Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog

Interessantes und Hintergründiges aus dem Vatikan

Der ideale Bischof

Wie soll er denn sein, der ideale Bischof? Darüber hat sich Papst Franziskus jetzt Gedanken gemacht. Anlass war ein Treffen von Bischöfen, die im vergangenen Jahr ernannt worden waren. Dieses Treffen „Papst-Nachwuchsepiskopat“ findet jedes Jahr statt am Ende eines mehrtägigen „Seminars“ unter Federführung der Bischofskongregation. Franziskus war das erste Mal dabei. Seine Rede darf durchaus als programmatische Rede in Bezug auf das Bischofsamt angesehen werden und bekommt nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Diskussionen um die Amtsführung des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst noch einmal eine ganz besondere Brisanz. Für Franziskus sind drei Punkte zentral für einen Bischof: „mit Großmut aufnehmen, mit der Herde unterwegs sein und das Bleiben bei der Herde“.

Mit Großmut aufnehmen bedeutet demnach, offene Türen für alle Menschen zu haben. Das führt zu der Frage, ob sich ein Bischof dem Dialog mit einer bestimmten Gruppe versagen darf? In den vergangenen Jahren gab es immer wieder einmal Klagen von unterschiedlichsten Gruppen wie etwa „Wir sind Kirche“ auf der einen Seite, aber auch den Piusbrüdern auf der anderen Seite, dass Bischöfe sich einem Gespräch verweigerten!? Kann das sein?

Unterwegs-Sein mit der Herde sieht Franziskus in dreifacher Hinsicht: einmal in der besonderen Nähe des Bischofs zu seinen Priestern. Um sie müsse sich der Bischof kümmern; sie seien unverzichtbare Mitarbeiter, deren Rat und Hilfe der Bischofs suchen müsse. An dieser Stelle wurde Franziskus ganz konkret: Bischöfe müssten Priester empfangen, wenn sie um ein Gespräch bäten. Der Anruf eines Priesters dürfe vom Bischof nie unbeantwortet bleiben. Möglichst am selben, spätestens am nächsten Tag müsse der Bischof zurückrufen. Priester in Buenos Aires haben in den vergangenen Monaten immer wieder berichtet, dass Franziskus als Erzbischof genau diesen engen Draht zu seinen Priestern pflegte.

Unterwegs-Sein mit der Herde bedeutet aber auch, dass der Bischof inmitten des Volkes sein muss. Auch für Bischöfe gilt, was Franziskus am Gründonnerstag über die Priester gesagt hat, die Hirten müssen den „Geruch der Herde“ annehmen. „Verschließt Euch nicht! Geht zu euren Gläubigen, auch an die Ränder eurer Bistümer und in alle ,Randgebiete der Existenz’, wo Leid, Einsamkeit und Erniedrigung der Menschen herrschen. Seelsorgliche Präsenz heißt, mit dem Volk Gottes unterwegs sein: vor ihm, um den Weg zu zeigen, mitten unter ihm, um seine Einheit zu stärken und hinter ihm, um sicher zu stellen, dass keiner auf der Strecke bleibt, aber vor allem, um seinem Gespür für neue Wege zu folgen.“ Ein Bischof, der inmitten seiner Gläubigen lebe, habe ein offenes Ohr für die „Stimme der Schafe“. Diese zeige sich auch über jene diözesanen Organismen, die die Aufgabe hätten, den Bischof zu beraten.

Schließlich zeigt sich das Unterwegs-sein mit der Herde am „Stil des Dienstes“. Er warnte vor Karrierismus, den er als Krebsgeschwür bezeichnete. Die Bischöfe seien gleichsam mit ihrer Ortskirche, ihrem Bistum verheiratet. Auf eine andere Diözese zu schielen, die schöner oder reicher sei, sei ein Skandal. Mit den gewohnten markanten Worten sprach Franziskus von „geistigem Ehebruch“. Zudem unterstrich er, dass Auftrag und Leben untrennbar miteinander verbunden seien. „Wir müssen uns jeden Tag fragen, ob Leben und Lehre übereinstimmen.“ Es sei vor allem das konkrete Zeugnis, mit dem die Bischöfe Lehrmeister und Erzieher seien.

Franziskus ermahnte die Bischöfe, verstärkt Präsenz in ihren Bistümern zu zeigen. Sie dürften diese nur verlassen, wenn das unbedingt notwendig sei. „Vermeidet den Skandal, ‚Flughafen-Bischöfen‘ zu sein“.

Barmherzigkeit, Demut, Bescheidenheit, Diskretion, die Fähigkeit, die eigenen Grenzen zu erkennen und mit einer Brise Humor, um auch über sich selbst ein wenig Lachen zu können. Das sind Eigenschaften eines Bischofs nach „franziskanischem“ Stil.

Die Suche beginnt.

Etwas überraschend kam sie dann doch, die Annahme des Amtsverzichts des Freiburger Erzbischofs Robert Zollitsch durch Papst Franziskus. Gemäß dem Kirchenrecht hatte Zollitsch zu seinem 75. Geburtstag am 9. August seinen Amtsverzicht angeboten. Bei Diözesanbischöfen wird er normalerweise auch recht zügig angenommen. Da Zollitschs Amtszeit als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz noch bis zur Frühjahrsvollversammlung im März 2014 dauert, war man davon ausgegangen, dass er so lange auch noch im Amt bleiben wird. Doch sicher war das nicht.

 

Noch bis März 2014 Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz: Erzbischof Robert Zollitsch (m).

Mit dem heutigen Akt ist nun Klarheit geschaffen. Zollitsch führt sein Vorsitzendenamt bei der DBK regulär zu Ende. Die Wahl des neuen Vorsitzenden erfolgt wie geplant bei der Frühjahrsvollversammlung  der Bischofskonferenz vom 10.-13. März 2014 in Münster. Einen klaren Favoriten für das Amt gibt es aktuell nicht. Viele sehen Reinhard Kardinal Marx als den geeignetsten Kandidaten, nicht zuletzt weil er als Mitglied der K8-Gruppe, die den Papst berät, einen direkten Draht zu Franziskus hat. Andere sehen die Ämterhäufung des Münchner Erzbischofs kritisch – er ist auch noch Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen in der EU (COMECE) und Vorsitzender der Bayerischen Bischofskonferenz – und wünschen sich eher einen Kandidaten aus der „zweiten Reihe“. Dann fallen Namen wie die des Berliner Kardinals Rainer Maria Woelki, des Bamberger Erzbischofs Ludwig Schick oder der Bischöfe Ackermann (Trier) und Overbeck (Essen). Nächste Wochen treffen sich die deutschen Bischöfe zu ihrer traditionellen Herbstvollversammlung in Fulda. Hier ist viel Zeit, um über Profil und Kandidaten für das Vorsitzendenamt zu sprechen – natürlich nur inoffiziell.

Im Erzbistum Freiburg bleibt Erzbischof Zollitsch mit der heutigen Entscheidung noch etwas Zeit, um angefangene Projekte abzuschließen. Dazu gehört etwa der Dialogprozess mit einer zweiten Diözesanversammlung, Pastorale Leitlinien müssen noch überarbeitet und eine Strukturreform abgeschlossen werden. Das Erzbistum Freiburg kann nun planen. Gerade noch rechtzeitig hatte Zollitsch vor wenigen Tagen noch das Domkapitel ergänzt und die Aufgabenverteilung neu geregelt. Erfahrungsgemäß dauert der Prozess rund ein Jahr. Ein Zeichen, dass die heutige Annahme des Amtsverzichts am Namenstag von Zollitsch (Robert Bellarmin) dann doch länger geplant war. Mit dem heutigen Tag beginnt das Prozedere für die Suche eines Nachfolgers. Am Ende wählt nach dem badischen Konkordat das Freiburger Domkapitel den neuen Erzbischof aus einer Liste von drei Kandidaten, die der Papst vorgibt. Einer der Kandidaten muss aus dem Erzbistum Freiburg stammen.

Hier wurde in den vergangenen Monaten ja schon heftig spekuliert, ob Erzbischof Georg Gänswein, der Privatsekretär von Papst Benedikt XVI., eventuell die Nachfolge antreten könnte. Doch der hatte bei Zollitschs Geburtstagsfest solche Überlegungen zurückgewiesen. Einen „geborenen Kandidaten“ gibt es derzeit nicht. Anders als 2003 bei der Ernennung von Zollitsch zum Erzbischof. Da hatten eigentlich viele mit einem anderen Kandidaten gerechnet: Weihbischof Paul Wehrle war seinerzeit der Wunschkandidat vieler Gläubigen im Erzbistum Freiburg. Doch als das Domkapitel den Umschlag aus Rom öffnete, war dessen Name nicht auf der Dreierliste.

Doch Zollitsch erwarb sich schnell Ansehen und Respekt – auch über das eigene Bistum hinaus. 2008 wählten ihn die deutschen Bischöfe nach dem überraschenden Rücktritt von Karl Kardinal Lehmann zum Vorsitzenden der Bischofskonferenz. Zollitsch führt die Konferenz in schwierigen Zeiten: 2009 die Diskussion um die Piusbruderschaft, 2010 der Missbrauchsskandal mit dem Beginn der Aufarbeitung von zu einem großen Teil Jahrzehnte zurückliegenden Missbrauchsfällen. Seine Idee war der Dialogprozess zwischen Bischöfen und Laien, um wieder neues Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurück zu gewinnen. Das dritte Dialogtreffen am vergangenen Wochenende in Stuttgart hat gezeigt, dass der Prozess auf einem guten Weg, aber längst noch nicht am Ziel ist. Mit der heutigen Entscheidung des Papstes ist klar, dass Zollitsch den Abschluss des Prozesses im Jahr 2015 nicht mehr im aktiven Dienst wird mitgestalten können. Das muss sein Nachfolger im Amt des DBK-Vorsitzenden machen.

Papst Franziskus trifft Priester des Bistums Rom. (reuters)

P.S. Papst Franziskus hat sich einmal mehr zum Thema wiederverheiratete Geschiedene geäußert. Beim Treffen mit Priestern des Bistums Rom sagte er gestern, dass er darüber nicht nur mit der K8-Gruppe Anfang Oktober sprechen möchte, sondern dass es auch Thema der nächsten Weltbischofssynode im Oktober 2015 sein werde. Er warnte allerdings davor, das Thema nur auf die Frage des Kommunionempfangs zu reduzieren. Wer das mache, verstehe nicht das „wahre Problem“. Es handle sich vielmehr um ein „schweres Problem der Verantwortung der Kirche gegenüber den Familien, die in diesen Situationen leben“. Franziskus sprach in diesem Kontext auch davon, dass die Kirche sich mit der Frage der „Nichtigkeit von Ehen“ intensiver auseinandersetzen müsse. Das Treffen mit den Priestern dauerte rund zwei Stunden. Dabei warnte der Papst auch vor zu „rigoristischen“ und zu „laxen“ Geistlichen.

Neuanfang in Limburg?

Es war klar, dass der „brüderliche Besuch“ des Kurienkardinals Giovanni Lajolo nicht ohne Folgen bleiben würde. Was der 78-jährige ehemalige Nuntius in Deutschland dann mit seinen Gesprächen in einer Woche erreicht hat, lässt auf einen Neuanfang hoffen. Der von Kritikern des Bischofs in den vergangenen Wochen mehr oder weniger offen geforderte Rücktritt von Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst ist zunächst ausgeblieben. Dies dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass Kardinal Lajolo zu dem Schluss gekommen ist, „dass die Spannungen latent schon über Jahrzehnte existieren und jetzt offen zutage treten“; so der Kurienkardinal in einem Interview der Katholischen Nachrichtenagentur.

 

Brüderlicher Besuch von Kardinal Lajolo (m) bei Bischof Tebartz-van Elst (r). (dpa)

Ähnlich äußerten sich übrigens mir gegenüber auch Laien aus dem Bistum Limburg bei Gesprächen am Rande des Dialogtreffens der Bischofskonferenz in Stuttgart. Sie waren überzeugt, dass mit einem Rücktritt des Bischofs die Probleme nicht gelöst seien. Vielmehr gehe es im Hintergrund um einen Richtungsstreit über den Kurs der Kirche im Bistum, an dem weit mehr Personen beteiligt seien. Zudem müsse die Kirche ein Zeichen setzen, dass sie Konflikte anders löse als etwa die Politik. Man könne nicht ständig von Vergebung und Neuanfang sprechen und dann das Gegenteil praktizieren.

Bischof Tebartz-van Elst machte gestern in aller Öffentlichkeit einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum Neuanfang: „Wo ich Sie enttäuscht und verletzt habe, bitte ich um Verzeihung und Nachsicht.“ Bereits am Abend vorher hatte der Bischof in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Domkapitel seine Bereitschaft bekundet, „bei der Leitung der Diözese von den Beratungsorganen regelmäßigen und verlässlichen Gebrauch zu machen“. Priester aber auch Laien hatten in den vergangenen Jahren immer wieder einen autoritären und selbstherrlichen Führungsstil des Bischofs beklagt. Das soll nun anders werden. Damit soll bei einem der Problemkreise Abhilfe geschaffen werden.

Beim zweiten Problemkreis, den explodierenden Kosten bei den Baumaßnahmen auf dem Limburger Domberg, geht man ungewöhnliche Wege. Alle Kosten sollen umgehend festgestellt und durch eine Sonderkommission der Deutschen Bischofskonferenz geprüft werden. Der Abschlussbericht der Kommission soll veröffentlich werden. Es ist ungewöhnlich, dass ein Gremium der Bischofskonferenz derartige Kontrollarbeiten über Vorgänge in einem Bistum ausübt. Die schwierige Situation, in der man sich derzeit befindet, scheint aber auch Raum für kreative Lösungen zu schaffen. Nicht zuletzt war ja auch der „brüderliche Besuch“ von Kardinal Lajolo eine eher ungewöhnliche Maßnahme. Schon seit Wochen hatte Bischof Tebartz-van Elst ja Transparenz angekündigt. Mit der Kommission dürften den Worten jetzt auch Taten folgen.

Was es bedeutet, wenn bei der Prüfung durch die Kommission festgestellt wird, dass bei dem Bauprojekt und den damit verbundenen Finanztransaktionen gegen rechtliche, vor allem kirchenrechtliche Vorgaben verstoßen wurde, ist eine der derzeit Unbekannten in dem ganzen Prozess. Das gilt auch für die noch ausstehende Entscheidung der Staatsanwaltschaft Hamburg, ob sie wegen des Verdachts auf eidesstattliche Falschaussage Anklage gegen Bischof Tebartz-van Elst erhebt oder nicht. Eine Entscheidung ist wohl vor Ende September nicht zu erwarten.

Mit dem Besuch von Kardinal Lajolo ist die Möglichkeit eines Neuanfangs im Bistum gegeben. Entscheidend wird aber noch einmal sein, zu welchen Ergebnissen die Prüfkommission der Bischofskonferenz und die Staatsanwaltschaft kommen werden. Für Bischof Tebartz-van Elst bedeutet das vergangene Wochenende eine neue Chance; auch wenn er weiter unter Beobachtung steht – wohl auch des Vatikans. Denn in der gemeinsamen Erklärung heißt es auch, dass Kardinal Lajolo den Papst „ausführlich informieren“ wird. Allerdings müssen auch die Kritiker zeigen, dass es ihnen ernst ist mit einem Neuanfang im Bistum.

P.S. Die Deutsche Bischofskonferenz hat heute überarbeitete Leitlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch veröffentlicht. Mehr dazu in Kürze.

Wirklich Halbzeit?

Halbzeit war an diesem Wochenende beim Gesprächsprozess der Deutschen Bischofskonferenz. Der startete 2011 als Antwort auf den massiven Vertrauensverlust der katholischen Kirche im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal ein Jahr zuvor. 2015 soll er zum Ziel kommen. Halbzeit – doch der Weg ist noch lang, könnte die Bilanz des zweitägigen Treffens in Stuttgart lauten. Thema war in diesem Jahr die Liturgie. Was sich zunächst recht harmlos anhört, hat es bei näherem Hinsehen doch in sich. Denn schon in den ersten 30 Minuten lagen am Freitagmittag beinahe alle strittigen Themen auf dem Tisch: aktivere Beteiligung der Laien, gerade auch der Frauen, der Kommunionempfang für konfessionsverschiedene Paare bzw. wiederverheiratet Geschiedene, die Qualität der Gottesdienste, die Laienpredigt, der Streit um Wortgottesfeiern am Sonntag. Einzig der Zölibat war in der ersten Runde noch nicht dabei. Bis zum Freitagabend war dann aber auch dieses Thema ebenso auf dem Tisch wie auch die Frage nach den „viri probati“.

300 Teilnehmer kamen zum 3. Teil des Gesprächsprozesses nach Stuttgart.

Bischof Franz-Josef Bode brachte es bei der Abschlusspressekonferenz auf den Nenner: Liturgie ist zentral. Sie betrifft das Menschenbild, das Kirchenbild und das Gottesbild. Damit war auch klar, dass Freitagnachmittag und Samstagvormittag viel zu kurz waren, um intensiv am Hauptthema und seinen ganzen Implikationen zu arbeiten. Das verursachte denn auch durchaus Unbehagen bei vielen der rund 300 Teilnehmern. Sie hätten denn auch gerne mehr Zeit gehabt, um eine wirkliche Halbzeitbilanz des Gesprächsprozesses zu ziehen. Das wurde gestern Abend beim Abendessen versucht; doch die Zeit war knapp.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, fasst wohl sehr realistisch den aktuellen Stand zusammen: Der Prozess habe eine integrative Kraft entwickelt, weil keine Themen unterdrückt würden. Von der Initiative auf Bundesebene seien wichtige Impulse auf Bistumsebene ausgegangen. Neues Vertrauen sei gewachsen. Es gebe eine bessere Kommunikationskultur, keine Angstkultur mehr. Der Prozess habe gezeigt, dass zwischen Reformen und Vertiefung des Glaubens kein Gegensatz bestehe, wie das immer wieder von Gegnern des Prozesses vorgebracht worden sei und werde. Glück machte aber auch deutlich, dass die Gläubigen konkrete Ergebnisse und Veränderungen von dem Prozess erwarten. Er nannte das Beispiel wiederverheiratet Geschiedene.

Bei diesem Thema setzte auch der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, an. Mehrfach betonte er, dass die Bischöfe gerade an diesem Thema bereits arbeiteten sowohl was theologische als auch was arbeitsrechtliche Fragen anbetreffe. Hier ist der Konferenzvorsitzende zuversichtlich, dass es zu Fortschritten gegenüber den bisherigen Regelungen kommen wird. Wie diese allerdings aussehen könnten, blieb offen. Zollitsch verwies auch darauf, dass ein solcher Prozess Zeit brauche, um möglichst viele mitzunehmen. Auch zwei Jahre nach dem Start ist das Projekt ja selbst innerhalb der Bischofskonferenz nicht unumstritten. In Stuttgart waren 35 der knapp 70 deutschen Bischöfe anwesend.

2x90 Minuten waren Zeit für das Gespräch in Kleingruppen.

In Stuttgart war zu spüren, dass viele Laien die Angst haben, dass der Prozess zu keinen konkreten Ergebnissen und sichtbaren Veränderungen führt. Es wurde auch deutlich, dass die Bischöfe bemüht sind, die Sorgen wahr und ernst zu nehmen, dass auch ihnen klar ist, dass sich etwas bewegen muss. Hier zeigte sich beim Thema Liturgie, dass es sicherlich eine ganze Reihe von Aufgaben gibt, die durchaus auf diözesaner oder nationaler Ebene zu lösen sind. Die Frage nach der Qualität der Liturgien wurde oft gestellt in diesen Tagen. Wie steht es um Aus- und Fortbildung in diesem Bereich? Wie steht es um die Vielfalt der Dienste und der liturgischen Formen? Kontrovers wurde etwa die Frage nach Wortgottesfeiern an Sonntagen diskutiert. Interessant ist in diesem Kontext, dass der DBK-Vorsitzende Zollitsch gegenüber der Presse am Beginn der Veranstaltung sagte, dass man die Wortgottesfeier am Sonntag auch brauche. Interessant und klar die Aussage des Essener Bischofs Overbeck: „Die Kommunionbank ist weder ein Richtstuhl noch ist sie die Disputierbank für Dogmatiker. Denn die Gemeinschaft mit Gott schenkt er jedem Mensch selber“, der sich der Osnabrücker Bischof Bode auch ausdrücklich anschloss. Beide sind Mitglied der Steuerungsgruppe des Gesprächsprozesses. Overbeck kritisierte einen neu aufkommenden Rubrizismus, d.h. das überbordene Festhalten an liturgischen Vorschriften ebenso, wie die „Häresie der Formlosigkeit“ bzw. die „Häresie der Inhaltslosigkeit“ der Liturgien und erntete großen Applaus. Stuttgart hat einmal mehr deutlich gemacht, dass es bei den notwendigen Reformen eine Reihe Dinge gibt, die auf römischer Ebene gelöst werden müssen wie der Zölibat, dass es daneben aber viele Punkte gibt, die man auf nationaler Ebene lösen kann bzw. sogar auf lokaler Ebene. Letzteres vor allem was die Qualität der Gottesdienste anbetrifft, die Frage nach der Nähe zur Lebenswelt der Menschen. Immer wieder wurde aber auch gefordert, einheitliche Regelungen auf nationaler Ebene finden, um nicht von der Willkür einzelner Pfarrer abhängig zu sein. Dies gilt etwa für die Frage nach Wortgottesfeiern an Sonntagen.

P.S. Am Rande der Konferenz wurden zwei Papiere des Katholisch-Theologischen Fakultätentags veröffentlicht. Zum einen geht es um die Segnungsfeiern bei einer erneuten Eheschließung; zum anderen um  „Sexualmoral und neue Beziehungsformen“. Vor allem letzteres Papier dürfte noch für einige Diskussion sorgen. Denn die Theologieprofessoren formulieren ihre Beziehungsethik so offen, dass darunter durchaus auch gleichgeschlechtliche Paare fallen könnten. Dies führte bereits in Stuttgart zu ersten heftigen Reaktionen von einzelnen Bischöfen.

 

Erst am Anfang

Ein halbes Jahr ist er nun im Amt, Papst Franziskus. Und er hat doch schon Einiges durcheinander gewirbelt. So überraschend wie seine Wahl am 13. März für Viele erfolgte, so überraschend verliefen auch die ersten sechs Monate. Jorge Mario Bergoglio kam von außen. Das wollten viele Kardinäle nach den Skandalen der letzten Jahre und dem zunehmenden Zentralismus in der katholischen Kirche. Doch obwohl er von außen kam, hat er von Anfang an sehr selbstbewusst sein Amt ausgeführt. Mit der Weigerung in die päpstliche Wohnung im Apostolischen Palast zu ziehen und stattdessen im vatikanischen Gästehaus Santa Marta zu bleiben, setzte er gleich das erste Zeichen. Er setzte Kommissionen ein, wirbelt beständig das vatikanische Protokoll durcheinander und sucht den Kontakt zu den Menschen. Seine Worte sind klar und fordernd. Etwa bei seinem Besuch einer Flüchtlingshilfeeinrichtung in Rom am Dienstag dieser Woche, als er die Ordensgemeinschaften aufforderte, leerstehende Konvente nicht in Hotels zu verwandeln, sondern dort Flüchtlinge aufzunehmen. Auch in Deutschland sind einige Bistümer bereits dabei, ihre Immobilien daraufhin zu prüfen, ob man Flüchtlinge etwa aus Syrien aufnehmen könnte.

Überhaupt war dieser Dienstag, oder sagen wir besser diese „Halbjahres-Woche“ des Pontifikats, symptomatisch für Franziskus. Am Dienstagmorgen trifft er die Kurienchefs, um mit ihnen über die anstehende Kurienreform zu sprechen. Drei Stunden dauerte das Treffen, ungewöhnlich lang. Am Nachmittag besucht Franziskus dann die Flüchtlinge. Das erinnert an seine erste Reise. Die führte ihn auf die Flüchtlingsinsel Lampedusa . Gleich zweimal sprach Franziskus dann in dieser Woche auch sehr selbstkritisch über die Kirche. Bei der Generalaudienz am Mittwoch sagte er, dass auch die Kirche „Fehler“ habe. In einem offenen Brief an einen Journalisten in der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“ schrieb er: „So langsam, untreu und voller Irrtümer und Sünden die Menschen, die die Kirche bilden, auch waren und noch sind, die Kirche hat doch kein anderes Ziel als das, Jesus zu leben und zu bezeugen.“

Franziskus scheint einen sehr realistischen Blick auf die Kirche zu haben. Ein halbes Jahr ist zu kurz, um den Tanker Kirche auf einen neuen Kurs zu bringen. Doch erste Ansätze sind da. Langsam beginnt Franziskus auch seine Führungsmannschaft zu formieren. Mit der Wahl des neuen Kardinalstaatssekretärs hat er eine von vielen Seiten sehr gelobte Wahl getroffen. Erzbischof Parolin hat dann auch diese Woche gleich einen Akzent gesetzt, indem er gegenüber einer venezolanischen Zeitung erklärte, dass der Zölibat „kein Dogma der Kirche“ sei und man darüber diskutieren könne. Bleibt zu hoffen, dass es ihm nicht so ergeht wie im Jahr 2006 Kardinal Hummes. Der ehemalige Erzbischof von Sao Paolo war gerade zum neuen Präfekten der Kleruskongregation ernannt und äußerte sich kurz vor seiner Abreise nach Rom bezüglich des Zölibats wie jetzt Parolin. Kaum in Rom angekommen, hatte der Vatikan klargestellt, dass es in der Frage keine Diskussion geben werde. Hummes wirkte in seinen Jahren im Vatikan stets isoliert. Heute gehört er zu den engsten Vertrauten des amtierenden Papstes. Er war es, der den eben gewählten Kardinal Bergoglio im Konklave umarmte und sagte: „Vergiss die Armen nicht.“ Woraufhin Bergoglio den Papstnamen Franziskus wählte. (Hummes ist Franziskaner.)

P.S. Übrigens hat das Treffen zwischen Papst Franziskus und dem Vater der Befreiungstheologie, Gustavo Gutiérrez, am Mittwochmorgen im kleinen Kreis stattgefunden. Gutierrez und Erzbischof Gerhard-Ludwig Müller, der Chef der Glaubenskongregation, feierten in Santa Marta den Morgengottesdienst zusammen mit dem Papst. Danach gab es eine kurze Begegnung. Interessant ist, dass davon bisher vom Vatikan nichts offiziell verlautete. Am Mittwoch gab es zwar auch ein Interview mit Gutiérrez in der Vatikanzeitung L‘Osservatore Romano. Aber von der Begegnung wurde nichts offiziell mitgeteilt.

Es wird diskutiert in Stuttgart.

P.P.S. In Stuttgart hat heute das dritte Dialogtreffen im Rahmen des Gesprächsprozesses der Deutschen Bischofskonferenz begonnen. Es ist interessant, wie oft hier Papst Franziskus erwähnt oder zitiert wurde – und zwar von Bischöfen und Laien. Soviel Papst war selten auf einer derartigen Veranstaltung in den letzten Jahren. Im Mittelpunkt des Treffens steht die Liturgie. Ausführliches gibt es morgen im Blog. Bei einer Zwischenbilanz des bisherigen Gesprächsprozesses am Abend wurde deutlich, das Thema wiederverheiratete Geschiedene ist DAS zentrale Thema, das die Gläubigen beschäftigt. Hier sehen sie Handlungsbedarf und rechnen sich große Chancen aus, dass sich etwas ändert. Der Chef des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Alois Glück bat die Bischöfe eindringlich, bei dieser Frage zu einer guten Lösung zu kommen, da sonst der Frust sehr groß sein werde unter den Gläubigen. Am Nachmittag war schon von Bischöfen im Kontext dieses Themas zu hören, dass die Kommunionbank keine „Richterbank“ oder „Gerichtsbank“ sein dürfe.

P.P.P.S. „Papst Franziskus ist ein großer Wegbereiter einer angstfreien Kommunikation in der Kirche.“ Diese Aussage des ZdK-Präsidenten Glück passt vielleicht ganz gut ans Ende einer kurzen Halbjahresbilanz des Pontifikats.

Sensation oder Normalität?

Das waren heute Bilder in Mantua, die man sich vor kurzer Zeit nur schwer vorstellen konnte. Der Chef der vatikanischen Glaubenskongregation trifft einen der prominentesten Vertreter der Befreiungstheologie. Und es soll noch besser kommen. Im Verlauf der Woche wird Papst Franziskus sich mit dem Befreiungstheologen treffen. Das kündigte der Chef der Glaubenskongregation bei der Begegnung heute an.

Erzbischof Müller und Gustavo Gutiérrez in Mantua.

Gut – die beiden Personen, die sich in Mantua getroffen haben, sind Freunde seit fast zwei Jahrzehnten. Der heutige Präfekt der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, und der „Vater“ der Befreiungstheologie Gustavo Gutiérrez lernten sich 1988 in Peru kennen. 2004 veröffentlichten sie gemeinsam ein Buch mit dem Titel „An der Seite der Armen. Theologie der Befreiung“, das damals auf Deutsch und Spanisch erschien. Die Präsentation der italienischen Ausgabe im Rahmen des „Festivalettura“ von Mantua war Anlass des ersten öffentlichen Auftritts der beiden seit der Ernennung Gerhard Ludwig Müllers zum Chef der Glaubenskongregation im vergangenen Jahr. Italienische Zeitungen sprachen in dieser Woche gar von einem „Friedensschluss“ zwischen Vatikan und Befreiungstheologie.

Gutiérrez und Müller fanden das beide etwas übertrieben. Müller merkte im Gespräch mit dem ZDF an, dass ja nur bestimmte Formen der Befreiungstheologie vom Vatikan seinerzeit in den 1990er Jahren verurteilt worden seien. Gutiérrez befand, dass die Versöhnung doch schon vor Jahren stattgefunden habe. Auffallend ist es aber schon, dass die Zeichen auf Entspannung stehen. Selbst die Vatikanzeitung L’Osservatore Romano stellte Anfang der Woche das Buch der beiden vor und veröffentlichte einen Artikel von Gutiérrez. Dafür, dass man sich in Gegenwart mancher Kirchenhierarchen nach wie vor kaum traut, das Wort Befreiungstheologie mit einer positiven Konnotation zu erwähnen, scheinen die aktuellen Ereignisse doch anmerkenswert.

Nun gilt der im Juni 85 Jahr alt gewordene Gutiérrez zwar als einer der „Väter“ der Befreiungstheologie; doch scheint er aus vatikanischer Sicht nie über die Stränge geschlagen zu haben, wie man das etwa bei den Brüdern Boff glaubte feststellen zu müssen. Zwar prüfte die Glaubenskongregation in den 1990er Jahren sein Werk intensiv; doch kam es nie offiziell zu Maßnahmen gegen ihn. In seinem Interviewbuch „Salz der Erde“ sagt der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, der zum Teil persönlich mit Gutiérrez im Dialog stand, dass dieser sein Werk „weiterentwickelt“ habe auf eine „sachgerechte und integrationsfähige Form von ‚Befreiungstheologie‘“. Der amtierende Präfekt sieht nach eigenen Worten in der Befreiungstheologie eine der „bedeutsamsten Strömungen der katholischen Theologie im 20. Jahrhundert“.

Mit dem ersten Papst aus Lateinamerika wird das Thema Befreiungstheologie wieder aktuell. Armut, Unterdrückung und Ungerechtigkeit rücken wieder stärker ins Bewusstsein, und auch die Aufgabe der Kirche, sich in diesem politischen Bereich zu engagieren.

P.S. Erzbischof Müller erklärte übrigens bei der Begegnung in Mantua, dass aus Sicht der Glaubenskongregation nichts gegen eine Seligsprechung von Erzbischof Oscar Romero spreche. Er habe zusammen mit dem Sekretär der Kongregation, Erzbischof Ladaria, die Predigten Romeros durchgesehen, ein sechs-bändiges Werk. Dabei hätten sich keine Einwände ergeben. Der Ball liege nun wieder bei der Heiligsprechungskongregation. Die Durchsicht der Texte habe schon unter Benedikt XVI. begonnen.

P.P.S. Papst Franziskus hat sich auch heute wieder dem Thema Krieg und Frieden gewidmet. Beim Mittagsgebet kritisierte er scharf den Waffenhandel. „Es muss darum gehen der Gewalt abzusagen in allen ihren Formen. Nein zu sagen der Verbreitung von Waffen und ihrem illegalen Handel. Davon gibt es viele. Es bleibt immer im Zweifel, ob dieser oder jener Krieg – denn es gibt sie überall – wirklich ein Krieg aufgrund von Problemen ist, oder ob es ein Wirtschaftskrieg ist, um diese Waffen im illegalen Handel zu verkaufen. Das sind die Feinde, die zu bekämpfen sind, vereint und konsequent. Es geht darum nicht anderen Interessen zu folgen als dem Frieden und dem Gemeinwohl.“

P.P.P.S. Am Dienstag trifft sich Papst Franziskus übrigens mit den Chefs der Kurienbehörden, um eine Halbjahresbilanz seines Pontifikats zu ziehen.

Schrei nach Frieden

Vier Stunden dauerte die Feier auf dem Petersplatz in Rom; rund um den Globus schlossen sich Katholiken dem Friedensgebet des Papstes an. Und wie auf dem Petersplatz, wo auch andere christliche Kirchen und Religionen vertreten waren, wurde die Initiative von Franziskus an vielen Orten zu einer ökumenischen und interreligiösen Sache. Die Feier auf dem Petersplatz war eindrucksvoll; etwa als die mehreren Zehntausend Menschen rund eine viertel Stunde in stillem Gebet vor dem Allerheiligsten verharrten. Solch lange Stille gab es mehrfach; das ist bisher einmalig auf dem Petersplatz.

Zehntausende beten auf dem Petersplatz für Frieden - nicht nur in Syrien. (ap)

Gleichsam mit der Autorität von sechs Päpsten erhob der Vatikan an diesem warmen Spätsommerabend seine Stimme. Pius XII., Johannes XXIII., Johannes Paul II. und Benedikt XVI. wurden mit Friedensgebeten zitiert. Die Worte Pauls VI. vor der UNO im Jahr 1965 machte sich Papst Franziskus dann in seiner Ansprache zu Eigen: „»Nicht mehr die einen gegen die anderen, nicht mehr, niemals! … niemals mehr Krieg, niemals mehr Krieg!“ sowie aus der Botschaft zum Weltfriedenstag 1976: „Den Frieden kann man nur mit Frieden durchsetzen – mit jenem Frieden, der nicht losgelöst ist von den Pflichten der Gerechtigkeit, aber genährt wird durch das persönliche Opfer, durch Milde, Barmherzigkeit und Liebe.“ Nach Franziskus sind Vergebung, Dialog und Versöhnung Worte und damit der Schlüssel zum Frieden. „Möge das Waffenrasseln aufhören! Krieg bedeutet immer das Scheitern des Friedens. Er ist immer eine Niederlage für die Menschheit.“

Hinter Gewalt und Krieg sieht Franziskus Egoismus und Gleichgültigkeit als Wurzeln dieser Übel. „Wir haben unsere Waffen vervollkommnet, unser Gewissen ist eingeschlafen, und wir haben ausgeklügeltere Begründungen gefunden, um uns zu rechtfertigen. Als wäre es etwas Normales, fahren wir fort, Zerstörung, Schmerz und Tod zu säen! Gewalt und Krieg bringen nur Tod, sprechen vom Tod! Gewalt und Krieg sprechen die Sprache des Todes!“ Franziskus sprach jeden an „vom Kleinsten bis zum Größten“, auch die Regierenden. „Ich möchte heute Abend den Herrn bitten, dass wir Christen, die Brüder und Schwestern der anderen Religionen, alle Menschen guten Willens mit Nachdruck rufen: Gewalt und Krieg sind niemals der Weg des Friedens! Möge ein jeder Mut fassen, auf den Grund seines Gewissens zu schauen und auf jene Stimme zu hören, die sagt: Komm heraus aus deinen Interessen, die dein Herz verengen, überwinde die Gleichgültigkeit gegenüber dem anderen, die das Herz gefühllos macht, besiege deine Todesargumente und öffne dich dem Dialog, der Versöhnung: Schau auf den Schmerz deines Bruders und füge nicht weiteren Schmerz hinzu, halte deine Hand zurück, baue die Harmonie wieder auf, die auseinander gebrochen ist – und das nicht mit dem Zusammenprall, sondern mit der Begegnung!“

Lange Zeit verharren Papst und Gläubige in Stille im Gebet. (dpa)

Wenn man die zahlreichen Initiativen des Papstes und des Vatikans der letzten Tage sieht, wird der heutige Abend sicher nicht der letzte Akt im „Kampf“ von Franziskus gegen weiteres Blutvergießen und einen Militärschlag in Syrien und für den Frieden dort, im ganzen Nahen Osten und an anderen Konfliktorten gewesen sein. Aber es war sicherlich einer der eindrücklichsten Akzente, der durch seine weltweite Nachahmung durchaus zeigt, dass der Papst fähig ist, Menschen zu mobilisieren. Die Frage ist natürlich, welche konkreten Folgen wird diese Initiative haben?

P.S. Begegnung, Gespräch, Dialog. Diese Begriffe gehören zu den am meisten gebrauchten im Vokabular von Papst Franziskus. Das betrifft politische Zusammenhänge und Konflikte; das betrifft aber auch innerkirchliche Auseinandersetzungen. Im diesem Sinne dürfte jetzt auch die Initiative mit dem Besuch von Kardinal Lajolo im Bistum Limburg zu verstehen sein. Wie aus einem vom Bistum veröffentlichten Brief des Chefs der vatikanischen Bischofskongregation, Kardinal Marc Ouellet, hervorgeht, hatte der Limburger Bischof Tebartz-van Elst den Vatikan mehrfach um eine Apostolische Visitation in seinem Bistum gebeten. Dazu sieht Papst Franziskus nach dem Schreiben  keinen Anlass. Dennoch scheint man auch im Vatikan erkannt zu haben, dass die Situation im Bistum Limburg schwierig und verfahren ist. So wird Lajolo, der von 1995 bis 2003 Nuntius in Deutschland war, dem Bistum einen „brüderlichen Besuch“ abstatten. De jure handelt es sich also nicht um eine offizielle Visitation. De facto wird Lajolo aber Ähnliches tun: Er wird mit dem Bischof, dem Domkapitel sowie anderen wichtigen Vertretern aus Gremien und Verwaltung im Bistum sprechen. Laojolo soll laut dem vatikanischen Schreiben „wachen Auges auf die Gegebenheiten der  Ortskirche schauen, die Geister zu unterscheiden helfen, gegebenenfalls brüderlich zu ermahnen, vor allem aber um Ihren bischöflichen Dienst zu stützen und zum Frieden und zur Einheit zu ermutigen.“ Lajolo wird bereits am Montag in Limburg erwartet.

„Militärische Lösung = sinnloses Streben“

Papst Franziskus ist es ernst mit seiner Forderung nach einer friedlichen Lösung des Konflikts in Syrien. Alle nur möglichen Mittel setzt er ein, um seine Botschaft an den Mann und die Frau zu bringen: Am Sonntag widmete er den kompletten Angelus dem Thema, seine letzten Twitter-Botschaften ebenfalls. Heute schrieb er an Russlands Präsident Putin aus Anlass des G20-Treffens in Sankt Petersburg. In einer eher ungewöhnlichen Aktion lud der Vatikan heute alle beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschafter zu einem Treffen ein, um die vatikanische Position darzustellen. Und dann ist da noch der große Fasten- und Gebetstag für den Frieden am Samstag, zu dem Papst Franziskus aufgerufen hat. Er selbst wird auf dem Petersplatz vier Stunden lang am Abend mit den Gläubigen beten. Weltweit haben sich Bischöfe in allen Kontinenten angeschlossen; auch von Vertretern anderer Konfessionen und Religionen kamen positive Rückmeldungen; will man sich an der Initiative beteiligen.

Papst Franziskus richtet beim Mittagsgebet am vergangenen Sonntag einen Friedensappell an die Welt. (ap)

In seinem Brief an Putin findet Franziskus die gewohnt deutlichen Worte. Er spricht von einem „sinnlosen Streben nach einer militärischen Lösung“, das die politisch Verantwortlichen aufgeben sollten und stattdessen mit „erneuertem Einsatz sowie mit Mut und Entschlossenheit nach einer friedlichen Lösung auf der Basis von Dialog und Verhandlungen auf beiden Seiten“ suchen sollten, unterstützt von der Internationalen Gemeinschaft. Bereits am Sonntag hatte sich Franziskus ja zu einem Fürsprecher des „Schreis nach Frieden“ gemacht, den es an vielen Stellen weltweit gebe.

Während der Papst sonst nur am Ende des Angelusgebets kurz auf aktuelle Ereignisse eingeht, hatte er dieses Mal die komplette Ansprache dem Thema Frieden gewidmet; Ausdruck der Dringlichkeit, die er dem Ganzen verleiht: „Der Schrei, der mit Nachdruck besagt: Wir wollen eine Welt des Friedens, wir wollen Männer und Frauen des Friedens sein, wir wollen, dass in dieser unserer Gesellschaft, die von Spaltungen und Konflikten zerrissen ist, Frieden entsteht; nie mehr Krieg! Nie mehr Krieg! Der Frieden ist ein äußerst kostbares Geschenk, das gefördert und geschützt werden muss.“

Das Ganze erinnert an das Jahr 2003. Damals versuchte der Vatikan und allen voran Papst Johannes Paul II. den Irakkrieg zu verhindern. Unvergessen die Worte Johannes Pauls II. beim Angelusgebet am 23. Februar mahnte er: „Niemals kann die Zukunft der Menschheit durch Terrorismus und durch die Logik des Krieges gesichert werden.“ Der Vatikan startete eine diplomatische Großoffensive. Innerhalb weniger Tage gaben sich Tony Blair, UNO-Generalsekretär Kofi Annan, José Maria Aznar und Joschka Fischer im Vatikan die Klinke in die Hand. Der Vatikandiplomat Kardinal Etchegaray reiste im Auftrag des Papstes in den Irak und in die USA. Verhindern konnte Johannes Paul II. den Irakkrieg nicht; aber er versuchte die Mittel in die Waagschale zu werfen, die er als Papst hat – und das sind nicht Militärs, sondern Worte, Diplomatie und – aus christlicher Sicht natürlich konsequent – das Gebet. Übrigens gab es auch 2003 zum Aschermittwoch einen Fast- und Gebetstag.

Vatikanaußenminister Mamberti informiert die Botschafter über die vatikanische Syrienpolitik. (ap)

Auch dieses Mal ist die katholische Position klar: keine militärische Lösung. Dabei sind sich katholische Bischöfe weltweit weitestgehend einig – auch die US-Bischöfe und der „Außenminister“ der Deutschen Bischofskonferenz, der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick. Sie fürchten eine weitere Destabilisierung der Region und negative Konsequenzen für die christlichen Minderheiten in den Ländern des Nahen Ostens. Auch gerade deshalb ist es wichtig, dass die Kirche auf den Dialog setzt und nicht auf Konfrontation und Waffen.

P.S. Franziskus geht in seiner Botschaft an die G20-Staats- und Regierungschef natürlich auch auf wirtschaftliche Fragen ein. Die aktuelle Situation erfordere „weltweiten Finanzrahmen mit gerechten und klaren Regeln“ für eine gerechtere und solidarischere Welt. Franziskus spricht vom Kampf gegen den Hunger, von würdiger Arbeit  sowie angemessenen Wohnungen und Gesundheitsversorgung für alle Menschen. Die Weltwirtschaft könne sich nur in dem Maße wirklich weiterentwickeln, in dem sie es schafft allen Menschen ein würdiges Leben zu ermöglichen, von den Alten bis zu den ungeborenen Kindern – und zwar nicht nur für die Menschen in den G20-Ländern sondern in allen Ländern weltweit. Gewalt und Krieg seien Hindernisse für den wirtschaftlichen Fortschritt. „Ohne Frieden gibt es keine wirtschaftliche Entwicklung.“

Römische Personalien

Die Gerüchteküche war schon seit einigen Tagen am Brodeln, seit heute ist es amtlich. Papst Franziskus hat seine Entscheidung für einen neuen Staatssekretär getroffen. Es ist der italienische Vatikandiplomat Pietro Parolin, derzeit Nuntius in Caracas. Gleichzeitig nahm der Papst den Rücktritt des bisherigen Amtsinhabers, Kardinal Tarcisio Bertone an.

Die Ablösung Bertones war überfällig. Schon Benedikt XVI. war immer wieder darauf aufmerksam gemacht worden, dass er sich besser von seinem Kardinalstaatssekretär trennen solle. Aber er hielt seinem früheren Mitarbeiter aus den Zeiten der Glaubenskongregation stets die Treue, auch wenn dieser sich in zahlreichen Konflikten als unfähig erwies – nicht zuletzt im Fall Williamson wird ihm die Schuld gegeben. Auch im Vorkonklave haben die Kardinäle ihre Unzufriedenheit mit der Spitze der Kurie deutlich zum Ausdruck gebracht.

Indem Franziskus, der die Sommerpause nicht für Ferien, sondern für zahlreiche Gespräche mit unterschiedlichsten Mitarbeitern im Vatikan genutzt hat, die Personalentscheidung getroffen hat, hat er sowohl ein Versprechen eingelöst als auch den wohl wichtigsten Schritt zur Kurienreform getan. Im Oktober wird dann die von ihm eingesetzte Kommission der acht Kardinäle, darunter der Deutsche Reinhard Marx, weitere Reformen vorschlagen.

Die Wahl eines Italieners, der als erfahrener und begabter Diplomat gilt, ist sicherlich ein kluger Schachzug. Zum einen hätte ein Nichtitaliener die überwiegend italienischen Mitarbeiter nicht erfreut, zum anderen bringt der neue Staatssekretär viele Jahre diplomatischer Erfahrung mit sich. Von 2002 bis 2009 war er „stellvertretender Außenminister“, verhandelte mit Israel, Vietnam, China und Russland in diversen komplizierten Konstellationen und gehörte im Zusammenhang mit den Bemühungen, einen Irakkrieg zu vermeiden, zu den engsten Beratern von Johannes Paul II.

Pietro Parolin, der neue Kardinalstaatssekretär

Pietro Parolin, der neue Staatssekretär

 

Auf den 58-Jährigen Parolin warten gewaltige Aufgaben. Er wird sein neues Amt am 15. Oktober antreten. Auch wenn er gut vernetzt ist im Vatikan, ist es nicht leicht, einen eingespielten, trägen Apparat auf Trab zu bringen. Als „alter ego“ des Papstes und dessen engster Vertrauter kommt ihm zugute, dass er ebenfalls als bescheiden gilt. Franziskus braucht solche Verbündete, wenn er sein großes Werk in Angriff nehmen will.

PS: Auch in seinem engeren Umfeld hat Franziskus in diesen Wochen Entscheidungen getroffen. Georg Gänswein ist nicht mehr sein Sekretär, sondern weiterhin Präfekt des Päpstlichen Hauses.und bleibt auch Privatsekretär von Benedikt XVI. Der Malteser Alfred Xuereb, bisher die Nummer zwei, ist jetzt Papstsekretär Nummer eins. Und neu im Team ist der 49-jährige Fabian Pedacchio Leaniz, ein Landsmann des Papstes. Dass dieser weitgehend selbst das Heft in der Hand behalten will, hat er in mehreren Interviews gesagt: “ Ich entscheide selbst, wen ich sehen muss, und nicht meine Sekretäre.“