Stephan Burger neuer Erzbischof in Freiburg

Überraschung in Freiburg: Papst Franziskus hat Stephan Burger zum neuen Erzbischof der mit rund zwei Millionen Katholiken zweitgrößten Diözese in Deutschland ernannt. Für viele Diözesane ist der 52-jährige Kirchenrechtler ein unbeschriebenes Blatt. Die ersten Reaktionen sind daher auch eher verhalten. Aus dem Bistum ist zu hören, man solle dem neuen Mann eine Chance geben, schließlich könne er unbelastet und frei ins neue Amt starten. Die Bischofsweihe wird am 29. Juni stattfinden. Für dieses Datum ist seit langer Zeit ein Diözesantag in der Bistumshauptstadt Freiburg geplant. Zugleich wird sich der bisherige Erzbischof Robert Zollitsch von den Gläubigen verabschieden.

Lange in Seelsorge tätig

Der neue Erzbischof ist bisher kaum aufgefallen. 1962 in Freiburg geboren, wuchs er in Löffingen auf. Nach dem Studium der Theologie und Philosophie in Freiburg und München wurde er 1990 zum Priester geweiht. Nach fünf Jahren als Kaplan in Tauberbischofsheim und Pforzheim wurde er 1995 Pfarrer in St. Leon Rot in der Nähe von Heidelberg. 2004 schloss er ein Aufbaustudium in Kirchenrecht mit dem Lizentiat ab, das er neben seiner Pfarreitätigkeit absolviert hatte. Seit 2002 war er am Offizialat, also dem Kirchengericht,  des Erzbistums Freiburg in verschiedenen Funktionen tätig bis er schließlich im September 2007 als Offizial dort Chef wurde. Seit September 2013 ist er Domkapitular. Er zog allerdings nicht in eines der Reihenhäuser in der so genannten Herrenstraße hinter dem Freiburger Münster, in denen in der Regel die Domkapitulare und Bischöfe wohnen, sondern blieb in einer Gemeinde im Freiburger Umland wohnen und half dort in der Seelsorge aus.

Nahe bei den Menschen - so haben ihn die Gläubigen in seinen bisherigen Pfarreien erlebt. (dpa)

Nahe bei den Menschen – so haben ihn die Gläubigen in seinen bisherigen Pfarreien erlebt. (dpa)

Burger bringt für einen Diözesanbischof eine lange pastorale Erfahrung mit. 17 seiner bisher 24 Jahre als Priester arbeitete er in der Gemeindeseelsorge. Aus den Pfarreien hört man viel Positives. Von einem sehr umgänglichen, leutseligen Seelsorger ist die Rede, der nahe bei den Menschen sei. In seiner Arbeit am Kirchengericht, zuletzt als dessen Chef, hatte er über Jahre aus nächster Nähe erfahren, was es bedeutet, wenn Menschen scheitern. Im Erzbistum Freiburg war ja im vergangenen Sommer eine Handreichung veröffentlicht worden, die Wege aufzeigt, wie auch wiederverheiratete Geschiedene wieder voll in die Kirche integriert werden können, d.h. auch die Kommunion empfangen können. Es ist nicht bekannt, wie Burger zu diesem Papier steht. 2007 in einem Interview sagte er bei der Frage, ob er als Kirchenrichter bei Ehefragen nicht auch in Gewissenskonflikte kommt: „Wenn sich feststellen bzw. beweisen lässt, dass das Eheband nie gültig zustande kam, dann kann man sagen: ‚Ja gut, wo nichts ist, muss ich auch nichts festhalten.‘ Da stehe ich in diesem Gewissenskonflikt nicht. Problematisch wird’s dann wohl eher in dem Bereich, wenn ich aufgrund dessen, was ich erfahren habe, persönlich zur Überzeugung komme, dass die Ehe nichtig ist, ich es aber nach außen hin nicht beweisen kann. Hier kann und darf ich ja niemand beipflichten, der kirchlichen Ordnung entgegen zu handeln.“ Allerdings ist zu hören, dass Burger in den Eherechtsprozessen immer sehr stark die pastorale Seite hat mit einfließen lassen.

Konservativ, aber offen für Entwicklungen

Burger ist konservativ, feiert Gottesdienste auch gerne mal in „Baßgeige“ und als Kirchenrechtler dürfte er darauf achten, dass Recht und Ordnung eingehalten werden. Manche deuten seine Ernennung gar als römische Antwort auf die „badische Liberalität“, die in den letzten Jahrzehnten unter den Erzbischöfen Saier und Zollitsch aus vatikanischer Perspektive herrschte. Allerdings sieht auch Burger, dass Recht und Ordnung weiterentwickelt werden müssen angesichts der veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse. Daher besteht jetzt bei vielen Freiburgern die Hoffnung, dass Burger sich für Veränderungen einsetzen wird.

Wer hat bei Kandidatensuche mitgemischt?

Aus dem Domkapitel ist zu hören, dass die Wahl am Mittwoch vergangener Woche nicht einfach war. Die meisten Domkapitulare waren überrascht, welche drei Namen auf dem Zettel im Umschlag aus Rom standen. Das badische Konkordat sieht vor, dass das Domkapitel aus einer Dreierliste, die der Vatikan zusammenstellt, wählen darf. Ein Kandidat muss aus dem Erzbistum Freiburg sein. Es ist davon auszugehen, dass die Domkapitulare keinen Namen mehr auf der Liste von denen fanden, die sie selbst vorgeschlagen hatten. Dies lässt tief blicken, was die Berücksichtigung der Basis bei der Bischofsfindung anbetrifft. Schon bei der Wahl von Erzbischof Robert Zollitsch im Jahr 2003 war der Wunschkandidat von Domkapitel, Dekanekonferenz und Laien, Weihbischof Paul Wehrle, überhaupt nicht berücksichtigt worden. Damals ein skandalöser Vorgang. Elf Jahre später sah sich das Wahlgremium vor eine ähnliche Situation gestellt. Allerdings gab es dieses Mal nicht einen solchen klaren Favoriten. Wie zu hören ist, hat der Kölner Kardinal Joachim Meisner hinter den Kulissen fleißig mitgemischt und es einmal mehr geschafft, dass einer seiner Weihbischöfe auf der Freiburger Liste stand. Der jetzt gewählte Stephan Burger ist ein guter Freund von Papstsekretär Erzbischof Georg Gänswein. Angesichts besserer Alternativen haben sich die Domkapitulare also auch dieses Mal für den eigenen Mann entschieden. Burger gilt als einer derer, die innerhalb des Ordinariats in Freiburg dem scheidenden Erzbischof Robert Zollitsch bisweilen eine kritische Opposition boten, stets offen und verbindlich.

Im Erzbistum Freiburg blickt man jetzt trotzdem zuversichtlich in die Zukunft. Mit Stephan Burger werde ein Mann Erzbischof, der weniger emotional als mehr sachlich diskutiere mit einer großen Verbindlichkeit, ein Mann, der auf die Menschen zugeht und ein Hörender ist. Wie er dann urteilt und handelt, das wird spannend sein. Über zwei Jahrzehnte wird er das Erzbistum Freiburg nun führen. Bei der Diözesanversammlung am vergangenen Samstag in Freiburg forderte er nach einem Bericht der Bistumszeitung Konradsblatt „von der kirchlichen Basis eine Haltung des ‚Grundvertrauens‘ in die Amts- und Entscheidungsträger“. Zugleich baute Burger, (der zu diesem Zeitpunkt zwar schon gewählt war, aber noch niemand außer dem Domkapitel davon wusste), schon einmal vor mit dem Hinweis, dass in der Kirche auch Entscheidungen fallen müssten, die nicht immer im Konsens fallen könnten. Papst Franziskus spricht oft vom Grundvertrauen der Bischöfe in das Kirchenvolk. Die Freiburger wünschen und hoffen, dass ihnen ihr neuer Erzbischof dieses entgegenbringen wird.

P.S. Der Bruder des neuen Erzbischofs ist übrigens seit 2011 der Erzabt des Klosters Beuron; Tutilo Burger.

P.P.S. Was ich aus Freiburg gehört habe – sitze ja hier beim Katholikentag in Regensburg – wurde Stephan Burger heute um 12 Uhr mit Standing Ovations im Freiburger Münster empfangen. Das sei nicht nur ein Höflichkeitsapplaus gewesen, sondern bei vielen Anwesenden echte Freude darüber, dass der 52-Jährige nun der neue Erzbischof wird. Seine erste Rede habet beeindruckt. Er sprach vom Miteinander der verschiedenen Dienste im Bistum; sprach wertschätzend über die Mitarbeiter auf den verschiedensten Ebenen, Kleriker, Ordensleute und Laien, Haupt- und Ehrenamtliche. Er unterstrich ausdrücklich auch das Miteinander in der Ökumene. Burger beschloss die erste Begegnung mit dem Aaronitischen Segen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.