Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog

Interessantes und Hintergründiges aus dem Vatikan

Trotz Urteil viele Fragen offen

Palazzo del Tribunale: Hier fand der Prozess statt.

Ein Jahr und sechs Monate Gefängnis lautet das Urteil gegen den Ex-Kammerdiener des Papstes, Paolo Gabriele. Dabei machten die Richter mildernde Umstände geltend, die zur Halbierung des eigentlichen Strafmaßes von drei Jahren führten. Das Urteil war noch keine Stunde alt, erklärte Vatikansprecher Federico Lombardi, dass die Möglichkeit einer Begnadigung durch den Papst „sehr konkret“ sei. Allerdings wollte er nichts über den Zeitpunkt und den Modus sagen. Lombardi machte auch deutlich, dass mit dem Urteil gegen Gabriele wegen „schweren Diebstahls“ der Vatileaks-Skandal nicht abgeschlossen sei.

Das Thema wird die Medien also weiter beschäftigen. Zum einen steht noch der Prozess gegen den Informatiker Claudio Sciarpelletti aus, der wegen Beihilfe zum Diebstahl angeklagt ist. Zum anderen sind am Ende des Prozesses noch viele Fragen offen. Zwar erklärte der vatikanische Staatsanwalt in seinem Abschlussplädoyer, dass Gabriele leicht von außen zu beeinflussen sei, doch betonte er ausdrücklich, dass es keine Beweise für Komplizen gebe. Dies wurde von Vatikansprecher Federico Lombardi noch einmal eigens betont. Prozessbeobachter zeigten sich allerdings wenig überzeugt von der offiziellen Darstellung, dass der Ex-Butler als Einzeltäter agierte und, wie er heute morgen kurz vor Urteilsverkündung noch einmal erklärte, dass er aus „tiefer Liebe für die Kirche und ihr sichtbares Oberhaupt“ gehandelt habe: „Ich fühle mich nicht als Dieb.“ Wer mehrere zehntausend Papiere in 82 Kartons in seiner Wohnung hortet, müsse Mitwisser gehabt haben, lautet die Einschätzung. Immerhin enthält das Enthüllungsbuch „Ihre Heiligkeit“ Dokumente, die nicht bei Gabriele gefunden wurden, obwohl er sonst immer Kopien von dem Material anfertigte, das er weitergab. Ist er also nicht das einzige „Leak“? Auch die Frage, wie es zu der Zusammenarbeit zwischen dem Ex-Kammerdiener und dem Journalisten Gianluigi Nuzzi kam, ist nicht hinreichend beantwortet.

Gianluigi Nuzzi - Wie kam der Kontakt zustande?

Unklarheit herrscht auch bei einem Goldklumpen und einem Scheck, die in Gabrieles Wohnung gefunden worden sein sollen. Vatikanische Gendarmen machten im Zeugenstand unterschiedliche Angaben über den Fundort. Der Richter hielt den Vorgang für nicht relevant. Wollte er den Prozess möglichst schnell und geräuschlos durchziehen? Insgesamt dauerte er nur vier Tage; auch wenn Vatikansprecher Lombardi nach Abschluss noch einmal eigens die Unabhängigkeit des Gerichts betonte, hatten viele Beobachter den Eindruck, das ganze Verfahren ging zu schnell. So blieb auch kaum Zeit für Zeugenbefragungen. Und die meisten Zeugen waren Gendarmen, die über die Hausdurchsuchung bei Gabriele berichteten. Warum wurde außer dem Privatsekretär des Papstes kein weiteres Mitglied der Kurie geladen, obwohl doch der Ex-Butler selbst Namen nannte von Personen, die ihm nahe stehen – darunter die Kardinäle Angelo Comastri und Paolo Sardi?

Vatileaks hat den Vatikan verändert. Intern herrscht bisweilen ein größeres Misstrauen unter den Kurialen; hat der Skandal doch einmal mehr ans Tageslicht gebracht, dass hinter den Kulissen um Macht und Einfluss gerungen wird. Nach außen hin versucht man mehr Transparenz walten zu lassen – zumindest was den Prozess gegen Paolo Gabriele anbetrifft.

Die offenen Fragen könnte der Papst selbst aus der Welt räumen, indem er den Bericht der Kardinalskommission veröffentlicht, die er – neben dem vatikanisch-staatlichen Gericht – mit internen Ermittlungen im Vatileaksskandal beauftragt hatte. Der Bericht liegt seit geraumer Zeit vor. Einzig Benedikt XVI. kennt den Inhalt. Dass er bisher nicht veröffentlicht wurde, wertet Vatikansprecher Lombardi als Zeichen, dass der Papst sich nicht in das juristische Verfahren einmischen wollte. Sollte der Ex-Kammerdiener das Urteil nicht anfechten, wovon nach einer ersten Reaktion seiner Anwältin, die sich zufrieden mit dem Richterspruch zeigte, auszugehen ist, ist der Prozess am Ende – und damit der Weg frei für den Papst, mit der Veröffentlichung des Kommissionsberichts mehr Klarheit zu schaffen.

Kurzer Prozess

Das Enthüllungsbuch "Seine Heiligkeit" führte zur Enttarnung Gabrieles.

Schon nach vier Prozesstagen soll am Samstag das Urteil gegen den ehemaligen Kammerdiener des Papstes, Paolo Gabriele, gesprochen werden. Im Vatileaks-Prozess wurde heute mit der Aussage von vier Gendarmen der Vatikanpolizei die Zeugenbefragung abgeschlossen. Wie schon bei der Zeugenvernehmung gestern, unter anderem des päpstlichen Privatsekretärs Georg Gänswein, kamen auch heute wieder jede Menge Details ans Tageslicht. Doch bleiben noch immer viele Fragen offen – etwa zu den Motiven des Kammerdieners und mögliche Hintermänner. Auch gibt es noch eine ganze Reihe von Widersprüchen, die nicht geklärt sind.

So behauptet der langjährige Butler des Papstes, 2010 mit der Sammlung von Dokumenten begonnen zu haben. Papstsekretär Gänswein erklärte gestern, dass er bei der Durchsicht der Papiersammlung Gabrieles auch Dokumente aus dem Jahr 2006 gesehen habe. In jenem Jahr trat Gabriele seinen Dienst als Kammerdiener des Papstes an. Hat er also von Anfang an Dokumente gesammelt? Warum? Hatte er von Anfang an einen Auftrag? Bei seiner Aussage erklärte Gabriele, der Heilige Geist habe ihn zu seinen Taten inspiriert. Er habe „Bosheit und Korruption“ in der Kirche aufdecken und „die Kirche wieder auf den richtigen Pfad führen“ wollen. Er betonte erneut, dass er als Einzeltäter gehandelt habe. Allerdings hätten sich hohe Würdenträger mit ihren Sorgen an ihn gewendet. In einem anonymen TV-Interview hatte Gabriele Anfang des Jahres noch von 20 Gesinnungsgenossen gesprochen.

Vehement bestritten hat der Kammerdiener, er sei von Dritten zu seinen Taten angestiftet worden zu sein. Damit scheint die Theorie, dass es sich bei der ganzen Vatileaks-Affäre letztendlich um Eifersüchteleien, Neid und Missgunst unter den deutschsprachigen engen Vertrauten des Papstes handle, endgültig vom Tisch. Die langjährige Haushälterin des Papstes, Ingrid Stampa, erklärte denn auch heute gegenüber einer italienischen Tageszeitung zu den Spekulationen über eine angebliche „deutsche Verschwörung“: „Es ist ganz einfach lächerlich. Alles Fantasie und Verleumdung.“ Welt-Online hatte Anfang Juli Frau Stampa, den langjährigen Sekretär von Kardinal Ratzinger, Bischof Josef Clemens, und den ehemaligen Vize-Camerlengo Kardinal Paolo Sardi in Verbindung mit dem Vatileaks-Skandal gebracht.

Mit Spannung wird nun der Urteilsspruch am Samstag erwartet. Gabriele drohen bis zu vier Jahre Haft für schweren Diebstahl. Im Falle einer Verurteilung müsste er die Strafe in einem italienischen Gefängnis absitzen. Es sei denn, der Papst begnadigt ihn; wovon viele Prozessbeobachter ausgehen.

Keine großen Sprünge in der Ökumene

Eine kritische Bilanz des Aufrufs „Ökumene jetzt“ hat der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper gezogen. Aber auch die eigenen Anstrengungen in Sachen Ökumene, die er knapp zehn Jahre an der Spitze des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen unternommen hat, waren nicht nur von Erfolg gekrönt.

 Vor Journalisten in Frankfurt berichtete Kasper, der seit 2010 im Ruhestand ist, über den Stand der Ökumene. „Die Ökumene wird nicht aufhören, aber die enthusiastische Phase ist zu Ende“, meinte der Kardinal. Ohne Schuldzuweisung an eine Seite glaubt er, dass jetzt eine Phase der Ernüchterung eingetreten sei. Kasper nannte sie eine „Phase des Atemholens“, in der es wirkliche Fortschritte nur in kleinen Gesprächskreisen geben werde.

 „Ökumene-jetzt“ ist verpufft

Grundsätzlich müsse man für jede öffentliche Unterstützung dankbar sein, aber der Impuls von „Ökumene jetzt“ sei zu schwach und leider verpufft. Der Grund dafür sei, dass weder konkrete Schritte benannt würden noch die Frage „Was heißt eigentlich Einheit?“ gelöst wäre. Ohne deren Beantwortung könne es jedoch keinen Fortschritt in der Ökumene geben.

Kardinal Walter Kasper stellt Buch vor

Kardinal Walter Kasper und seine "Wege zur Einheit der Christen"

Walter Kasper hat in seinen gesammelten Werken, die im Herder Verlag erscheinen, einen neuen Band herausgegeben mit dem Titel „Wege zur Einheit der Christen“, der am 11. Oktober erscheinen wird. Er ist ein Mann, der viele Jahre seines Lebens den Gesprächen zwischen den christlichen Glaubensgemeinschaften gewidmet hat – ob Protestanten, Anglikaner oder Orthodoxe. Wenn man ihn fragt, wie es ihm damit geht, dass die Prozesse nach anfänglichen Erfolgen so ins Stocken geraten sind, sagt er: „Natürlich schmerzt das, aber man muss auch realistisch sein und tun, was möglich ist.“ Es ist motivierend zu hören, dass da einer den Mut nicht verloren hat.

Generationswechsel

Generationenwechsel bei den Bischöfen (dpa)

Eine Überraschung zum Wochenbeginn: Die Bischöfe Wanke (Erfurt) und Schraml (Passau) gehen in den Ruhestand. Das gab der Vatikan am Montag bekannt. Die Entscheidung kommt zwar nicht unerwartet; aber der aktuelle Zeitpunkt ist dann doch etwas überraschend.

Der Passauer Bischof Wilhelm Schraml hatte bereits vor zwei Jahren das Pensionsalter (75 Jahre) erreicht. Auf persönlichen Wunsch des Papstes blieb er länger im Amt, was für einen normalen Diözesanbischof ungewöhnlich ist. Aber in Schramls Bistum liegen für die Biografie Benedikts XVI. wichtige Orte – Altötting und Marktl. Bischof Joachim Wanke ist erst 71. Als Grund für seinen vorzeitigen Rücktritt nannte er „seine labile gesundheitliche Situation“. Mit Wanke verliert die Deutsche Bischofskonferenz einen pastoralen Vordenker in Zeiten gesellschaftlichen Wandels. 12 Jahre lang leitete er die Pastoralkommission der Bischofskonferenz und machte sich gerade auch mit Seelsorgeangeboten für Menschen, die der Kirche fernstehen, einen Namen.

Damit sind aktuell vier Bistümer in Deutschland ohne Diözesanbischof. Neben den bereits genannten noch Dresden-Meißen und Regensburg. Dazu kommt, dass die beiden Kardinäle Meisner (78) und Lehmann (76) ebenfalls bereits in der „Verlängerung“ sind. Allerdings ist es bei Kardinälen nicht unüblich, dass diese bis zum 80. Lebensjahr im Amt verbleiben. Gespannt blicken nun alle nach Rom, wen der Vatikan für die Nachfolge der vakanten Bistümer aussuchen wird. Denn auch wenn, wie im Falle Erfurts, am Ende das Domkapitel aus einer Dreierliste auswählen kann, entscheidend ist, wen Rom auf diese Liste setzt. In Regensburg und Passau ernennt der Papst quasi „frei“. Mit Sicherheit wird Benedikt XVI. in seinem Heimatland mehr Einfluss auf die Auswahl der Kandidaten nehmen als sonst in der Weltkirche; auch wird es an Einflüsterern nicht mangeln.

Benedikt XVI. drückt der Kirche in Deutschland seinen Stempel auf. Seit seiner Wahl im April 2005 hat Benedikt XVI. 11 neue Ortsbischöfe ernannt; nun kommen noch 4 weitere dazu. Insgesamt gibt es 27. Von den derzeit amtierenden 39 Weihbischöfen hat er 18 ernannt. Wohin führt der Weg der Kirche im Heimatland des Papstes? Gemeinhin wurde bei den letzten Bischofsernennungen oft das Adjektiv „konservativ“ bemüht. Doch passt das Etikett nicht ganz. Denn die „Jungen“ sind oft schwer in Schubladen einzuordnen. Das zeigt sich etwa beim Berliner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki oder dem Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. Theologisch durchaus konservativ überraschen sie in den letzten Monaten mit Aussagen etwa zur Frauenförderung in der Kirche im Falle Overbecks und einer Offenheit gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften im Falle Woelkis. Alle – Junge wie Alte – scheinen auch den neuen Kurs beim Thema wiederverheiratete Geschiedene mitzutragen.

Gleich welche neuen Kandidaten der Papst für die freien Bischofssitze aussuchen wird, sie werden sich der Herausforderung stellen müssen, dass die Kirche in Deutschland droht weiter an gesellschaftlicher Relevanz zu verlieren. Allein ein Verharren auf traditionellen Dogmen würde sie in die Isolation führen.

Kommt die Wahrheit ans Licht?

Skandal im Apostolischen Palast

Spektakulärer Prozess im Vatikan. Am ersten Tag des Vatileaks-Prozesses gegen den ehemaligen Kammerdiener des Papstes, Paolo Gabriele, gab es allerdings keine Sensationen. Das könnte sich am kommenden Dienstag ändern. Dann sagen die ersten Zeugen aus. Neben sechs Gendarmen der Vatikanpolizei wurden auch der Privatsekretär des Papstes, Georg Gänswein, sowie eine Mitarbeiterin aus dem päpstlichen Haushalt als Zeugen benannt. Dass die Zeugenbefragungen allerdings Neuigkeiten bringen werden gegenüber den bisherigen Ermittlungen, ist kaum zu erwarten. Spannend dürften allerdings die Aussagen des Kammerdieners selbst werden. Bisher beteuerte er in den Vernehmungen stets, er habe alleine gehandelt. Bei einem anonymen TV-Auftritt Anfang des Jahres hatte er noch von rund 20 Gesinnungsgenossen im Vatikan gesprochen. Bleibt er bei seiner Version des Einzeltäters?

Eine Sache, die heute bekannt wurden, mutet übrigens etwas seltsam an. Der Antrag der Verteidigerin Gabrieles, den in der Wohnung des Angeklagten gefundenen Goldklumpen auf Fingerabdrücke zu untersuchen, wurde abgelehnt. Begründung: Er sei mittlerweile durch zu viele Hände gegangen. Das spricht nicht gerade für professionelle Ermittlungsmethoden.

Das wohl interessanteste Dokument darf im Prozess nicht verwendet werden: das Ergebnis der Untersuchung einer dreiköpfigen Kardinalskommission zum Vatileaks-Skandal. Die Würdenträger hatten dem Papst im Sommer ihre Ermittlungsergebnisse präsentiert. Seither sind sie unter Verschluss. Ein Antrag der Verteidigerin Gabrieles, das Dokument für den Prozess heranzuziehen, wurde mit der Begründung abgelehnt, dass kirchliches und weltliches Verfahren nicht vermischt werden dürften. Sollen so die wahren Hintergründe des Skandals vertuscht werden? Ein solcher Schluss scheint etwas voreilig, denn immerhin liegt es in der Macht des Papstes, nach Abschluss des Prozesses die Ergebnisse der Kardinalskommission zu veröffentlichen. Auch wenn in den vergangenen Tagen immer wieder betont wurde, dass das vatikanische Gericht unabhängig seine Arbeit verrichtet und sein Urteil fällt, scheint es am Ende doch so, dass allein Benedikt XVI. letzte Klarheit in den Skandal bringen kann. Einmal mehr ist Transparenz gefragt im kleinsten Staat der Welt, um der Wahrheit eine Chance zu geben.

Der Prozess könnte übrigens schnell vorüber sein. Der vorsitzende Richter erklärte heute, dass eventuell vier Verhandlungstage ausreichen. Das würde bedeuten, dass schon am nächsten Samstag Schluss sein könnte. Das wäre dann ein kurzer Prozess in einem der spektakulärsten juristischen Verfahren im Vatikan.

 

 



Und sie bewegt sich doch

Erzbischof Zollitsch bei der Abschluss-PK

Die Öffentlichkeit hat wenig Notiz genommen von der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda; einzig das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zum Thema Kirchenaustritt und Kirchensteuern am Mittwoch sorgte für Aufregung. Sonst waren die Reihen bei den täglichen Pressegesprächen etwa zum Religionsunterricht und Katechese oder bei der Vorstellung des neuen Internetportals katholisch.de eher spärlich besetzt – ein Zeichen für die sinkende gesellschaftliche Relevanz der Kirche?

Die Vollversammlung produzierte keine großen Schlagzeilen, war aber nichtsdestoweniger spannend. Denn die katholischen Bischöfe haben sich intern einiges vorgenommen: wiederverheiratete Geschiedene, kirchliches Arbeitsrecht und Frauenförderung. Was sich vor zwei Wochen beim Gesprächsprozess in Hannover noch wie eine kleine Sensation anhörte, stellte sich in Fulda als seit langem diskutierte Themen unter den Bischöfen heraus – auch wenn es noch lange keine konkreten Ergebnisse gibt.

So gibt es zum Thema wiederverheiratete Geschiedene bereits seit einem Jahr intensive Beratungen. Dabei geht es um die Frage des Sakramentenempfangs – vor allem der Kommunion – aber auch um arbeitsrechtliche Fragen, nämlich um die Beschäftigung von wiederverheirateten Geschiedenen im kirchlichen Dienst. Es ist Bewegung in die Sache gekommen. Allerdings bleibt das Thema kontrovers, gerade auch im Gespräch mit Rom. Der neue Chef der vatikanischen Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, bis vor gut zwei Monaten noch selbst Mitglied der Bischofskonferenz, machte klar: An der Unauflösbarkeit der Ehe ist nicht zu rütteln. Also eine „Zweite Ehe“ wird es mit Rom nicht geben. Das betonen auch die deutschen Bischöfe.

Man darf gespannt sein, wie die „Lösungen der Barmherzigkeit“ aussehen werden, die nun eine bischöfliche Arbeitsgruppe ausarbeiten soll. Von Fulda geht, wie schon von Hannover, das Signal, aus: Sie bewegt sich doch, die katholische Kirche. Bei dem Herbsttreffen der Kirchenführer wurde aber auch klar, dass Veränderungen Zeit brauchen. Was ein großer Schritt für Bischöfe ist, ist bisweilen ein kleiner für viele Gläubigen.

 

 

„Dümmer als der Papst erlaubt“

Titanic-Chefredakteur Leo Fischer ist um keinen blöden Spruch verlegen. Als Reaktion auf die Rüge des Presserates, der den Cover des Juli-Heftes des Satiremagazins als „entwürdigend und ehrverletzend“ brandmarkte, bezeichnete er den Presserat als „dümmer als der Papst erlaubt“, weil dieser nicht zwischen Benedikt XVI. und Joseph Ratzinger unterschieden habe. Weil der Titanic-Verlag den Presserat nicht anerkennt, will er auch die Rüge nicht veröffentlichen.

Die Titanic lebt ohnehin nach dem Motto „Viel Feind, viel Ehr“ und freut sich über alle öffentliche Aufmerksamkeit, die sie mit ihren Publikationen erfährt. Dass sie mit der Darstellung des Papstes als inkontinentem und mit Fäkalien beschmierten Mann die Grenzen des guten Geschmacks weit unterschritten hat, finden die Redakteure offenbar ganz toll. Und sie scheuen sich auch nicht, mit dem neuen Cover eine Collage zu Bettina Wulff und Mohammed auf den Markt zu bringen, der nur Öl ins Feuer der muslimischen Empörung gießt. Es ist schlimm, dass die Spekulation mit der Provokation vermutlich auch hier wieder aufgehen wird – alles hilft der Auflagensteigerung. Selbst ein Aufruf zum Boykott würde nur wieder in die Hände der selbsternannten Wächter des Rechtes auf Beleidigung spielen. Ich kann nur sagen: Fischers Antwort auf dem Presserat fällt voll auf ihn selbst zurück. Am besten sollte man ihn ignorieren (auch wenn ich dies mit diesem Blog nicht getan habe)

Drinnen oder draußen? Kirchensteuerrebell scheitert

Drinnen oder draußen - halboffen gibt es nicht.

„Ganz oder gar nicht“ lautet die Devise beim Kirchenaustritt. So sieht es zumindest das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Damit ist der Freiburger Kirchenrechtler Hartmut Zapp mit seinem Versuch gescheitert, zwar einerseits aus der „Körperschaft öffentlichen Rechts“ auszutreten und keine Kirchensteuern mehr zu zahlen, zugleich jedoch volles Mitglied der katholischen Kirche zu bleiben. Ein solcher Teilaustritt geht nicht, so die Leipziger Richter heute. Sie verweisen in ihrem Urteil auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen.

Die deutschen Bischöfe haben verständlicherweise erleichtert auf das Urteil reagiert; hatte man doch befürchtet, dass im Falle eines Erfolgs von Zapp das Kirchensteuermodell grundsätzlich in Frage gestellt werden könnte. Das hätte ungeahnte Folgen für die katholische, aber auch die evangelische Kirche in Deutschland gehabt. Immerhin hat die katholische Kirche im vergangenen Jahr rund 4,9 Milliarden Euro an Kirchensteuern eingenommen, die evangelischen Kirchen rund 4,5 Milliarden Euro. Auch in Rom dürfte man über das Urteil erleichtert sein. Die deutschen Katholiken gehören zusammen mit ihren US-amerikanischen und italienischen Glaubensbrüdern und –schwestern zu den wichtigsten finanziellen Stützen des Vatikans.

Die Richter bestätigen also die deutschen Bischöfe, wenn es um den Kirchenaustritt geht; vergangene Woche bekamen sie schon den päpstlichen Segen dazu. In einem von Rom genehmigten Dekret wurde klargestellt, dass mit dem Austritt vor dem Meldeamt auf jeden Fall auch kirchliche Rechte verwirken – etwa der Empfang der Sakramente oder die Übernahme kirchlicher Ämter oder des Patenamts. Rom verpflichtet allerdings die Pfarrer, das Gespräch mit den Ausgetretenen zu suchen. Dazu wurde ein Brief entworfen, der in Teilen eher wie ein Drohbrief wirkt und weniger wie der Versuch, ein offenes Gespräch über die Beweggründe des Kirchenaustritts zu führen.

Nun gibt es beim Kirchenaustritt Rechtssicherheit im zivilen und im kirchlichen Bereich. Doch angesichts der Brisanz des Themas dürfte in diesem Falle nur juristisch gelten: „Lipsia et Roma locuta – causa finita“ – Leipzig und Rom haben gesprochen, die Sache ist erledigt. Die Debatte um Kirchensteuern und Staatsleistungen an Kirchen wird weitergehen – sie ist ein Dauerbrenner.

Für alle Freunde der „Entweltlichung“ sei zum Jahrestag der Freiburger Rede (25.9.2011) des Papstes angemerkt, dass nun auch dem Letzten klar sein muss, dass die Kirchensteuern damit nicht gemeint waren. Doch was war es denn dann?

Briefentwurf für aus der Kirche ausgetretene Personen: http://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse/2012-145b-Allgemeines-Dekret-Kirchenaustritt_Pastorales-Schreiben.pdf

Dialogprozess oder Synode

Am Rande der Bischofskonferenz wurde heute die Neuauflage der Synodendokumente von 1971-1975 vorgestellt. Es ist schon interessant, wenn man die Situation damals mit heute vergleicht. Eine Synode, die Beschlüsse fassen kann, ist nicht das Mittel der Wahl für die deutschen Bischöfe heute. Sie tun sich zum Teil ja schon schwer mit dem wesentlich unverbindlicheren Dialogprozess. Wenn man betrachtet, dass in Hannover lediglich etwa die Hälfte der Ortsbischöfe anwesend war, dann kann man davon ausgehen, dass eine beschlussfähige Versammlung wie eine Synode erst recht nicht mehrheitlich gewünscht ist.

Andererseits: was würde eine Synode nützen, deren Beschlüsse nicht umgesetzt werden, wie es zahlreichen Voten der Würzburger Synode ergangen ist? Kardinal Karl Lehmann hat in einem Statement angeregt, dem Schicksal der damaligen Voten einmal nachzugehen. Sie seien in der Vielzahl der weltweit eingereichten Vorschläge zur Revision des Kirchlichen Gesetzbuches offensichtlich untergegangen. Die Antwort auf diese Frage, so Lehmann, habe für das Verhältnis zwischen der Gemeinsamen Synode und der Leitung der Gesamtkirche zweifellos Gewicht. Und weil das so ist, so meine Vermutung, wird man es auch nicht angehen. Dann würde schließlich erneut deutlich, dass die Ortskirchen in Rom viel zu wenig gehört werden.

Was bleibt vom Papstbesuch in Deutschland?

Papst Benedikt XVI. in Freiburg

War da `was? Klar – vor einem Jahr hat Papst Benedikt XVI. seine Heimat besucht. Vier Tage lang tourte er durch Deutschland. Berlin, Erfurt und Freiburg waren die Stationen. Rund 360.000 Menschen kamen zu den Veranstaltungen mit dem Papst – dazu noch Zehntausende entlang der Fahrstrecken des Papamobils. Über 20 Millionen kostete der Besuch – rund ein Euro pro Katholik in Deutschland.

Im Vorfeld des Besuchs gab es viele Diskussionen. Die Rede im Bundestag war heftig umstritten. Forderungen wurden gestellt, was er alles tun und lassen sollte – im Bereich der Ökumene, im Umgang mit dem Missbrauchsskandal, bei der Suche nach Lösungen angesichts der schweren Krise der Kirche in Deutschland. Damit waren die Erwartungen hoch, vielleicht zu hoch, als dass er sie hätte erfüllen können.

Und was ist geblieben – ein Jahr danach? In Erinnerung ist die Konzerthausrede in Freiburg. Mit der hatte Benedikt XVI. zum Abschluss seiner Reise noch einmal einen Paukenschlag gesetzt. Das zentrale Stichwort: „Entweltlichung“. Doch was er konkret damit meinte, sagte er nicht. Noch ein Jahr danach wird leidenschaftlich darüber diskutiert. Einzig klar scheint, dass er nicht die Abschaffung der Kirchensteuern forderte. Das greift zu kurz. Aber darf eine Papstansprache so im Wagen bleiben?

Diskussion in Freiburg: Was bleibt vom Papstbesuch?

Darüber entspann sich beim Jahresrückblick in der Katholischen Akademie in Freiburg gestern Abend eine heftige Diskussion. Bemängelt wurde dort von vielen, dass der Papst zu wenig konkret auf die Probleme der Menschen und der Kirche in Deutschland eingegangen sei. Auch seien seine Ansprachen für die „einfache Basis“ bisweilen nicht verständlich gewesen. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Teilnahme an den Gottesdiensten mit dem Papst für viele Gläubige ein unvergessliches Erlebnis war, das sie in ihrem Glaubensleben bestärkt hat. Kommt es bei einem Papstbesuch also mehr auf das Gefühl an als auf zählbare Ergebnisse?

Diese hätten sich viele bei der Ökumene gewünscht. Doch vom Treffen in Erfurt bleiben zwiespältige Gefühle zurück. Einerseits würdigte Benedikt XVI. den Reformator Martin Luther; zugleich stieß er die Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland vor den Kopf, als er ihnen ein falsches Verständnis von Ökumene vorwarf mit seiner berühmten Aussage, dass er keine „ökumenischen Gastgeschenke“ mitbringe, da derartige Forderungen ein „politisches Missverständnis des Glaubens und der Ökumene“ darstellten. Ob die EKD der richtige Adressat für derart harsche Worte war? Es gibt Gesprächsbedarf beim Thema Ökumene. Das hat nicht zuletzt der Aufruf „Ökumene jetzt“ prominenter Christen vor wenigen Wochen gezeigt.

Benedikt XVI. hat bei seinem Deutschlandbesuch Debatten losgetreten, die die Kirche noch lange beschäftigen werden. Ob er die breite Basis erreicht hat, ist fraglich. Schon beim Besuch selbst sind weniger Menschen gekommen als erwartet. Ein Jahr später wird in den Gemeinden abseits von Berlin, Erfurt und Freiburg kaum mehr über die Reise gesprochen; längst bestimmen die Sorge um die Zukunft der Pfarreien und die Diskussion um die allgemeine Krise der Kirche wieder den Alltag.