Papst grüßt Chinesen

„Ich bitte die chinesischen Katholiken, gute Christen und gute Staatsbürger zu sein.“ Verbunden mit diesem spontanen Wunsch am Ende der Messe in Ulan Bator hat Papst Franziskus am Sonntagnachmittag „dem edlen chinesischen Volk einen herzlichen Gruß“ gesendet. Es war die bisher deutlichste Botschaft des katholischen Kirchenoberhaupts in Richtung des Nachbarlands China. Am Morgen erinnerte Franziskus bei einer Begegnung mit Vertretern anderer Kirchen und Religionen an die Verantwortung der Religionen. „Unser Verhalten soll die Lehren, die wir bekennen, durch Taten bekräftigen; sie dürfen ihnen nicht widersprechen und so Anstoß erregen.“ Franziskus nutzte die Gelegenheit, um das Potential der Religionen für ein friedliches Miteinander und Harmonie in einer Gesellschaft darzustellen. So ist auch bei diesem Treffen eines der Subthemen der Reise präsent: Franziskus will Glauben und Religion als etwas darstellen, das einem Land dient und nicht eine Gefahr bedeutet.

Die Herde ist klein, die Freude groß beim Gottesdienst in Ulan Bator. (Foto: Erbacher)

Große Bühne für Minderheitenreligionen

Ein wenig steif wirkte die Veranstaltung am Morgen mit den Vertretern der christlichen Gemeinschaften und der Religionen. Reihum wurden Texte verlesen, die bisweilen eher wie Kurzreferate zur Geschichte und den inhaltlichen Schwerpunkten der einzelnen Glaubensgemeinschaften wirkten. Andererseits bot sich ihnen sicherlich zum ersten Mal die Gelegenheit, sich in der Mongolei auf einer solch großen Bühne zu präsentieren. Dabei ging etwa der Vertreter der Allianz der evangelikalen Kirche sehr ins Detail. Unter den neun etischen Grundprinzipien der Evangelikalen führte er neben Liebe und Mitgefühl, sozialer Gerechtigkeit und persönlicher Verantwortung auch die „Sexuelle Reinheit“ auf, mit dem Verweis auf den Verzicht von Sex vor der Ehe und dann auch nur in der Ehe. Diese wiederum gebe es nur zwischen Mann und Frau.

Neben den Evangelikalen waren unter anderem Vertreter des Judentum, Islam, Hinduismus und Schamanismus sowie der Sieben Tags Adventisten, der Russisch-orthodoxen Kirche, der Bahai und der Mormonen vertreten. Das Oberhaupt des Zentrums der Buddhisten der Mongolei, Abt Khamba Nomun Khan Gabju Choijamts Demberel, betonte in seiner Begrüßung des Papstes, dass sich die großen Weltreligionen zwar „in ihren Weltanschauungen philosophisch voneinander unterscheiden, dass wir aber in unseren Gebeten und Aktivitäten für ein gemeinsames Ziel vereint sind: das Wohl der Menschheit“. Diesen Gedanken griff Franziskus in seiner Ansprache wieder auf. Jede Religion müsse sich am Altruismus messen, erklärte der Papst. Denn der Altruismus schaffe Harmonie. „Im Gegensatz dazu ruinieren Verschlossenheit, einseitiges Aufoktroyieren, Fundamentalismus und ideologischer Zwang die Geschwisterlichkeit, sie schüren Spannungen und gefährden den Frieden.“

Religionen als Garant für Harmonie

Die Religionen hätten die Aufgabe, der Welt „diese Harmonie zu geben, die der technische Fortschritt allein nicht bieten kann“, führte Franziskus aus. Wenn die Menschheit sich nur auf irdische Interessen ausrichte, „ruiniert sie am Ende die Erde, verwechselt sie Fortschritt mit Rückschritt, wie so viele Ungerechtigkeiten, so viele Konflikte, so viel Umweltzerstörung, so viel Verfolgung und so viel Ablehnung des menschlichen Lebens zeigen“. Der Papst erinnerte daran, dass die Religionen eine große Verantwortung hätten. Lehre und Taten dürften sich nicht widersprechen, weil sie sonst Anstoß erregten. „Keine Vermengung, also, von Glaube und Gewalt, von Heiligkeit und Zwang, von Glaubensweg und Sektierertum“, mahnte Franziskus. Dabei ebne der Dialog die Unterschiede nicht ein, sondern helfe sie zu verstehen.

Interessant ist ein Detail: Franziskus betont eigens, dass religiöse Institutionen „von der staatlichen Autorität ordnungsgemäß anerkannt“ sein müssten. Diese kleine Anmerkung kann in zwei Richtungen gedeutet werden: zum einen als ein Hinweis an die Regierenden, dass die katholische Kirche nichts Illegales machen möchte. Zugleich kann das aber auch als Signal an christliche Gruppen verstanden werden, die in Self-Made-Manier hier und da eine Kirche aufmachen und mit teils aggressiven, teils fragwürdigen Methoden Mitglieder werben und damit alle christlichen Kirchen in Verruf bringen. Auch in der Mongolei wächst das Christentum – weniger in den traditionellen Kirchen als bei den Evangelikalen, die sehr stark aus Südkorea ins Land kommen.

Mut für Katholiken in der Mongolei

Die Messe am Nachmittag in einer Eissporthalle am Rande der Hauptstadt Ulan Bator war der Höhepunkt der Reise. Rund 2.000 Menschen waren nach offiziellen Angaben gekommen. Sie feierten ihren Glauben und den Papst. Der bedankte sich bei den Mongolen für ihre Gastfreundschaft. Er machte den Katholiken Mut und versicherte ihnen die Unterstützung der „ganzen Kirche“. Eine kleine Spitze gab es in Richtung Russland. In einer Fürbitte auf Russisch wurde für die Regierenden gebetet: Die Weisheit, die vom Himmel komme, möge sie lehren, sich für das Gemeinwohl einzusetzen, Konflikte zu überwinden und sich für den Frieden unter den Völkern einzusetzen. Am Ende dann der spontane Gruß in Richtung China. Dazu rief der Papst den emeritierten Erzbischof von Hongkong, Kardinal Tong, und den amtierenden Erzbischof, Chow, den er Ende September ins Kardinalkollegium aufnehmen wird, zu sich. Für einen Moment waren die Strapazen der Reise verflogen. Franziskus forderte den Zeremonienmeister auf, ein Mirko zu bringen, damit sein Gruß im Nachbarland China auch vernommen werden konnte.

Mit seinem Gruß in Richtung China wurde einmal mehr deutlich, wie wichtig für den Papst die aktuelle Reise ist. Dass die Regierung in Peking Bischöfen und Katholiken die Reise zum Papstbesuch in die Mongolei verboten hat, zeigt, wie schwierig das Verhältnis zwischen dem Vatikan und China ist. Immerhin waren einige Katholiken aus Hongkong angereist. Donna Weng, die mit Teilen einer Pilgergruppe aus der chinesischen Metropole am Samstag bei der Begrüßungszeremonie war, erklärte, sie hoffe, dass durch den Besuch in der Mongolei der Dialog auch mit China besser in Gang komme. Eine Gruppe von rund 100 Festland-Chinesen, die trotz Verbots nach Ulan Bator gekommen waren und an den Papstveranstaltungen teilnahmen, verbargen sich hinter Mundschutzmasken und Sonnenbrillen, wollte nicht mit Journalisten sprechen. Am Morgen hatte Franziskus in der Apostolischen Administratur den argentinischen Botschafter in China getroffen. Auf allen möglichen Wegen lotet der Vatikan aus, wie die Beziehungen mit Peking verbessert werden könnten. Konkrete Ergebnisse werden sicher weiter auf sich warten lassen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.