Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog

Interessantes und Hintergründiges aus dem Vatikan

Machtmissbrauch, Sex und Intrigen?

Was ist los hinter den Mauern des Vatikans?

Mit Spekulationen über den Start des Konklaves lässt sich kein Blumentopf mehr gewinnen. So stürzen sich die italienischen Medien jetzt wieder auf die Frage nach dem „Warum?“ des Papstrücktritts. Wild wird über Intrigen, Sex und Machtmissbrauch spekuliert, ohne dass konkrete Details und Informationen genannt werden. Vieles rankt sich um den zweiten Bericht, den die Kardinalskommission am 17. Dezember letzten Jahres Papst Benedikt XVI. übergeben hat. Der hatte die drei Kardinäle Julian Herranz (82), Jozef Tomko (88) und Salvatore De Giorgi (82) damit beauftragt, neben der vatikanischen Justiz Hintergründe zum Vatileaksskandal aufzudecken. In ihrem zwieten Bericht soll ein düsteres Bild über die Situation in der Zentrale der katholischen Kirche gezeichnet werden. Offiziell kennen den Bericht nur die drei Kardinäle sowie der Papst selbst und (offenbar) sein Privatsekretär, Erzbischof Georg Gänswein. Dennoch sind einige Inhalte, zumindest aber Grundaussagen des Reports, nach außen gedrungen.

Wie schon vor einigen Tagen hier berichtet, darf als sicher angenommen werden, dass dieser Bericht nicht ausschlaggebend war für die grundsätzliche Entscheidung Benedikts XVI., in absehbarer Zeit auf das Papstamt zu verzichten. Dieser Schritt ist schon länger gereift. Man könnte höchstens fragen, ob der Kardinalsbericht dazu beigetragen hat, dass der Rücktritt jetzt erfolgt ist und nicht zu einem späteren Zeitpunkt. Aber auch dafür finden sich bislang keine stichhaltigen Beweise. Fest steht, dass es in den vergangenen Jahren immer wieder Medienberichte über Intrigen und Korruption im Vatikan gab. Mit anonymen Briefen versuchten vermeintliche Retter der Kirche auf angebliche Missstände aufmerksam zu machen. So tauchte etwa im Oktober letzten Jahres der Brief eines „Michele degli Arcangeli“, nach eigenen Angaben eines Kreises von Priestern der Weltkirche, auf, in dem vor einem Homosexuellennetzwerk im Kirchenstaat gewarnt wurde. Derartige Aktionen gab es unzählige.

Um die Spekulationen zu beenden, könnte der Papst natürlich die Veröffentlichung der zwei Geheimberichte veranlassen. Doch das ist unwahrscheinlich. Bleibt zu hoffen, dass er sie seinem Nachfolger übergibt, damit dieser die entsprechenden – auch personellen – Konsequenzen ziehen kann. Eine ganze Reihe von Kardinälen haben schon angedeutet, dass sie in den Generalkongregationen, den täglichen Versammlungen während der Sedisvakanz, auch über Vatileaks sowie den Zustand und das Personal der Kurie sprechen möchten. Die drei Mitglieder der Kardinalskommission werden bei diesen Beratungen anwesend sein; auch wenn sie später aufgrund ihres Alters nicht mit ins Konklave einziehen werden. Man darf also gespannt sein, wie sie sich in der Zeit des Vorkonklave verhalten werden.

Singe, wem ein Buch gegeben

Das neue „Gotteslob“, das auf der Bischofskonferenz vorgestellt wurde und ab Beginn des neuen Kirchenjahres (1. Advent) in den katholischen Gemeinden Deutschlands und Österreichs eingeführt wird, ist das Ergebnis eines langen Prozesses. 2001 wurde bereits eine Unterkommission eingesetzt; Ende 2012 erfolgte dann die Druckfreigabe. Dazwischen lagen Erhebungen über die Akzeptanz der Lieder des gegenwärtigen „Gotteslobs“, eine Testphase in 186 Gemeinden, die Anerkennung durch Rom und die Approbation durch die Bischöfe.

Erfreulich ist, dass dadurch tatsächlich eine breitere Basis bei der Auswahl beteiligt war, und dass auch die beliebten Lieder mit Texten von Huub Oosterhuis aufgenommen wurden. Die Versuche, diesen niederländischen „Ketzer“ mundtot zu machen, sind gescheitert.

Das neue „Gotteslob“ ist weiterhin in einen überdiözesanen Stammteil und einen regionalen Anhang gegliedert, so dass die Sondertraditionen, seien sie textlich oder von der Melodie her bedingt, ihren Platz im Gottesdienst behalten. Stolz konnte der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann, der für die neue Ausgabe verantwortlich zeichnet, darauf verweisen, dass etwa die Hälfte der Lieder dem interkonfessionellen Konsens entspricht (sogenannte ö-Lieder) und mit den ökumenischen Partnern beraten wurden.

Insgesamt trägt das neue „Gotteslob“ einer veränderten Gesellschaft Rechnung. Und es bietet allen Laien, die für sich zuhause beten wollen oder in kleineren Gemeinschaften Wortgottesdienste und Gebetstreffen gestalten wollen, gute Hilfestellungen. Dadurch wird es attraktiv, sich ein persönliches Exemplar anzuschaffen und nicht nur in der Kirche auf die dort ausliegenden Bücher zuzugreifen.

Keine Frauenquote in der katholischen Kirche

Die Überschrift überrascht nicht wirklich: Auch wenn die deutschen Bischöfe sich heute für mehr Frauen in Führungspositionen und Leitungsaufgaben der Kirche ausgesprochen haben – eine Frauenquote wollen sie doch nicht einführen. Auch einen Frauenförderplan haben sie nicht beschlossen. Dennoch wollen sie in fünf Jahren überprüfen, ob es ihnen gelungen ist, die Frauenquote zu steigern. Bisher gibt es in den Ordinariaten auf der oberen Leitungsebene 13% Frauen und auf der mittleren Leitungsebene 19 %. Das ist, gegenüber Erhebungen aus dem Jahr 2005, die noch von 5% bzw. 13% ausgegangen sind, eine deutliche Steigerung. Vermutlich ist es in der Öffentlichkeit sogar eher unbekannt, dass es durchaus Frauen in der katholischen Kirche gibt, die Verantwortung in Leitungsfunktionen haben. Zu stark ist die Fixierung auf das Priesteramt, das den Frauen verschlossen ist – und auf absehbare Zeit bleiben wird – als dass die Entwicklung der letzten Jahre wertgeschätzt würde.
Die Bischöfe waren sich, so der zuständige Bischof für die Unterkommission Frauen in Kirche und Gesellschaft, der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode, sehr einig in ihrer Einschätzung, dass die Präsenz der Frauen in den seelsorglichen Aufgaben der Kirche verstärkt werden müsse. Sie bedauern, dass sie die Möglichkeiten, verantwortliche Aufgaben der Kirche mit Frauen zu besetzen, noch viel zu wenig genutzt haben. Die guten Vorsätze sind ehrenhaft, vielleicht auch ein Ergebnis der verzweifelten Einsicht, dass die Kirche der Zukunft nur im Miteinander von Männern und Frauen überhaupt bestehen kann.
Interessant klingt ein Vorschlag, den Kardinal Walter Kasper in die Diskussion eingebracht hat: Er sprach von einem eigenen Diakonenamt, das kein Pendant zum männlichen Diakonat wäre, sondern ein eigenes Amt (sui generis) und das in Anlehnung an Aufgaben in der alten Kirche oder der Ostkirche gestaltet werden könnte. Er sah hier einen Gestaltungsspielraum, der nicht durch die strikte Festlegung des Lehramtes, dass Frauen nicht geweiht werden können, blockiert sei. Es scheint, als ob die Bischöfe gewillt seien, diesen Gedanken aufzunehmen und die Möglichkeiten zu prüfen.
Für die Frauen, die nach voller Gleichberechtigung in der Kirche verlangen, kann das nicht die Lösung sein. Sie fordern nach wie vor die Zulassung zu allen Ämtern. Aber es könnte ein Zeichen sein, dass sich doch etwas bewegt in der katholischen Kirche.

Ziel (wohl) nicht erreicht

„Sie haben das Ziel erreicht!“ So lautet die Botschaft des Navigationsgeräts am Ende einer Fahrt. Mit Blick auf die Piusbruderschaft und Papst Benedikt XVI. sieht es so aus, als werde das Ziel am Ende nicht erreicht. Benedikt XVI. wollte eine Aussöhnung mit den traditionalistischen Anhängern von Erzbischof Lefebvre. Auch wenn es seit Anfang der Woche Spekulationen gibt, die Versöhnung könnte noch auf der Zielgeraden des Pontifikats gelingen, ist das realistisch betrachtet eher unwahrscheinlich. Anfang Januar setzte der Chef der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, der Piusbruderschaft ein Ultimatum bis zum 22. Februar. Bis dahin sollten sie Farbe bekennen, ob sie die ihnen vorgelegte lehramtliche Präambel anerkennen oder nicht. Darin wird die Zustimmung der Piusbrüder zum gesamten Lehramt der katholischen Kirche gefordert – inklusive des II. Vatikanischen Konzils und vor allem inklusive der Anerkennung der Gültigkeit der nachkonziliaren Form der Liturgie.

Die Versöhnungsgeste mit der Rücknahme der Exkommunikation Anfang 2009 löste bei vielen Gläubigen Unsicherheit über den Kurs der Kirche aus – abgesehen noch von dem großen Problem des Holocaustleugners Williamson. Benedikt XVI. ist den Weg trotzdem gegangen. Er hatte sich bewegt, die Piusbrüder scheinen sich bis heute nicht zu bewegen. 1988 hatte der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, mit Erzbischof Lefebvre bereits einen Kompromiss ausgehandelt; doch Lefebvre zog nach 24 Stunden seine Unterschrift wieder zurück. Dass damals die Einigung nicht gelungen ist, lässt Ratzinger bis heute keine Ruhe. Daraus resultiert auch sein hoher Einsatz für die Aussöhnung.

Seit Monaten schweigen die Piusbrüder. Mit der Ankündigung des Amtsverzichts Benedikts XVI. scheinen die Karten nun neu gemischt zu werden. Selbst wenn die Piusbrüder noch bis zum Samstag positiv antworteten, wäre die Zeit bis zum Pontifikatsende zu kurz, um noch alle notwendigen kirchenrechtlichen Fragen zu klären. Sollten die Piusbrüder noch antworten und die Präambel endgültig ablehnen, würde das Pontifikat mit einem weiteren Paukenschlag enden – allerdings einem äußert negativen. Also bleibt diese Frage wohl offen. Es liegt dann in der Hand des neuen Papstes, wie er damit weiter verfährt. Für Benedikt XVI. ist es dennoch eine schmerzliche Erfahrung. Er wollte versöhnen, verstand sein Papstamt als Dienst an der Einheit. Dass ihm das in Bezug auf die Piusbruderschaft nicht gelungen ist, bleibt ein Makel seines Pontifikats. Zumal er einen hohen Einsatz gespielt hatte.

Gottesdienst bei der Vollversammlung in Trier

„Nicht alles ist Papst Benedikt XVI. geglückt.“ Das erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, gestern Abend in seiner Würdigung des scheidenden Papstes und nannte als Beispiel eben das Thema „Piusbruderschaft“. Zollitsch bat zugleich den Papst um Vergebung „für alle Fehler, die vielleicht aus dem Raum der Kirche in Deutschland ihm gegenüber begangen wurden“. Konkrete Beispiele nannte er hier nicht. Die Kirche verliere einen Papst, der ein großer Theologe sei, so Zollitsch. Er bedankte sich im Namen von Millionen Deutschen, die seinen Dienst als Guter Hirte und Brückenbauer „großartig erlebt“ hätten. Zollitsch und viele weitere Bischöfe nehmen am Mittwoch nächster Woche an der Generalaudienz in Rom teil, dem letzten öffentlichen Auftritt Benedikts XVI. Auch wenn der Amtsverzicht des Papstes – außer bei der Würdigung – kein offizielles Thema bei der Frühjahrsvollversammlung ist, wird in den Pausen doch immer wieder über diesen Schritt diskutiert. Nicht alle Bischöfe sind sich sicher, ob es eine richtige Entscheidung ist.

P.S. Urbi et orbi wird unterdessen heftig weiter über den Starttermin des Konklaves spekuliert. Handfestes gibt es aber nach wie vor nicht. Sicher ist, vor dem 1. März wird es nicht beginnen; und dann auch wohl noch nicht so schnell. Denn es gibt immer mehr Stimmen von Kardinälen aus der ganzen Welt, die sagen, dass es durchaus Gesprächsbedarf gibt. Wir werden sehen…

P.P.S. Das ZDF überträgt übrigens am 27.2. die letzte Generalaudienz von Papst Benedikt XVI. live aus Rom. Beginn der Übertragung ist um 10.15 Uhr

Zwischen Exerzitien und Vollversammlung

Die erste Fastenwoche kennt zwei Traditionen: in Rom zieht sich der Papst mit der Spitze der Kurie zu den Exerzitien zurück; in Deutschland treffen sich die Bischöfe zu ihrer Frühjahrsvollversammlung in Trier. In Rom ist daher nach dem Trubel der ersten Tage nach der Ankündigung des Amtsverzichts des Papstes wieder etwas Ruhe eingekehrt. Erstmals gab es heute kein Briefing des Vatikanischen Pressesprechers. Es gibt keine Neuigkeiten; allein die Spekulationen um den Beginn des Konklaves halten an und treiben weitere Blüten. Allerdings haben sich mittlerweile eine Reihe von Kirchenrechtlern zu Wort gemeldet, die der Meinung sind, dass die Kardinäle eine Verkürzung der Wartezeit von 15 Tagen nicht bestimmen könnten. Allein der Papst könne das machen, so lange er noch im Amt ist. Wir werden sehen. Es bleibt spannend an dieser Front.

Interessant ist übrigens, wer in diesem Jahr die Fastenexerzitien leitet: der päpstliche Kulturminister Gianfranco Ravasi. Wie schon an früherer Stelle geschrieben, gehört er zu den Papabile auch wenn dem 70-jährigen quirligen Kurienkardinal viele nur Außenseiterchancen geben. Immerhin spricht er jetzt eine Woche vor der versammelten Kurienspitze. Zählt man die emeritierten Kurienkardinäle noch dazu, ziehen rund 30 Kuriale in das Konklave ein. Ob Ravasi sie überzeugt? Radio Vatikan bietet einen Teil seiner Ansprachen dann auch noch als Podcast an; für Werbung ist also gesorgt.

Großes Medieninteresse bei der Eröffnungspressekonferenz in Trier

Während in Rom eher Schweigen angesagt ist, wird in Trier eher heftig diskutiert. Der Start ins Jahr 2013 war für die katholische Kirche denkbar schlecht. Zunächst platzt die Missbrauchsstudie mit Professor Pfeiffer; dann wird publik, dass einer mutmaßlich vergewaltigen Frau in Kölner kirchlichen Krankenhäusern Hilfe verweigert wurde. Ein Proteststurm fegte über die deutsche Kirche hinweg. Die Bischöfe wollen hier in Trier ausführlich über beide Themen diskutieren. Zwar wird es bis zum Ende der Konferenz am Donnerstag weder beim Thema Missbrauchsstudie noch bei der „Pille danach“ endgültige Antworten geben; doch man will einen wichtigen Schritt vorankommen. In Bezug auf die Studie laufen derzeit Gespräche mit verschiedenen Experten und Einrichtungen. Man rechnet damit, dass bis zum Frühsommer eine Entscheidung fällt, mit dem die wissenschaftliche Aufarbeitung künftig weiter betrieben wird.

Bei der „Pille danach“ haben sich die Bischöfe Rat bei Experten geholt. Entscheidend ist für sie die Frage, gibt es eine Pille, die nur die Befruchtung verhindert, nicht aber das Einnisten einer bereits befruchteten Eizelle. Ersteres wäre für die Bischöfe wohl moralisch vertretbar; letzteres auf keinen Fall. Hier streiten sich derzeit noch die Medizinexperten. Daher wird es für die Bischöfe schwierig sein, in Kürze zu einer abschließenden einheitlichen Entscheidung zu kommen. Allerdings scheint auch klar, dass hinter die Position des Kölner Kardinals Meisner man wohl auch nicht mehr zurückkann. Nach den Beratungen in Trier ist dann die Glaubenskommission der Bischofskonferenz am Zug unter der Leitung von Kardinal Lehmann. Der hat sich in Rheinlandpfalz auch schon auf der Linie Kardinal Meisners festgelegt.

Beim Studientag beschäftigen sich die Bischöfe bei ihrer Vollversammlung mit dem Thema „Frauen und Kirche“. Dabei soll es unter anderem darum gehen, wie Frauen mehr in verantwortlichen Positionen in der Kirche kommen können. Allerdings ist dabei nicht an Weiheämter wie Diakonin oder Priesterin gedacht. Ob es einen Frauenförderplan auf Bundesebene geben wird, ließ der Konferenzvorsitzende Zollitsch heute offen. In seinem Heimatbistum Freiburg soll ein solcher aber in Kürze in Kraft treten, erklärte er vor Journalisten. Die sind zahlreich nach Trier gekommen. Rund 100 Journalisten haben sich akkreditiert und damit deutlich mehr als sonst. Mit dem Papstrücktritt, den Diskussionen um die Pille danach und die Missbrauchsstudie sind die Bischöfe einmal mehr ins Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt. Dabei sparte Zollitsch auch nicht vor Kritik an den Medien, die nach Motto arbeiteten, „nur schlechte Nachrichten seien gute Nachrichten“. Dadurch prägten einige negative „Einzelfälle“ das Gesamtbild der Kirche. Das große positive Engagement der Kirche in und für die Gesellschaft werde hingegen nicht wahrgenommen. Die Bischöfe wollen sich auch damit beschäftigen, wie die Kirche derzeit in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, und beraten, wie sie reagieren können. Man darf gespannt es, ob es bei einer reinen Medienschelte bleibt oder ob die Bischöfe auch eingestehen, dass die kritische Sicht der Kirche auch selbst verschuldet ist.

P.S. Morgen, Dienstag, gibt es übrigens im ZDF einen Thementag „Kirche“. In den aktuellen Sendungen vom Morgenmagazin bis zum Heute Journal berichtet das ZDF über das Thema „Kirche“.

P.P.S. Morgen gibt es hier dann auch Neues zur Piusbruderschaft und zur Würdigung des scheidenden Papstes durch die Deutsche Bischofskonferenz.

Fahren auf Sicht im dichten Nebel

So lautet derzeit die Devise im Vatikan. Die Situation des Amtsverzichts des Papstes ist neu. Deshalb hangelt man sich von Tag zu Tag. Da kann es schon auch mal passieren, dass Aussagen vom Vortag plötzlich ins genaue Gegenteil verkehrt werden – mit einem Lächeln des vatikanischen Pressesprechers garniert. Obwohl der am aller wenigsten dazu kann. Mit größtmöglicher Offenheit versucht Federico Lombardi seit einer Woche nun Licht in die undurchsichtige Gemengelage zu bringen. Geduldig beantwortet er die Fragen der Journalisten, auch wenn sie schon zum zigsten Mal gestellt wurden. Could you now please in English? En francaise, s.v.p.!? Aus einem als kurz angekündigten Briefing werden da schnell 90 Minuten, wie zuletzt am Samstag.

Immerhin gab es am Samstag dann doch etwas Neues zu erfahren. Hatte Lombardi zuvor immer betont, das Konklave werde zwischen dem 15. und 20. März beginnen, schwenkte er plötzlich um und erklärte, dass man prüfe, ob es nicht auch schon vorher beginnen könne. Kehrtwende um 180 Grad bei voller Fahrt. Bis Freitag lautete die Devise, die Kardinäle bräuchten die Zeit von 15 Tagen, um sich besser kennenzulernen und die Situation der Kirche zu studieren. Immerhin geht es um ein wichtiges Amt, das zu besetzen ist. Teilnehmer des letzten Konklaves berichten, dass die Zeit des Vorkonklaves nicht unterschätzt werden darf. Hier geht es nicht nur um Organisatorisches. Es werden wichtige Weichen gestellt. Das geschieht zwar in der Regel weniger in den offiziellen Kardinalsversammlungen, den Kardinalskongregationen, die täglich stattfinden, sondern in den Pausen, am Nachmittag und Abend in den diversen Unterkünften der Kardinäle.

Seit Samstag gilt nun die Devise, dass die Kardinäle durch den langen Vorlauf des Amtsverzichts schon genügend Zeit hätten, ihre Reise nach Rom zur organisieren. Dazu geht man im Vatikan davon aus, dass die meisten Kardinäle bereits zum 28. Februar in den Vatikan kommen, um am Abschiedstreffen der Kardinäle mit dem scheidenden Papst teilzunehmen. Das findet am Vormittag in der Sala Clementina im Vatikan statt. Daher sehe man eine Chance, die entsprechende 15-Tage-Regelung der Sedisvakanz-Ordnung von Johannes Paul II. verkürzen zu können. Dort heißt es in Artikel 37: „Ferner bestimme ich, dass die anwesenden wahlberechtigten Kardinäle nach Eintritt der rechtmäßigen Vakanz des Apostolischen Stuhles fünfzehn volle Tage auf die abwesenden warten müssen.“ Was ist nun aber, wenn schon alle früher da sind? Kann man dann auch schon früher beginnen?

Darüber diskutiert man jetzt im Vatikan. Doch darf man die Regeln überhaupt ändern? Dazu steht in der bereits erwähnten Ordnung in Artikel 5: „Falls Zweifel über die in der vorliegenden Konstitution enthaltenen Vorschriften oder über die Art und Weise ihrer Durchführung auftreten sollten, so verfüge ich förmlich, dass dem Kardinalskollegium alle Vollmacht zusteht, diesbezüglich ein Urteil zu fällen. Diesem erteile ich deswegen die Erlaubnis, die zweifelhaften oder strittigen Punkte zu interpretieren, wobei ich bestimme, dass es bei den Beratungen über diese und andere ähnliche Fragen, mit Ausnahme des Aktes der Papstwahl selber, genügt, dass die Mehrheit der versammelten Kardinäle zur gleichen Auffassung kommt.“ Außerdem ist Benedikt XVI. bis zum 28. Februar völlig frei, die Ordnung entsprechend zu ändern bzw. klarzustellen, dass das Konklave wegen der besonderen Situation auch früher beginnen könnte. 

Fest steht auf jeden Fall, dass es nach der bestehenden Ordnung die Kardinäle sind, die in einer der ersten Generalkongregationen das Datum für das Konklave festlegen. Der Camerlengo und der Dekan des Kardinalskollegiums können zwar Vorschläge für ein Vorziehen des Beginns unterbreiten, es aber nicht entscheiden. Die Generalkongregationen beginnen aber erst nach dem Rücktritt des Papstes. Es wird vermutet, dass die erste am 1. März stattfindet. Es ist unwahrscheinlich, dass noch am 28. Februar am Abend eine solche Versammlung stattfindet. Allerdings ist bei der aktuellen Nebelfahrt auch nichts auszuschließen. Man gewinnt in Rom an einigen Stellen den Eindruck, dass es manchen nicht schnell genug gehen kann mit der Wahl. Will man damit allzu große Diskussionen über den Zustand der Kirche sowie das Positive und Negative des zu Ende gehenden Pontifikats verhindern? Interessant ist ja, dass im Sinne von Artikel 5 der Ordnung diejenigen Kardinäle mit einfacher Mehrheit über den Zeitpunkt des Konklaves bestimmen, die bereits zu einem frühen Zeitpunkt in Rom sind. Und das werden vor allem die Kurienkardinäle sein; doch Gesprächsbedarf haben gerade viele Kardinäle aus der Weltkirche. Das Ringen um Einfluss und Deutungshoheit hat also längst begonnen. Wir sind mitten im Vorkonklave.

Benedikt XVI. hat unterdessen gestern Abend mit den traditionellen Fastenexerzitien begonnen. D.h. es gibt bis Samstagmorgen keine Termine – von den dreimal täglich je rund  30 Minuten dauernden Meditationen einmal abgesehen. Die hält übrigens in diesem Jahr der päpstliche Kulturminister, Kardinal Gianfranco Ravasi. Ein Italiener mit Außenseiterchancen auf die Nachfolge. Über die Papabile dann nächste Woche mehr hier.

Beim mittäglichen Angelusgebet hat Benedikt XVI. noch einmal eines der zentralen Themen seines Pontifikats angesprochen: die entschiedene Neuausrichtung des Menschen auf Gott. „Entdecken wir den Glauben an Gott wieder als Grundlage und Kriterium für unser Leben und das Leben der Kirche!“ Er sprach von Überwindung von Stolz und Individualismen. Jeder müsse sich entscheiden, ob er dem eigenen Interesse oder dem eigenen Wohl folgen wolle. Es fällt auf, dass Benedikt XVI. in den letzten Tagen des Pontifikats immer wieder auch die Kirche selbstkritisch mit in den Blick nimmt.

Warum gerade jetzt?

Warum tritt Benedikt XVI. jetzt zurück? Darüber wird rund um den Globus auch fünf Tage nach Bekanntgabe der Entscheidung heftig diskutiert. Es gibt viel Anerkennung für den Schritt; aber auch Kritik. Bis hinein ins Kardinalskollegium und die Führungsriege der römischen Kurie gibt es einzelne Vertreter, die den Amtsverzicht für einen großen Fehler halten. Sie sehen das Papstamt beschädigt. Der Schritt birgt aber auch eine große Chance. Es liegt an den Kardinälen und am Nachfolger Benedikts, aus dem Rücktritt etwas Positives für die Kirche zu machen.

Weltweit auf Seite 1 - der Amtsverzicht (dpa)

Aber warum jetzt? Klar ist, ein Rücktritt war für Benedikt XVI. nie ein Tabu. Im Juli 2010 hat er am Grab seines Vorgängers Coelestin V., der im 13. Jahrhundert freiwillig abdankte, sein Pallium abgelegt, eines der zentralen Zeichen seines Amts. Schon damals war klar: Wer Augen hat zu sehen, der sehe! In seinem Interviewbuch „Licht der Welt“ vom November 2011 sagt er ganz offen, dass ein Rücktritt vorstellbar und angebracht ist, wenn die Kräfte nicht mehr reichen. Sein damaliger Interviewer, der Journalist Peter Seewald, berichtet jetzt von seinem letzten Treffen mit Benedikt XVI. vor etwa 10 Wochen. Seewald arbeitet derzeit an einer Biografie über Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. und hatte im letzten Jahr mehrfach die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. In einem Artikel für das Nachrichtenmagazin Focus, der am Montag erscheint, berichtet Seewald nun über die Begegnungen. Auf die Frage, was von seinem Pontifikat noch zu erwarten sei, habe Benedikt XVI. geantwortet: „Von mir? Nicht mehr viel. Ich bin doch ein alter Mann. Die Kraft hört auf. Ich denke, das reicht aus, was ich gemacht habe.

Laut Fokus stammt diese Aussage vom Sommer (!) letzten Jahres. Da war für Benedikt XVI. die grundsätzliche Entscheidung für den Rücktritt schon gefallen; denn, wie hier schon berichtet, war für den Papst nach der Reise nach Mexiko und Kuba im März 2012 klar, dass das Amt zu strapaziös wird. Ein Rücktritt in 2012 kam für Ratzinger aber nicht in Frage. Im bereits zitierten Interviewbuch hatte er nämlich auch gesagt, dass er in schwierigen Zeiten nicht davonlaufen könne und wolle. Und 2012 war mit dem Vatikleaks-Skandal ein schwieriges Jahr. Nach den Prozessen und der Begnadigung des ehemaligen Butlers zum letzten Weihnachtsfest, war Krise fürs erste, zumindest in der Öffentlichkeit, überwunden. Dass der Vatileaks-Skandal nicht der Anlass für den Rücktritt war, behauptet nun Peter Seewald laut Fokus. Denn erstmals hatte der Papst mit einem Journalisten über das Thema gesprochen. Der Verrat habe ihn weder aus der Bahn geworfen noch amtsmüde gemacht. Es wäre „nicht so, dass ich irgendwie in eine Art Verzweiflung oder Weltschmerz verfallen würde. Es ist mir einfach unverständlich.“ So zitiert Seewald den Papst mit Blick auf die Taten des ehemaligen Kammerdieners Paolo Gabriele. Benedikt sei wichtig gewesen, dass die Justiz im Vatikan unabhängig arbeitete.

Das Gespräch mit Seewald über Vatileaks fand im Sommer statt. Am 17. Dezember traf der Papst die dreiköpfige Kardinalskommission, die er parallel zur vatikanischen Justiz mit Untersuchungen beauftragt hatte. Die Kardinäle sollen Benedikt XVI. einen zweiten Untersuchungsbericht übergeben haben. Er wurde, wie schon der erste vom Sommer 2012, nie veröffentlicht. Doch dem Vernehmen nach sollen darin erschütternde Informationen über Machenschaften und die Verhältnisse im Vatikan enthalten sein. War dieser Bericht der Auslöser für Benedikt, möglichst bald zurückzutreten? Musste er erkennen, dass seine Kraft nicht mehr für ein Aufräumen in der Kurie reicht? Mehr als Spekulation bleibt das nicht.

Fest steht, der Rücktritt wurde zum Ende des vergangenen Jahres konkreter. Als im Herbst die Schwestern des Karmel im Vatikan turnusgemäß das Kloster verließen, rückten keine neuen Ordensfrauen nach. Mit der Begründung, man müsse das Haus für Kardinäle herrichten, begannen die Umbauarbeiten. Es ist davon auszugehen, dass Benedikt XVI. Ende April/Anfang Mai in den endgültigen Altersruhesitz hinter der Apsis von Sankt Peter wird einziehen können.

Fest steht auch, dass der Terminkalender für 2013 von Anfang an schlank gehalten wurde. Es gab keine Reisen, außer dem Weltjugendtag in Rio de Janeiro. Doch immer wenn Benedikt XVI. die Jugendlichen zu diesem Treffen einlud, hat er stets vermieden, von seiner eigenen möglichen Präsens zu sprechen. Man war zwar wie selbstverständlich davon ausgegangen; doch Ratzinger hielt sich zurück. Ende November konnte man im Vatikan hören, dass man nicht davon ausgehen solle, dass Benedikt XVI. noch einmal eine lange Flugreise machen werde. Wer Ohren hat zu hören, der konnte damals hören. Doch die Anwesenden wollten oder konnten es nicht hören.

Fest steht auch, dass Benedikt XVI. mit der Ernennung seines Privatsekretärs Georg Gänswein Anfang Dezember zum Präfekten des Päpstlichen Hauses und der damit verbundenen Erhebung in den Rang eines Erzbischofs für die Zukunft seines engsten und treuesten Mitarbeiter gesorgt hat. Der Posten des Präfekten wurde durch die Beförderung James M. Harveys zum Kardinal und Erzpriester der Basilika St. Paul vor den Mauern im Konsistorium Ende November 2012 freigemacht.

Fest steht auch, dass die Kräfte Benedikt XVI. weiter abnahmen. Das ist ganz natürlich – mit weit über 85 Jahren, dem Arbeitspensum und vor allem der Verantwortung, die der Papst zu tragen hat.

Ein Rücktritt im Verlauf des Jahres hätte also nicht unbedingt überrascht – etwa zum 86. Geburtstag am 16. April. Dann wäre auch noch die Glaubensenzyklika erschienen, die man für März erwartet hatte. Eigentlich war sie vor Weihnachten schon fertig. Jetzt kommt sie gar nicht mehr, warum?

Warum gerade jetzt? Passte der Gedenktag der Muttergottes von Lourdes am 11. Februar gut als Tag für die öffentliche Ankündigung des Amtsverzichts, eines Rücktritts, weil die „Kraft des Körpers und des Geistes“ derart abgenommen hat, dass es nicht mehr reicht, das „Schifflein Petri zu steuern“? Interessant finde ich hier übrigens, dass er auch von der abnehmenden Kraft des Geistes spricht!? Passte vielleicht die Fastenzeit gut für die Suche nach einem neuen Nachfolger Petri? Als Zeit, in der die Kirche durch die Kardinäle in den Kardinalsversammlungen und dem Konklave eine Selbstvergewisserung betreibt? Buße tut? In der Predigt bei seinem letzten großen öffentlichen Gottesdienst am Aschermittwoch sprach Benedikt XVI. nicht über die Gesellschaft oder die Welt, gar den von ihm gerne bemühten Relativismus. Es ging um die Kirche! Er verurteilte Individualismen und Rivalitäten. Ist das sein schmerzliches Fazit nach knapp acht Jahren Papst?

Wollte Benedikt XVI. sich die Strapazen der anstrengenden Osterfeierlichkeiten ersparen? Pressesprecher Federico Lombardi erklärte, die Zeit nach Ostern sei eine pastoral sehr intensive Zeit für die Kardinäle in aller Welt. Da wäre ein Konklave ungelegener gekommen als jetzt vor Ostern.

Fest steht, der Rücktritt wäre auch zu einem anderen Zeitpunkt ungelegen gekommen und es hätte Diskussionen gegeben über das „warum gerade jetzt“. Wichtig ist das Faktum. Benedikt XVI. hat sich nicht von Unglückspropheten abhalten lassen, die in der Vergangenheit angesichts eines möglichen Amtsverzichts des Papstes vor negativen Konsequenzen wie einem Schisma warnten. Als Theologe ist er sich sicherlich auch bewusst, was sein Schritt für das Papstamt bedeutet. In seiner zunehmenden Schwäche beweist Benedikt XVI. vielleicht im Rückblick seine größte Stärke. Und bei der Frage nach dem „warum gerade jetzt“, liegt, wie so oft im Leben, die Wahrheit wohl in der Verbindung aus unterschiedlichen Gründen.

Ein sorgfältig vorbereiteter Rücktritt

Die katholische Kirche brauche einen Papst, der mit Entschiedenheit und Klarheit die Grundlinien des Glaubens und des Ethos der Kirche vertrete. Dies sagt der Mainzer Kardinal Karl Lehmann in der ZDF-Sendung „sonntags – TV fürs Leben“. Das Gespräch mit Moderator Gert Scobel wird morgen um 9.02 Uhr im ZDF ausgestrahlt. Ein Papst habe die Aufgabe, ein ausgewogenes Verhältnis der Einheit in der Vielfalt herzustellen. „Ich glaube, dass an manchen Stellen der Kurie, nicht überall, wieder zentralistische Tendenzen überhand genommen haben“.

Der Rücktritt Papst Benedikt XVI. habe auch ihn überrascht. Aber: „In der Rückschau sieht man die sorgfältige Vorbereitung“ dieses Schrittes durch den Papst, meinte der Kardinal und nannte als Anzeichen dafür, dass er sein Haus bestellt habe z.B. die Ernennung seines Sekretärs Georg Gänswein zum Erzbischof und das ungewöhnliche zweite Konsistorium im vergangenen Jahr (in dem der Papst die Zahl der wahlberechtigten Kardinäle noch einmal ergänzt hatte). Vielleicht hätten auch die Enttäuschungen im Amt dazu beigetragen, sagte Lehmann in Anspielung auf die Vatileaks-Affaire. Bis heute seien die Untersuchungsergebnisse der Kardinalsgruppe nicht bekannt, „vielleicht gibt es da auch noch mehr Anlass zu Enttäuschungen“.

Der Kardinal räumte auch ein, dass der Papst eher einsam gewesen sei. Dies läge in seiner Persönlichkeit, da er immer eher zurückgezogen gewesen und an seinen Schreibtisch gegangen sei, aber auch an der Atmosphäre der Kurie. Ein Papst könne nicht beliebige Kontakte haben.

Jeder Papst bringe seine Kernkompetenz mit in das Amt, „das ist kein Beruf, den man lernt“. Er brauche aber auch gute Mitarbeiter, und ob Benedikt XVI. die immer gehabt habe, könne man bezweifeln. Ein Papst sei auch nicht nur Vertreter des eigenen Amtes, sondern müsse sich auch die Sorgen und Nöte von anderen, die mit ihm zusammen sind, zu eigen machen. Kardinal Lehmann würdigte den Papst als einen großen geistigen Führer, der schon in seinen frühen Schriften auf die Einwände seiner Kritiker geantwortet habe. „Ich glaube, es war ein Segen für die Kirche, dass er mit seinem theologisch-spirituellen Ansatz eine Vertiefung des Glaubens geboten hat. Wir brauchen eigentlich nichts dringender, als dass wir selbst besser überzeugt sind von der Wahrheit des Glaubens, dass wir die Leute motivieren können“, sagte Lehmann.

Habemus presidentem

Heute ist das Thema Papstrücktritt etwas in den Hintergrund gerückt. Beim täglichen Pressebriefing von Vatikansprecher Federico Lombardi stand der neue Chef der Vatikanbank IOR im Mittelpunkt des Interesses: der Deutsche Ernst Freiherr von Freyberg. Der 54-jährige Jurist aus Frankfurt ging als Sieger aus einem siebenmonatigen Auswahlverfahren hervor. Ihm steht eine schwierige Aufgabe bevor. Die Finanzgeschäfte der Vatikanbank waren in der Vergangenheit oft undurchsichtig. Immer wieder kam es zum Streit mit der italienischen Zentralbank. Diese sah internationale Regeln gegen Geldwäsche, Finanzierung des Terrorismus und Korruption nicht ausreichend umgesetzt. Die Fachkommission des Europarats gegen Geldwäsche „Moneyval“ hatte dem Vatikan im letzten Sommer ein mittelmäßiges Zeugnis ausgestellt. Von Freyberg soll es nun zusammen mit dem Schweizer Geldwäschebekämpfer Rene Brülhart richten.

 Die Erleichterung war Pressesprecher Lombardi ins Gesicht geschrieben, als er heute Mittag den Namen verkündete. Es war fast schon, wie bei einer Papstwahl. Er zitierte den Interimspräsidenten des IOR, den deutschen Ronaldo Schmitz, mit den Worten, das sei ein großer Tag für das IOR. Doch die Freude wurde gleich wieder getrübt, als die Frage von Journalisten aufkam, ob von Freybergs zweiter Arbeitgeber, die Blohm+Voss-Gruppe in Hamburg, nicht auch Militärschiffe baue. Unruhe im Pressesaal. Man reichte Lombardi nach einigen Minuten einen Zettel mit der Nachricht, dass dies nicht (mehr) der Fall sei. Blohm+Voss baue keine Kriegsschiffe mehr. Dann am Nachmittag die Korrektur, es würden doch noch vier Stück gebaut. Also schon wieder ein Skandal? Und das, obwohl betont wurde, dass der Kandidat auf beruflichem und moralischem Gebiet geprüft worden sei!?

 Die Sache taugt nicht zum Skandal. Zwar ist es richtig, dass Blohm+Voss Shipyard gegenwärtig noch vier Fregatten für die Bundesmarine baut. Doch hierbei handelt es sich um die Abwicklung alter Verträge, als die Sparte mit Rüstungsgütern noch zu dem Firmenverbund gehörte. Seit Februar 2012 kann man bei Blohm+Voss Shipyard nur noch zivile Schiffe kaufen und reparieren lassen, so die Auskunft der Firma heute.

 Mit der Personalie von Freyberg dürfte Benedikt XVI. eine seiner letzten wichtigen Personalentscheidungen getroffen haben. Auch wenn der Jurist von der für das IOR zuständigen Kardinalskommission ernannt wurde, geschah dies erst nach Zustimmung des Papstes. Für Benedikt XVI. ist damit ein wichtiges Kapitel seines Pontifikats zumindest personell abgeschlossen. Er hatte sich stark gemacht dafür, dass die Bank sauber arbeitet. Dafür gab es auch so manchen Gegenwind im Vatikan.

Das Erbe des Papstes!?

Liturgie, Kirche, Offenbarung und der Dialog mit der Welt. Das sind für Benedikt XVI. die großen Themen des II. Vatikanischen Konzils und, wie es scheint, auch seine großen Themen. Denn er hat sie heute in den Mittelpunkt der vorletzten großen Ansprache seines Pontifikats gestellt. Es war ein bewegender Moment heute im Vatikan: der scheidende Bischof von Rom mit seinem Klerus – versammelt zur traditionellen Begegnung am Beginn der Fastenzeit. Langer Applaus, als Benedikt kommt; dann die etwas brüchige Stimme, an einigen Stellen nur schwer zu verstehen. Der Kammerdiener bringt ein Glas mit Wasser. Und dann wirkt die Situation fast so, als erzähle ein Papa oder eher ein Opa seinen Söhnen oder Enkeln von „dem“ Ereignis schlechthin. Es ist ein seltsamer Kontrast: die etwas raue, belegte Stimme und zugleich die Begeisterung, die in ihr liegt, wenn Benedikt XVI. über das II. Vatikanische Konzil spricht. 45 Minuten freie Rede.

Benedikt XVI. erzählt vom Konzil.

Er verteidigt die Liturgiereform, die endlich wieder alte Schönheit und Reichtum entdeckt habe, warnt zugleich aber vor einer Banalisierung. Vor allem die aktive Beteiligung des Volkes Gottes scheint ihm wichtig. Beim Thema Kirche erinnert er an die Reformbewegungen in der Kirche, die es bereits ab den 1930er Jahren gegeben habe. Damals habe man zu Recht formuliert – aus Sicht der Gläubigen – „Wir sind Kirche!“ Diese Vorstellung habe das Konzil dann in eine Ekklesiologie (theologische Reflexion über die Kirche) gießen wollen. Das Schlüsselwort sei Communio. Communio der Gläubigen, aber auch Communio unter den Bischöfen mit dem Papst. Das I. Vatikanum mit seiner fragmentarischen Ekklesiologie von der Unfehlbarkeit, sei komplettiert worden durch das Prinzip der Kollegialität. Ganz wichtig für Benedikt XVI.: Ökumene und interreligiöser Dialog, sowie die Öffnung der Kirche zur Welt. Die Rede war zum Abschied auch noch einmal ein klares Signal an die traditionalistische Piusbruderschaft, dass es ein zurück hinter das Konzil nicht geben kann.

Ein Satz der Ansprache wurde mit großer Aufmerksamkeit aufgenommen: „Auch wenn ich mich jetzt zurückziehe, bin ich doch im Gebet euch allen immer nahe, und ich bin mir sicher, dass auch ihr mir nahe sein werdet, auch wenn ich für die Welt verborgen bleiben werde.“ Wird sich Benedikt XVI. wirklich völlig zurückziehen? Das mag unter den Journalisten hier niemand so richtig glauben. Das merkt man an den Fragen, die sie beim täglichen Briefing an Pressesprecher Lombardi stellen. Was passiert etwa mit der Glaubensenzyklika, die vorbereitet ist und bis zum 28. nicht mehr veröffentlicht wird? Eines scheint zumindest klar, Benedikt XVI. wird von seinem langjährigen Privatsekretär, Erzbischof Georg Gänswein, auch nach Castelgandolfo und später in das Kloster im Vatikan begleitet; ebenso von den vier Frauen, die ihm bisher den Haushalt führen. Gänswein behält daneben seinen Posten als Präfekt des Päpstlichen Hauses bei, wird also auch über den Terminkalender des neuen Papstes mitbestimmen. Sein Einfluss an zentraler Stelle bleibt über das Ende des Pontifikats Benedikts XVI. gesichert. Es sei denn, dieser ernennt einen neuen Präfekten.

Das Amt des Präfekten des Päpstlichen Hauses ist eines der wenigen Spitzenämter der Kurie, die mit Eintritt der Sedisvakanz nicht enden. Denn die Leiter der Dikasterien treten mit dem Rücktritt des Papstes automatisch ebenfalls zurück. Der neue Papst ist dann frei, sie wieder einzusetzen; was meistens auch geschieht, aber kein Muss ist. Auffallend ist übrigens für viele Beobachter, dass der Chef der Glaubenskongregation und enge Vertraute Benedikts XVI., Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, nicht ins Konklave mit einzieht. Er nimmt auch nicht an den Beratungen über die Situation der Kirche und ein mögliches Profil des neuen Pontifex teil, die ja in den Kardinalskongregationen, also den täglichen Kardinalsversammlungen, in der Zeit der Sedisvakanz stattfinden. Wenn Benedikt aber schon seit Mitte letzten Jahres wusste, dass er in absehbarer Zeit zurücktreten wird, warum hat er dann den Chef der „Suprema“, der wichtigsten Kurienbehörde nach dem Staatssekretariat, beim Mini-Konsistorium Ende November letzten Jahres nicht zum Kardinal gemacht?

Eine der vielen offenen Fragen in diesen Tagen. Gewissheit scheint es aber über den Beginn des Konklaves zu geben. Pressesprecher Lombardi teilt mit, dass es keinen Anlass gebe, daran zu zweifeln, dass die Kardinäle die Regeln der Wahlordnung einhalten. D.h. zwischen dem 15. und 20. Tag nach Eintritt der Sedisvakanz beginnt das Konklave – also zwischen dem 15. und 20. März. Die Kardinäle bräuchten die Zeit zum Austausch und zu Beratungen, erklärte Lombardi. Spannende Zeiten in Rom und für die katholische Kirche – Ausgang offen!