Papst Franziskus in Kolumbien – Tag 2

Ermutigung und Ermahnung haben den zweiten Tag von Papst Franziskus in Kolumbien gekennzeichnet. Er ließ keine Gelegenheit aus, für Frieden und Versöhnung zu werben. Er forderte zu einer „Kultur der Begegnung“ auf, die aus seiner Sicht dem konfliktgeplagten Land in eine friedliche Zukunft helfen kann. Vor allem die jungen Menschen ermutigte er, das Schicksal des Landes in ihre Hände zu nehmen. „Ich bin sicher, dass in euch das notwendige Potential steckt, um das Land aufzubauen, von dem wir immer geträumt haben“, rief er den Jugendlichen zu. Bei seinen Treffen mit den Bischöfen Kolumbiens und Vertretern des CELAM, des Bischofsrats von Lateinamerika und der Karibik, hatte Franziskus viel Mahnendes im Gepäck. Er warnte vor „Sakralfunktionären“ und forderte dazu auf, sich „Tag für Tag auf die Arbeit im Feld einzulassen, wo das Volk Gottes lebt“, anstatt sich „durch die klimatisierte Luft der Büros, durch die Statistiken und die abstrakte Strategie lähmen zu lassen“. Die kolumbianischen Bischöfe forderte er auf, sich dezidiert hinter den Friedensprozess zu stellen. Die Bischöfe, wie schon am Morgen die Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft, rief er auf, sich „der Wurzel aller sozialen Übel“ und Konflikte anzunehmen: der Ungleichverteilung der Einkünfte sowie der Armut. Immer wieder mahnte Franziskus den Schutz des Lebens an sowie den Einsatz für die Familien.

Präsident Santos und Papst Franziskus entzünden ein „Ewiges Licht“ des Friedens. (Quelle: Erbacher)

Papst spricht Mut zu

Vielleicht kann man die fünf Ansprachen von Papst Franziskus heute grob in zwei Gruppen aufteilen. Einmal ging es um die Zukunft Kolumbiens, die Ermutigung, den Weg des Friedens und der Aussöhnung weiterzugehen, die Mahnung des Papstes, dass alle Menschen ins gesellschaftliche Leben einbezogen werden müssen. Die Vielfalt sei ein Reichtum, so Franziskus gleich zum Auftakt am Morgen beim Treffen mit Politikern und Vertretern der Zivilgesellschaft im Präsidentenpalast. Seine Forderung, dass es eine stabile Ordnung geben müsse, die die Freiheit der Bürger schützt, könnte eine Anspielung auf die Probleme des Staates sein, sein Gewaltmonopol überall im Land durchzusetzen. Mit einem Zitat des kolumbianischen Friedensnobelpreisträgers Gabriel Garcia Márquez (1927-2014) machte Franziskus den Menschen Mut, dass auch nach schweren Krisen und Unglücken „die neue und mitreißende Utopie eines Lebens“ möglich sei, „in dem Liebe wirklich wahr und Glück möglich ist und in dem die zu hundert Jahren Einsamkeit verurteilten Sippen endlich und für immer eine zweite Chance auf Erden bekommen“.

Das Zitat ist ein Beispiel für den Ansatz, mit dem Franziskus den Kolumbianern Mut zu machen versucht. Er zeigt ihnen auf, dass das Potential für eine bessere Zukunft im Land selbst liegt. Franziskus nennt es beim Treffen mit den Jugendlichen, „das tiefgründige Kolumbien entdecken“, das schon immer da war, aber durch die Konflikte verdeckt und nie zur vollen Entfaltung gekommen ist. Die Jugendlichen besitzen nach Ansicht des Pontifex Fähigkeiten, die den Heilungsprozess im Land entscheidend voranbringen könnten. Für ihn scheinen die Erwachsenen zu sehr durch den Jahrzehnte dauernden Konflikt in einem alten Denken gefangen. Die Jugendlichen besäßen die Fähigkeit, das Leid der anderen zu erkennen und den Schmerz zu verstehen, den andere erlitten hätten. Sie wüssten ganz genau, dass das Leben in vielen Grautönen verlaufe und sie könnten verstehen, das hinter einem Fehler, „auch wenn ein Fehler ein Fehler bleibt, den man nicht verschleiern soll“, es eine „Vielzahl von Gründen und mildernde Umstände“ gebe.

Außerdem würden die Jugendlichen leicht Kontakt finden. „Ihr könnt uns beibringen, dass die Kultur der Begegnung nicht bedeutet, dass alle in gleicher Weise denken, leben und sich verhalten. Es bedeutet zu wissen, dass wir alle jenseits unserer Unterschiedlichkeit Teil von etwas Großem sind, das uns vereint und übersteigt.“ Franziskus fügt dann zwei weitere besondere Fähigkeiten der Jugendlichen an: das Verzeihen und das Heilen. Die Jugendlichen seien immer bereit, „den anderen eine zweite Chance zu geben“. Die Aussage über die Kultur der Begegnung, seine Feststellung, dass das Leben nicht nur aus Schwarz und Weiß bestehe, sind Schlüsselgedanken, die auch für andere Situationen im Pontifikat ihre Gültigkeit haben. Sie erinnern an den Ansatz von Papst Franziskus im Umgang mit Krisen und Situationen, in denen etwa Menschen nicht dem Ideal einer Gruppe entsprechen.

Die dritte Rede der Ermutigung war die Predigt am Abend beim Gottesdienst mit mehreren hunderttausend Gläubigen. Er rief die Kolumbianer dazu auf, sich „wieder als Brüder, als Weggefährten und Teilhaber dieses gemeinsamen Unternehmens, das die Heimat darstellt“ zu betrachten. Das Land sei „von unvorstellbarer Fruchtbarkeit, das für alle Frucht tragen könnte“. Doch es gebe auch „dichte Finsternis, die das Leben bedroht und zerstört“. Franziskus warnt davor, sich „mit endlosen Diskussionen aufzuhalten“, über gescheiterte Versuche eine Lösung zu finden. Vielmehr möchte er den Blick nach vorne richten. Aus Sicht des Papstes kann der Glaube an Jesus helfen, eine gute Zukunft aufzubauen. „Sein Wort hat die Macht, Herzen zu bekehren, Pläne und Vorhaben zu ändern“, ist er überzeugt.

Franziskus über die Kirche

Bei der zweiten Gruppe der Reden ging es spezieller um die Kirche in ihrem Inneren, aber auch in der Gesellschaft. Die beiden Ansprachen an die kolumbianischen Bischöfe und die CELAM-Vertreter waren lang. Immer wieder sprach Franziskus von einer Kirche, die die Menschen in ihrer konkreten Situation wahrnehmen müsse. „Das Evangelium ist immer konkret, niemals eine Übung steriler Spekulationen“, so Franziskus an den CELAM. Er schloss seine Ansprache mit dem Hinweis auf den heiligen Bischof Toribio de Mogrovejo (1538-1606), der sich nicht in seinem Bischofssitz eingerichtet habe, sondern 18 der 24 Jahre seiner Amtszeit mitten unter den Völkern seiner Diözese verbracht habe. Franziskus sprach über seine Hoffnung für die Kirche in Lateinamerika. Diese Hoffnung habe ein junges Gesicht sowie ein weibliches Gesicht und komme zudem durch das Herz, den Geist und die Hände der Laien.

„Ohne die Frauen würde die Kirche des Kontinents die Kraft verlieren“, stellte Franziskus fest. Es sei eine ernste Pflicht, „die Kirche und soziale Kraft dessen, was sie verwirklichen, zu erfassen, zu respektieren, aufzuwerten und zu fördern“. Einmal mehr blieb Franziskus beim Thema Frau in der Kirche die Antwort schuldig, wie er sich das konkret vorstellt. Er bitte einzig darum, „die Frauen dürfen nicht auf Dienstmägde unseres widerspenstigen Klerikalismus reduziert werden; im Gegenteil, sie sind Protagonisten der lateinamerikanischen Kirche“. Klarer waren da schon seine Aussagen zu den Laien. Deren Rolle sieht er vor allem in der aktiven Gestaltung von Politik und Gesellschaft. „Es ist ein Gebot, den Klerikalismus zu überwinden, der die Christgläubigen Laien infantilisiert und die Identität der geweihten Amtsträger verarmen lässt“, so Franziskus.

In beiden Reden an die Bischöfe forderte er mehr Platz für die Jugendlichen in der Kirche. „Sie fragen nach klarer Kohärenz und erwarten, dass sie beteiligt werden“, so der Papst. Er wünscht sich mehr Engagement der Kirche für die Jugendlichen. Er sieht darin eine Möglichkeit, dass sie nicht auf die schiefe Bahn geraten. In der Ansprache an die kolumbianischen Bischöfe wurde deutlich, dass Franziskus diese bisweilen zu stark mit den Mächtigen verbunden sieht. „Glaubt nicht, dass die Summe eurer armseligen Tugenden oder Schmeicheleien der jeweiligen Mächtigen den Erfolg der euch von Gott anvertrauten Aufgabe garantiert.“ Er mahnte zu mehr Kollegialität und forderte die Bischöfe auf, sich die Herausforderungen der Kirche in Amazonien zu einem gemeinsamen Anliegen zu machen. Der Umweltschutz war am ersten Tag immer wieder Thema.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

5 Kommentare

  • alberto knox
    08.09.2017, 3:40 Uhr.

    frauen – laien – jugend – umweltschutz. alles brandheiße themen, überall das richtige gesagt, und das ganze ohne kulturpessimistische bitterkeit. was für ein segen dieser papst ist!

    • bernardo
      08.09.2017, 14:36 Uhr.

      Genau, alles brandheiße Eisen. Wurde auch über Mülltrennung, Ampelfrauen und Unisex-Toiletten geredet, die auch alles brandheiße Eisen sind? Und, btw, kamen auch Jesus Christus, Sünde, Heil und Erlösung mal vor? Oder sind das Themen von gestern?

      • Jürgen Erbacher
        Jürgen Erbacher
        11.09.2017, 22:10 Uhr.

        Franziskus geht es in seinen Ansprachen eigentlich nur um die Botschaft Jesu und wie ein Christenleben in dessen Nachfolge auszusehen hat.

        • bernardo
          12.09.2017, 13:51 Uhr.

          Lieber Herr Erbacher,

          mein Kommentar bezog sich nicht auf Franziskus. 🙂

    • Wanda
      08.09.2017, 22:59 Uhr.

      Machen wir uns gerade in Bezug auf Lateinamerika nichts vor: nach dem Papst-Besuch wird alles wieder wie vorher sein und genauso weitergehen: das organisierte Verbrechen, die Drogenkriege, die Armut und die völlig normale und allgegenwärtige Korruption, die beileibe nicht nur eine „Kultur“ der Reichen, Politiker oder Mächtigen ist.
      – CNN Lateinamerika brachte kürzlich einen Bericht aus dem Innersten der Drogen und Waffenhändler: jeder von denen hatte am Innenspiegel seiner Camioneta das Bild der Jungfrau von Guadalupe angebracht und den Rosenkranz hängen und bevor es zur „Aktion“ ging: ein Kuss auf dessen Kreuz und ein Stossgebet…
      Das hat sich nach den Besuchen des dort höchst verehrten Juan Pablo II nicht geändert und wird sich auch nach Franziskus nicht ändern…

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