Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog

Interessantes und Hintergründiges aus dem Vatikan

Ein Papst gibt Vollgas!

100 Tage ist Papst Franziskus im Amt. Und wenn man seine Predigten und Ansprachen sieht, hält er die Kirche vom ersten Tag an in Atem. Besonders seine Ansprachen bei den Morgenmessen im Gästehaus Santa Marta werden mittlerweile weltweit mit großem Interesse verfolgt. Aufsehen erregte zuletzt seine Botschaft von gestern, als er vor Heuchlern und Moralisten auch innerhalb der Kirche warnte. Mit seinen Worten stellt er hohe Ansprüche an Kleriker wie Laien in der katholischen Kirche. Das schmeckt nicht jedem. Bereits vor Pfingsten war aus Kardinalskreisen zu hören: „Der soll mal weniger reden!“

Papst Franziskus lässt einen Jugendlichen im Papamobil mitfahren. (dpa/or)

Doch das Wort ist eines der wenigen Mittel, die Franziskus besitzt; vor allen Dingen, die schnell wirken und nicht zuletzt durch die modernen Kommunikationsmittel schnell Verbreitung finden. Konkrete Reformen etwa bei Strukturen oder in der Lehre sind langfristige Prozesse. Vor allem braucht Franziskus dafür Verbündete in der kirchlichen Hierarchie. Und da wird es in den nächsten Monaten spannend werden, ob er die finden wird. Er ist kein Mann der Kurie und der Apparat ist bisweilen widerspenstig. Doch haben ihn auch Kardinäle aus der Kurie gewählt. Auf ihre Unterstützung ist er angewiesen.

Auch unter den Diözesanbischöfen und – kardinälen ist er nicht sehr weit vernetzt. In seiner Zeit als Erzbischof konzentrierte er sich auf die konkrete Arbeit in seiner Erzdiözese. Daher war es für viele ja so überraschend, dass er 2005 im Konklave plötzlich den zweiten Platz hinter Joseph Ratzinger einnahm. 2007 lernte ihn dann an breites Bischofspublikum bei der CELAM-Konferenz in Aparecida kennen und auch schätzen. Als Redakteur des Schlussdokuments erwarb er sich hohes Ansehen. Zumindest in Lateinamerika dürfte er damit viele Verbündete haben. „Lassen wir ihn nicht allein“, forderte der Mainzer Kardinal Karl Lehmann nach der Wahl. Franziskus wird viel Unterstützung brauchen, um die Reformen umzusetzen, die von ihm erwartet werden. Er braucht Mitarbeiter, die seine Impulse, die in den Ansprachen stecken, auch umsetzen.

P.S. Heute Abend gibt es die 100-Tage-Bilanz in Filmform im ZDF ab 23.15 Uhr. Auf papst.zdf.de gibt es dazu ausführliche Informationen, darunter Interviews mit Kardinal Reinhard Marx und dem Journalisten Joachim Frank.

Woche der Bilanzen

Am Freitag ist Papst Franziskus 100 Tage im Amt. Anlass für viele, eine erste Bilanz zu ziehen. Es ist viel vom Stilwechsel die Rede, von einer neuen Bescheidenheit und Einfachheit, von der „armen Kirche an der Seite der Armen“. In den ersten 100 Tagen gab es viele Worte des neuen Papstes. Für große Veränderungen in Vatikan und Kirche sind 100 Tage natürlich zu kurz. Da dürfet es bei der ersten Jahresbilanz sicher mehr zu berichten geben. Dennoch sind erste Ansätze natürlich erkennbar. Dazu mehr in dieser Woche hier im Blog. Heute nur der kurze Hinweis auf den ARTE-Themen-Abend Papst ab 20.15 Uhr. Dort gibt es zunächst einen Film über Benedikt XVI.. Ab 21.15 Uhr dann der Film „100 Tage Franziskus – ein Papst verändert die Kirche“. Das ist eine Koproduktion von ARTE und ZDF. Im ZDF läuft der Film am kommenden Donnerstag um 23.15 Uhr.

Homo-Lobby und Korruption

Papst Franziskus spricht Klartext. Das konnte man in den ersten drei Monaten immer wieder erleben. Er geißelt das Finanzsystem, wettert gegen zuviel Bürokratie und Karrierismus in der katholischen Kirche. Immer wieder weicht er vom Redemanuskript ab, was nicht selten die Prälaten in der Kurie ins Schwitzen bringt. Berüchtigt sind bereits seine Predigten bei der Morgenmesse im Vatikanischen Gästehaus Santa Marta. Ob er dabei gerne mal eine „Babysitter-Kirche“ kritisiert oder erklärt, Petrus habe auch kein Konto gehabt. Mit großer Spannung erwarten die Journalisten täglich die wenigen Zeilen, die von seiner Morgenansprache veröffentlicht werden.

Indiskretionen bereiten dem Papst Sorgen. (dpa)

Schon seit Wochen kursieren im Internet immer wieder auch Details aus Privatgesprächen von Papst Franziskus – etwa mit Bischöfen bei deren Ad-Limina-Besuchen. Da soll er über eine mögliche Kurienreform erzählt haben, dass er künftig die Vatikanverwaltung von einem Dreiergremium führen lassen will; andere berichten von Aussagen über den päpstlichen Zeremonienmeister Guido Marini. Italienische Blogger zitierten einen italienischen Bischof, gegenüber dem der Papst gesagt haben soll, er wolle Marini nicht austauschen. Schließlich lerne er, der Papst, viel von Marini und hoffe, dass dieser wiederum viel von ihm lerne. Den Wahrheitsgehalt solcher Indiskretionen aus Privataudienzen des Papstes kann man nur schwer nachprüfen. Der Vatikan äußert sich grundsätzlich nicht zu solchen Dingen.

Das gilt auch für die Nachrichten, die heute wie eine Bombe eingeschlagen sind. Franziskus soll bei einem Treffen mit dem Vorstand des Verbands lateinamerikanischer Ordensleute über eine Homolobby und Korruption im Vatikan gesprochen haben. Eine chilenische Internetseite zitiert aus einem Gedächtnisprotokoll eines Teilnehmers der Audienz. Demnach habe Franziskus gesagt: „Es ist die Rede von einer Gay-Lobby, und es ist wahr, sie ist da … Wir müssen sehen, was wir tun können.“ Weiter habe er gesagt: „In der Kurie gibt es heilige Menschen, wirklich; aber auch ein Netzwerk der Korruption.“ Der Vorstand des Ordensverbands teilte heute umgehend mit, dass die wiedergegebenen Äußerungen nicht im wörtlichen Sinn dem Papst zugeschrieben werden könnten, sondern nur im Allgemeinen.

Das ändert nichts an der Tatsache, dass der Papst in dem wiedergegebenen Sinn darüber gesprochen haben dürfte. Damit ist auch zunächst nichts Neues gesagt. Denn dass es im Vatikan Korruption gibt, ist seit langem bekannt. Auch über homosexuelle Netzwerke wird seit Jahren spekuliert. Neue Nahrung bekamen diese Spekulationen im Zusammenhang mit der Vatileaks-Affäre im vergangenen Jahr. Im Dezember hatten drei Kardinäle, die Papst Benedikt XVI. mit internen Ermittlungen beauftragt hatte, dem Pontifex einen mehrere Hundert Seiten umfassenden Bericht übergeben. Darin soll es auch um Homonetzwerke gegangen sein. Der Bericht wurde nie veröffentlicht. Benedikt XVI. verfügte, dass nur sein Nachfolger diesen Bericht einsehen dürfe, nicht aber die Kardinäle im Vorkonklave.

Die neuen Spekulationen heute zeigen einmal mehr, dass der Vatikan gut daran täte, auch bezüglich des Vatileaks-Skandals endlich mehr Transparenz walten zu lassen. Allein mit dem Prozess gegen Papst-Butler Paolo Gabriele vom Herbst vergangenen Jahres, lässt sich die Geschichte nicht aus der Welt schaffen. Franziskus wurde von vielen Kardinälen auch gewählt, damit er aufräumt und alte Seilschaften zerschlägt – ob nun Homo- oder Hetero-Lobby oder in welchen Konstellationen auch immer.

Doch da tut sich Franziskus mitunter schwer und er kennt seine Grenzen. Das geht auch aus den jetzt veröffentlichten angeblichen Aussagen des Papstes bei dem Treffen am 6. Juni hervor. Die Reform der Kurie könne nicht er machen; denn Verwaltungssachen seien nicht sein Ding. Deshalb habe er das 8er-Gremium der Kardinäle eingesetzt mit erfahrenen Verwaltungsleuten wie den Kardinälen Rodriguez Maradiaga, Errázuriz Ossa und Marx.

Wenn das Gespräch mit den Ordensoberen so stattgefunden hat, wie es in dem nachträglich angefertigten internen Protokoll berichtet wird, zeigt das, dass Franziskus offen spricht mit seinen Gesprächspartnern. Es zeigt aber auch die Gefahren dieser Offenheit. Umgekehrt würde der Inhalt nicht zu solch reißerischen Überschriften führen, wenn der Vatikan offen auch mit seinen internen Problemen umgehen würde.

Die Messe erleben lernen

Mit einem Gottesdienst im RheinEnergieStadion, den das ZDF übertragen hat, endete heute der Nationale Eucharistische Kongress in Köln. Der Traum mancher Katholiken, dass der Papst selbst kommen würde, hat sich nicht erfüllt, das war relativ schnell klar. Aber immerhin hat Franziskus den deutschen Kurienkardinal Paul Josef Cordes als seinen Delegaten geschickt mit einer Botschaft. Er forderte die Menschen auf, die Heilige Messe nicht zur Routine verkümmern zu lassen, sondern ihre Tiefe immer besser auszuschöpfen. Mit einem Zitat von Johannes Paul II. mahnte der Papst, „Die heilige Messe erleben lernen!“  Der Empfang des Bußsakraments und das anbetende Verweilen vor dem eucharistischen Herrn im Tabernakel könnten dazu hinführen.

Wenn von den 45.000 Teilnehmern, die die Veranstalter angaben, nur 20.000 die Abschlussmesse besuchten – die leeren Plätze im Stadion waren nicht zu übersehen – dann scheint das zu zeigen, dass die päpstliche Mahnung nicht unbegründet ist. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass z. B. die Schüler für den Donnerstag angereist waren, die Ordensleute am Freitag und die Jugendlichen dann erst für das Wochenende. Für die Bischofskonferenz und insbesondere die gastgebende Erzdiözese Köln waren die fünf Kongresstage auf alle Fälle ein Erfolg, die gute Stimmung, das Interesse der Menschen, die vielen Gespräche und die geistlichen Impulse seien wertvoll und prägend gewesen. Ob es Nachfolgeveranstaltungen geben wird, wollte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, zunächst offen lassen. Aber dass in den Gemeinden das Thema „Eucharistische Anbetung“ wieder stärker in den Mittelpunkt rücken soll, das sei ein Ergebnis der Kölner Tage. Kardinal Meisner hat seinem Domkapitel schon angekündigt, dass er eine 24-stündige Öffnung der Sakramentskapelle im Dom durchsetzen möchte.

 

PS: Wer den Gottesdienst noch einmal ansehen möchte, findet ihn in der Mediathek: http://www.zdf.de/ZDFmediathek#/beitrag/video/1914336/Kath-Gottesdienst-aus-K%C3%B6ln

PPS: Im übrigen übertrifft Papst Franziskus bei seiner Unterschrift den schon winzigen Namenszug von Benedikt XVI. noch an Bescheidenheit. Ohne irgendwelche Zusätze unterschreibt er die Botschaft nur mt Franziskus.

Die Unterschrift des Papstes

Die Unterschrift des Papstes

 

Das etwas andere Katholikenfest

Seit Mittwoch findet in Köln der Nationale Eucharistische Kongress statt. Ein Fest des Glaubens soll es sein, passend zum Jahr des Glaubens. Der – durchaus gewollte –Vergleich zu Katholikentagen oder dem Weltjugendtag drängt sich in der Fülle der Veranstaltungen auf. Das Programmheft weist ca. 800 Veranstaltungen auf, davon ein reichhaltiges Kulturprogramm. Dennoch sind die Inhalte stärker theologisch ausgerichtet und weniger gesellschaftlich brisant. Mit ihren Katechesen versuchen die Bischöfe, die Grundaussagen des Glaubens stärker zu profilieren.

Am Stand des Erzbistums Berlin wurde das eucharistische Symbol des Brotes ganz sinnenfällig: Brot wurde verteilt – und die dafür erbetenen Spenden werden den Opfern der Flutkatastrophe zugewandt.

Brote mit Kreuz in der Mitte

Im Zeichen des Brotes - Eucharistischer Kongress

Auffallend ist, dass mehrere Oberhirten die Gläubigen bestärken, sich mit einem Leben in der Minderheit zu arrangieren. So meinte Kardinal Reinhard Marx aus München, dass man die Menschen nicht zum Glauben zwingen könne und niedrigschwellige Angebote machen müsse. Und Kardinal Rainer Maria Woelki aus Berlin sagte, ein Außenseitertum sei kein Grund zur Entmutigung. Kurienkardinal Walter Kasper betonte, zur Geschichte der Kirche gehöre das Leben in der Krise und als Minderheit dazu.

Das ist eine Erkenntnis, die in dieser Deutlichkeit bisher nicht aus dem Munde deutscher Bischöfe zu vernehmen war. Und auch bei der Schlussfolgerung, sich nicht im Elfenbeinturm zu verschanzen, sondern mutig und selbstbewusst die Botschaft des Evangeliums an die Ränder der Gesellschaft zu bringen, fühlt man sich an viele Worte von Papst Franziskus erinnert. Der neue römische Stil färbt anscheinend doch ein wenig ab.

Johannes XXIII.

Ein kurzer Zwischenruf an einem denkwürdigen Tag. Heute vor 50 Jahren starb der selige Papst Johannes XXIII. im Alter von 81 Jahren. In die Trauer mischte sich damals die Sorge, wie es mit dem II. Vatikanischen Konzil weitergehen werde. Hoffnungsvoll war man im Oktober 1962 in diese bedeutendste Bischofsversammlung der Neuzeit gestartet, die Papa Roncalli Anfang 1959 nur wenige Monate nach seiner Wahl zum Papst überraschend angekündigt hatte. Er wollte die Kirche damit in die Moderne führen. Erleichtert war man, als sein Nachfolger Paul VI. erklärte, dass er das Konzil fortsetzen wolle.

Grabmal des seligen Johannes XXIII. im Petersdom

Papst Franziskus würdigte heute Abend bei einer Begegnung mit Pilgern aus Bergamo, dem Heimatbistum Roncallis,  den Seligen als Mann des Friedens und des Gehorsams. Die Einberufung des Konzils, das ein „Meilenstein in der Geschichte der katholischen Kirche im 20. Jahrhundert gewesen sei“, bezeichnete Franziskus als „prophetische Intuition“. Johannes XXIII. habe eine große Liebe zur Tradition der Kirche ausgezeichnet und gleichzeitig auch das Wissen um die fortdauernde Erneuerungswürdigkeit der Kirche.

Johannes XXIII. hat mit dem Konzil einen Prozess angestoßen, der bis heute nicht abgeschlossen ist. Noch immer ringt die katholische Kirche um den rechten Weg in der modernen Gesellschaft. Teils nimmt diese Auseinandersetzung kämpferische Züge an, wie man an den vielen internen Streitereien um die richtige Deutung des Konzils ablesen kann – und nicht zuletzt an den Diskussionen um die Versöhnungsgeste Benedikts XVI. in Richtung der traditionalistischen Piusbruderschaft. Um die ist es übrigens seit Beginn des Pontifikats von Papst Franziskus still geworden. Der Stil des neuen Papstes dürfte wohl so gar nicht auf der Linie der Piusbrüder liegen. Und bei den Themen, die die Traditionalisten am Konzil mit am meisten kritisieren wie Ökumene, interreligiöser Dialog und Religionsfreiheit, liegt Franziskus ganz klar auf Konzilslinie.

Wer mehr über das Konzil erfahren möchte, dem sei unser ZDF-Film zum Jubiläum der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils vom Herbst vergangenen Jahres empfohlen!

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1777974/Revolution-im-Vatikan#/beitrag/video/1777974/Revolution-im-Vatikan

Zwischen Friedensappell und Bankmillionen

Papst Franziskus leitete gestern am späten Nachmittag im Petersdom eine Eucharistische Anbetung, die zeitgleich nach Vatikanangaben in über 70 Ländern gefeiert wurde. Das Vatikanfernsehen stellte Live-Bilder aus dem Petersdom zur Verfügung, die teilweise in die Kirchen und Kathedralen rund um den Globus übertragen wurden. Die ganze Aktion stand unter dem Thema „Ein einziger Herr, ein einziger Glaube“ und war Teil des Jahrs des Glaubens, das Papst Benedikt XVI. für 2013 ausgerufen hatte.

Papst Franziskus erteilt den Segen.

Obwohl es sich bei dem Ereignis um eine zutiefst spirituelle Zeremonie handelt, gab Papst Franziskus dem Ganzen doch eine durchaus politische Note. Er ließ vorab verkünden, dass das Gebet denen in der Welt gewidmet sei, die unter neuen Formen der Sklaverei leiden, – auch in der Arbeitswelt – den Opfern von Krieg, Menschen- und Drogenhandel sowie den Kindern und Frauen, die unter Gewalt litten. Auch wenn Papst Franziskus bei der einstündigen Zeremonie selbst das Wort nicht ergriff, die Intention der Veranstaltung war klar.

Schon beim Mittagesgebet wurde Franziskus ungewöhnlich politisch. „Alles geht verloren mit dem Krieg. Alles gewinnt man mit Frieden.“ So lautete seine Botschaft, die von den mehreren zehntausend Menschen auf dem Petersplatz mit lang anhaltendem Applaus erwidert wurde. Er griff dabei ein Wort seines Vorgängers Papst Paul VI. bei dessen Rede vor der UN-Vollversammlung 1965 auf. Franziskus forderte ein Ende der Gewalt in Syrien; lobte zugleich Zeichen der Hoffnung in Lateinamerika, wo es in jüngster Zeit Schritte in Richtung Frieden und Versöhnung gebe. Auch wenn Franziskus Kolumbien nicht eigens erwähnte, dürften seine ermutigenden Worte auf die Fortschritte in den Verhandlungen zwischen den linksgerichteten Rebellen FARC und der Regiering in Bogota anspielen.

Am Morgen hatte der Papst mit Eltern von in Friedensmissionen getöteten Soldaten sowie im Friedenseinsatz Verwundeten die Morgenmesse im vatikanischen Gästehaus Santa Marta gefeiert. Dabei bezeichnete er Krieg als „Irrsinn“, als „Selbstmord der Menschheit und der Menschlichkeit“.  Der Krieg sei ein „Glaubensbekenntnis an das Geld, an die Götzen, die Götzen des Hasses, jene Götzen, die dich dazu bringen, deinen Bruder zu töten und letztlich die Liebe. Anlass für den Gottesdienst war der italienische Nationalfeiertag am 2. Juni begangen wird.

Unterdessen hat in dieser Woche die Vatikanbank IOR eine Informationsoffensive gestartet. Ausgewählten Medien hatte der deutsche Chef der Bank, Ernst von Freyberg, Interviews gegeben. Darin kündigt er an, dass künftig die Geschäfte des „Instituts für religiöse Werke“, so der offizielle Titel der Bank, transparenter gestaltet werden sollen. Außerdem sollen die Geldwäscher unter den Kunden aussortiert werden. Bis zum Sommer möchte die Bank demnach alle Anforderungen der vatikanischen Finanzaufsicht AIF sowie internationaler Finanzregeln erfüllen. Von Freyberg war im Frühjahr von Papst Benedikt XVI. mit dem Auftrag ernannt worden, die Bank auf einen „sauberen Kurs“ zu bringen. Von Freyberg spricht jetzt von „Null Toleranz“ gegenüber Geldwäschern und Finanzkriminalität.

Im Oktober will er im Internet erstmals einen Geschäftsbericht veröffentlichen. Da darf man gespannt sein. Immerhin verriet von Freyberg, dass die Bank 114 Mitarbeiter hat. Sie verwaltet rund 6,3 Milliarden Euro auf den 18.900 Konten von Orden, Bistümern, religiösen Institutionen und Privatleuten. Der aktuelle Gewinn der Bank in Höhe von 86,6 Millionen Euro stehe Papst Franziskus zur freien Verfügung. In der Vergangenheit wurde das Geld für soziale Zwecke sowie zur Unterstützung Kirchen in den Ländern des Südens eingesetzt. Goldreserven hat das Institut übrigens im Wert von 36 Millionen Euro bei der US-Notenbank deponiert.

Spiritueller Papst

Papst Franziskus setzt in diesen Tagen stark spirituelle Akzente. Während viele Beobachter erwarteten, dass der „Papst der Armen“ gleich in den ersten Wochen Sozialeinrichtungen besuchen wird, konzentriert sich der Pontifex in seinen öffentlichen Auftritten auf Messen, Andachten und Rosenkranzgebet. Zwar hat er in der vergangenen Woche die Mutter-Teresa-Schwestern besucht, die am Rande des Vatikans Obdachlose versorgen; doch das Treffen folgte eher dem steifen vatikanischen Protokoll mit Reden und Handshakes als einer wirklichen Begegnung inmitten derer, die am Rande stehen. Auch große Reisen nimmt er für dieses Jahr nicht in Angriff, vom Weltjugendtag in Rio de Janeiro abgesehen. In Italien stehen Assisi und ein Marienwallfahrtsort auf Sardinien auf dem Programm.

Papst besucht vatikanische Sozialeinrichtung. (dpa)

Das schmälert nicht sein Engagement für die Ausgegrenzten. Deutliche Worte fand Franziskus ja vor wenigen Tagen, als er eine Reform des Finanzsystems forderte und die Dominanz der Wirtschaft sowie der Finanzwelt kritisierte. Auch bei den Begegnungen mit Politikern sind die Themen Gerechtigkeit und Wirtschaftskrise stets auf der Tagesordnung. Katholische Reformthemen stehen hingegen bisher nicht in seinem Fokus.

Franziskus’ Akzent liegt derzeit ganz klar auf den Themen Evangelisierung und Ermutigung der Gläubigen, ihr Christsein selbstbewusst zu leben. Das passt übrigens zu seiner Rede, die er im Vorkonklave gehalten hat und mit der er wohl viele Kardinäle für sich eingenommen hat. Damals sagte er in Bezug auf den nächsten Papst: „Er soll ein Mann sein, der – ausgehend von der Betrachtung und Anbetung Jesu Christi – der Kirche hilft, aus sich selbst herauszugehen und sich an die Ränder der menschlichen Existenz vorzuwagen. Er soll der Kirche helfen, die fruchtbare Mutter zu werden, die aus der ‚süßen und tröstenden Freude der Verkündigung des Evangeliums’ lebt.“ Für Franziskus ist dabei entscheidend, dass das Ganze auf einem soliden spirituellen Fundament steht. Morgen beschließt er den Marien-Monat Mai mit einem großen öffentlichen Rosenkranzgebet auf dem Petersplatz; am Sonntag gibt es am Nachmittag im Petersdom eine Eucharistische Anbetung, die zeitgleich überall auf der Welt in katholischen Kirchen abgehalten wird.

Damit zeigt sich, dass der neue Papst anders ist, als man vielleicht nach den ersten Tagen und dem radikalen Stilwechsel dachte. Einmal mehr wird deutlich: Franziskus passt nicht in die üblichen Schubladen.

P.S. Die interessanten Morgenpredigten von Papst Franziskus werden übrigens nicht komplett veröffentlicht. Das habe der Papst selbst entschieden, erklärte jetzt Vatikansprecher Federico Lombardi. Franziskus halte die Predigten frei. Auch wenn der Papst Italienisch gut beherrsche, müssten die Texte vor einer Veröffentlichung dann noch einmal überarbeitet werden. Der Papst wolle aber den familiären Charakter der Morgengottesdienste im Gästehaus Santa Marta erhalten und wünsche daher keine Live-Übertragungen sowie auch keine Komplettveröffentlichung der Texte. In Auszügen werden sie auch künftig in der Vatikanzeitung Osservatore Romano sowie bei Radio Vatikan publiziert. Die Morgenpredigten waren in den letzten Wochen zunehmend auf Interesse gestoßen, weil Franziskus dort oft sehr lebensnah, mit einfachen Worten, einer bildreichen Sprache – bisweilen mit kleinen Geschichten – das Tagesevangelium auslegt – Aufsehen erregte dabei etwa seine Kritik an zuviel Bürokratie in der Kirche, die Ablehnung einer „Babysitter-Kirche“ oder von Christen, die wie „in Essig eingelegte Peperoni“ wirkten.

Auf Teufel komm raus

Hat der Papst einen Exorzismus vorgenommen oder hat er nicht? Diese Frage beschäftigte die (italienischen) Medien und war selbstverständlich für mehrere Schlagzeilen gut. Wie üblich hatte Franziskus am Pfingstsonntag noch eine Fahrt über den Petersplatz gemacht und war ausgestiegen, um Menschen zu begrüßen und zu segnen. Beobachter wollen nun gesehen haben, dass er dabei einem Rollstuhlfahrer die Hände aufgelegt  und gebetet habe und dieser anschließend den Mund geöffnet und gezuckt habe. Daraus entstand das Gerücht, der Papst habe einen Exorzismus gesprochen, die Reaktionen des Kranken seien ein Beweis dafür.

Das Dementi des vatikanischen Pressesaales erfolgte sofort: „Der Papst hat keinen Exorzismus vollziehen wollen“, so Pressesprecher Federico Lombardi. Und der Chefredakteur von TV 2000, das die Meldung verbreitet hatte, entschuldigte sich offiziell beim Papst wegen der Verbreitung einer nur zum Teil wahren Meldung. Man könnte darüber zur Tagesordnung übergehen, wenn es nicht zwei Themenkreise berühren würde, die weiterer Gedanken wert sind. Zum einen geht es um das übersteigerte Medieninteresse und die Instrumentalisierung des Papstes für die jeweiligen Zwecke, zum anderen um die Frage nach der Existenz des Bösen und den Exorzismus generell.

Der neue Stil des Papstes aus Argentinien, sein unbeschwerter Umgang mit Menschen, erregt immer noch das Interesse der Öffentlichkeit. Die Fotos von der Audienz der Bundeskanzlerin beim Papst sind durchaus geeignet, deren Sympathiewerte zu steigern und werden in diesem Sinne auch verwendet. Journalisten beobachten jeden seiner Schritte und jedes seiner Worte, und wer sich auf Franziskus berufen kann, schwimmt mit auf der Welle der Sympathie.

So auch die Kreise, die fest an die Existenz des Bösen in Gestalt des Satans glauben und Exorzismus für eine legitime Form kirchlichen Handels halten. Chefexorzist Gabriele Amorth lässt das Dementi des Vatikans daher auch nicht gelten, für den 88-Jährigen war der Rollstuhlfahrer ganz klar von Dämonen besessen und das Gebet des Papstes sei ein Exorzismus gewesen. Auffallend ist auf jeden Fall, dass Franziskus – wie vermutlich viele Lateinamerikaner – ein anderes Verhältnis zum Teufel hat als die Europäer. In seinen Ansprachen zitiert er ihn weit häufiger als Benedikt XVI. dies je getan hat. „Satan ist ein schlechter Zahlmeister. Er betrügt uns immer“, sagte er in einer Predigt vergangene Woche.

Man wird in diesem Pontifikat noch mehr vom Teufel hören.

Das Geld muss dienen, nicht regieren!

Es war die Woche der klaren Worte in Rom. Mit seiner Kritik an der „Diktatur der Wirtschaft“ und dem „Fetischismus des Geldes“ brachte es Papst Franziskus gestern bis in die Laufbänder der Nachrichtenkanäle. Es sind die deutlichen Worte, die von Kardinal Bergoglio bereits bekannt sind. Wenn er in den letzten Jahren über die Finanz- und Wirtschaftskrise sprach, gebrauchte er stets drastische Worte. Von der „Tyrannei des Marktes“ sprach er etwa 2002 in einem Zeitungsinterview, von der „Wirtschafts- und Finanzterrorismus“. Ähnlich klang das gestern wieder beim Antrittsbesuch mehrerer neuer Botschafter beim Heiligen Stuhl. Der Finanzkrise liege eine tiefe anthropologische Krise zugrunde, so Franziskus, nämlich „die Verneinung des Primats des Menschen“. Sowie die Ablehnung jeglicher Ethik und schließlich Gottes selbst. Stattdessen regiere das Geld. Er kritisierte „Ideologien“, die die völlige Freiheit der Märkte und der Finanzspekulationen förderten und das Recht der Staaten auf Kontrolle negierten. Kritik gab es auch an Korruption und Steuerhinterziehung. Franziskus forderte eine Reform der Finanzwelt unter ethischen Gesichtspunkten, die zu einer Reform der Wirtschaft führe, die allen zugute komme. Leider gibt es die Ansprache noch nicht in deutscher Übersetzung.