Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog

Interessantes und Hintergründiges aus dem Vatikan

Was bleibt vom Papstbesuch in Deutschland?

Papst Benedikt XVI. in Freiburg

War da `was? Klar – vor einem Jahr hat Papst Benedikt XVI. seine Heimat besucht. Vier Tage lang tourte er durch Deutschland. Berlin, Erfurt und Freiburg waren die Stationen. Rund 360.000 Menschen kamen zu den Veranstaltungen mit dem Papst – dazu noch Zehntausende entlang der Fahrstrecken des Papamobils. Über 20 Millionen kostete der Besuch – rund ein Euro pro Katholik in Deutschland.

Im Vorfeld des Besuchs gab es viele Diskussionen. Die Rede im Bundestag war heftig umstritten. Forderungen wurden gestellt, was er alles tun und lassen sollte – im Bereich der Ökumene, im Umgang mit dem Missbrauchsskandal, bei der Suche nach Lösungen angesichts der schweren Krise der Kirche in Deutschland. Damit waren die Erwartungen hoch, vielleicht zu hoch, als dass er sie hätte erfüllen können.

Und was ist geblieben – ein Jahr danach? In Erinnerung ist die Konzerthausrede in Freiburg. Mit der hatte Benedikt XVI. zum Abschluss seiner Reise noch einmal einen Paukenschlag gesetzt. Das zentrale Stichwort: „Entweltlichung“. Doch was er konkret damit meinte, sagte er nicht. Noch ein Jahr danach wird leidenschaftlich darüber diskutiert. Einzig klar scheint, dass er nicht die Abschaffung der Kirchensteuern forderte. Das greift zu kurz. Aber darf eine Papstansprache so im Wagen bleiben?

Diskussion in Freiburg: Was bleibt vom Papstbesuch?

Darüber entspann sich beim Jahresrückblick in der Katholischen Akademie in Freiburg gestern Abend eine heftige Diskussion. Bemängelt wurde dort von vielen, dass der Papst zu wenig konkret auf die Probleme der Menschen und der Kirche in Deutschland eingegangen sei. Auch seien seine Ansprachen für die „einfache Basis“ bisweilen nicht verständlich gewesen. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Teilnahme an den Gottesdiensten mit dem Papst für viele Gläubige ein unvergessliches Erlebnis war, das sie in ihrem Glaubensleben bestärkt hat. Kommt es bei einem Papstbesuch also mehr auf das Gefühl an als auf zählbare Ergebnisse?

Diese hätten sich viele bei der Ökumene gewünscht. Doch vom Treffen in Erfurt bleiben zwiespältige Gefühle zurück. Einerseits würdigte Benedikt XVI. den Reformator Martin Luther; zugleich stieß er die Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland vor den Kopf, als er ihnen ein falsches Verständnis von Ökumene vorwarf mit seiner berühmten Aussage, dass er keine „ökumenischen Gastgeschenke“ mitbringe, da derartige Forderungen ein „politisches Missverständnis des Glaubens und der Ökumene“ darstellten. Ob die EKD der richtige Adressat für derart harsche Worte war? Es gibt Gesprächsbedarf beim Thema Ökumene. Das hat nicht zuletzt der Aufruf „Ökumene jetzt“ prominenter Christen vor wenigen Wochen gezeigt.

Benedikt XVI. hat bei seinem Deutschlandbesuch Debatten losgetreten, die die Kirche noch lange beschäftigen werden. Ob er die breite Basis erreicht hat, ist fraglich. Schon beim Besuch selbst sind weniger Menschen gekommen als erwartet. Ein Jahr später wird in den Gemeinden abseits von Berlin, Erfurt und Freiburg kaum mehr über die Reise gesprochen; längst bestimmen die Sorge um die Zukunft der Pfarreien und die Diskussion um die allgemeine Krise der Kirche wieder den Alltag.

Ganz oder gar nicht

Die Diskussion zieht sich schon über Jahre hin, jetzt haben Rom und die Deutsche Bischofskonferenz gesprochen. „Roma locuta, causa finita“ (Rom hat gesprochen, der Fall ist erledigt). Es geht um die Frage, ob jemand aus der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechtes austreten kann und sich dennoch weiterhin der Kirche der Gläubigen zugehörig fühlen kann, wie dies der emeritierte Freiburger Kirchenrechtler Hartmut Zapp für sich in Anspruch nimmt.

Wartenummern ziehen beim Amtsgericht

Klingeln mit Konsequenz

Für die Bischöfe ist ganz klar: Wer aus der Kirche austritt, tritt aus der Kirche aus, mit allen Konsequenzen. Zwar zieht der Schritt vor dem Meldeamt nicht mehr automatisch die Exkommunikation nach sich, das war dem Vatikan wichtig. Dafür bekommt der Austretende Post von seinem Pfarrer und wird zum persönlichen Gespräch eingeladen. Der Hirte geht also verpflichtend seinem verlorenen Schäfchen nach. Aber wenn dieses nicht in die Herde zurückkehren will, hat es auch kein Recht mehr auf den Empfang der Sakramente, auf aktives und passives Wahlrecht und keinen Anspruch auf ein kirchliches Begräbnis. So viel Konsequenz muss sein.

Für die Theologie ist die Taufe ein unauslöschliches Siegel, das nicht entfernt werden kann. Daraus abzuleiten, dass man Kirchensteuern sparen kann und trotzdem der Kirche zugehören, wie es manche gerne möchten, ist falsch. Denn auch die Gemeinschaft der Glaubenden gehört zwingend zum christlichen Glauben dazu, wie es im Credo bekannt wird.

Gegen Hartmut Zapp, der seit 2007 keine Kirchensteuer mehr zahlt, hatte das Erzbistum Freiburg geklagt, der Fall wird am kommenden Mittwoch in Leipzig verhandelt. Dann wird klar werden, ob auch für das Bundesverwaltungsgericht gilt, was Rom (und die Bischofskonferenz) gesprochen haben.

Gespräche gescheitert?

Nationalwallfahrt der Piusbruderschaft

Stehen die Gespräche zwischen dem Vatikan und der traditionalistischen Piusbruderschaft vor dem Aus? Der deutsche Disktriktobere, Pater Franz Schmidberger, hat jedenfalls jetzt in einem Interview erklärt, dass die Forderungen Roms für die Gemeinschaft inakzeptabel seien. Das hört sich nicht nach Versöhnung an. Oder ist es ein weiterer Versuch, den Vatikan unter Druck zu setzen? Denn natürlich ist klar, dass Papst Benedikt XVI. viel an einer Einigung gelegen ist. Er möchte Einheit und kein Schisma.

Würde die Einigung nicht gelingen, wäre das auch für ihn eine Niederlage – mit einem hohen Preis. Denn der Wirbel um die Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe der Piusbruderschaft im Januar 2009 war groß. Zum einen war bzw. ist da der Holocaustleugner Richard Williamson unter den vier Bischöfen; zum anderen brachten aber auch die zum Teil erzkonservativen Positionen der Piusbruderschaft viel Verunsicherung bei katholischen Gläubigen. Dass der Papst ausgerechnet dieser Gruppe die Hand der Versöhnung reichte, verstärkte den Verdacht, er verordne seiner Kirche eine „Rolle rückwärts“ hinter das II. Vatikanische Konzil zurück.

Die neuen Äußerungen aus den Reihen der Piusbruderschaft zeigen nun, dass Benedikt XVI. nicht zum „Ausverkauf“ des Konzils bereit ist. Zwar hat er die vorkonziliare Messe als außerordentlichen Ritus wieder zugelassen; doch fordert er gleichzeitig die volle Anerkennung der „reformierten“ nachkonzliaren Liturgie. Die Piusbrüder sollen außerdem anerkennen, dass das II. Vatikanische Konzil ungebrochen in der Reihe aller Konzilien und Lehren der katholischen Kirche stehe. Das geht für die Piusbrüder zu weit. Gehört es doch gerade zu ihrem Proprium, zentrale Inhalte des Konzils abzulehnen, weil sie darin einen Bruch mit der Tradition sehen – eben bei der Liturgie, bei Themen wie Ökumene und Religionsfreiheit.

Und jetzt? Die Piusbruderschaft hat in den vergangenen Monaten immer wieder versucht, einen Keil zwischen den Papst und die römische Kurie zu treiben. Sie wollten glauben machen, Benedikt stehe nicht hinter den klaren Forderungen der Glaubenskongregation. Doch jetzt hat er in einem Brief an die Piusbruderschaft bestätigt, dass das sein Kurs ist. Übrigens hat er schon kurz nach der Aufhebung der Exkommunikation Ende Januar 2009 erklärt, dass er von den Piusbrüdern Bewegung in der Sache erwartet. Diese scheint bisher nicht erfolgt zu sein. Vielmehr bekräftigt der deutsche Distriktobere in seinem Interview von dieser Woche, dass die „lehrmäßigen Differenzen“ nicht auf der Seite der Piusbrüder lägen, sondern in Rom.

Von dort war in den letzten Tagen nichts zu hören. Die Position des Vatikans sei bekannt. Das II. Vatikanische Konzil müsse anerkannt werden – so etwa der neue Chef der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, vergangene Woche in einem Gespräch. Kann es da zu einer Lösung kommen? In genau drei Wochen, am 11. Oktober 2012, ist der 50. Jahrestag der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils. Wäre das nicht ein idealer Anlass, um klare Verhältnisse zu schaffen?

Ist das Dialog?

Papstmesse in Beirut

Der Papst ist weg und die Proteste beginnen. Was ist denn das für ein Stil? Kaum hatte Benedikt XVI. den Libanon verlassen, rief gestern Abend die radikalislamische Hisbollah zu Demonstrationen gegen das islamkritische US-Video auf. Die ganze Woche über werde man Proteste im Libanon organisieren. Als ich diese Meldung heute Morgen in den Agenturen las, dachte ich, ich sei im falschen Film. Oder nur blauäugig? Der Führer der Miliz, Scheich Hassan Nasrallah, erklärte nach Medienberichten, er habe sich mit Äußerungen zum Video bis nach dem Papstbesuch zurückhalten wollen. Das ist einerseits ehrenwert. Immerhin hatten Journalisten-Kollegen in Beirut in der Nähe des Flughafens Plakate gesichtet mit der Aufschrift: „Hisbollah grüßt Papst Benedikt“. Doch was nützt das, wenn seine Friedens- und Dialogbotschaft nicht gehört wird? Gut Nasrallah ruft zu Protesten auf, nicht zu Gewalt. Er kritisiert das Video als einen Versuch, Zwietracht zwischen Christen und Muslime zu sähen, die zum Blutvergießen führen soll. Er fordert internationale Vereinbarungen, die Angriffe auf Religionen verbieten. Wie friedenstauglich die schiitische Organisation und ihre Anhänger wirklich sind, muss sich bei den Demonstrationen zeigen. Vielleicht hat der Papstbesuch ja doch etwas bewirkt? Bleibt zu hoffen, dass die Botschaft Benedikts bei den Menschen angekommen ist. Immerhin haben die libanesischen Medien ausführlich über den Besuch berichtet.

Kommt der Papst noch einmal nach Nahost?

Ups – das war dann noch eine kleine Überraschung zum Abschluss: Will Benedikt XVI. noch einmal in den Nahen Osten? Beim Abschied am Flughafen sagte er: „Eure Wärme und Eure Herzlichkeit haben mir darauf Geschmack gemacht wiederzukommen.“ Andere Ziele in der Region gäbe es genug. Als die ersten Ideen für die Libanonreise gesponnen wurden – vor knapp zwei Jahren – war noch Syrien als Teil des Trips geplant. Das zerschlug sich spätestens im vergangenen Jahr. Ägypten wäre ein weiteres Ziel, das auf Benedikts Reisekarte fehlt. In Jordanien, Israel, den Palästinensergebieten und Zypern war er schon. Für 2013 steht außer dem Weltjugendtag in Rio de Janeiro nichts auf dem Plan. Immer wieder gibt es Spekulationen, ob er die Reise wird machen können – mit dann 86 Jahren. Im Libanon hat er sich kaum Müdigkeit anmerken lassen. Hitze und Schwüle konnten ihm offenbar nichts anhaben. Allerdings war das Programm wie inzwischen üblich etwas ausgedünnt.

Papamobil: Papst Benedikt XVI. in Beirut

Papamobil: Papst Benedikt XVI. in Beirut

4.392 Kilometer, 2 Tage, 12 Stunden und 10 Minuten, 8 Reden. Das sind die technischen Daten der 24. Auslandsreise Benedikts XVI. Drin stecken viele Inhalte. Durch die Reden ziehen sich Leitbegriffe wie Frieden, Dialog der Religionen und Kulturen, Versöhnung, Freiheit. Oft spricht er von Brüderlichkeit. Er will ganz „Pontifex“, Brückenbauer, Christen und Muslime zueinanderführen, Christentum und Islam. Er will verhindern, dass Fundamentalisten beider Seiten einen Gegensatz zwischen den Religionen, zwischen West und Ost konstruieren. Seine Reden, obwohl schon seit Wochen vorbereitet, sind nach dem Schmäh-Video über den Propheten Mohammed aktueller denn je.

Versöhnung und Dialog: Jugendliche in Beirut

Versöhnung und Dialog: Jugendliche in Beirut

Muslime lobten seine Worte. Entscheidend ist aber, ob die Menschen der Region sie auch in Taten umsetzen. Die Probe steht noch aus. Rivalitäten, Misstrauen und Hass prägen noch immer den Alltag. Die Jugendlichen, die zum Treffen mit dem Papst kamen, wurden eingeschworen auf Versöhnung und Dialog. Den eigens ins Arabische übersetzten Jugendkatechismus und das Neue Testament in der erhobenen Hand gelobten sie vor der Begegnung mit dem Papst Friedenswillen. In der Menge von 20.000 fiel das leicht; zu Hause wartet auf sie der harte Alltag.

Den Christen gab der Papst wichtigen Rückhalt. Für sie verlangte er das Recht auf freie Religionsausübung, privat und öffentlich. Sie dürften nicht Bürger zweiter Klasse sein, forderte er, denn sie gehörten ebenso zur Identität der Region wie andere Gläubige: Ein Orient ohne Christen wäre nicht mehr der Orient, so Benedikt XVI., denn die Christen hätten zusammen mit den anderen Religionen Anteil an der besonderen Identität der Region. Sogar der sunnitische Großmufti des Libanon, Scheich Mohammed Raschid Kabbani, pflichtet ihm da bei: Auch die Muslime bedauerten die Abwanderung der Christen aus dem Nahen Osten, sagte Kabbani dem Papst bei ihrem Treffen. Diese Aussage nimmt die muslimischen Religionsführer in der Pflicht.

Der Papst wiederum formuliert Forderungen an die christlichen Oberhirten. Sein Schreiben „Die Kirche im Nahen Osten“ (Ecclesia in medio oriente), das Schlussdokument zu einer Bischofssynode von 2010 im Vatikan, das er den Bischöfen am Sonntag übergab – es zeigt deutlich an, wo die katholischen Kirchen im Nahen Osten in den kommenden Jahren noch Hausaufgaben zu machen haben, etwa in der Zusammenarbeit untereinander.

Der Papst ist abgereist. Im Nahen Osten bleiben viele Baustellen. Benedikt XVI. ging mit der Hoffnung, dass seine Reise ein Baustein auf dem Weg zum Frieden sein möge – und dass er wiederkommen kann.

Freude am Dialog

Zwei Veranstaltungen gab es am Wochenende, die die Bandbreite der katholischen Kirche in Deutschland widerspiegeln. In Aschaffenburg versicherte sich das konservative Forum Deutscher Katholiken bei seinem Kongress „Freude am Glauben“ seiner Treue zum Papst und zum rechten Glauben. In Hannover wurde der Dialogprozess fortgeführt, den die Bischöfe letztes Jahr ins Leben gerufen haben. Mit Hilfe modernster Konferenztechnik und ipads, die für Kommentare und Bemerkungen genutzt werden konnten, ging es vor allem um den Weltdienst der Kirche. Auch dort sprachen die 300 Delegierten von der Notwendigkeit einer Neuevangelisierung, da waren sie sich mit den Aschaffenburgern einig, aber die Haltungen könnten generell unterschiedlicher nicht sein. Während die einen von Gehorsam in Freiheit reden, möchten die anderen die Freiheit zu Reformen nutzen. Und vor der Tür im Hannnoveraner Kongress-Zentrum stehen diejenigen, denen auch die Dialogteilnehmer nicht weit genug gehen und verteilen Flugblätter, in denen sie endlich konkrete Schritte fordern.

Dialogprozess in Hannover

Dialogprozess in Hannover

Die Spannbreite zeigt das Dilemma, in dem die Bischöfe stecken. Als Diener der Einheit müssen sie allen drei Gruppierungen gerecht werden und dazu den Blick auf Rom und die Weltkirche richten. Aber zum Erstaunen aller Beobachter und Teilnehmer  des Dialogforums waren es diesmal die Bischöfe, die nicht nur, wie in Mannheim, gut zugehört haben, was die engagierten Laien zu sagen hatten, sondern auch Bewegung signalisiert haben. Sie sind sogar eine Selbstverpflichtung eingegangen, was Frauenförderpläne und das kirchliche Arbeitsrecht bei wiederverheiratet Geschiedenen betrifft.

Schon übernächste Woche tagt die Herbstvollversammlung der Bischöfe in Fulda. Dann müssen auch diejenigen überzeugt werden, die nicht in Hannover waren, dass die Freude am Dialog nur dann anhält, wenn daraus konkrete Schritte erwachsen.

 

Christen und Muslime vereinigt euch …

Jugendliche aus dem Irak beim Papsttreffen

… um der Gewalt und den Kriegen ein Ende zu setzen. Nein, es geht hier nicht um Synkretismus, sondern um das Überleben und die Zukunft einer ganzen Region. Mit einem flammenden Appell für ein Miteinander der Religionen beim Jugendtreffen in Bkerke hoch über der Bucht von Beirut ist der zweite Tag des Papstbesuchs im Libanon zu Ende gegangen. Erstmals richtete Benedikt XVI. dabei ein Wort an muslimische Jugendliche. Zusammen mit den christlichen Altersgenossen seien sie die Zukunft des Libanon und der gesamten Region. „Der gesamte Nahen Osten muss mit Blick auf euch einsehen, dass Muslime und Christen, Islam und Christentum ohne Hass und in der Achtung des Glaubens eines jeden zusammenleben können, um gemeinsam eine freie und menschliche Gesellschaft aufzubauen.“

Ich habe den Eindruck, dass der Papst damit den rund 20.000 Jugendlichen aus dem Herzen spricht. Aus dem ganzen Nahen Osten sind sie gekommen. Unter ihnen ist auch die 18-jährige Mirna aus Irbil im Irak. Zusammen mit Dutzenden anderen aus ihrer Jugendgruppe singt und tanzt sie ausgelassen während des rund dreistündigen Vorprogramms. Zuhause sieht ihr Alltag anders aus. Sie wünscht sich ein so gutes Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen, wie sie es im Libanon erfährt. Im Irak stünden die Religionen oft gegeneinander, erzählt sie. „Egal was wir machen, immer wieder haben wir Muslime gegen uns. Bei uns sind die Beziehungen viel schwieriger als hier im Libanon.“ Aber ihre Zukunft zu Hause? Da zuckt Mirna nur die Achseln.

Gottesdienst mit Tanz

Etwas ungewöhnlich war die Jugendbegegnung dieses Mal: ein Wortgottesdienst mit liturgischem Tanz und musikalischem Szenenspiel; ein Papst, der begeistert applaudiert. Zwar gehört die Jugendbegegnung mittlerweile zum festen Bestandteil vieler Papstreisen; doch in Zagreb oder Freiburg waren sie in den letzten Jahren meist „ruhiger“. Beirut hat gezeigt, dass es auch anders geht. Die Inszenierung beeindruckte. Was aber bleibt für den schwierigen Alltag der Jugendlichen in der Region? Benedikt XVI. versuchte, ihnen Mut zu machen. Wird das ausreichen? Auch im Nahen Osten kämpfen die Kirchen zunehmend mit dem Umstand, dass ihnen die Jugend wegbricht.

Informationen zur Reise und die Texte der Ansprachen gibt es hier: http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/travels/2012/index_libano_ge.htm

Was ist denn jetzt die Schlagzeile?

Und er bleibt sich treu. Ungeachtet der politisch schwierigen Lage in der Region, hat Benedikt XVI. heute Morgen seine Rede vor Politikern und Diplomaten genutzt, um ganz grundlegend über eine neue Friedenskultur zu sprechen. Eine Rede mit Nachhaltigkeitswert, die auch über die Region Nahost hinaus Bedeutung hat. Sie kreist um zentrale Themen seines Pontifikats: Würde des Menschen, Freiheit in Verantwortung inklusive der Religionsfreiheit und die Offenheit des Menschen für Gott.

Tja – was ist denn nun die Schlagzeile, war die Frage von Journalistenkollegen, nachdem wir die Rede zum ersten Mal gelesen hatten. Diese Frage kommt bei Benedikt XVI. oft; denn seine philosophisch-anthropologischen Ausführungen lassen sich nicht einfach in zwei knackige Sätze packen. Dazu kam, dass die Rede heute Morgen nur auf Französisch und Arabisch vorlag und nicht wie üblich in italienischer, englischer und deutscher Übersetzung. Das heißt: Es wurde bis zuletzt an ihr gefeilt. Ihre Wirkung wird sich erst langfristig zeigen.

Menschen in Beirut erwarten den Papst

Menschen in Beirut erwarten den Papst

Für die Menschen, die zu Tausenden am Morgen den Weg zum Präsidentenpalast säumten, sind weniger die Worte wichtig. Allein dass der Papst trotz der schwierigen politischen Lage gekommen ist, ist Anlass zur Freude. Überhaupt fällt hier in den Straßen auf, wie präsent der Papstbesuch ist. Überall entlang des Weges, den der Papst in den drei Tagen in Beirut Tagen zurücklegt, hängen tausende vatikanische und libanesische Flaggen. Dazu blickt Benedikt XVI. von unzähligen riesigen Plakatwänden. Auf Französisch, Arabisch, Englisch und teilweise auch Deutsch wird er willkommen geheißen. Man verbindet große Hoffnungen mit ihm. Vor einem Jahr in Deutschland sah das anders aus.

Mehr zum Thema http://www.zdf.de/ZDF/zdfportal/web/ZDF.de/Dokumentation/2941938/24346510/123ac4/Papst-im-Libanon.html

Politik zum Auftakt

Benedikt XVI. bei der Ankunft in Beirut

Dialog, Versöhnung, Frieden sind die Stichworte des ersten Tags der Papstreise in den Libanon. Der Start der 24. Auslandsreise hatte einen fast schon ungewöhnlich starken politischen Akzent – und das nicht nur bei der Pressekonferenz im Flugzeug, als er Waffenimporte als schwere Sünde bezeichnete, ein sofortiges Ende von Krieg und Gewalt in der Region forderte und schließlich den Arabischen Frühling würdigte. Auch das Papier zum Abschluss der Nahostsynode trägt in Teilen sehr politische Züge. Allerdings, das muss man gleich dazu sagen, in einer typischen benediktinischen Form.

Wer konkrete Aussagen und Forderungen zu Politik und Gesellschaft in einzelnen Ländern des Nahen Ostens erwartete, sucht in dem 94-seitigen Dokument vergebens. Kein Wort etwa zu Syrien, zum Irak, zum Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Stattdessen der lapidare Satz: „Die Positionen des Heiligen Stuhls zu den verschiedenen Konflikten, welche die Region in dramatischer Weise plagen, und jene zum Status von Jerusalem und den heiligen Stätten sind weithin bekannt.“ Der Papst beschäftigt sich nicht mit der Tagespolitik – zumindest nicht in einem solchen Papier. Er setzt grundsätzlicher an. Die Themen, die er anspricht, haben Bedeutung über den Nahen Osten hinaus: etwa die Religionsfreiheit, das Verhältnis von Religion und Politik im laizistischen Staat (hier klingelt es bei allen, die noch das Stichwort „Entweltlichung“ von der Deutschlandreise vor einem Jahr im Ohr haben) sowie der Dialog der Religionen.

Benedikt wirbt für den Dialog der Religionen. Dabei findet er würdigende Worte für Judentum und Islam. Dann wird er aber auch durchaus deutlich. Beim Thema Religionsfreiheit kennt er keinen Spaß – hier geht es um ein zentrales Anliegen seines Pontifikats. Religionsfreiheit sei ein „heiliges und unveräußerliches Recht“ und der Teil der fundamentalen Menschenrechte. Dabei betont Benedikt die universale Bedeutung der Menschenrechte gerade für Christen. An anderer Stelle fordert er die Gleichstellung von Mann und Frau: „Ich möchte allen Frauen versichern, dass die katholische Kirche in Treue zum göttlichen Plan die persönliche Würde der Frau und ihre Gleichheit mit dem Mann fördert angesichts der verschiedensten Formen von Diskriminierung, denen sie aufgrund der Tatsache ihres Frauseins unterworfen sind.“ Benedikt hat die patriarchal geprägten Gesellschaften der Region im Blick. Doch was bedeutet das für die Kirche? Allein der Hinweis, dass bei kirchlichen Rechtsstreitigkeiten in Ehefragen die Stimme der Frauen gleich der des Mannes gehört werden soll, dürfte da nicht ausreichen.

Klare Worte auch in Richtung Politik: „Christen müssen eine volle Staatsbürgerschaft besitzen und dürfen nicht als Bürger oder Gläubige zweiter Klasse behandelt werden. Und wie das am besten funktioniert, legt Benedikt dann in seinen Gedanken über die „gesunde Laizität“ eines Staates aus. Und hier nun aufgepasst für alle „Entweltlichungsexperten“: Gesunde Laizität bedeutet, „den Glauben von der Last der Politik zu befreien und die Politik durch die Beiträge des Glaubens zu bereichern“. Nur so könne die Religion frei leben, „ohne sich mit der politischen Wirklichkeit zu belasten, die von Interessen geleitet ist und sich manchmal mit dem Glauben nur schwer oder sogar überhaupt nicht vereinbaren lässt“. Wer Benedikts Konzept vom rechten Verhältnis von Staat und Kirche verstehen will, muss diese Passage zusammen mit seinen Reden im Elysee-Palast in Paris und der Freiburger Rede lesen. Heißt das aber, Kirche soll sich ganz aus der Politik heraushalten? Kirchliches Handeln ist immer politisch. Das wird auch Benedikt XVI. akzeptieren müssen.

Wer den Text des Synodenpapiers komplett lesen will, darin auch vieles zum Leben der katholischen Kirchen im Nahen Osten findet hier das Dokument: http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/apost_exhortations/documents/hf_ben-xvi_exh_20120914_ecclesia-in-medio-oriente_ge.html

Aus dem Papstflieger…

Benedikt XVI.: Pressekonferenz im Flugzeug

Benedikt XVI.: Pressekonferenz im Flugzeug

Gleich zum Auftakt seiner vierten Nahostreise hat Papst Benedikt XVI. einen starken politischen Akzent gesetzt. Wurde vor dem Abflug in Rom unter den mitreisenden Journalisten noch heftig diskutiert, ob es überhaupt politische Akzente geben wird – immerhin hatte Vatikansprecher Federico Lombardi bei einem Briefing vor wenigen Tagen den pastoralen Charakter der Reise unterstrichen – machte der Papst eine gute halbe Stunde nach dem Start dem Rätselraten ein Ende: Lobende Worte für den Arabischen Frühling und ein Stopp für Waffenimporte, um Gewalt und Krieg zu verhindern. Unklarheit herrschte im Papstflieger noch etwas über den kleinen Nebensatz, den Benedikt zum Waffenimport gesagt hatte. Aber schnell war klar, ja, er hatte Waffenexport als schwere Sünde bezeichnet. Klare Worte auch zum Fundamentalismus, der eine Verfälschung der Religion sei.

Benedikt XVI. hat wieder einmal die Auftakt-PK für politische Akzente genutzt. Das war auch bei früheren Reisen schon oft der Fall. Damit setzt er zum Start klare Signale; für den Rest seiner Reise kann er sich auf seine Aufgabe als Oberhirte konzentrieren und sich um Fragen des Glaubens kümmern. Das hat er bei vergangen Reisen so gemacht. Es wird spannend, wie es dieses Mal wird…