Der Papst im Knast
Viele Bischöfe feiern Gottesdienste in Gefängnissen. Meist machen sie das rund um Weihnachten. Auch Päpste waren schon oft in Gefängnissen zu Besuch, angefangen vom seligen Papst Johannes XXIII. über Johannes Paul II. und zuletzt Benedikt XVI. Der hatte im März 2007 eben jenes römische Jugendgefängnis Casal del Marmo besucht, in dem heute sein Nachfolger Franziskus war. Einerseits ist der Besuch also nichts Neues; das Besondere ist aber, dass der neue Papst ausgerechnet am Gründonnerstagabend den Gottesdienst dort feiert. In dieser Messe wird an das Letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern erinnert; gleichsam die Einsetzung der Eucharistie nach katholischem Verständnis. Wenn ein Papst einen solchen wichtigen Gottesdienst mit Häftlingen feiert, dann ist das ein starkes Zeichen. Getoppt dann noch durch den Ritus der Fußwaschung. Das Oberhaupt der katholischen Kirche, nach katholischem Verständnis der Stellvertreter Christi auf Erden, wäscht 12 Gefangenen die Füße. Was für ein Zeichen!
Das war bisher unvorstellbar. Die früheren Päpste haben bei diesem Ritus meist Klerikern die Füße gewaschen. Franziskus macht nun das, was er seit Tagen als Papst und seit vielen Jahren als Erzbischof von Buenos Aires predigt. Er geht zu denen, die am Rande (der Gesellschaft) stehen und lebt ihnen die christliche Botschaft vor, so wie er sie verstanden hat. Eine liebende Zuwendung zu denen, die am Rande stehen; nicht um sie zu missionieren, weil das hier gelegentlich in den Kommentaren so angedeutet wird. Es ist ein uneigennütziges Sich-Zuwenden, um es etwas theologisch auszudrücken. Dass Franziskus für den Gottesdienst heute ein Jugendgefängnis gewählt hat, dürfte kein Zufall sein. „Padre Bergoglio“, wie er in Argentinien genannt wurde, sorgte sich besonders um das Schicksal von Jugendlichen, ihre Ausbildung in Schule und Beruf. Mehrfach kritisierte er, dass allein im Raum Buenos Aires mehr als zwei Millionen Jugendliche ohne Arbeit und Ausbildung lebten.
50 Jugendliche nahmen an dem Gottesdienst teil. Unter den Gefangenen waren auch Nichtkatholiken. Zwei der zwölf Jugendlichen, denen der Papst die Füße gewaschen hatte, waren junge Frauen, eine von ihnen eine Muslima. Nach dem Gottesdienst traf sich Papst Franziskus in der Sporthalle des Gefängnisses noch mit den übrigen Jugendlichen und Mitarbeitern des Gefängnisses. An der Begegnung nahmen etwa 150 Personen teil. Die Jugendlichen schenkten dem Papst ein Kreuz und eine Kniebank, beides aus Holz und von ihnen selbst gefertigt. Der Papst revanchierte sich mit Eiern und „Tauben“, dem typischen Ostergebäck in Italien in Form einer Taube.
Franziskus hat mit dem Gottesdienst in Casal del Marmo ganz praktisch gezeigt, was er am Vormittag in seiner Predigt bei der Chrisammesse im Petersdom den Priestern mit auf den Weg gegeben hatte: Sie sollen Hirten sein mit dem „Geruch der Schafe“ und nicht Verwalter. Die Priester müssen das Alltagsleben der Menschen erreichen, auch in den Randgebieten wo Blutvergießen, Leiden und Blindheit herrscht. Dabei wurde der Papst auch sehr konkret und rief die Priester auf, in ihren Predigten die Alltagswirklichkeit der Menschen einzubeziehen und nicht über ihre Köpfe hinweg zu sprechen.
Übrigens hat Papst Franziskus angeordnet, dass für die Gottesdienste in den nächsten Tagen im Petersdom 4.000 Einlasskarten an die Caritas des Bistums Rom gegeben werden. Diese werden dann an Menschen verteilt, die deren Dienste in Anspruch nehmen. Die Präfektur des Päpstlichen Hauses brachte diese Geste etwas ins Schwitzen; denn die rund 9.000 Karten für die Sitzplätze im Petersdom sind über die Kar- und Ostertage heiß begehrt und in den letzten Jahren immer schnell vergriffen gewesen. So wird für viele Pilger und Touristen wohl nur der Blick auf einen der Großbildschirme auf dem Petersplatz bleiben.
P.S. Die Karten für die Teilnahme an Veranstaltungen mit dem Papst sind selbstverständlich kostenlos.
P.P.S. Interessant ist, dass Franziskus, als er beim Besuch im Gefängnis von sich selbst sprach, wieder einmal nur von „Priester“ und „Bischof“ redete, der sich im Dienst der Liebe zum Diener der Jugendlichen machen müsse, nicht vom „Papst“. Dem neuen Pontifex scheint es also ernst zu sein mit seinem etwas eigenen Amtsverständnis. Er sieht sich in erster Linie als Bischof von Rom und dann erst als Papst, sprich Oberhaupt von 1,1 Milliarden Katholiken weltweit. Man darf gespannt sein, zu welchen praktischen Konsequenzen das im Pontifikat noch führen wird.