Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog

Interessantes und Hintergründiges aus dem Vatikan

Radikale Umkehr für die Kirche

Die Nachricht des Tages kommt heute aus Kuba. Dort hat der Erzbischof von Havanna, Jaime Lucas Ortega y Alamino, jetzt die Rede veröffentlicht, die Kardinal Bergoglio im Vorkonklave gehalten hat. Seit Tagen ist bekannt, dass diese kurze Ansprache von dreieinhalb Minuten die versammelten Kardinäle nachdrücklich beeindruckt hat. Was bei Joseph Ratzinger 2005 die Predigt beim Gottesdienst zum Einzug ins Konklave mit der berühmten Formulierung von der „Diktatur des Relativismus“ war, war bei Bergoglio diese kurze Rede vier Tage vor Beginn des Konklaves am 8. März. Kardinal Ortega bat hinterher Bergoglio um einige schriftliche Notizen des Vortrags. Mit ausdrücklicher Zustimmung des Papstes, so der kubanische Kardinal, habe er sie nun veröffentlicht.

Der Auszug des Vortrags von Kardinal Bergoglio, der seit gestern Abend im Internet kursiert.

Vier Punkte trug Bergoglio vor, die so etwas wie sein Regierungsprogramm sind. Einige der Inhalte haben sich schon in den Worten und Gesten der ersten Tage des Pontifikats abgezeichnet. Eigentliche Aufgabe der Kirche, so Bergoglio im Vorkonklave, sei die Evangelisierung. Die Kirche sei deshalb dazu berufen, aus sich herauszugehen und in die Peripherien zu gehen, nicht nur geografisch, sondern auch existentiell; also dorthin wo Sünde, Schmerz, Ungerechtigkeit, Ignoranz und jede Form von Elend herrschten. Wenn die Kirche nicht so aus sich herausgehe, werde sie selbstreferenziell. Es komme zu einem theologischen Narzissmus. Eine selbstreferenzielle Kirche schließe Christus in sich ein und lasse ihn nicht hinaus in die Welt. Letztendlich sei eine solche Kirche eine „verweltlichte Kirche“. In Anlehnung an den Konzilstheologen Henri de Lubac (1896-1991) bezeichnet Bergoglio dies als das „schlimmste Übel“,  das über die Kirche kommen könne. Da klingt übrigens etwas von der Aufforderung der Entweltlichung der Kirche Benedikts XVI. an, die er in seiner Freiburger Rede im September 2011 gefordert hatte.

Der Begriff der „spirituellen Mondänität“ Lubac’s taucht bei Kardinal Bergoglio immer wieder auf. 2007 etwa in einem Interview nach dem Konsistorium, dem Treffen aller Kardinäle in Rom, sagte der damalige Erzbischof von Buenos Aires: „Spirituelle Mondänität ist, wenn man sich selbst in den Mittelpunkt stellt. Es ist das, was Jesus unter den Pharisäern erkennen kann: ‚Ihr, die ihr euch selbst verherrlicht, die ihr einander selbst verherrlicht.’“ Eine solche Kirche bezeichnete Bergoglio jetzt im Vorkonklave als „weltliche Kirche“, die in sich selbst, aus sich selbst und für sich selbst lebe. Vor diesem Hintergrund müsse man mögliche Veränderungen und Reformen der Kirche angehen, die notwendig seien für die Rettung der Seelen. Der neue Papst, so Bergoglio abschließend, müsse aus der Betrachtung und Verehrung Christi heraus der Kirche helfen, zu den „existentiellen Peripherien“ zu gehen.

Papst Franziskus heute beim Giro über den Petersplatz

Das ist es, was Franziskus nun umzusetzen versucht. Bei seiner ersten Generalaudienz heute etwa beklagte er, dass es zu viele Pfarreien gebe, die in sich verschlossen seien. „Uscire, uscire, uscire!“ lautet die Devise des neuen Pontifex, der übrigens auch heute wieder nur auf Italienisch sprach. Selbst seine Grüße an die fremdsprachigen Pilger ließ er zusammen mit einer Kurzfassung seiner Rede von Mitarbeitern des vatikanischen Staatssekretariats vortragen – auch auf Spanisch, seiner Muttersprache. Franziskus will eine Kirche, die bei den Menschen ist, die herauskommt aus der Sakristei, aus Eitelkeiten und Karrierismus. Franziskus’ Botschaft heute: „Herausgehen aus sich selbst, aus einer Art, den Glauben müde und gewohnheitsmäßig zu leben, aus der Versuchung, sich in den eigenen Schemata einzuschließen, die letztendlich dazu führen, den Horizont des kreativen Handelns Gottes zu beschneiden.“

P.S. Die „Autoreform“ (bitte hier nicht missverstehen – „auto“ im Sinne von automatisch) geht übrigens weiter. Dem Vernehmen nach benutzt jetzt auch Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone nicht mehr die große Limousine, mit der er noch im Vorkonklave täglich vorgefahren ist, sondern ein kleineres Modell eines Herstellers, der auch in Köln produziert.

P.P.S. Es wirkt schon etwas seltsam, wenn der Papst die fremden Sprachgruppen auf Italienisch grüßt und diese Grüße dann übersetzen lässt. Denn eigentlich spricht Franziskus ja neben Spanisch und Italienisch auch Deutsch, Englisch und Französisch sowie etwas Portugiesisch. Offiziell heißt es, dass der Papst keine Sprache bevorzugen oder benachteiligen will. Daher spreche er zunächst nur Italienisch. Das könne sich aber noch ändern. Wie an vielen anderen Stellen gilt auch für die Sprachen: Man ist in einer Phase des Experimentierens und Eingewöhnens. Gespannt darf man sein, ob Franziskus am Ostersonntag in über 60 Sprachen grüßen wird, wie das seine Vorgänger gemacht haben. Angeblich soll es so sein. Es bleibt spannend!

P.P.P.S. Im vatikanischen Presseamt wurde heute eine DVD vorgestellt, die das Vatikanfernsehen über den Pontifikatswechsel zusammengestellt hat. 50 Minuten emotionale Bilder wurden versprochen. Allerdings gab es noch kein Ansichtsexemplar für Journalisten. Die italienische Fassung wird ab 2. April mit der Tageszeitung Corriere della Sera verkauft. Verraten wurde aber schon, dass Kardinal Comastri in dem Film mit Zustimmung von Franziskus das Geheimnis der ersten Worte des neuen Papstes nach der Wahl lüftet. Kardinal Bergoglio sagte demnach: „Ich bin ein großer Sünder. Vertrauend auf die Barmherzigkeit und Geduld Gottes, unter Schmerzen nehme ich [die Wahl] an.“

Zimmer frei!

Papst Franziskus geht weiter seinen eigenen Weg. Bis auf Weiteres wird er nicht in die Papstwohnung im dritten Stock des Apostolischen Palasts einziehen. Das erklärte heute Vatikansprecher Federico Lombardi. Die Wohnung sei fertig renoviert; doch der neue Papst ziehe es vor, noch einige Zeit im vatikanischen Gästehaus Santa Marta zu wohnen. Wie lang das dauern wird, konnte Lombardi heute nicht sagen. Man sei in einer Phase des Experimentierens und der Einführung, so der Jesuit gegenüber Journalisten. Papst Franziskus wolle mit den Menschen leben. Deshalb bleibe er vorerst in Santa Marta. Dort sei er allerdings mittlerweile in die „Papst-Suite“ umgezogen. Zimmer Nr. 201 bietet einen kleinen Empfangsraum, in dem unter anderem die Audienzen für die Kurienmitarbeiter stattfinden. Für offizielle Termine etwa mit Politikern nutzt Franziskus die üblichen Audienzräume im zweiten Stock des Apostolischen Palasts. Auch wird er den Angelus an Sonntagen laut Lombardi vom Fenster des Arbeitszimmers in der Terza Loggia beten, wie üblich.

Vorerst unbenutzt - die Papstwohnung im 3. Stock.

In Santa Marta sind unterdessen wieder die rund 40 Kurienmitarbeiter eingezogen, die in dem Gästehaus ihre dauerhafte Bleibe haben und für die Zeit des Konklaves ausquartiert worden waren. So lebt der neue Papst unter den Kurialen und den sonstigen Gästen. Er feiert mit ihnen am Morgen um 7 Uhr die Heilige Messe und isst im Speisesaal mit ihnen. Ein Lebensstil, der noch vor wenigen Tagen für einen Pontifex undenkbar gewesen wäre, alleine schon aus Sicherheitsgründen. Denn Benedikt XVI. wurde von den Personenschützern oft weiträumig abgeschirmt. Selbst wenn er sich innerhalb des Vatikans bewegte, mussten Türen und Fenster geschlossen bleiben. Wenn Papst Ratzinger in den vatikanischen Gärten spazierte, durfte dort meist niemand sonst sein. Das hat sich nun schnell geändert. Franziskus sucht den Kontakt zu den Menschen und die Sicherheitsleute haben diesen neuen Stil in kürzester Zeit adaptiert.

So wird es sicherlich auch noch viele weitere Änderungen geben. Franziskus bewahrt sich seine Eigenständigkeit. Allein schon durch die Entscheidung, derzeit nicht in die Papstwohnung zu ziehen, setzt er ein klares Zeichen. Selbst wenn er in einigen Wochen oder Monaten doch dort einziehen sollte, signalisiert er mit seiner heutigen Entscheidung, dass die in katholischen Kreisen gerne bemühte Begründung: „Das war schon immer so!“ für ihn nicht zählt. Die vielleicht auf den ersten Blick für manche eher nebensächlich wirkende Entscheidung des Aufenthaltsorts verschafft ihm Respekt und Handlungsspielraum auch auf anderen Gebieten. Er ist und bleibt ein freier Geist. Das wird ihn nicht davon befreien, sich auch der ein oder anderen Tradition päpstlicher Amtsausübung unterordnen zu müssen. Auch Franziskus wird sich bewegen müssen. Er wird seinen Stil, den er als Erzbischof von Buenos Aires pflegte, nicht eins zu eins auf das Papstamt übertragen können. Doch er zeigt, dass er sich auch nicht allzu schnell in vorgefahrene Spuren hineindrängen lässt. Natürlich hilft ihm dabei der revolutionäre Amtsverzicht seines Vorgängers. Benedikt XVI. hat damit den Weg für Neues, Anderes frei gemacht. Der Papst, dem man immer wieder vorgeworfen hat, die Kirche nach Rückwärts hin orientieren zu wollen, hat die Möglichkeit für einen Aufbruch und einen Neuanfang geschaffen.

Der Alltag beginnt.

Nach den turbulenten Tagen der Wahl und der Amtseinführung beginnt für Papst Franziskus nun langsam der Alltag im neuen Amt. Heute Morgen hat er den Chef der Bischofskonkongregation, Kardinal Marc Ouellet getroffen. Da dürfte es um die ersten Personalentscheidungen gegangen sein; allerdings weniger um das mit Spannung erwartete Stühlerücken in der römischen Zentrale als vielmehr um Bischofsernennungen in den Diözesen. Weit über 200 Posten müssen jedes Jahr neu besetzt werden. Die Bischofskongregation bereitet die Entscheidungen vor, abgesehen von den Bistümern in den traditionell als Missionsgebiete bezeichneten Diözesen, für die die Missionskongregation zuständig ist. Das letzte Wort hat aber immer der Papst bzw. in einigen Bistümern im deutschen Sprachraum das jeweilige Domkapitel, wenn das entsprechende Konkordat eine Wahl aus drei Kandidaten vorsieht. Die wiederum hat aber der Papst festgelegt, so dass letztendlich auch in diesen Fällen er entscheidet.

 

Papst Franziskus grüßt überall in der Stadt - und wird begrüßt.

Ouellet wird also heute Morgen mit einem großen Stapel Dokumente beim Papst erschienen sein; denn seit dem 1. März hat es keine Ernennungen mehr gegeben und der Stau muss nun abgearbeitet werden. In Deutschland warten etwa die Bistümer Passau und Erfurt auf einen neuen Diözesanbischof; daneben stehen einige Ernennungen von Weihbischöfen aus, etwa in Freiburg und Köln. Franziskus wird mit seinem Personalchef sicher auch über die Kurie gesprochen haben; denn schließlich kennt Ouellet, der ja selbst lange als höchst papabile galt, den Episkopat weltweit und er bringt mittlerweile einige Jahre Kurienerfahrung mit, zunächst als zweiter Mann im Ökumenerat (2001-2002), dann – nach einem Zwischenspiel als Erzbischof in Quebec – ab 2010 als Chef der Bischofskongregation.

Als solcher gehört er zu den wenigen Kurienchefs, die unter Benedikt XVI. einen regelmäßigen Audienztermin beim Papst hatten. Am Samstagnachmittag besprach er wöchentlich mit dem Pontifex die anstehenden Personalentscheidungen. Neben ihm hatten nur noch wenige Kurienchefs einen regelmäßigen Termin wie etwa der Präfekt der Glaubenskongregation am Freitagnachmittag sowie der Kardinalstaatssekretär und der Außen- bzw. der Innenminister. Alle anderen Leiter mussten oft lange auf eine Audienz beim Papst warten. Dies wurde im Vorkonklave von vielen Kardinälen heftig kritisiert. Sie forderten unter anderem die Wiedereinführung der Tabellaraudienzen, wie man die regelmäßigen Termine beim Papst nennt, für möglichst alle Kurienchefs. Es wird sich zeigen, ob Franziskus diesem Wunsch nachkommt.

Außer Kardinal Ouellet empfing der neue Papst auch den Chef der Ordenskongregation, Kardinal Joao Braz de Aviz. Mit einem Jesuiten auf dem Stuhl Petri dürfte im neuen Pontifikat auf den Orden sicher ein besonderes Augenmerk liegen. Gerade die großen traditionellen Orden leiden seit Jahren an Nachwuchsmangel. Zugleich werden immer mehr Klöster zu spirituellen Zentren, die große Massen anziehen. Hier liegt eine Chance für die Neuevangelisierung, die auch dem neuen Papst am Herzen liegt und die er sicher nicht ungenutzt verstreichen lassen will. Das Ministerium von Braz de Aviz, das bisher eher ein Schattendasein fristete, könnte also in Zukunft an Bedeutung gewinnen.

P.S. Der Vatikan hat heute übrigens alle Ostertermine des Papstes offiziell bestätigt. Gründonnerstag feiert er um 9.30h im Petersdom die Chrisammesse und um 17.30h den  Abendmahlsgottesdienst im römischen Jugendgefängnis „Casal del Marmo“. Von diesem Gottesdienst wird es voraussichtlich keine Live-Bilder geben wegen des Persönlichkeitsschutzes der Häftlinge. Karfreitag findet um 17h die Karfreitagsliturgie im Petersdom statt und um 21.15h der Kreuzweg am Kolosseum. Die Osternachtsfeier ist am Karsamstag um 20.30h im Petersdom. Ostersonntag feiert der Papst auf dem Petersplatz um 10.15h den Ostergottesdienst; um 12h erteilt er den Segen Urbi et Orbi und verkündet seine Osterbotschaft von der Mittelloggia des Petersdoms.

Einzug im Vatikan

Feststimmung bei sonnigem frühlingshaftem Wetter haben mehr als 200.000 Menschen heute auf dem Petersplatz in Rom erlebt. Was sich auf dem Platz abspielte, erinnerte eher an den Einzug Jesu in Jerusalem als an sein Leiden. Beides war ja heute Thema in der Palmsonntagsliturgie. Am Ende wirkte es so, als ziehe an diesem Sonntag Franziskus im Vatikan ein, und – auch wenn das jetzt für manchen Leser befremdlich wirken mag – in die Herzen der Menschen auf dem Platz. Bei der 20-minütigen Fahrt mit dem Papamobil nach dem Gottesdienst schwenkten die Menschen ihre Palmzweige; so ungefähr muss das auch vor knapp 2000 Jahren gewesen sein, als Jesus in Jerusalem eingezogen ist. Franziskus segnete Kinder und küsste sie; Kranke und Behinderte in Rollstühlen wurden von den Sicherheitsleuten zu ihm getragen, dass er sie segnen und mit ihnen sprechen konnte. Er bat mit einer Geste immer wieder darum, dass die Menschen für ihn beten sollten.

Papst Franziskus beim Bad in der Menge

Zuvor hatte Franziskus bereits während der knapp zweistündigen Liturgie mit seiner Predigt viele begeistert. Applaus während und nach der Ansprache des Papstes während einer Messe, das gab es zuletzt selten auf dem Petersplatz. Freude, Kreuz und Jugendliche – das sind die Stichworte, um die es in der 14-minütigen Predigt ging. Der Grundtenor war, wie schon bei seinen bisherigen Ansprachen, positiv. Die Christen sollten sich niemals von Mutlosigkeit überwältigen lassen, sondern sich im Vertrauen auf Christus für den Nächsten und die Umwelt einsetzen. „Seid niemals traurige Menschen: ein Christ darf das niemals sein!“ Dabei scheut Franziskus auch nicht davor zurück, von Sünde oder dem Teufel zu sprechen. Er kritisierte Kriege, Wirtschaftskonflikte, Gewinnsucht, Machtstreben und Korruption als Zeichen der Sünde in der Welt. „Wir dürfen uns niemals an das Böse gewöhnen! Mit Christus können wir uns selbst und die Welt verwandeln.“ Was zählt sei nicht irdische Macht, so Franziskus. In dem Kontext erinnert er an seine Großmutter, die immer gesagt habe, das Totenhemd habe keine Taschen, in denen man irgendeinen Besitz mitnehmen könne.

Dann sprach er die Jugendlichen direkt an, die zahlreich auf dem Platz versammelt waren. Seit 28 Jahren steht der Palmsonntag im Zeichen der Weltjugendtage. Franziskus bestätigte, dass er beim nächsten Weltjugendtag dabei sein werde. „Mit Freude sehe ich dem kommenden Juli in Rio de Janeiro entgegen! Ich verabrede mich mit euch in dieser großen Stadt Brasiliens!“ Im Anschluss an den Gottesdienst forderte der Papst dann die Jugendlichen in verschiedenen Sprachen auf, sich spirituell auf das Treffen in Rio vorzubereiten. Auf Deutsch sagte er: „Alles Gute auf eurem Weg nach Ostern hin und nach Rio.“

Nach dem Gottesdienst gab es wieder eine spontane Aktion des neuen Papstes. Als der Jeep auf dem Weg vom Petersplatz zum Gästehaus Santa Marta am deutschen Kolleg Campo Santo Teutonico vorbei kam, ließ Franziskus anhalten und besuchte spontan den Friedhof und die Kirche. Der Besuch kam so überraschend, dass in der Eile nicht einmal der Rektor des Hauses ausfindig gemacht werden konnte. Der Kommandant der Schweizergarde sowie ein langjähriger Bewohner des Kollegs erklärten dem Pontifex dann kurz Geschichte und Gegenwart der deutschen Enklave im Vatikan. Sie luden Franziskus ein, doch einmal gemeinsam mit der Kollegsgemeinschaft die Morgenmesse zu feiern. Bei der bekannten Spontaneität des neuen Papstes könnte es also gut sein, dass er in den nächsten Tagen noch einmal im Campo Santo Teutonico vorbeischaut.

Zwei Männer in Weiß

Es war eine historische Begegnung heute in Castelgandolfo. Papst Franziskus und sein Vorgänger Benedikt XVI. haben sich zum ersten Mal getroffen. 45 Minuten dauerte das Vier-Augen-Gespräch. Danach gab es ein gemeinsames Mittagessen mit den beiden Sekretären, Erzbischof Georg Gänswein und Monsignore Alfred Xuereb. Es war nicht der erste Kontakt der beiden Päpste seit der Wahl Franziskus‘ am 13. März. Zweimal haben die beiden bereits telefoniert. Aber es war die erste direkte Begegnung zweier Päpste seit Jahrhunderten. Über den Inhalt des Gesprächs wurde nichts bekannt. Es dürfte aber wahrscheinlich zum einen um den historischen Schritt des Rücktritts Benedikts XVI. und die Beweggründe gegangen sein sowie auch um die Zukunft der Kirche – und damit auch um Fragen des Personals.

Zwei Päpste vereint im Gebet.

Hier werden ja große Hoffnungen in Franziskus gesetzt. Er will sich Zeit lassen, um seine „Regierungsmannschaft“ mit Bedacht zusammenzustellen. Auch wenn Papst Bergoglio sicher bereits klare Vorstellungen über seine künftigen Mitarbeiter hat, dürfte das heutige Treffen eine wichtige Etappe auf dem Weg der Entscheidungsfindung gewesen sein. Bergoglio kennt durch seine Mitarbeit als Kardinal in verschiedenen Dikasterien die Kurie; auch hatte er in den letzten Tagen bereits intensive Gespräche geführt. Er beriet sich mit Kardinälen, die er auch abseits der offiziellen durch das vatikanische Presseamt bekannt gegebenen Audienztermine getroffen hat. So gab es etwa ein langes Gespräch mit Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga. Der Honduraner kennt sich an der Kurie gut aus; ist durch sein Amt als Präsident von Caritas Internationalis international vernetzt und zudem seit langer Zeit ein Freund des amtierenden Papstes.

Es fällt bereits in den ersten Tagen des neuen Pontifikats auf, wie sich der Fokus verschiebt. Der neue Papst ist trotz seiner internationalen Kontakte und Erfahrungen stark in Lateinamerika verwurzelt; von dort kommen daher auch seine engsten Vertrauten. Der Eurozentrismus am Vatikan, der trotz der Internationalisierung der Kurie in der Folge des II. Vatikanischen Konzils nach wie vor besteht, wird dadurch weiter aufgebrochen werden.

Benedikt XVI. wirkte übrigens beim ersten öffentlichen Auftritt seit seinem Amtsverzicht am 28. Februar stark gealtert. Die Bilder werden sicher die Spekulationen um den Gesundheitszustand des Papa emeritus anheizen; offiziell gibt es keine Stellungnahme zu dem Thema. Dass heute nun gleich zwei Päpste über die Bildschirme flimmern, scheint für die Italiener hier kein Problem zu sein. Sie fanden die Begegnung sehr emotional und könnten sich mit einem Papa emeritus auf Dauer durchaus anfreunden. Das unterscheidet sie von vielen Kurialen und auch Kardinälen. Es gab große Sorgen vor dem heutigen Treffen und der Wirkung der Bilder zweier Männer in Weiß. Die Kritiker sehen durch den Rücktritt das Papstamt beschädigt. Sie hoffen nun sehr, dass Franziskus seinem Vorgänger in diesem Punkt nicht folgen wird.

P.S. Vatikansprecher Lombardi betonte, dass Benedikt XVI. noch einmal sein Versprechen des Gehorsams und der Unterordnung gegenüber dem amtierenden Papst wiederholt habe. Damit nimmt er all jenen den Wind aus den Segeln, die sich mit dem Kurs des neuen Papstes nicht anfreunden können oder wollen und versuchen könnten, hier eine Art Gegenpapsttum zu installieren. Dass Benedikt seinen Platz jetzt in der „zweiten Reihe“ sieht, wurde deutlich, als die beiden Päpste die Kapelle im Apostolischen Palast in Castelgandolfo betraten. Für Franziskus war der Ehrenplatz mit weißem Stuhl und Kniebank in der Mitte gerichtet, den er zunächst auch ansteuerte. Als er aber sah, dass Benedikt XVI. sich zur zweiten Reihe begab, ging auch Franziskus dorthin. Benedikt wollte ihn davon abhalten mit der Begründung, Franziskus sei doch der Papst; doch Franziskus ließ das nicht gelten. Mit den Worten „Wir sind Brüder!“ kniete er sich mit Benedikt zusammen in die zweite Reihe.

Politische Agenda: Armut, Frieden, Schöpfung

Mit einem Gottesdienst mit den Gärtnern und Reinigungskräften des Vatikans hat heute der Tag von Papst Franziskus begonnen. Der Pontifex feierte die Messe in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses Santa Marta. Dort wird Franziskus nach Auskunft des Vatikans auch noch einige Zeit wohnen bleiben. Unklar ist nach wie vor, ob er in die Papstwohnung im dritten Stock des Apostolischen Palasts einziehen wird oder eine andere Bleibe im Palast bezieht. Bei der Besichtigung der mehrere Hundert Quadratmeter großen Wohnung am Tag nach seiner Wahl, soll er gesagt haben, diese sei zu groß für ihn und biete ja Platz für 300 Menschen. In Buenos Aires bewohnte Kardinal Bergoglio eine kleine Zweizimmerwohnung. Da wird er sich künftig wohl etwas umstellen müssen.

Politisch wurde es dann beim Treffen mit dem beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps. Auch hier wieder das gewohnte Bild: Franziskus verzichtet im Vergleich zu seinem Vorgänger auf den roten Schulterumhang, die Mozzetta, und den großen roten Thron. In einfachem Weiß sitzt er auf einem schlichten gepolsterten Stuhl. Seine Rede dauert ganze 10 Minuten; gehalten auf Italienisch, der Sprache des Bischofs von Rom, und nicht auf Französisch, der Sprache der Diplomatie. Erneut ging der Papst auf seine Namenswahl ein und leitete von Franz von Assisi die Grundkonstanten auch seiner politischen Arbeit ab: Einsatz für die Armen, für den Frieden und die Bewahrung der Schöpfung. Dabei betonte er heute, dass unter Armut nicht nur die materielle, sondern auch die geistliche Armut der Gegenwart zu verstehen sei. Dabei machte er sich die Worte seines Vorgängers Benedikt XVI. der „Diktatur des Relativismus“ zu Eigen. Einmal mehr wird damit deutlich, dass die beiden Päpste inhaltlich nicht so weit auseinander sind, wie es äußerlich scheinen mag. Franziskus forderte zugleich zum Dialog der Religionen auf. Der Pontifex erklärte, er wolle Brückenbauer sein zwischen Gott und den Menschen, aber auch unter den Menschen. Dazu möchte er die Botschafter und ihre Länder als Verbündete gewinnen: „Die materielle wie die geistliche Armut bekämpfen, Frieden schaffen und Brücken bauen – das sind gleichsam die Bezugspunkte eines Weges, den mitzugehen ich jedes der Länder, die Sie vertreten, einlade.“

Hier findet morgen das Treffen von Papst Franziskus mit Benedikt XVI. statt.

Mit Spannung wird in Rom die Begegnung der beiden Päpste morgen in Castelgandolfo erwartet. Es ist ein historisches Ereignis, denn bisher haben sich nie ein Papst, der freiwillig auf sein Amt verzichtet hat, und sein Nachfolger getroffen. Live-Bilder wird es von der Begegnung mit anschließendem Mittagessen morgen nicht geben. Dennoch ist zu erwarten, dass es Fotos und einige TV-Aufnahmen der Vatikanmedien im Nachhinein geben wird. Ob es die letzten Bilder des emeritierten Papstes sein werden, ist ungewiss. Benedikt XVI. selbst hatte ja angekündigt, dass er künftig für die Welt „verborgen“ sein werde. Ob dies wirklich so sein wird, hängt auch von seinem Nachfolger Franziskus ab. Obwohl die beiden beim Konklave 2005 „Gegenspieler“ waren, ist das Verhältnis gut. Papst Bergoglio hat in den letzten Tagen immer wieder an Papst Ratzinger erinnert und dessen Leistungen gewürdigt; angefangen von der Aufforderung zum Gebet für Benedikt XVI. zu Beginn seines ersten Auftritts nach der Wahl auf der Loggia am 13. März bis heute zur Ansprache an die Diplomaten mit dem Zitat der „Diktatur des Relativismus“. Die beiden Herren in Weiß haben sich also sicher Einiges zu sagen und Benedikt XVI. kann seinem Nachfolger wohl auch einige Hinweise geben, wenn es um Personalentscheidungen und anstehende Reformen geht. Daher wird die morgige Begegnung sicher nicht die letzte sein. Wenn Benedikt XVI. erst einmal in seinem Kloster im Vatikan wohnen wird, womit für Mai, spätestens Juni zu rechnen ist, werden sich die beiden sicher öfters sehen.

Es bleibt spannend

Papst Franziskus geht weiter seinen Weg. Heute ließ er mitteilen, dass er den Gottesdienst zur Erinnerung an das Letzte Abendmahl Jesu am Gründonnerstag nicht wie üblich in der Lateranbasilika feiern wird, sondern in einem römischen Jugendgefängnis. Als Kardinal pflegte Jorge Mario Bergoglio die Tradition, diesen Gottesdienst in einem Gefängnis, Hospiz oder Krankenhaus zu feiern. Das möchte er als Papst weiter so machen. Die übrigen Gottesdienste in den Kar- und Ostertagen sollen aber wie gewohnt stattfinden, teilte der Vatikan zugleich mit. Damit wollte man Spekulationen vorbeugen, dass es noch weitere Änderungen geben könnte. Gespannt sind allerdings einige, ob Papst Franziskus an Ostern auch in über 60 Sprachen Grüße in alle Welt schicken wird. Denn es fällt auf, dass der neue Pontifex bisher nur auf Italienisch gesprochen hat. Weder beim Angelus am letzten Sonntag noch bei der Einführungsmesse hatte er in einer anderen Sprache gegrüßt.

 

Hinter dem geschlossenen Fensterladen wird das Arbeitszimmer des Papstes renoviert. Doch zieht er wirklich in die Wohnung ein? Darüber wird in italienischen Medien heftig spekuliert.

Beim sonntäglichen Mittagsgebet war bei seinen Vorgängern immer ein kurzer Gruß auf Französisch, Englisch, Deutsch und Spanisch dabei; manchmal auch noch in anderen Sprachen. Lediglich bei der Begegnung mit den Medienvertretern am vergangenen Samstag sprach Franziskus am Ende einige Sätze auf Spanisch. Doch dabei ging es nicht um einen Gruß in seiner Muttersprache, sondern es handelte sich wohl eher um ein Versehen, dass er die abschließenden Worte nach dem Shakehands in seiner Muttersprache sagte. Manche interpretieren den Verzicht auf die anderen Sprachen schon dahingehend, dass Franziskus sich in erster Linie als Bischof von Rom sehe und nicht so sehr als Papst der Weltkirche. Doch das dürfte zu weit gehen.

Neue Nahrung bekam auch heute wieder die Diskussion über die Rolle des neuen Papstes in der Zeit der Militärdiktatur in Argentinien. Franziskus traf sich am Vormittag mit dem argentinischen Friedensnobelpreisträger Adolfo Perez Esquivel. Der sagte nach der Begegnung, der Papst wolle „die Wahrheit, die Gerechtigkeit und die Wiedergutmachung der durch die Diktatur erlittenen Schäden“ voranbringen. Esquivel verteidigte erneut Papst Franziskus. Dieser habe seinerzeit weder die Diktatur unterstützt, noch habe er zu den Kirchenvertretern gehört, die sich entschieden dagegen gestellt hätten. Sein Weg sei vielmehr die stille Diplomatie gewesen, mit der er versucht habe, Verhafteten und Verschleppten zu helfen. Das Thema Militärdiktatur bleibt also weiter aktuell.

Unterdessen schreibt der Papstbiograf Sergio Rubin in einer argentinischen Zeitung, Franziskus werde sein Heimatland erst im November oder Dezember diesen Jahres besuchen und nicht wie vermutet im Anschluss an den Weltjugendtag im brasilianischen Rio de Janeiro im Juli. Grund sei, dass man jede Verbindung zu den Parlamentswahlen im Oktober verhindern möchte. Es gebe bereits eine entsprechende Vereinbarung zwischen der Regierung und den argentinischen Bischöfen.

P.S. Es geht übrigens immer noch ein Stückchen einfacher. Normalerweise unterschrieb bisher der Papst eine Botschaft oder ein Schreiben mit der Abkürzung „PP“ (Abk. für Papst) nach dem Namen. Franziskus verzichtet nun auch darauf. Jüngstes Beispiel: Zur Amtseinführung des neuen Primas der Anglikanischen Kirche wurden heute zwei Botschaften des Vatikans veröffentlicht. Die Botschaft, die „Benedictus PP. XVI.“ am 4. Februar nach London schickte, als die Wahl des Erzbischofs von Canterbury, Justin Welby, bestätigt worden war, und die Botschaft, die heute „Francis“ zur Amtseinführung des neuen Anglikanerprimas schickte.

Ökumene und Respekt der Religionen

Tag eins nach der Amtseinführung des neuen Papstes stand heute ganz im Zeichen der Ökumene und des interreligiösen Dialogs. Franziskus traf sich mit den Delegationen, die gestern zum feierlichen Gottesdienst nach Rom gekommen waren. Dabei ließ er keinen Zweifel daran, dass er den Weg des Dialogs fortsetzen möchte. „Ich möchte von meiner Seite versichern, dass ich wie meine Vorgänger den festen Willen habe, den Weg der Ökumene fortzusetzen.“ Aufsehen erregte seine Anrede für den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomäus I., als „Bruder Andreas“. Bartholomäus ist Nachfolger des Apostels Andreas; doch diese vertraute Anrede ließ aufhorchen. An die „lieben Freunde“ der anderen Religionen gewandt, stellte er fest: „Die katholische Kirche ist sich der Bedeutung bewusst, die die Förderung der Freundschaft und des Respekts zwischen Männern und Frauen der verschiedenen Religionen hat.“ Ausdrücklich wiederholte Franziskus diesen Satz und fuhr fort, die Religionen könnten viel dazu beitragen, den Armen, Schwachen und Leidenden zu helfen, sowie Gerechtigkeit und Versöhnung zu fördern und so den Frieden aufzubauen.

Franziskus bleibt, wie bei solchen Begegnungen üblich, allgemein. Aber die grundsätzliche Linie ist klar. Trotz aller Unterschiede des neuen Pontifex, die in den letzten Tagen schon deutlich wurden, bleiben Konstanten, bis hinein in einzelne Gedanken. Man sah seinen Vorgänger, Benedikt XVI., förmlich vor sich, als Franziskus erklärte: „Wir wissen, wie viel Gewalt in der jüngeren Geschichte ausgeübt wurde beim Versuch, Gott zu eliminieren.“ Konfessionen und Religionen seien aufgefordert, gemeinsam die Würde des Menschen zu verteidigen, an einem friedlichen Zusammenleben der Völker mitzuarbeiten und die Schöpfung mit Sorgfalt zu pflegen. Hier klangen wieder die drei Motive an, die der neue Papst aus seiner Namenswahl ableitet: Armut, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, die drei Grundkonstanten seines Pontifikats.

Franziskus wirkte heute am Ende der Audienz beim Shakehands etwas müde. Das verwundert nicht. Die vergangenen Tage und Wochen waren anstrengend und man darf nicht vergessen, der neue Papst ist bereits 76 Jahre alt. Trotzdem hat er heute im Gespräch mit Brasiliens Präsidentin Rousseff seine Teilnahme am Weltjugendtag im Juli in Rio de Janeiro bestätigt und zugleich angekündigt, dass er nach dem WJT auch den brasilianischen Marienwallfahrtsort Aparecida besuchen möchte. Laut Kardinal Salazar Gomez, dem Erzbischof von Bogota, hat Franziskus auch eine Einladung nach Kolumbien angenommen; aber ohne konkreten Termin. Das gilt auch für den Besuch in seiner argentinischen Heimat. Vor Ostern dürfte bezüglich der Reisepläne wohl kaum etwas Konkretes zu erfahren sein, auch wenn im vatikanischen Staatssekretariat in diesen Tagen stets bis spät in die Nacht gearbeitet wird. Auch weit nach 22 Uhr sind die Fenster hoch über dem Petersplatz derzeit oft hell erleuchtet.

Auf dem Petersplatz laufen bereits die Vorbereitungen für Palmsonntag.

In den italienischen Medien wird unterdessen fleißig über die Reform der Kurie und die Regierungsmannschaft des neuen Papstes spekuliert. Erste Entscheidungen sind für nach Ostern zu erwarten. Unterdessen gab es heute noch einmal eine Erklärung des Jesuitenpaters Franz Jalics. Er ist einer der beiden Jesuiten, die von den argentinischen Militärs in der Diktaturzeit gefangen genommen worden waren. Jalics stellt in der heutigen Erklärung nun unmissverständlich klar, dass die beiden nicht „von Pater Bergoglio angezeigt wurden“. In einer ersten Erklärung vom vergangenen Freitag hatte er noch formuliert, dass er keine Stellung „zur Rolle von P. Bergoglio in diesen Vorgängen“ nehmen könne. Nun also die Präzisierung. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hatte am vergangenen Wochenende aus einem Brief zitiert, den der damalige Jesuitenobere Bergoglio an die Familie Jalics geschrieben hatte. Darin versicherte Bergoglio, das es alles tun werde, um die beiden Jesuiten aus der Gefangenschaft frei zu bekommen. Grundtenor des Bericht der FAS war, dass den damalige Jesuitenoberen keine Schuld an der Verhaftung der beiden Patres treffe. Die neue Erklärung Jalics bringt nun ein weiteres Stück Licht ins Dunkel; doch für eine abschließende Bewertung scheint es noch etwas früh.

Schöpfung, Armut, Dienen

Die erste Predigt eines neuen Papstes ist zugleich eine Art Regierungserklärung. Die Schlüsselbegriffe der rund 15-minütigen Ansprache von Papst Franziskus führten das fort, was sich in den letzten Tagen bereits angedeutet hatte. Dem neuen Pontifex geht es um eine Kirche, die nahe bei den Menschen ist, vor allem bei den „Ärmsten, Schwächsten, Geringsten“. Es geht ihm um eine dienende Kirche und ein zentraler Punkt ist die Bewahrung der Schöpfung. Dazu zählt er, wie schon sein Vorgänger, Mensch und Natur.

Knapp 30 Minuten fährt Franziskus mit dem Jeep über den Petersplatz.

Franziskus wählt dabei einen etwas anderen Zugang als Benedikt XVI. Er griff heute das Bild des heiligen Josef auf, dessen Gedenktag die katholische Kirche am 19. März feiert. Josef sei „Hüter und Beschützer“ gewesen – zunächst der Heiligen Familie, dann im übertragenen Sinn der ganzen Kirche. Josef verstehe es, auf Gott zu hören, wisse mit Realismus die Ereignisse zu deuten, sei aufmerksam für seine Umgebung und verstehe die klügsten Entscheidungen zu treffen. Diese Eigenschaften will Franziskus nun auf die Kirche und auf jeden einzelnen Gläubigen übertragen wissen. Der Mensch, der zum Hüter der Mitmenschen und der Schöpfung wird. „Seid Hüter der Gaben Gottes!“ rief der neue Pontifex den rund 200.000 Gläubigen auf dem Petersplatz zu. Franziskus appellierte auch an die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, sich diese Vorstellung des Hüter-Seins zu Eigen zu machen. Er warnte davor, dass „Hass, Neid und Hochmut das Leben verunreinigen.“

Sein Papstamt versteht er als Dienstamt, führte Franziskus aus. „Vergessen wir nie, dass die wahre Macht der Dienst ist und dass auch der Papst, um seine Macht auszuüben, immer mehr in jenen Dienst eintreten muss, der seinen leuchtenden Höhepunkt am Kreuz hat.“ Als seine Aufgabe sieht er es, sich besonders um die zu kümmern, die am Rande stehen. Zum Schluss seiner Predigt richtete Franziskus noch einen flammenden Appell an alle, zuversichtlich zu sein. „Gegen alle Hoffnung voller Hoffnung!“ rief er den Versammelten zu. Das erinnert an seine Ansprache beim Treffen mit den Kardinälen als er sagte: „Mut, Brüder Kardinäle“. Ein bisschen wirken diese Passagen wie die berühmte „Ruck-Rede“ von Altbundespräsident Herzog. Franziskus will sich angesichts der schlechten Nachrichten und Probleme in Kirche und Welt nicht die Zuversicht und Hoffnung nehmen lassen. Und er will sie auch vermitteln. Fast scheint es so, als wolle er die Kirche aus einer gewissen Lethargie herausreißen und neu mit Leben erfüllen. Ist es das, was die Kirche in Europa vom Papst aus Lateinamerika lernen kann: trotz schwieriger Verhältnisse mit Freude und Engagement glauben, den Glauben verkünden und eine Kirche an der Seite der Menschen leben!?

Mit Verve trug Franziskus heute seine Predigt vor; besonders lebendig und nachdrücklich wurde er, wenn es um die Ausgegrenzten und die Bewahrung der Schöpfung ging. Aufhorchen ließen seine Worte über „Liebe“ und „Zärtlichkeit“, mit der man sich dem Mitmenschen und der Schöpfung zuwenden solle. „Zärtlichkeit“ sei nicht etwa die Tugend des Schwachen. Im Gegenteil: Sie deute auf eine „Seelenstärke hin und auf die Fähigkeit zu Aufmerksamkeit, zu Mitleid, zu wahrer Öffnung für den anderen, zu Liebe. Wir dürfen uns nicht fürchten vor Güte, vor Zärtlichkeit!“

Übrigens: Eines der Bücher des wohl berühmtesten Befreiungstheologen, Leonardo Boff, trägt den Titel: „Franz von Assisi und die Liebe zu den Armen“. Boff war Franziskaner und ist 1992 nach heftigen Auseinandersetzungen mit der vatikanischen Glaubenskongregation und einem Lehrverbot aus dem Orden ausgetreten. Hält über Papst Franziskus jetzt etwa die Befreiungstheologie Einzug in den Vatikan? Das Vokabular ist ähnlich; doch sicher vertritt der neue Papst nicht die radikal politische Variante der 80er Jahre.

Eine Modernisierung hat Papst Franziskus schon gebracht. In den offiziellen Texten wird jetzt auch die neue deutsche Rechtschreibung verwendet. Dies war bisher nur in Publikationen der Glaubenskongregation der Fall. Jetzt gilt es auch für den Papst.

Es bleibt schlicht

Papst Franziskus setzt auch bei seinen Insignien auf Schlichtheit. Heute wurden sein Wappen und der Fischerring vorgestellt. Beim Wappen behält er sein Bischofswappen, beim Ring greift er auf ein schon fertiges Exemplar aus der Zeit Papst Pauls VI. (1963-1978) zurück. Der Ring zeigt Petrus mit den Schlüsseln. Er wurde von dem 2004 verstorbenen italienischen Künstler Enrico Manfrini gefertigt. Der vergoldete Silberring Ring war ursprünglich im Besitz des Sekretärs von Paul VI. Das Wappen des Papstes zieren das Symbol der Jesuiten sowie ein Stern für Maria und eine Lavendelblüte als Symbol für den heiligen Josef. Der Schild des Papstwappens ist damit identisch mit dem des Bischofswappens. Auch das Motto „miserando atque eligendo – Durch Erbarmen erwählt“ übernimmt der neue Papst aus seiner Bischofszeit. Es ist einem Kommentar des angelsächsischen Benediktinermönchs Beda Venerabilis (7./8. Jahrhundert) zur Erwählung des Apostels Matthäus entnommen (Mt 9,9-13). Franziskus setzt also auf Kontinuität.

Das neue Papstwappen

Unterdessen laufen die Vorbereitungen für die feierliche Messe zum Beginn des Pontifikats. Auch da hat Franziskus noch einmal Hand angelegt. So werden jetzt doch nur sechs Kardinäle das Gehorsamversprechen öffentlich ablegen (zwei je Kardinalsklasse). Zeremonienmeister Guido Marini hatte noch kurz nach der Ankündigung des Amtsverzichts durch Benedikt XVI. mitgeteilt, dass dieser den Ritus dahingehend geändert habe, dass alle Kardinäle das Versprechen noch einmal öffentlich ablegen. Das hat der neue Papst nun wieder eingekürzt. Auffallend ist, dass Franziskus laut vatikanischem Pressesprecher beim Gottesdienst morgen keine Kommunion austeilen wird. Das hat er auch am vergangenen Sonntag in der Sankt Anna-Kirche im Vatikan schon nicht gemacht. Interessant ist das deshalb, weil natürlich viele sehen wollen, ob Franziskus wie sein Vorgänger für die Gläubigen nur Mundkommunion reicht oder nicht. Aber bisher gibt es darauf keine Antwort.

Abbildung des Fischerrings im Textbuch für den Gottesdienst morgen

Herzlich soll heute die Begegnung zwischen Franziskus und „seiner“ Präsidentin Christina Kirchner verlaufen sein. Bisher war das Verhältnis des Kardinals Bergoglio zur argentinischen Präsidentin durchaus konfliktreich. Zum Treffen heute gab es keine offizielle Erklärung des Vatikans. Lediglich über die Geschenke gab es Informationen. Die Präsidentin brachte dem Papst seinen Mate-Lieblingstee mit; sie bekam umgekehrt eine Majolika mit einer Abbildung des Petersplatzes. Immerhin lud Franziskus Frau Kirchner hinterher zum Mittagessen ein. Vielleicht bringt die Wahl Bergoglios zum Papst auch einen Neuanfang in den Beziehungen zwischen katholischer Kirche und argentinischer Regierung; schließlich hat Kirchner den neuen Pontifex zu einem Besuch in seinem Heimatland eingeladen. Franziskus nahm die Einladung dankend an und versprach, mit seinen Mitarbeitern die Sache zu besprechen. Kommt es vielleicht doch im Umfeld des Weltjugendtags Mitte Juli in Rio de Janeiro zum Heimatbesuch Franziskus’, wie seit Tagen hier in Rom spekuliert wird.

Per Mail können sich übrigens dieses Mal die Gläubigen aus aller Welt nicht an den neuen Papst wenden. Der Vatikan erklärte heute, dass beim letzten Mal der Ansturm so groß war, dass das gesamte System der Server lahm gelegt worden sei. So kann man den neuen Pontifex wohl nur über den guten alten Postweg erreichen, um seine Anliegen vorzutragen.