Der Papst in Fulda
Franziskus war in Fulda – nicht physisch, aber schon lange war ein römischer Pontifex nicht mehr so präsent bei einer Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz wie Franziskus in diesem Jahr. Und dabei wurde an vielen Stellen die ganze „Problematik“ dieses Papstes deutlich. Er schafft Luft für Diskussionen, auch über heikle Themen, und inspiriert; zugleich irritiert er aber auch, stellt Selbstverständliches in Frage und bietet mit seinen Aussagen sowie Gesten scheinbar für zum Teil gegensätzliche Positionen Unterstützung. Alte Kategorien, rechts und links, konservativ und progressiv, oben und unten gelten nicht mehr und auch ein gutes halbes Jahr nach Beginn des Pontifikats hat sich die katholische Kirche noch nicht neu sortiert.
Die Bischöfe sind damit ein Abbild der Situation, wie sie in vielen Gemeinden herrscht, aber etwa auch in der römischen Zentrale. Man kann sie genauso in den einschlägigen Internetforen beobachten oder an der Tatsache, dass plötzlich die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ versucht, die Bischöfe mit dem Papst an der Seite der Bewegung vor sich herzutreiben. Vor gar nicht allzu langer Zeit undenkbar.
Franziskus irritiert. Das zeigt nicht zuletzt das Interview von vergangener Woche für die Jesuitenzeitschriften, das die Bischöfe lange diskutiert haben. Als Sohn der katholischen Kirche steht der Papst fest hinter den traditionellen Prinzipien; zugleich fordert er eine pastorale Offenheit. Für Franziskus kommt der Mensch in seiner konkreten Lebenssituation vor dem Dogma. Damit wird es aber schwierig werden, grundsätzliche Regeln etwa beim Thema Kommunionempfang für konfessionsverschiedene Paare oder wiederverheiratete Geschiedene aufzustellen. Zugleich zeigte sich beim Dialogtreffen in Stuttgart im Rahmen des Gesprächsprozesses der Bischofskonferenz, dass die Gläubigen von den Bischöfen Regelungen erwarten, die Betroffene nicht von der „Laune“ des jeweiligen Pfarrers abhängig machen.
Das klingt ein bisschen nach gordischem Knoten; auch wenn sich der Duktus des Papstes doch wohl eher in Richtung des guten alten Satzes „im Zweifel für den Angeklagten“ interpretieren lässt bzw. in dem Sinne, dass sich am Ende der Einzelne vor Gott verantworten muss und nicht vor der Kirche. Unter Franziskus dürfte noch einmal neu die Frage nach dem Gewissen, seiner Bedeutung bei den Entscheidungen der Gläubigen sowie seiner Bildung Gewicht bekommen. Auf jeden Fall machten die Bischöfe in Fulda durchaus einen „Wind of change“ aus, der in der Aussage gipfelte, das alte Sprichwort „Roma locuta, causa finita“ (Rom hat gesprochen, der Fall ist geklärt.) sei einem „Roma locuta, causa aperta“ (Rom hat gesprochen, der Fall ist offen.) gewichen.
In diesem Sinne wollen die Bischöfe weiter an Veränderungen im Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen arbeiten. Das betrifft zum einen das Arbeitsrecht, zum anderen aber auch die Seelsorge. Ob am Ende eine liberale Regelung beim Kommunionempfang herauskommen wird, ist offen. Viel vorgenommen haben sich die Bischöfe auch beim Thema Frauen, auch wenn sie am Weiheamt nicht rütteln wollen. Zusammen mit der evangelischen Kirche in Deutschland wollen die Bischöfe außerdem noch im Herbst ein gemeinsames Wort zur sozialen und wirtschaftlichen Lage veröffentlichen, von dem sie sich einen breiten gesellschaftlichen Diskurs erhoffen.
Weniger ökumenische Einigkeit besteht offensichtlich noch beim Reformationsgedenken 2017. Die Reformation habe – mit Schuld auf beiden Seiten – zu tiefen Spaltungen geführt, sagte der DBK-Vorsitzende, Erzbischof Robert Zollitsch. „Insofern wird die katholische Kirche auch dem Gedenken nicht den Charakter einer Jubiläumsfeier geben können.“ Man wünsche sich, das 500-Jahr-Gedenken der Reformation als gemeinsames Christusfest zu feiern. Hier sei man in intensivem Dialog mit der EKD.
Für Erzbischof Zollitsch war dies die letzte Abschluss-PK einer Vollversammlung. Bei der Frühjahrsvollversammlung in Münster wird sein Nachfolger gewählt. Das Rennen ist gut ein halbes Jahr vorher offen. Ein halbes Dutzend mögliche Kandidaten wurden auf den Fluren des Priesterseminars in Fulda in den letzten Tagen immer wieder ventiliert. Zollitsch hat angeregt, sich zunächst über die anstehenden Aufgaben für die Kirche in Deutschland zu verständigen und damit gleichsam ein Profil für den idealen Nachfolger zu erarbeiten. Der Vorschlag wurde von den anderen Bischöfen positiv aufgenommen. Die Suche beginnt.
P.S. Natürlich war in Fulda nicht nur der Papst präsent, sondern auch der Fall Limburg. Zum Beginn der Vollversammlung hatte DBK-Chef Zollitsch erklärt, die ganze Kirche in Deutschland leide unter der Situation in Limburg. Zum Abschluss unterstrich Zollitsch, dass er „aus kollegialer Solidarität hinter dem Bischof von Limburg stehe“. Damit wies er anderslautende Medienberichte zurück und konterte die Kritik des Kölner Kardinals Meisner, der am Donnerstagmorgen in einer Predigt erklärt hatte, die Bischöfe nennten sich zwar Mitbrüder, „aber lassen den einen oder anderen allein, wenn er unter öffentlichen Druck gerät“. Zugleich zeigt er sich zuversichtlich, dass Bischof Tebartz-van Elst zusammen mit den Gläubigen einen „vorwärtsweisenden Weg findet, der die Kirche gut in die Zukunft führt“.
P.P. S. Was die Zukunft des Weltbildverlags anbetrifft, konnten sich die Gesellschafter in dieser Woche nicht auf ein Zukunftskonzept einigen. Der Verlag sei in eine schwierige Situation geraten, so Erzbischof Zollitsch heute. Er werde derzeit umgebaut und künftig den Schwerpunkt im Online-Buchhandel haben. Das Filial- und Kataloggeschäft werde eine untergeordnete Rolle spielen. Die Zeit dränge, so Zollitsch. Viele Entscheidungen müssten in den nächsten zwei Monaten getroffen werden. In welcher Form das Unternehmen allerdings fortgeführt werden soll und wer die Gesellschafter sein werden, darüber wurde in Fulda nichts bekannt. Den Bischöfen schien es aber wichtig gewesen zu sein, den Mitarbeitern zu signalisieren, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Die äußerten sich in einer Reaktion kritisch, weil ihnen die Aussage zu vage war. Nach dieser Woche dürfte aber zumindest klar sein, dass die Bischöfe den Fortbestand von Weltbild sichern wollen.