Zimmer frei!

Papst Franziskus geht weiter seinen eigenen Weg. Bis auf Weiteres wird er nicht in die Papstwohnung im dritten Stock des Apostolischen Palasts einziehen. Das erklärte heute Vatikansprecher Federico Lombardi. Die Wohnung sei fertig renoviert; doch der neue Papst ziehe es vor, noch einige Zeit im vatikanischen Gästehaus Santa Marta zu wohnen. Wie lang das dauern wird, konnte Lombardi heute nicht sagen. Man sei in einer Phase des Experimentierens und der Einführung, so der Jesuit gegenüber Journalisten. Papst Franziskus wolle mit den Menschen leben. Deshalb bleibe er vorerst in Santa Marta. Dort sei er allerdings mittlerweile in die „Papst-Suite“ umgezogen. Zimmer Nr. 201 bietet einen kleinen Empfangsraum, in dem unter anderem die Audienzen für die Kurienmitarbeiter stattfinden. Für offizielle Termine etwa mit Politikern nutzt Franziskus die üblichen Audienzräume im zweiten Stock des Apostolischen Palasts. Auch wird er den Angelus an Sonntagen laut Lombardi vom Fenster des Arbeitszimmers in der Terza Loggia beten, wie üblich.

Vorerst unbenutzt - die Papstwohnung im 3. Stock.

In Santa Marta sind unterdessen wieder die rund 40 Kurienmitarbeiter eingezogen, die in dem Gästehaus ihre dauerhafte Bleibe haben und für die Zeit des Konklaves ausquartiert worden waren. So lebt der neue Papst unter den Kurialen und den sonstigen Gästen. Er feiert mit ihnen am Morgen um 7 Uhr die Heilige Messe und isst im Speisesaal mit ihnen. Ein Lebensstil, der noch vor wenigen Tagen für einen Pontifex undenkbar gewesen wäre, alleine schon aus Sicherheitsgründen. Denn Benedikt XVI. wurde von den Personenschützern oft weiträumig abgeschirmt. Selbst wenn er sich innerhalb des Vatikans bewegte, mussten Türen und Fenster geschlossen bleiben. Wenn Papst Ratzinger in den vatikanischen Gärten spazierte, durfte dort meist niemand sonst sein. Das hat sich nun schnell geändert. Franziskus sucht den Kontakt zu den Menschen und die Sicherheitsleute haben diesen neuen Stil in kürzester Zeit adaptiert.

So wird es sicherlich auch noch viele weitere Änderungen geben. Franziskus bewahrt sich seine Eigenständigkeit. Allein schon durch die Entscheidung, derzeit nicht in die Papstwohnung zu ziehen, setzt er ein klares Zeichen. Selbst wenn er in einigen Wochen oder Monaten doch dort einziehen sollte, signalisiert er mit seiner heutigen Entscheidung, dass die in katholischen Kreisen gerne bemühte Begründung: „Das war schon immer so!“ für ihn nicht zählt. Die vielleicht auf den ersten Blick für manche eher nebensächlich wirkende Entscheidung des Aufenthaltsorts verschafft ihm Respekt und Handlungsspielraum auch auf anderen Gebieten. Er ist und bleibt ein freier Geist. Das wird ihn nicht davon befreien, sich auch der ein oder anderen Tradition päpstlicher Amtsausübung unterordnen zu müssen. Auch Franziskus wird sich bewegen müssen. Er wird seinen Stil, den er als Erzbischof von Buenos Aires pflegte, nicht eins zu eins auf das Papstamt übertragen können. Doch er zeigt, dass er sich auch nicht allzu schnell in vorgefahrene Spuren hineindrängen lässt. Natürlich hilft ihm dabei der revolutionäre Amtsverzicht seines Vorgängers. Benedikt XVI. hat damit den Weg für Neues, Anderes frei gemacht. Der Papst, dem man immer wieder vorgeworfen hat, die Kirche nach Rückwärts hin orientieren zu wollen, hat die Möglichkeit für einen Aufbruch und einen Neuanfang geschaffen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.