feder hat er eigentlich nur für Predigten und Ansprachen gegriffen.

Beiden Büchern merkt man natürlich an, dass sie sich immer wieder auf konkrete Situationen oder Ereignisse in Argentinien beziehen. Doch steckt am Ende sehr viel drin, was darüber hinaus Geltung hat.

Papst Franziskus: Über Himmel und Erde. Jorge Mario Bergoglio im Gespräch mit dem Rabbiner Abraham Skorka. Riemann-Verlag. München 2013.

Papst Franziskus: Mein Leben, mein Weg. El Jesuita. Die Gespräche mit Jorge Mario Bergoglio von Sergio Rubin und Francesca Ambrogetti. Herder-Verlag. Freiburg 2013.

Der Papst und die Frauen

„Möge die Kirche die große und wichtige Rolle der Frau vertiefen und besser verstehen!“ O-Ton Papst Franziskus von gestern. Das Thema Frauen lässt ihn nicht los. Gut, gestern war es bedingt durch den Marienfeiertag. Er hatte zudem die Frauen aufgerufen, durch das eingehende Studium der Rolle der Frau in der Bibel sich selbst und ihre Berufung besser zu verstehen. Tja – was heißt das nun aber? Franziskus erinnerte an das Dokument „Mulieris dignitatem“ über die Würde und Berufung der Frau, das Papst Johannes Paul II. vor 25 Jahren veröffentlicht hat. Dieses Dokument sei reich an Anregungen, die man aufgreifen und weiterentwickeln müsse. Ob darin wohl Impulse für die „Theologie der Frau“ zu finden sind, die Franziskus auf dem Rückflug von Rio vor wenigen Tagen gefordert hat? Im Herbst werden wir diese Spur hier einmal eingehender verfolgen.

Papst Franziskus beim Gottesdienst zu Mariä Himmelfahrt gestern. (ap)

Interessant ist vielleicht, was Jorge Mario Bergoglio früher schon zum Thema Frauen gesagt hat. Etwa im Gespräch mit dem  Rabbiner Skorka stellte er fest: „Die Präsenz des Weiblichen ist in der Kirche nicht so sehr herausgestellt worden, weil die Versuchung des Machismo keinen Raum dafür gelassen hat, den Platz sichtbar zu machen, der den Frauen in der Gemeinschaft zusteht.“ Wie der konkret aussieht, nennt er allerdings auch nicht. Er erinnert an große Frauengestalten der Bibel wie Rut und Judit. Er nennt Maria als Vorbild für die Rolle der Frau und führt dann Eigenschaften wie Mütterlichkeit und Zärtlichkeit an. Maria sei die „Mutter der Gemeinschaft“, die die Gesellschaft „schützt und einhegt“. Eine Religionsgemeinschaft, die diese Eigenschaften nicht verstehe zu integrieren, werde zu einer „machohaften sowie zu einer kargen, harten und im schlechten Sinn sakralisierten Gesellschaft“. Vom Feminismus als „alleiniger Philosophie“ hält Bergoglio übrigens nichts. Er gebe der Frau nicht die Würde, die sie verdiene und könne am Ende zu einer Art „Machismo mit Rock“ verkommen.

Also ich bin gespannt, wie er dieses Thema „Frau in der Kirche“ entwickeln wird; denn auch bei dem zitierten Gespräch mit dem Rabbiner referiert er die traditionelle Lehre, dass das Priesteramt den Männern vorbehalten ist. Diese Aussage findet sich übrigens auch in „Mulieris dignitatem“, das er ja gestern lobend erwähnt hat.

P.S. Die Zitate aus stammen aus: Papst Franziskus. Über Himmel und Erde. Riemann-Verlag 2013. Mehr zu dem Buch in Kürze.

„Gott trifft Papst“

So titelte heute eine argentinische Zeitung vorab über das Treffen des Fußballstars Lionel Messi mit Papst Franziskus im Vatikan. Der Pontifex empfing heute die Nationalmannschaften Argentiniens und Italiens. Beide Mannschaften bestreiten morgen ein Freundschaftsspiel in Rom. Anlass ist die Wahl des Italo-Argentiniers Jorge Mario Bergoglio zum Bischof von Rom. Der „Geehrte“ selbst ist ein großer Fußballfan – doch so wie es derzeit aussieht, wird er morgen Abend wohl nicht im römischen Olympiastadion sein, um die Partie live anzuschauen. Es geziemt sich wohl nicht, dass der Stellvertreter Christi auf Erden zum Fußballspiel geht. Ich glaube es ja allerdings erst beim Abpfiff, dass sich da nicht doch noch etwas ändert. Bisweilen beklagen sich ja Prälaten – bis in die höchsten Ebenen und Farben – über die Sprunghaftigkeit des Pontifex. Man könnte es auch Spontaneität und Frische nennen. Angesichts der für einen Papst gebotenen Neutralität stellte Franziskus fest, dass es für ihn etwas schwierig sei, morgen zu einem Team zu halten. „Zum Glück ist es ein Freundschaftsspiel!“

Italiens Torhüter Buffon (l) und Argentiniens Stürmer Messi (r) lassen vom Papst einen Olivenbaum segnen. Der steht morgen beim Spiel im Stadion und kommt anschließend in die Vatikanischen Gärten. (dpa)

Die Botschaft, die Franziskus an die Sportler und an die Verantwortlichen in den Vereinen und Verbänden hatte, könnte aktueller kaum sein angesichts  zunehmender Gewalt in Stadien, rassistischer Vorfälle und steigender Aggression gegenüber Spielern, wenn es einmal nicht rund läuft. Sport und damit auch Fußball muss trotz aller Professionalisierung  und allem Business Sport bleiben und immer auch amateurhafte Züge haben, sprich menschlich bleiben. So könnte man die Ansprache vielleicht zusammenfassen.

Franziskus sieht angesichts der zunehmenden Kommerzialisierung die Gefahr, dass der sportliche Charakter verloren geht. Und diesen sieht er gerade darin, dass der Sport immer seine „Amateur-Seele“ bleiben müsse. Dies mindere die Gefahr von Diskriminierung und Gewalt in den Stadien. Dann kehrten auch wieder die Familien zurück auf die Ränge. Die Profifußballer erinnert er daran, dass ihre Berühmtheit auch eine hohe soziale Verantwortung mit sich bringe. Für Franziskus ist der wahre Sport gekennzeichnet durch Schönheit, Selbstlosigkeit und Kameradschaft. Wenn diese Eigenschaften fehlten, verliere ein Spiel an Kraft, auch wenn eine Mannschaft gewinne.  Auch wenn die Spieler bekannte Persönlichkeiten seien, blieben sie doch normale Menschen im Sport und im Leben „mit eurem Ansehen und euren Fehlern, mit eurem Herzen und mit euren Ideen, mit euren Ambitionen und euren Problemen“.

Was der Papst den Fußballern mit auf den Weg gab, gilt auch für andere Bereiche: Verliert nicht die Bodenhaftung, ihr seid auch nur Menschen! Seid Vorbilder und seid Euch eurer sozialen Verantwortung bewusst. Maßstäbe, die Franziskus übrigens auch für sich selbst anzulegen scheint. „Wir müssen uns doch daran gewöhnen, normal zu sein“, hatte er gegenüber den Journalisten bei der fliegenden Pressekonferenz erklärt, als er auf die schwarze Aktentasche angesprochen wurde, die er selbst an Bord der Maschine getragen hatte.

Am Ende war Franziskus noch zu einem Scherz aufgelegt. Nachdem er alle Anwesenden einzeln begrüßt hatte, wies er darauf hin, dass nicht nur die Italiener, sondern auch die Argentinier schön in einer Reihe angestanden hätten. „Das ist wichtig, denn hier im Vatikan rügt man mich immer und sagt, ich sei undiszipliniert. Jetzt haben sie aber gesehen, wie unser Volk eigentlich ist.“ War das wirklich ein Scherz oder worauf spielte Franziskus hier an?

P.S. Der Papst bat die Teilnehmer der Audienz, für ihn zu beten, „damit auch ich auf dem ,Spielfeld’, auf das Gott mich berufen hat, eine ehrliche und mutige Partie spielen kann: zum Wohle von uns allen“.

Frag den Robert

Er sei schon immer ein kluger Junge gewesen, wusste seine Mitschülerin aus Grundschulzeiten zu berichten. Und wenn sie nicht weiter gewusst hätten, dann hätte man halt gesagt: Frag den Robert, der wird es wissen. Der Robert von damals ist heute der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Erzbischof von Freiburg. Beim Festakt zu seinem 75. Geburtstag heute im Freiburger Konzerthaus bekamen die geladenen Gäste im Talk mit Moderator Frank Elstner das eine oder andere bisher unbekannte Detail aus dem Leben des Jubilars zu hören.

Erzbischof Zollitsch heute Mittag auf dem Münsterplatz in Freiburg. (dpa)

Der Festakt war, ganz nach dem Wunsch des Erzbischofs, keine staatstragende Abfolge von Grußworten, sondern eine gelungene Mischung aus einer substantiellen Rede von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zur Bedeutung Europas (,das dem Donauschwaben Zollitsch sehr am Herzen liegt), dem lockeren Talk von Elstner und Gästen sowie bewährter badischer Gastfreundschaft.

Der Charakter des Festes entspricht dem des Jubilars. Erzbischof Zollitsch  ist bescheiden in seinem Auftreten, aber stets sachlich und den Menschen zugewandt. Dabei weiß er sehr genau, was er will, ist pragmatisch-realistisch und hat klare Vorstellungen. Er ist dialogbereit und offen für seine Gesprächspartner. Auf diese Weise ist es ihm gelungen, die auseinanderdriftenden Strömungen innerhalb der deutschen Bischöfe gut zu moderieren. Ohne seinen starken Impuls würde es den Dialogprozess in der deutschen Kirche nicht geben. Dass es in anderen Diözesen mit dem Dialog nicht so gut läuft, zeigt nur, dass man dort das Prinzip „Frag den Robert“ nicht unbedingt beherzigt…

Einer der Höhepunkte seiner Amtszeit war zweifelsohne der Besuch von Papst Benedikt im September 2011 in Freiburg. An dem Ort, an dem heute gefeiert wurde, hielt Benedikt XVI. damals die inzwischen berühmte Konzerthaus-Rede, in der er die Entweltlichung der Kirche forderte und damit große Interpretationsdebatten auslöste. Zu den Führungsprinzipien Zollitschs gehörte es, dass er strittige Themen mit nach Rom nahm, um sie dem Papst vorzustellen und um Verständnis für die deutschen Positionen zu werben. Seit dem Wechsel im Pontifikat ist dieser Weg schwieriger geworden für ihn. Aber es wäre gut, wenn auch Papst Franziskus für die verbleibende Amtszeit des Freiburgers den Rat beherzigen würde: Frag den Robert….

Warnung vor innerkirchlichen Schismen

Ein weiteres Geheimnis des Konklaves ist gelüftet. Der Vatikan hat jetzt den Vortrag von Kardinal Prosper Grech veröffentlicht, den der maltesische Kardinal am 12. März nach Schließung der Türen der Sixtinischen Kapelle unmittelbar vor dem ersten Wahlgang gehalten hat. Darin spricht er von der Ökumene, der Glaubens- und Kirchenkrise im Westen, und er warnt vor der „Gefahr kleinerer Schismen/Spaltungen“ innerhalb der katholischen Kirche.

Die Kardinäle beim Einzug ins Konklave am 12.3.2013 - kurz vor der Rede Kardinal Grechs. (reuters)

Der 87-jährige Grech durfte selbst nicht mitwählen. Die Kardinäle hatten ihn im Vorkonklave dazu bestimmt, die in der Wahlordnung vorgesehene Meditation nach dem „Extra Omnes“ zu halten. Er fand deutliche Worte: Grech warnte davor, die Botschaft des Evangeliums zu „verdünnen“. „Wenn man beim Evangelium Kompromisse macht, beraubt man es seiner Dynamik, wie wenn man einer Handgranate den Sprengstoff entnimmt.“ Nur weil das II. Vatikanische Konzil den Weg zum Heil auch für diejenigen geebnet habe, die außerhalb der Kirche seien, bedeute dies nicht, dass die Notwendigkeit der Taufe relativiert werde.

Grech sprach vom „Verfolgt-Sein“, das für die Kirche „konstitutiv“ sei, ebenso wie die Schwäche ihrer Mitglieder. Es habe in der jüngeren Vergangenheit Angriffe von Medien gegeben, die die Kirche nicht liebten. Wenn es Anschuldigungen von außen gegen die Kirche gebe, die unberechtigt seien, sollten diese nicht bekümmern, auch wenn sie schmerzten. Etwas anderes sei es aber, wenn man gegen die Kirche die Wahrheit sage, wie es bei vielen Anschuldigungen wegen Pädophilie der Fall gewesen sei. „Dann müssen wir uns demütig zeigen gegenüber Gott und den Menschen. Dann müssen wir versuchen, das Böse um jeden Preis auszurotten, wie das Benedikt XVI. gemacht hat.“ Nur so könne man Vertrauen in der Welt zurückgewinnen und ein Beispiel der Ehrlichkeit abgeben. „Heute glauben viele Menschen nicht an Christus, weil sein Angesicht verdunkelt oder verdeckt wird von einer Institution, der es an Transparenz mangelt.“

Mit Blick auf die vordringlichsten Aufgaben eines neuen Papstes spricht Grech das Thema Ökumene an. Die Vorurteile würden leider nur langsam abgebaut und theologische Vereinbarungen seien nicht einfach. Doch im Einsatz für die Einheit zu ermüden würde bedeuten, sich „explizit gegen den Willen Gottes zu stellen“. Aber auch innerkirchlich sei es für den neuen Papst eine große Herausforderung, die Einheit der katholischen Kirche zu erhalten. „Zwischen ultratraditionalistischen Extremisten und ultraprogressiven Extremisten, zwischen Priestern, die gegen den Gehorsam rebellieren, und jenen, die die Zeichen der Zeit nicht erkennen, gibt es immer die Gefahr kleiner Schismen.“ Einheit möchte Grech aber nicht mit Uniformismus gleichgesetzt sehen. Es habe in der Kirche immer „inner-kirchliche“ Diskussionen gegeben. Jeder sei frei, seine Meinung zu sagen; allerdings immer innerhalb des „depositum fidei/Glaubensguts“, das der Papst zusammen mit den Bischöfen hüte.

Interessant ist meines Erachtens ein Abschnitt des Vortrags, in dem Grech ausführlich auf den „Glaubenssinn der Gläubigen“ eingeht. In Anlehnung an die Konzilskonstitution Dei Verbum (8) betont er, dass „auch der ‚sensus fidelium‘ ein ‚locus theologicus‘ ist, den die Hirten der Kirche berücksichtigen müssen“.  Bedeutet das, dass künftig die Gläubigen mehr gehört werden sollen?

Grechs Rede unmittelbar vor dem ersten Wahlgang im Konklave erinnert in vielen Punkten an das, was wir hier in den letzten vier Monaten über Papst Franziskus zusammengetragen haben. Grech fasste noch einmal in zentralen Punkten die Inhalte des Vorkonklaves zusammen. Es war also weniger ein Profil des neuen Papstes als vielmehr ein Profil des neuen Pontifikats, das er entwickelte. Das Ergebnis ist bekannt. Ob das „Experiment Franziskus“ gelingt, ist noch offen.

P.S. Papst Franziskus geht es auf jeden Fall weiter beherzt an. Er gönnt sich keinen Sommerurlaub. Heute hat er die Kompetenzen der vatikanischen Finanzaufsichtsbehörde AIF erweitert und ein neues „Finanz-Sicherheits-Komitee“ ins Leben gerufen. Ziel ist der Kampf gegen Geldwäsche und gegen die Finanzierung von Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Franziskus hat die entsprechenden Bestimmungen auf alle Behörden des Heiligen Stuhls sowie im Vatikanstaat ansässige Organisationen und juristische Personen ausgeweitet. Er reagierte mit den neuen Maßnahmen unter anderem auf Forderungen der Anti-Geldwäsche-Organisation der EU-Kommission, Moneyval.

P.P.S. Die vielen Gegenstände, die die Menschen bei den Papamobilfahrten in Rio de Janeiro ins Papamobil geworfen haben, wurden laut Vatikan alle fein säuberlich registriert. Ein Teil sei in Rio geblieben, ein Teil wie etwa Kleidung wurden an die vatikanische Caritas weitergegeben. Andere kommen ‚gar in die Vatikanischen Museen. Die Liste der gegenstände ist lang: T-Shirts, Briefe, Hüte, Schals, Fotos und sogar ein Bischofsring. Übrigens war auch der Ball und das Shirt, die Franziskus nach seiner Rückkehr aus Rio in S. Maria Maggiore ablegte, aus diesem Fundus.

P.P.P.S. Die Rede von Kardinal Grech gibt es bisher leider nur auf Italienisch in den Acta Apostolicae Sedis 105, 4-5 ab Seite 352.