Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog

Interessantes und Hintergründiges aus dem Vatikan

Die Spannung steigt.

Es sind keine 24 Stunden mehr, dann beginnt die erste Auslandsreise von Papst Franziskus. Auch der Pontifex scheint etwas aufgeregt zu sein. Nach dem Besuch bei seinem Vorgänger Benedikt XVI. am Freitag und der Bitte um Begleitung im Gebet, fuhr Franziskus gestern Nachmittag überraschend in die Basilika Santa Maria Maggiore, um vor der Marienikone „Salus Populi Romani“ zu beten. Mehr als eine halbe Stunde verharrte er dort still im Gebet, bevor er kurz mit den Gläubigen und Touristen sprach, die zu dem Zeitpunkt die Basilika besuchten. Heute Mittag beim sonntäglichen Angelusgebet auf dem Petersplatz erinnerte er ebenfalls an die Reise und sprach von einer „Woche der Jugend“, die jetzt bevorstehe.

 

Radtour zum Mittagsgebet mit dem Papst. Franziskus geht morgen selbst auf große Tour: zum Weltjugendtag nach Rio de Janeiro.

Die Protagonisten in dieser Woche seien die Jugendlichen und alle die nach Rio reisten, um die Stimme Jesu zu hören. Sie kämen zu Jesus mit der Frage, was sie mit ihrem Leben machen und welchen Weg sie einschlagen sollten. Eigentlich wollte Franziskus laut vorab veröffentlichtem Redemanuskript nur eine kurze Bitte um Gebete für die Reise äußern. Doch als er auf dem Petersplatz auf großen Plakaten geschrieben sah „Gute Reise“, bedankte er sich, liess sich von der Begeisterung der Massen auf dem Petersplatz anstecken und fügte spontan noch einige Sätze über den WJT hinzu. Zuvor hatte er in seiner kurzen Betrachtung davor gewarnt, die Kirche dürfe vor lauter Zeremonien und Strukturen Christus nicht vergessen. Ora et labora – Beten und Arbeiten – gehörten untrennbar zusammen.

Morgen um 8.45h startet der Papst mit einer Delegation von rund 20 Personen und über 70 Journalisten in Richtung Rio de Janeiro. Ankunft ist nach 12 Stunden und 15 Minuten Flug um 16 Uhr Ortszeit (21h MESZ). Dienstag hat der Papst einen Ruhetag, bevor er dann am Mittwoch den Marienwallfahrtsort Aparecida besucht. Ab Donnerstag taucht er dann in das Weltjugendtagsgeschehen ein. Am Nachmittag gibt es die Willkommensfeier für den Papst an der Copacabana. An dem berühmten Strand findet dann am Freitagabend der traditionelle Kreuzweg statt. Für die großen Abschlussveranstaltungen am Wochenende müssen die Jugendlichen dann rund knapp 50 Kilometer entfernt von der Copacanaba (die letzten rund 13 Kilometer zu Fuß) zum „Campus Fidei“ in Guaratiba. Dort finden am Samstagabend die Vigil (live im ZDF am 27.7. ab 0.30h)  und am Sonntagmorgen der große Abschlussgottesdienst statt. Am Sonntagabend fliegt Franziskus dann direkt wieder zurück nach Rom. Die erste Auslandsreise des Papstes dauert damit 8 Tage 2 Stunden und 45 Minuten. Er legt 18.402 Kilometer zurück und hält 14 Reden.

Jenseits des Weltjugendtagprogramms gibt es noch einige interessante Termine. Darunter der Besuch in einem Krankenhaus für Drogenabhängige sowie in einer Favela. Spannend wird sicher auch das Treffen mit Verantwortlichen aus Politik und Gesellschaft am Samstagnachmittag. Viele erwarten bei dieser Gelegenheit nicht zuletzt vor dem Hintergrund der jüngsten Proteste in Brasilien klare Worte des Papstes zum Thema soziale Gerechtigkeit.

Spannend wird die Reise sicherlich – denn niemand glaubt wirklich, dass sich Franziskus an allen Stellen an das penibel geplante Reiseprogramm halten wird. Auch sein engstes Umfeld ist daher etwas nervös.

Kommission die Nächste!

Papst Franziskus hat heute eine weitere Kommission eingesetzt, die sich mit der Reform der Vatikanverwaltung beschäftigen soll. Konkret geht es um Fragen der Finanzen und der Güterverwaltung des Heiligen Stuhls. Ziel ist die bestehenden Strukturen zu vereinfachen sowie den gesamten Finanz- und Wirtschaftsbereich effizienter zu gestalten. Verschwendung von Ressourcen soll vermieden, mehr Transparenz bei der Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen geschaffen, die Verwaltung der beweglichen Güter und Immobilien perfektioniert werden sowie eine korrekte Buchhaltung und die Funktionalität des Gesundheits- und Sozialsystem für die Vatikanmitarbeiter garantiert werden.

Während in Rio noch alles für den Papst vorbereitet wird, denkt Franziskus schon an die Zeit und die Aufgaben danach. (reuters)

Eine lange Liste. Dafür holt sich der Papst externen Rat von Laien. Ausdrücklich ist im Errichtungsdekret gefordert, dass die Mitglieder der Kommission Experten aus den Bereichen Recht, Verwaltung, Wirtschaft und Finanzen sein sollen. Sieben der acht Mitglieder der Gruppe sind Laien. Leiter der Gruppe ist der Malteser Wirtschaftsexperte und ehemalige Chef der maltesischen Zentralbank, Joseph FX Zahra. Aus Deutschland kommt der Versicherungsexperte Jochen Messemer, Vorsitzender der ERGO International AG. Beide sind bereits in verschiedenen vatikanischen Kontrollfunktionen aktiv. Außerdem gehören der Kommission an: aus Frankreich Jean-Baptiste de Franssu (u.a. ehemaliger Präsident des Branchenverbands European Fund and Asset Management Association, EFAMA) und Jean Videlain-Sevestre, aus Italien Francesca Immacolata Chaouqui (Ernst&Young Italia), aus Spanien Enrique Llano (hatte u.a. Aufgaben im Gesundheitswesen), aus Singapur George Yeo (u.a. ehemaliger Außenminister). Einziger Kleriker ist Lucio Angel Vallejo Balda. Er ist Sekretär der Wirtschaftspräfektur des Heiligen Stuhls und fungiert als Sekretär der Kommission.

Die Kommission nimmt ihre Arbeit sofort auf. Ein erstes Treffen soll unmittelbar nach der Rückkehr des Papstes vom Weltjugendtag in Brasilien stattfinden. Die Kommission untersteht direkt dem Papst und gibt ihm Bericht. Alle vatikanischen Behörden sind ihr gegenüber Auskunftspflichtig und können sich ausdrücklich nicht auf Dienstgeheimnisse berufen.

Die Kommission soll gegebenenfalls auch mit der Kardinalskommission zusammenarbeiten, die Franziskus zur Vorbereitung einer Kurienreform installiert hat. Diese K8-Gruppe trifft sich erstmals Anfang Oktober. Doch die Mitglieder, darunter der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx, sind bereits fleißig am Arbeiten. Fast alle der K8-Gruppe haben sich bereits mit dem Papst zu Einzelgesprächen getroffen; zudem sind sie untereinander im regen Austausch. Kardinal Bertello, einziger „Vatikanier“ in dem Gremium hat unter den Kurienchefs um Eingaben gebeten. Beim Treffen Anfang Oktober sollen bereits erste Entscheidungen fallen. Ob Franziskus so lange wartet mit der Ernennung des neuen Kardinalstaatsekretärs ist unter Beobachtern umstritten. Einerseits erscheint das Staatsekretariat, die eigentliche bisherige Schaltzentrale des Heiligen Stuhls, in diesen Tagen etwas orientierungslos, andererseits besticht das Argument, dass eventuell zunächst erste strukturelle Veränderungen  vollzogen werden sollten, bevor die Personalrochade beginnt. Einige Beobachter rechnen auch für morgen noch mit einigen Ernennungen. Samstag ist ein beliebter Tag im Vatikan für Personalien.

P.S. In Rom wird derzeit heute über einen Artikel der Wochenzeitung „L’Espresso“ diskutiert. Darin berichtet der Vatikanist Sandro Magister über homosexuelle Beziehungen des neuen Prälaten der Vatikanbank IOR, Battista Mario Salvatore Ricca. Ricca war erst am 15. Juni von Papst Franziskus in das Amt berufen worden. Der Prälat ist u.a. ein Bindeglied zwischen der IOR-Kardinalskommission und dem IOR-Aufsichtsrat. Magister berichtet über homosexuelle Affären Riccas und stellt die Frage, ob der Papst vor der Ernennung absichtlich nicht über diese informiert worden sei, oder ob es schlicht eine Fehlentscheidung war. Erste Verschwörungstheorien machen sich breit. Vatikansprecher Federico Lombardi weist die Vorwürfe als „unglaubwürdig“ zurück.

P.P.S. Am Nachmittag hat Papst Franziskus seinen Vorgänger in dessen Zuhause, dem Kloster mater Ecclesiae, im Vatikan besucht. Er bat Benedikt XVI. seine erste Auslandsreise zum Weltjugendtag nach Rio de Janeiro mit seinem Gebet zu begleiten. Nach Vatikanangaben begann das Treffen kurz nach 16 Uhr mit einem gemeinsamen Gebet; anschließend habe es eine herzliche Unterhaltung von einer knappen halben Stunde gegeben. Dabei habe Benedikt XVI. über seine Erlebnisse bei den Weltjugendtagen in Köln (2005), Sydney (2008) und Madrid (2011) berichtet.

P.P.P.S. Nur um den Überblick zu behalten. Es gibt also mittlerweile drei „Reformkommissionen“:
1. die K8-Gruppe (also die acht Kardinäle), die sich mit Reform der Kurie beschäftigt und den Papst bei der leitung der Kirche unterstützen soll.
2. die Untersuchungskommission zur Vatikanbank IOR.
3. die heute eingerichtete Kommission zur Reform der Finzanz- und Wirtschaftsangelegenheiten. Man ist versucht, angesichts der Zusammensetzung von der L7-Gruppe zu sprechen (also sieben Laien).

Ein Papst geht auf Reisen

In fünf Tagen startet Papst Franziskus zu seiner ersten Auslandsreise. Wie schon bei Benedikt XVI. ist der erste Auslandstripp zum Weltjugendtag – dieses Mal nach Rio de Janeiro. Mehr als 1,5 Millionen Teilnehmer werden zu den großen Abschlussveranstaltungen, dem Abendgebet am 27. und dem Abschlussgottesdienst am 28. Juli, erwartet. Langsam werden immer mehr Details zur Reise bekannt. Grundsätzlich hat sie ein traditionelles WJT-Design: Termine mit den Politikern des Landes und natürlich den Jugendlichen (Willkommensfeier, Kreuzweg, Abendgebet und Abschlussmesse, Mittagessen mit einigen Jugendlichen, Beichte-Hören etc.).

Dazu gibt es aber auch einige Akzente, die Franziskus ganz bewusst setzt: ein Besuch des Marienwallfahrtsorts Aparecida. Damit bringt Papst Bergoglio zum einen seine besondere Beziehung zur Mutter Gottes zum Ausdruck. Zum anderen verbindet er mit Aparecida die große Generalversammlung der Bischofskonferenzen Lateinamerikas und der Karibik aus dem Jahr 2007. Das Schlussdokument trägt die deutliche Handschrift des damaligen Erzbischofs von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio. Er war damals „Redaktionsleiter“. Das Papier ist damit auch ein zentraler Schlüssel zum Verständnis von Bergoglios Vorstellung von Kirche im 21. Jahrhundert. Nach Angaben von Vatikansprecher Federico Lombardi hat Papst Franziskus den zahlreichen Staats- und Regierungschefs aus Lateinamerika, die ihn in den letzten Monaten im Vatikan besucht hatten, am Ende der Audienz immer ein Exemplar des Aparecida-Dokuments in die Hand gedrückt mit dem Hinweis, das könnten sie doch auf dem Rückflug einmal studieren. Übrigens wurde auch bei der letzten Bischofssynode im Herbst 2011 häufig auf die Versammlung verwiesen. Aparecida 2007 ist auf dem besten Weg, sich in die großen CELAM-Konferenzen von Medellin (1968) und Puebla (1979) einzureihen – und dazu hat auch Bergoglio beigetragen.

Nicht neu ist der Besuch eines Papstes in einer Favela. Das hat auch Johannes Paul II. bei seinem Besuch 1980 in Rio gemacht. Franziskus wohnt auch im selben kirchlichen Gästehaus, in dem Johannes Paul II. bei seinen Rioaufenthalten 1980 und 1997 untergebracht war. Neu ist hingegen, dass Franziskus nicht das Papamobil mit Panzerglasaufbau benutzt, das unter Benedikt XVI. und in den letzten Jahren des Pontifikats von Johannes Paul II. bei Reisen außerhalb Roms zum Einsatz kam. Franziskus wird den offenen Jeep benutzen, mit dem er auch jeden Mittwoch in Rom über den Petersplatz fährt. So sei ein direkterer Kontakt zu den Menschen möglich, erklärte Vatikansprecher Lombardi heute. Während es von dem Panzerglaswagen zwei baugleiche Fahrzeuge in Weiß gibt, ist nur ein weißer Jeep vorhanden. Sollte Ersatz notwendig sein, würde ein baugleicher grüner Jeep zum Einsatz kommen.

Das Papamobil ist schon da. (reuters)

Neu ist auch, dass Franziskus im Flugzeug keine Pressekonferenz geben wird.  So ist zumindest der Stand heute. Es wird während des Fluges von Rom nach Rio de Janeiro am Montag eine Begegnung mit den rund 70 mitreisenden Journalisten geben, aber nicht in Form einer PK. Vielmehr wolle der Papst jeden Journalisten treffen, erklärte Vatikansprecher Lombardi heute beim Briefing für die Reise. Allerdings ist unklar, ob die Aussagen des Papstes im persönlichen Gespräch anschließend veröffentlicht werden dürfen, oder ob das Ganze nur „unter Drei“ stattfindet. Das wäre schade; denn die fliegenden Pressekonferenzen boten in der Vergangenheit doch immer wieder Gelegenheit, erste inhaltliche Akzente zu setzen. Allerdings boten sie bisweilen auch Anlass für heftige Kritik; erinnert sei an die Aussage Benedikt XVI. zum Thema „AIDS und Kondome“ beim Flug nach Kamerun 2009. Franziskus ist für seine Spontaneität bekannt. Von daher wird man sehen, was auf dem rund zwölf Stunden dauernden Flug passieren wird.

P.S. Das ZDF überträgt übrigens die Vigil live aus Rio de Janeiro am 27.7. ab 0.30Uhr.

P.P.S. Franziskus geht, was die Einfachheit angeht, weiter mit gutem Beispiel voran. Seit einiger Zeit nutzt er für Transfers im Vatikan oft nicht mehr den VW-Phaeton, sondern einen Ford-Focus. Nun sind es im Vatikanstaat kleine Entfernungen von oft nur wenigen Hundert Metern. Allerdings hat Franziskus am vergangenen Sonntag auch für die Fahrt nach Castel Gandolfo das Mittelklassemodell genutzt. Und da war es immerhin eine halbe Stunde Fahrzeit.

Im kleinen Wagen unterwegs. (reuters)

P.P.P.S. Wen übrigens das Abschlussdokument der CELAM-Generalversammlung von Aparecida interessiert, der findet eine deutsche Übersetzung auf der Seite der Deutschen Bischofskonferenz: Link zum Dokument.

Reise mit Symbolcharakter

Es war die erste Reise von Papst Franziskus. Und sie führte ihn auf die Flüchtlingsinsel Lampedusa, die im Mittelmeer zwischen Europa und Afrika liegt. Deutlicher kann die Botschaft nicht sein. Dazu die Absage an Politiker und kirchliche Würdenträger, nicht nach Lampedusa zu kommen. Franziskus ging es um die Flüchtlinge und ihr Schicksal. Entsprechend durften auch sie zu Wort kommen, als Franziskus im Hafen von Lampedusa an Land ging. Sie forderten etwa mehr Solidarität anderer europäischer Staaten. Das tat dann auch der Papst beim Gottesdienst.

Papst Franziskus spricht mit Flüchtlingen. (ap)

Franziskus wählte die für ihn üblichen deutlichen Worte; kritisierte eine „Globalisierung der Gleichgültigkeit“. „Wir haben uns an das Leiden der anderen gewöhnt. Es lässt uns gleichgültig, interessiert uns nicht“. „Die Kultur des Wohlbefindens, die uns dazu bringt, nur an uns selbst zu denken, macht uns unsensibel für den Schrei der Anderen.“ Franziskus bat Gott um Vergebung „für die Grausamkeit in der Welt, in uns und auch in jenen, die in der Anonymität Entscheidungen sozialer und wirtschaftlicher Natur treffen, die den Weg für Dramen wie dieses ebnen“. Eine klare Botschaft in Richtung der politisch Verantwortlichen. Franziskus kritisierte eine Haltung von „anonymen Verantwortlichen ohne Namen und ohne Gesicht“. Unter dem Deckmantel der Anonymität versuche jeder, die Verantwortung von sich zu weisen. Immer wieder stellte Franziskus die Frage: „Wer ist verantwortlich für das Blut dieser Brüder und Schwestern?“ Ein Christ dürfe sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Gott rufe jeden von ihnen beim Namen und verlange Rechenschaft von ihm.

Ambo und Bischofskreuz aus Holz von Flüchtlingsbooten. (ap)

Vor dem Gottesdienst hatte Franziskus von einem Schiff der Küstenwache einen Blumenkranz ins Meer geworfen im Gedenken an die Opfer, die bei der Überfahrt von Afrika nach Europa ums Leben kamen. Die Messe war voller Symbole: Franziskus zelebrierte in einem violetten Gewand, violett, die Farbe der Buße. Der Gottesdienst fand unweit des Bootsfriedhofs statt; der Ort, an dem die Reste der Flüchtlingsboote liegen; das Lesepult war aus Resten von Booten zusammengebaut; ebenso der Bischofsstab, den Franziskus benutzte. Der Pontifex tauchte tief ein in das Flüchtlingsdrama.

Franziskus hat sehr schnell begriffen, dass er mit seinem Amt Zeichen setzen kann und muss – nicht nur innerkirchlich. Mit ihm kamen die Medien aus der ganzen Welt auf die kleine Mittelmeerinsel. Papst Bergoglio versucht die Macht der Worte und der Bilder zu nutzen, um seine Vorstellung vom Christentum konkret zu leben: nahe bei denen zu sein, die am Rande der Gesellschaft stehen, rechtlos sind; denen ins Gewissen zu reden, die politisch und gesellschaftlich Verantwortung tragen sowie zu versuchen, Solidarität und Gerechtigkeit einzufordern.

Keine Neuwagen mehr für Priester!?

Mit einem eher unauffälligen Termin, der es aber in sich hatte, ist heute Abend eine ereignisreiche Woche im Vatikan zu Ende gegangen. Nach neuen negativen Schlagzeilen zum Thema Finanzen, der ersten Enzyklika und der Ankündigung der Heiligsprechung von Johannes Paul II. und Johannes XXIII. traf sich Papst Franziskus im Vatikan mit rund 6.000 Seminaristen sowie Novizinnen und Novizen – sprich dem Priester- und Ordensnachwuchs. Eine herzliche Begegnung mit viel Applaus – Franziskus fühlte sich sichtlich wohl – die ihm die Gelegenheit bot, in seiner gewohnt einfachen und direkten Art seine klare Botschaft rüberzubringen. Er forderte den Nachwuchs auf zu einem authentischen, evangeliumsgemäßen, glaubwürdigen Leben, einer Mischung aus Kontemplation und selbstbewusster Aktion/Mission. Er wünsche sich eine missionarische Kirche, so Franziskus.

Es ging heiter zu beim Treffen des Papstes mit dem Nachwuchs. (ap)

Der Berufung liege eine Freude zugrunde, die ihren Grund nicht im Besitz des neuesten Smartphones habe, des schnellsten Scooters oder des neuesten Autos. Franziskus wörtlich: „Ich sage Euch, ehrlich, es tut mir weh, wenn ich einen Priester oder eine Ordensfrau im neusten Automodell sehe. Das geht so nicht! Ich glaube, dass das Auto notwendig ist, weil man viel arbeitet und von da nach dort kommen muss. Aber nehmt ein bescheideneres, ja!? Und wenn Euch dieses tolle Modell gefällt, denkt an die vielen Kinder, die an Hunger sterben. Nur das!“

Das passt zu den Worten des südafrikanischen Kardinals Wilfried Fox Napier. Der Erzbischof von Durban gehört zum Kardinalsrat, der sich um die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls kümmert. Die Kardinäle hatten sich ja diese Woche im Vatikan getroffen, um die Bilanzen für 2012 abzusegnen. Nach einer der Sitzungen twitterte Napier: „Was für ein Kontrast. Am Sonntag habe ich noch 27 neue Katholiken gefirmt im tiefsten, ländlichen KwaZulu Natal. Am Dienstag sitze ich mit den anderen Kardinälen im Apostolischen Palast.  Wenn ich diese beiden Gesichter der Kirche vergleiche: ein einfacher, freudiger Glaube gegen „high-powered“ Finanzen, die mit Zahlen diskutiert werden, die für einfache Zulus unvorstellbar sind.“

Über die Begegnung mit Papst Franziskus schreibt Napier übrigens, dass es sehr interessant gewesen sei. Wie immer habe der Papst etwas Neues gebracht: „Dieses Mal sein fester Wille zu realen Reformen.“ Vieles müsse verändert werden, um wieder Glaubwürdigkeit zu gewinnen, in erster Linie Transparenz und eine ehrliche Buchführung. Napier zeigte sich aber zuversichtlich, dass die Kardinäle – zumindest aus dem Wirtschaftsrat – bei den Veränderungen mit Franziskus an einem Strang ziehen werden.

Zurück zum Papsttreffen mit dem Kirchennachwuchs. Franziskus mahnte, nicht schlecht über andere zu reden. Er habe das früher auch gerne gemacht, was ihn heute beschäme. „Wenn ich mit einem Bruder oder einer Schwester ein Problem habe, bespreche ich es direkt mit ihm oder ihr oder mit jemandem, der helfen kann; aber ich spreche nicht darüber mit anderen, um ihn oder sie schlecht zu machen. Geschwätz ist übel!“ Franziskus ermahnte die jungen Seminaristen und angehenden Ordensleute, nicht vom besonderen Sport der Alten zu lernen: dem Sport des Lamentierens. Vielmehr sollten sie positiv denken. Das war ein authentischer Franziskus, den die 6.000 heute Abend in der Audienzhalle erlebt haben.  Auch wenn seine Botschaft mit großem Jubel aufgenommen wurde, leichte Kost ist es nicht.

Zwei Päpste, eine Botschaft, ein Auftritt und ein Paukenschlag

Nun liegt sie vor, die erste Enzyklika von zwei Päpsten: „Lumen Fidei – das Licht des Glaubens„. Papst Benedikt XVI. hatte sie als großes Schreiben im „Jahr des Glaubens“ begonnen. Papst Franziskus hat sie vollendet. Sie liest sich wie eine grundlegende (fundamentaltheologische) Abhandlung über den Glauben. Die zentrale Botschaft: Glauben ist auch in der Neuzeit vernünftig und nicht sinnlos (2). Dabei ist das „vernünftig“ durchaus im konkreten Wortsinn zu verstehen. Denn in der Enzyklika findet sich eines der Lieblingsthemen Joseph Ratzingers: das Verhältnis von Glaube und Vernunft (32ff). Auch die Frage nach dem Verhältnis von Glaube und Wahrheit (23ff) ist ganz ratzingerianisch; ebenso der Versuch aufzuzeigen, dass der Glaube nicht von der Wirklichkeit trennt, sondern vielmehr den Glaubenden zu einem intensiveren Leben in der Wirklichkeit führt (18). Glauben heißt demnach nicht, sich vor der Welt zu verschließen und auf ein Jenseits zu warten, sondern die Gesellschaft jetzt konkret mitzugestalten (vgl. 51). „Der Glaube ist keine Privatsache.“ (22)

Großes Medieninteresse bei der Vorstellung der Enzyklika heute im Vatikan. (ap)

Die Enzyklika bleibt bei grundsätzlichen Aussagen und wird nur äußerst selten konkret. Dies geschieht vor allem in den letzten Abschnitten. Da geht es etwa um Konsequenzen des Glaubens, der etwa zum Schutz der Familie, der Achtung der Schöpfung, nachhaltiger Entwicklung oder gerechten Regierungsformen führen soll. (55). Die Päpste wehren sich dagegen, die Wahrheit des Glaubens mit Fanatismus zu verwechseln. (25) Vielmehr handle es sich um eine „Wahrheit der Liebe“. Diese Wahrheit setze sich nicht mit Gewalt durch und unterdrücke auch den Einzelnen nicht. „Der Gläu­bige ist nicht arrogant; im Gegenteil, die Wahr­heit lässt ihn demütig werden, da er weiß, dass nicht wir sie besitzen, sondern vielmehr sie es ist, die uns umfängt und uns besitzt. Weit davon entfernt, uns zu verhärten, bringt uns die Glaubensgewissheit in Bewegung und ermöglicht das Zeugnis und den Dialog mit allen.“ (34)

Anecken wird sicherlich die Vorstellung des Papstes, dass der Glaube nur in der Gemeinschaft der Kirche möglich ist. Die starke Betonung der Bedeutung des Lehramts, das durch die „apostolische Sukzession“ die Kontinuität des Gedächtnisses der Kirche gewährleiste, dürfte ebenfalls Widerspruch hervorrufen. Zumindest muss die Frage erlaubt sein, was mit dem „Glaubenssinn der Gläubigen“ ist, den das II. Vatikanische Konzil noch kennt (vgl. Lumen Gentium 12). Die starke Rückbindung der Theologie an das Lehramt dürfte in Theologenkreisen zu Diskussionen führen. (36) Auch die Frage nach der Einheit des Glaubens, den der Papst in der Enzyklika sehr stark betonen (68ff), wirft angesichts der Uneinigkeit des Christentums und der Aufspaltung in verschiedene Konfessionen Fragen auf. Immerhin dürften Protestanten die Passage gerne lesen, in der es um die Rechtfertigung und die Gnade „nicht aus eigener Kraft“ (Eph 2,8) geht.  (19).

Der Enzyklika fehlt trotz der erwähnten Ermahnung, dass der Glaube für Christen konkrete Konsequenzen haben muss, etwas die Konkretheit und Frische des Franziskus, die in den letzten gut 100 Tagen des Pontifikats erkennbar geworden sind. Wie im Vorwort auch angedeutet, muss die Enzyklika im Zusammenhang mit den anderen großen Lehrschreiben von Papst Benedikt XVI. über die Hoffnung (Spe salvi) und die Liebe (Deus caritas est, Caritas in veritate) gelesen werden. Mit der Glaubensenzyklika wollte Benedikt die Trias „Glaube, Hoffnung, Liebe“ vollenden. Die Glaubensenzyklika ist daher vielleicht eher als theologische Grundlegung zu verstehen; die konkreten Konsequenzen, die sich daraus ergeben, finden sich in den Enzykliken über die Hoffnung und die Liebe. Ähnlich wie bei seinen Jesusbüchern legt Benedikt XVI. damit den Grundlagenteil als letztes vor. Allerdings wurde dieser nicht mehr rechtzeitig vor seinem Amtsverzicht fertig. Dass Franziskus die Glaubensenzyklika in wesentlichen Punkten übernommen hat, zeigt auch etwas von der inhaltlichen Kontinuität der beiden Päpste. Dennoch wirkt sie nach 100 Tagen Franziskus auch etwas fremd – in Sprache und Inhalt. Darin wird auch wieder die Unterschiedlichkeit der beiden Päpste deutlich.

Am Tag der Veröffentlichung der gemeinsamen Enzyklika gab es übrigens auch einen gemeinsamen Auftritt der beiden Päpste. Zur Weihe des Vatikanstaats an den Erzengel Michael und den heiligen Joseph hatte Franziskus seinen Vorgänger eingeladen. Der war dann auch zu der Zeremonie vor dem Governatorat, dem Regierungssitz des Vatikanstaats, erschienen.

Gläubige fordern bei der Beerdigung von Papst Johannes Paul II. am 8. April 2005 die sofortige Heiligsprechung. (dpa)

Zum Schluss noch die News des Tages: Papst Franziskus hat ein Konsistorium, ein Treffen aller in Rom anwesenden Kardinäle einberufen, das über die Heiligsprechung der beiden seligen Päpste Johannes XXIII. (1881-1963) und Johannes Paul II. (1920-2005) entscheiden soll. Schon seit Tagen war in Rom darüber spekuliert worden, dass die Heiligsprechung der beiden noch in diesem Jahr stattfinden könnte. Anfangs wurde als Datum der 20. Oktober genannt, zuletzt aber auch der 8. Dezember. Papst Franziskus hat heute ein Wunder auf Fürsprache des seligen Johannes Pauls II. anerkannt. Damit steht seiner Heiligsprechung nichts mehr im Wege. Etwas anders verhält es sich beim seligen Johannes XXIII. Für ihn wurde bisher noch kein neues Wunder anerkannt. Die Bemerkung von Vatikansprecher Federico Lombardi am Rande der Enzyklika-PK, der Papst könne von der Notwendigkeit eines Wunders dispensieren, zeigt, dass Franziskus den Konzilspapst wohl ohne ein weiteres Wunder zum Heiligen machen möchte. Es scheint Bergoglio ein persönliches Anliegen zu sein, Johannes XXIII. heilig zu sprechen.

 

Eine Heiligsprechung von Johannes Paul II. noch in diesem Jahr, also nur acht Jahre nach seinem Tod im April 2005, wäre ein Rekord in der neueren Kirchengeschichte. Das rasche Verfahren wurde vor allem aus seinem Heimatland Polen gepuscht. Allerdings gab es immer wieder auch kritische Stimmen, die eine gründlichere Aufarbeitung des Pontifikats forderten. Sie sehen etwa offene Fragen zur Rolle Papst Johannes Pauls II. beim Umgang mit Missbrauchsfällen oder auch in Bezug auf Finanzfragen. Wann das Konsistorium stattfindet, ist bisher noch offen.

Wenigstens schwarze Zahlen

Nach einer turbulenten „Finanzwoche“ wartete der Vatikan heute mit positiven Meldungen aus dem Wirtschafts-Bereich auf. Die Haushalte des Heiligen Stuhls und des Vatikanstaats haben 2012 mit Gewinnen abgeschlossen: der Heilige Stuhl, sozusagen die Verwaltung der Weltkirche, mit einem Plus von 2,18 Millionen Euro, der Staat der Vatikanstadt sogar mit einem Plus von 23 Millionen Euro. Der Vatikanstaat konnte damit sein Plus gegenüber 2011 um mehr als eine Million Euro steigern. Ein Großteil der Einnahmen stammt aus dem Erlös der Eintrittsgelder der jährlich mehr als fünf MIllionen Besucher der Vatikanischen Museen sowie aus dem Verkauf von Briefmarken durch die Vatikanpost.

Der Heilige Stuhl hatte im vergangenen Jahr noch ein Minus von 14,9 Millionen Euro zu verbuchen. Dass in diesem Jahr ein leichter Überschuss zu verzeichnen ist, sei den guten Renditen bei den Finanzgeschäften zu verdanken. Größter Ausgabenposten für den Heiligen Stuhl sind die Gehälter für die 2.823 Mitarbeiter sowie die Kosten für die vatikanischen Medien (v.a. Radio Vatikan und die Tageszeitung L’Osservatore Romano). Zudem habe 2012 die neue Immobiliensteuer zu Mehrausgaben von rund fünf Millionen in diesem Bereich geführt. Der Vatikanstaat hatte Ende 2012 übrigens 1.936 Mitarbeiter.

Wie schon in den vergangenen Jahren gab es zur Vorstellung der Bilanzen keine Pressekonferenz, sondern lediglich eine Mitteilung des vatikanischen Presseamts. Auch wurden keine Details über Ausgaben und Einnahmen mitgeteilt. Das passt nicht so richtig zur viel beschworenen neuen Transparenz. Vielleicht war aber auch die Zeit zu kurz, um auf diese neue Entwicklung zu reagieren. Allerdings wird schon seit Jahren von Journalisten reklamiert, dass die Zahlen nicht nachvollziehbar offen gelegt werden. Immerhin geht es zu einem großen Teil auch um Spendengelder der Gläubigen.

In diesem Bereich wurden, wie üblich, wenigstens einige Zahlen veröffentlicht. Und die müssten bei den Kardinälen im Vatikan die Alarmglocken schrillen lassen. So ist etwa der Erlös aus dem sogenannten „Peterspfennig“ von 69,7 Millionen US-Dollar (53,7 Millionen Euro) im Jahr 2011 auf 65,9 Millionen US-Dollar (50,8 Millionen Euro) gesunken, ein Minus von über 5 Prozent. Auch die Zuwendungen aus den Diözesen in aller Welt sind von 32,1 Millionen US-Dollar (24,7 Millionen Euro) um 11,9 Prozent auf 28,3 Millionen US-Dollar (21,8 Millionen Euro) gesunken. Dieser Rückgang lässt sich sicherlich nicht allein durch die Wirtschaftskrise erklären, sondern dürfte auch inhaltliche Gründe haben.

Die Vatikanbank IOR hat 2012 übrigens 50 Millionen Euro ausgeschüttet, die dem Papst zur Verwendung für soziale Zwecke zur Verfügung stehen. Dazu kamen noch fünf Millionen Euro des IOR an verschiedene Fonds, unter anderem zur Unterstützung von Klausurklöstern oder den Kirchen auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion.

News zur Vatikanbank

Der Generalidrektor der Vatikanbank IOR, Paolo Cipriani, und sein Stellvertreter, Massimo Tulli, sind heute von ihren Ämtern zurückgetreten. Das teilte der Vatikan am Abend mit. Interims-Generaldirektor der Vatikanbank wird der Deutsche Ernst von Freyberg, der erst im Februar von Papst Benedikt XVI. zum Präsidenten des Aufsichtsrats der Vatikanbank ernannt worden war. In einer Erklärung des Vatikans vom Abend heißt es, Cipriani und Tulli hätten nach vielen Jahren im Dienst des IOR entschieden, dass der Rücktritt im besten Interesse des IOR und des Heiligen Stuhls sei. Von Freyberg wird mit den Worten zitiert, das IOR und die Direktion hätten seit 2010 versucht, Strukturen und Abläufe den internationalen Standards gegen Geldwäsche anzupassen. Heute sei jedoch eine neue Direktion nötig, um den Transformationsprozess schneller voranzubringen.

Nach den jüngsten Schlagzeilen um einen Rechnungsprüfer der Vatikanischen Güterverwaltung Ende vergangener Woche, dem vorgeworfen wird, illegal 20 Millionen Euro aus der Schweiz nach Italien überführt haben zu wollen, könnte die Personalie heute der Versuch eines Befreiungsschlages sein. Zumindest soll er wohl ein Signal sein, dass der Vatikan ernsthaft mit den alten Seilschaften in der Vatikanbank brechen möchte. Der neue Wind des Anfangs des Pontifikats von Papst Franziskus, die massive Kritik der Kardinäle im Vorkonklave und wohl auch die mit dem Pontifikatswechsel eingetretene Macht-Schwäche des noch amtierenden Kardinalstaatssekretärs Tarcisio Bertone scheinen diesen Neuanfang möglich zu machen. Bertone wurde in den vergangenen Jahren immer wieder als Bremser wahrgenommen beim Vesuch, das Anliegen Benedikts XVI. zur Reinigung der Bank umzusetzen.

Vieles hängt nun davon ab, wer neuer IOR-Generaldirektor wird. Denn von Freyberg wird die Doppelfunktion als Generaldirektor und Chef des Aufsichtsrats nicht lange ausüben können. Immerhin dürfte es aber ein Vertrauensbeweis von Papst Franziskus gegenüber dem deutschen Manager sein. In den vergangenen Wochen hatte es immer wieder Gerüchte gegeben, der neue Pontifex und von Freyberg verstünden sich nicht.

Nach den IOR-Direktoren könnte nun auch bald der Kardinalsstaatssekretär ersetzt werden. In den vergangenen Tagen kocht die Gerüchteküche rund um den Vatikan auf Hochtouren. Viele rechnen noch vor der „Sommerpause“ mit der Ernennung des Nachfolgers von Bertone.

„Lumen fidei“ – erste Enzyklika am Freitag

Papst Franziskus macht weiter Dampf. Bereits am Freitag wird seine erste Enzyklika veröffentlicht: „Lumen fidei – Licht des Glaubens“. Es ist die erste Enzyklika, so Franziskus vor einigen Tagen selbst, die von „vier päpstlichen Händen“ geschrieben ist. Denn Franziskus verwendet eine Vorlage, die Papst Benedikt XVI. bereits zum „Jahr des Glaubens“ vorbereitet hatte. Die Fassung Ratzingers war eigentlich schon zum Jahreswechsel fertig gewesen; doch blieb sie in den vatikanischen Mühlen hängen und konnte daher nicht mehr vor dem Amtsverzicht von Benedikt XVI. am 28. Februar veröffentlicht werden. Das Dokument wird am Freitag von Kardinal Ouellet und den Erzbischöfen Müller und Fisichella vorgestellt.

Am Montag besucht Papst Franziskus dann die Mittelmeerinsel Lampedusa. Dort gibt es ein Auffanglager Italiens für Flüchtlinge, die mit waghalsigen Bootstouren versuchen, von Afrika nach Europa zu kommen. Immer wieder war es dabei in der Vergangenheit zu Todesfällen gekommen, weil die Schiffe verunglückten. Zuletzt starben nach Medienberichten Mitte Juni sieben Flüchtlinge. Bisher sind im ersten Halbjahr 2013 knapp 8.000 Flüchtlinge an Italiens Küsten angekommen; fast doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum.  Franziskus möchte mit seiner Reise am Montag auf das Schicksal der Flüchtlinge aufmerksam machen. Die Ankündigung der Reise kam am Montag überraschend. Mit dem Besuch setzt Franziskus ein klares Zeichen.

Ebenfalls am Montag wurde bekannt, dass Franziskus nicht nur die Generalaudienzen im Juli absagt, sondern auch im August auf die wöchentlichen öffentlichen Auftritte verzichtet. Am 6. Juni hatte der Vatikan noch mitgeteilt, dass der Papst ab dem 7. August wieder die wöchentlichen Generalaudienzen abhalten werde. Jetzt ist die nächste große Mittwochsaudienz erst am 4. September geplant. Damit macht sich Franziskus über den Sommer für zwei Monate rar. Lediglich die sonntäglichen Mittagsgebete sind öffentliche Termine, sowie ein Gottesdienst mit Seminaristen und Novizen am kommenden Sonntag – und natürlich die Reise zum Weltjugendtag vom 22. bis 29. Juli nach Rio de Janeiro.

Nach der überraschenden Ankündigung der Enzyklika und des Lampedusa-Tripps heute, sind allerdings weitere sommerlicher Überraschungen nicht ausgeschlossen.

Kommission die Zweite

Nach der Kardinalsgruppe, die eine Kurienreform vorbereiten soll, hat Papst Franziskus jetzt eine zweite Kommission eingesetzt, die über das Geschäftsgebaren der Vatikanbank „IOR“ Informationen zusammentragen soll. Ziel ist es, zu einer „besseren Harmonisierung der Vatikanbank mit den Aufgaben der universalen Kirche und des Apostolischen Stuhls“ zu kommen. Das Ganze stehe im Kontext der anstehenden Reformen der Institutionen der römischen Kurie, heißt es in einer Vatikanerklärung.

Papst Franziskus scheint den Offiziellen der Bank nicht so recht zu trauen; denn sonst hätte er ja den Chef der Vatikanbank, Ernst von Freyberg, mit dieser Aufgabe betrauen können. Der Deutsche wurde erst Anfang des Jahres von Papst Benedikt XVI. in das Amt berufen mit dem Auftrag, die Bank aus den negativen Schlagzeilen herauszuführen und für saubere sowie transparente Geschäfte zu sorgen. Auf dieses Anliegen nimmt Franziskus in seinem Ernennungsschreiben für die Kommission ausdrücklich Bezug. Er wolle auf dem Weg Benedikts fortfahren, wonach wirtschaftliche und finanzielle Aktivitäten den Prinzipien des Evangeliums entsprechen müssten. Zudem müssten die müssten die Strukturen und Instrumente der Bank den Erfordernissen der Zeit angepasst werden.

Interessant ist die Zusammensetzung der Kommission. Chef ist der langjährige Chefbibliothekar des Heiligen Stuhls Raffaele Farina (79). Weiteres Mitglied ist Kardinal Jean-Louis Tauran (70). Der französische Kurienkardinal ist im „Hauptberuf“ Chef des Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog. Mehr als dieses Amt dürften ihn seine mehr als 30-jährige Erfahrung als Kurienmitarbeiter für die Aufgabe prädestiniert haben. Tauran gehört seit Jahren der Kardinalskommission für die Vatikanbank an. In dem Gremium zeigte er sich oft als kritischer Geist gegenüber der Politik von Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone. Allerdings ist Tauran viel zu sehr Diplomat, als dass er Konflikte nach außen tragen würde. Er war lange Zeit Außenminister des Vatikans. Auch wenn er in dieser Zeit eng mit dem damaligen Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano zusammenarbeitete,  dem Vorgänger und auch Gegenspieler Bertones, ist Tauran stets ein unabhängiger Geist geblieben. Oft wird der an Parkinson leidende Franzose unterschätzt. Vor wenigen Tagen deutete er in einem Gespräch mit dem ZDF an, dass im Finanzbereich des Vatikans Veränderungen anstünden. Braucht es wirklich drei verschiedene Institutionen, die sich mit Finanzen beschäftigen, lautete damals seine Frage. Neben der Vatikanbank ist dies die Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten und die Güterverwaltung des Apostolischen Stuhls.

Auffallend ist, dass in der IOR-Kommission gleich zwei US-Amerikaner vertreten sind. Neben dem vatikanischen Vize-Innenminister Bryan Wells (50) auch die Harvard-Professorin und ehemalige US-Botschafterin beim Heiligen Stuhl Mary Ann Glendon.  In den vergangenen Jahren war immer wieder aufgefallen, dass sich die US-amerikanischen Bischöfe sowie die mächtige Laienorganisation der Columbusritter unter ihrem Chef Carl Anderson sehr für die Finanzgeschäfte des Vatikans interessierten. Der 62-jährige Anderson ist übrigens auch Mitglied im Aufsichtsrat der Vatikanbank. Den US-Amerikanern schienen die negativen Schlagzeilen rund um die Vatikanbank und das Verwaltungschaos in der vatikanischen Kurie sehr zu missfallen. Durch geschickte Personalpolitik versuchten sie an Einblick und Einfluss zu gewinnen.

Als Koordinator der IOR-Kommission wurde der Sekretär im Päpstlichen Justizrat, Bischof Juan Ignacio Arrieta Ochoa de Chinchetru, ernannt. Während Mary Ann Glendon Expertin für Zivilrecht ist, kennt der Kurienbischof sich mit den kirchenrechtlichen Bestimmungen aus. Zudem heißt es in den letzten Tagen immer wieder, dass der Chef Arrietas, Kurienkardinal Francesco Coccopalmerio einer der Ideengeber für die anstehende Kurienreform sei.

So langsam kommt das Pontifikat von Papst Franziskus in Fahrt. Die IOR-Kommission soll schon in diesen Tagen mit der Arbeit beginnen. Auch die Mitglieder der Kardinalsgruppe zur Vorbereitung der Kurienreform hat bereits erste Hausaufgaben zu bearbeiten, um dann Anfang Oktober beim ersten offiziellen Treffen im Vatikan gut vorbereitet an die heikle Aufgabe gehen zu können.