Stiller Geburtstag
Benedikt XVI. feiert heute seinen 86. Geburtstag, still, ohne großes Aufsehen in der Päpstlichen Sommerresidenz in Castelgandolfo. Mit dabei ist sein Bruder Georg, der eigens dazu aus Regensburg angereist ist. Für die beiden Brüder ist es eine völlig neue Situation. Nach dem Amtsverzicht von Benedikt XVI. Ende Februar sind die beiden endlich wieder für sich alleine. So wie sie sich das auch 2005 vorgestellt hatten. Damals wollte Joseph Ratzinger nach dem Konklave den neuen Papst bitten, endlich in den lange ersehnten Ruhestand treten zu dürfen. Er wollte zurück in die bayerische Heimat, dort mit Bruder Georg seinen Lebensabend verbringen und noch einige Bücher schreiben. Es kam bekanntlich alles ganz anders. Joseph Ratzinger hat sich dem Schicksal gefügt und fand mit der Zeit auch Gefallen an seiner neuen Aufgabe als Papst.
Ein bisschen ist er immer Joseph Ratzinger geblieben und nie ganz Papst Benedikt geworden. Es gab immer wieder Indizien dafür. So hat er seine Jesusbücher immer unter beiden Namen veröffentlicht. Doch vor allem diejenigen, die in ihm gerne den Vertreter eines eher absolutistischen Papsttums sahen, wollten das nicht wahrhaben. Umso größer war bei ihnen der Schreck, als Benedikt XVI. im Februar dieses Jahres sein Amt aufgab. Mit diesem revolutionären Schritt entmystifizierte er das Amt mehr als jeder Reformer sich das hatte vorstellen können. Er machte damit den Weg frei für einen Neuanfang, wie er jetzt von Papst Franziskus erwartet und offensichtlich auch angegangen wird. Für Joseph Ratzinger schien es der einzig mögliche Weg für einen Befreiungsschlag gewesen zu sein – für sich und seine so sehr geliebte Kirche. Nicht dass er die Probleme nicht gesehen hätte, aber es fehlte ihm am Ende die Kraft und die Mitarbeiter, sie anzupacken.
Die Ereignisse vom Februar und März haben die alten „Fronten“ und „Kategorien“ durcheinandergewirbelt. Konservative, die sich gerne als die eigentlichen Papsttreuen bezeichnen, sehen sich plötzlich mit einem völlig anderen Stil konfrontiert; Reformer trauen ihren Augen nicht, weil hier plötzlich ein Papst kommt, der es mit der Kollegialität ernst zu meinen scheint und auch in seinem Bistum Laien stark förderte. Ein Streit ist entbrannt, wie viel Kontinuität zwischen den beiden Päpsten herrscht oder ob beide gar doch grundverschieden sind. Diese neue Situation ist dann gut, wenn sie hilft, die alten Verkrustungen und Frontlinien aufzubrechen. Vor Jahren schon forderte der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper eine „verbale Abrüstung“, damit der innerkirchliche Dialog wieder gelingen kann. Wenn Rücktritt und Neuwahl dazu beitragen, haben sie einen wichtigen Dienst für die Kirche geleistet.
Benedikt XVI. sieht seinen Dienst jetzt im Gebet für die Kirche. Gerüchte, sein Gesundheitszustand habe sich seit dem Rücktritt stark verschlechtert, wurden in der vergangenen Woche vom Vatikan umgehend dementiert. Dem 86-Jährigen gehe es dem Alter entsprechend gut. Die meiste Post, die er zu seinem Rücktritt aus aller Welt bekommen hat, ist mittlerweile auch abgearbeitet. Heute dürfte sich die Stapel allerdings wieder vergrößert haben. Mitarbeiter der Gemeinschaft „Das Werk“, die Joseph Ratzinger schon in seiner Zeit als Kardinal stark förderte, helfen ihm bei der Schreibarbeit.
Papst Franziskus hat am Vormittag seinem Vorgänger telefonisch zum Geburtstag gratuliert. In der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl in Rom wird am Abend ein Papstporträt des Leipziger Malers Michael Triegel enthüllt. Es ist eine Leihgabe des Künstlers an die Botschaft. Es ist Triegels zweites Papstporträt. Das erste hatte 2010 für Diskussionen gesorgt. In der sehr realistischen Darstellung hatten manchen Betrachter schon karikatureske Züge erkannt. Triegel sagte damals, er habe den Menschen Joseph Ratzinger gemalt, nicht den Papst. Benedikt XVI. fordert also selbst als Gemälde zur Diskussion heraus.