Dem Trennenden widersagen, das Einende suchen

Was will der Papst in Bahrain? Diese Frage stellen sich nicht nur viele Journalisten in diesen Tagen. Die Antwort gab er selbst bei seiner Ankunft auf der Insel im Golf. „Diese Tage markieren eine wertvolle Etappe auf dem Weg der Freundschaft, der sich in den letzten Jahren mit verschiedenen islamischen Religionsführern intensiviert hat“, erklärte Franziskus beim Treffen mit Vertretern aus Politik und Zivilgesellschaft im Königspalast von Bahrain. Seit seinem ersten historischen Besuch auf der Arabischen Halbinsel im Februar 2019 in Abu Dhabi standen bei knapp der Hälfte der 13 Auslandsreisen der interreligiöse Dialog im Zentrum des Programms. „Fratelli tutti“ ist zu einem der zentralen Themen des Pontifikats geworden. In Bahrain sprach er zum Beginn seines Aufenthalts auch heikle Themen wie Menschenrechte und Religionsfreiheit offen an.

Papst Franziskus sprach bei der Ankunft in Bahrain auch über die kritischen Themen wie Religionsfreiheit, Menschenrechte und Arbeitsbedingungen. (Quelle: Erbacher)

Einhaltung der Menschenrechte und Religionsfreiheit

Brüskieren will der Papst seine Gastgeber nicht. So hat er bei seiner Ankunft in Bahrain einen Kunstgriff gewählt, um schwierige Themen anzusprechen. Er zitierte die Teile der Verfassung des Königreichs, die Respekt, Toleranz und Religionsfreiheit thematisierten. Dort werde grundgelegt, dass „es keinerlei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Herkunft, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung geben darf“, dass „die Gewissensfreiheit absolut ist“ und dass „der Staat die Unverletzlichkeit der Religionsausübung schützt“. Franziskus fügte hinzu, dass Religionsfreiheit nicht nur die Religionsausübung umfasse, sondern „dass gleiche Würde und gleiche Chancen für jede Gruppe und jeden Menschen konkret anerkannt werden“. Es dürfe zu keiner Diskriminierung kommen und die grundlegenden Menschenrechte dürften nicht verletzt werden. Dabei kam er auch auf die Todesstrafe zu sprechen, ohne das Wort direkt zu verwenden. Das Recht auf Leben müsse auch für diejenigen garantiert werden, „die bestraft werden und deren Leben nicht beseitigt werden kann“.

Menschenrechtsorganisationen werfen der sunnitischen Herrscherdynastie unter König Hamid bin Isa al-Chalifa vor, politisch Andersdenkende zu unterdrücken, vor allem auch Anhänger der schiitischen Bevölkerungsmehrheit. Seit 2017 gab es im Königreich sechs Hinrichtungen. Aktuell sitzen nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa 26 Menschen in Todeszellen. Der König nutzte die Gelegenheit, um Bahrain als „Land der Toleranz, des Zusammenlebens und des Friedens“ vorzustellen. Der Besuch des Papstes habe angesichts dessen weltweiten Ansehens für das Land eine große Bedeutung, betonte König Hamid bin Isa al-Chalifa. Aus seiner Sicht sei die Religionsfreiheit im Land garantiert und er erinnerte an die „Erklärung des Königreichs Bahrain“, in der jede religiöse Diskriminierung zurückgewiesen werde.

Zu Beginn seiner Ansprache würdigte Franziskus das Königtum Bahrain als einen „Knotenpunkt der gegenseitigen Bereicherung verschiedener Völker“ und würdigte die „vielfältige multiethnische und multireligiöse Gesellschaft“. Kulturelle Vielfalt, die nicht vereinheitlicht, sondern inklusiv ist und ein friedliches Zusammenleben garantiert. Das stellte Franziskus als positive Entwicklung in dem Königreich dem gegenüber, was an anderen Stellen gerade passiert. Gleichgültigkeit und gegenseitiges Misstrauen nähmen in großem Umfang zu, so der Papst. Es sei vielmehr so, „dass Rivalitäten und Gegensätze, die man überwunden zu haben hoffte, sich ausweiten und dass Populismus, Extremismus und Imperialismus die Sicherheit aller gefährden“. Trotz des Fortschritts und vieler ziviler und wissenschaftlicher Errungenschaften nehme die kulturelle Entfernung zwischen den verschiedenen Teilen der Welt zu. Franziskus kritisierte die „monströse und sinnlose Realität des Krieges“. Im Krieg komme „die schlimmste Seite des Menschen zum Vorschein: Egoismus, Gewalt und Lüge“. „Wenden wir uns gegen die Logik der Waffen und schlagen wir die entgegengesetzte Richtung ein, indem wir die enormen Militärausgaben in Investitionen für die Bekämpfung von Hunger, mangelnder Gesundheitsversorgung und mangelnder Bildung umwandeln“, forderte der Papst und erinnerte an den Jemen, der von einem „vergessenen Krieg“ gequält werde.

Faire Arbeit und Dialog

Franziskus sparte auch das Thema Arbeit nicht aus. Dabei betonte er ausdrücklich, er wolle von Bahrain aus „an die weltweite Beschäftigungskrise erinnern“. Überall müssten „garantierte und menschenwürdige Arbeitsbedingungen gewährleistet werden“. „Oft fehlt es an Arbeit, die so kostbar ist wie Brot; oft ist sie vergiftetes Brot, weil sie versklavt“, kritisierte der Papst. In beiden Fällen stehe der Mensch nicht im Mittelpunkt. „Er wird vom unantastbaren und unverletzlichen Zweck der Arbeit auf ein Mittel zum Geldmachen reduziert.“ In der heutigen Zeit gebe es noch immer „zu viel Mangel an Arbeitsplätzen und zu viel entmenschlichende Arbeit“. Das berge nicht nur große Gefahren sozialer Instabilität, sondern stelle auch einen Angriff auf die Menschenwürde dar, erklärte Franziskus beim Treffen mit den Vertretern aus Politik, Zivilgesellschaft und Diplomatischem Korps. Das Nachbarland Katar, wo in gut zwei Wochen die Fußball-WM beginnt, ist nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt.

Der eigentliche Grund der Reise kam angesichts der vielen politischen Themen beinahe etwas kurz. Doch den Gedanken der Geschwisterlichkeit weiter auszuführen, hat Franziskus in den kommenden Tagen noch mehrfach Gelegenheit. Als „Sämann des Friedens“ sei er nach Bahrain gekommen, „um an einem Dialogforum zwischen dem Osten und dem Westen für ein friedliches menschliches Zusammenleben teilzunehmen“. Er warnte davor, dass die Möglichkeiten von Begegnung zwischen Zivilisationen, Religionen und Kulturen zu verdunsten drohe. „Lasst uns zusammenarbeiten, lasst uns für das Miteinander arbeiten, für die Hoffnung“, so Franziskus. Zum Abschluss seiner Rede machte er sich eine Aussage der „Erklärung des Königreichs Bahrain“ zu eigen, das wie eine Überschrift über sein ganzes Wirken im Kontext des Gedankens der „Geschwisterlichkeit aller“ wirkt: „Wir verpflichten uns, für eine Welt einzutreten, in der sich die Menschen aufrichtigen Glaubens zusammenschließen, um dem Trennenden zu widersagen und stattdessen das zu suchen, was uns eint.“

Autorenbild

Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

4 Kommentare

  • Wanda
    04.11.2022, 16:57 Uhr.

    Fast identisch: Bürger- und Menschenrechte werden vorenthalten, Wahlen sind wenn überhaupt eine Farce, das einfache (Kirchen)Volk bildet die Unterschicht, Hierarchie und totalitäre Führung als oberste Klasse. Frauen werden diskriminiert. Justiz und Rechtsempfinden fragwürdig. Toleranz existiert nur wenn sie die eigene Position nicht infrage stellt. Fazit: man ist auf einer Ebene und versteht sich vermutlich recht gut.

    • Marianne König
      08.11.2022, 18:18 Uhr.

      Ihr Kommentar entspricht einer vorgefassten Meinung. Ich frage Sie, haben Sie die Länder auf der Arabischen Halbinsel besucht, dort eine Zeitlang dort gelebt, gearbeitet, sind den Menschen begegnet? Es ist zu empfehlen, dies zutun, nicht als Tourist, nicht im z.Bp. „Germansclub“ die Freizeit zu verbringen, sondern sich auf die Mentalität, Kultur, das Wissen, Natur einzulassen. Das gibt einen anderen Blickwinkel.

      • Wanda
        11.11.2022, 18:19 Uhr.

        @Marianne König:
        – Auf die Mentalität werden ich mich nicht einlassen, denn ich bin genügend Menschen dieser Herkunft begegnet, die zwar für sich persönlich und oft heimlich die „Vorteile“ des Westens in Anspruch nehmen, in ihrem eigenen Land jedoch ultrakonservative Ansichten des Islam vertreten und leben. Die alte arabische Kultur und mit ihrem bewahrten Wissen griechischer Herkunft (welches aber die Demokratie ignorierte) hat durchaus mein Interesse. Die Natur dort ist wohl eher nicht menschliches das Verdienst, oder ? Bin übrigens selbst Migrant und lebe unter Einheimischen mit gegenseitigem Respekt. Meine Grundüberzeugung ist mir allerdings nicht verhandelbar, d.h. Menschenrechte als Thema ein absolutes Tabu. Damit kommen beide Seiten gut zurecht. Schliesslich bin ich Gast…

  • Erasmus
    06.11.2022, 14:28 Uhr.

    Franziskus als Botschafter für den Frieden, für die Menschenrechte und für die Geschwisterlichkeit aller, das ist die lichte Seite des Papsttums. Und da ist der Papst als weltweit anerkannte Instanz für mich auch unverzichtbar.
    Es fragt sich nur, wie lange die Reputation des katholischen Oberhauptes noch Bestand hat, wenn der eigene Laden in so beklagenswertem Zustand ist.
    Bei der Auseinandersetzung mit klerikalem sexuellem Missbrauch gibt es nach wie vor Unvermögen und Versagen auf episkopaler wie auf kurialer Ebene, die Diskriminierung von Frauen und nicht-heterosexuellen Menschen wird als katholischer Markenkern ausgegeben, und die selbstherrliche unkontrollierte Machtausübung ist für die römische Elite eine Selbstverständlichkeit.
    Beispiel WOELKI:
    Dieser hatte vor über 8 Monaten ein Rücktrittsgesuch gestellt. Franziskus drückt sich davor, eine Entscheidung zu treffen, und beschleunigt damit den Niedergang des Erzbistums Köln.
    Wie lange noch kann ein Papst als mahnende Autorität auftreten, wenn die Großorganisation Katholische Kirche permanent an GLAUBWÜRDIGKEIT verliert?

Kommentare geschlossen

Dieser Beitrag kann nicht länger kommentiert werden.