Armut, Politk und die Millionen
Es war ein fulminanter Auftakt: eine Million Jugendliche an der Copacabana begrüßen den Papst. Auch der Regen hatte dafür kurz aufgehört, um nachher wieder umso heftiger zu strömen. Zur Begrüßung gab es eine Mischung aus Show und Volksfrömmigkeit – Sambarhythmen und Marienliedern. Am Morgen hatte der Tag ebenfalls mit viel Jubel begonnen – allerdings im kleineren Kreis: Papst Franziskus hatte eine Favela besucht. Dabei wurde er sehr deutlich in seinen Worten.
Er sprach von Solidarität als einem „oft vergessenen oder totgeschwiegenen, weil unbequemen Wort“. Er richtete einen eindringlichen Appell an alle, sich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen. Er kritisierte Korruption und versicherte den Menschen, dass die Kirche „Anwältin der Gerechtigkeit und Verteidigerin der Armen gegebn untragbare soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten, die zum Himmel schreien“ sei. Er forderte Schutz und Förderung für das Leben und für die Familien, eine ganzheitliche Bildung und Sicherheit. An einigen Stellen seiner Rede konnte man durchaus Verbindungen zu den jüngsten Protesten in Brasilien für mehr soziale Gerechtigkeit sehen. Die Arbeit der Kirche in der Favela ist ein Beispiel dafür, was die Worte des Papstes konkret bedeuten: Sozialprojekte sowie Ausbildung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, um sie in die Gesellschaft zu integrieren.
Es war die bisher politischste Rede von Papst Franziskus. Auch die Tatsache, dass er sich viel Zeit nahm für den Besuch in der Favela zeigt, dass ihm dieser Punkt besonders wichtig war – und die Weltpresse war dabei. Es sind symbolische Akte, die Franziskus hier setzt. Seine Botschaft, die Kirche und der Papst stehen hinter den Menschen an den Randgebieten der Gesellschaft. Papst Franziskus sieht die Kirche durchaus politisch. Das ist ein Aspekt, der in den letzten Jahren angesichts der Betonung des Liturgischen etwas in Vergessenheit geraten schien; obwohl auch Benedikt XVI. sehr politisch sein konnte – gerade auch wenn es um soziale Gerechtigkeit ging (etwa in den Enzykliken „Spe salvi“ und „Deus Caritas est“ oder auf seinen Reisen: In Angola krisierte er deutlich Korruption und politische Missstände). Nur wurde das allzu oft wenig beachtet, weil es Kreise gab, die ihn gerne nur in die liturgische und theologische Ecke stellen wollten.
Mut machen will Franziskus auch den jungen Menschen, ihren Glauben selbstbewusst zu leben. Dabei ähnelt auch da seine Botschaft sehr der von Papst Benedikt an die Jugend: der Glaube engt nicht ein, sondern macht das Leben „würzig“. Allerdings drückt es Franziskus anders aus und versucht es durch konkrete Gesten zu unterstützen. Entscheidend wird es sein, ob seine Mitarbeiter im Vatikan und die Bischöfe vor Ort die Bälle aufnehmen, die Franziskus ins Spielfeld wirft und daraus etwas machen. Oder ob sie die Impulse ins Leere laufen lassen und die Bälle am Ende auf dem Spielfeld zum liegen kommen oder ins Aus rollen.
P.S. Wegen des starken Regens wurden alle Veranstaltungen vom Wochenende an die Copacabana verlegt. Das Feld Campus Fidei vor den Toren Rios ist durch den tagelangen Regen so aufgeweicht, dass es nicht mehr geeignet ist für die Veranstaltung. Dabei war der Bauleiter bei der Besichtigung am Dienstag noch so zuversichtlich. Er hatte übrigens damals schon gesagt, dass es Überlegungen gab, die großen Events an der Copacabana zu machen. Doch dann hätte man den Pilgercharakter der Wegstrecke auf das Feld nicht gehabt. Und die Stadt hatte Sorge, dass die Jugendlichen am Strand bzw. auf den Straßen nahe der Copacabana in der Stadt übernachten. Das wollte man nicht. Dieses Problem hat man jetzt auch. Vielleicht hätte man von Anfang an sich mehr Gedanken machen sollen, wie man die Copacabana für Vigil und Messe sinnvoll nutzen kann und das Übernachtungsproblem löst. Jetzt muss man das Ganze kurzfristig organisieren.