Papst im Gegenwind

Papst Franziskus möchte Diskussion und er bekommt sie auch. Dabei wird deutlich, dass Franziskus bei seinen Veränderungen weit mehr internen Widerstand wird überwinden müssen, als man gemeinhin so wahrnimmt. Beim Thema „wiederverheiratete Geschiedene“ etwa ist es längst nicht nur der Chef der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der keinen Spielraum für Veränderungen sieht. Vor allem in Italien fallen konservative Internetseiten und Blogs sowie verschiedene Zeitungen durch Interviews mit Kritikern der päpstlichen Position auf. Neben Gegenwind in theologischen Fragen sieht der Vatikanist Giacomo Galeazzi auch eine (Lebens)Gefahr für den Papst durch die Mafia, weil er mit der von Benedikt XVI. eingeleiteten Säuberung des Finanzbereichs Geldwäsche erschwere bzw. unmöglich mache.

Große Zustimmung zur Ehelehre in Afrika und Asien!?

Am vergangenen Wochenende hat der Erzbischof von Bologna, Kardinal Carlo Caffarra in einem langen Zeitungsinterview dargelegt, dass er jegliche Änderung am Verbot des Kommunionempfangs für wiederverheiratete Geschiedene  ablehne. Er sieht die Gefahr, dass durch jegliches Aufweichen dieser Position das Prinzip der Unauflöslichkeit der Ehe verdunkelt werde und implizit damit auch die Scheidung akzeptiert werde. Caffarra verweist auf Umfragen aus den USA, die zeigten, dass 75 Prozent des größten Teils der afrikanischen Länder eine Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Eucharistie ablehnten. „Lasst uns doch auch etwas auf die Armen hören!“

Diesen Verweis auf Afrika führt auch der römische Jurist Francesco Arzillo an. In seinem Beitrag im Blog des angesehenen italienischen Vatikanisten Sandro Magister schreibt er, dass die klassische Ehelehre in Asien und Afrika breite Zustimmung erfahre. Zugleich führt er zwei Aussagen des Konzils von Trient an, die jeden mit dem Bann belegen, der das Eheband auflösen will.

Formiert sich eine Opposition?

Es fällt auf, dass gerade Sandro Magister in den letzten Monaten den eher papstkritischen Stimmen Platz in seinem Blog gibt. Das sind nicht unbedingt immer bekannte Leute, die dort zu Wort kommen; aber das Ganze vermittelt den Eindruck, als formiere sich eine Opposition. Dazu gehört auch der Theologe Robert Fastiggi, der am Priesterseminar in Detroit in den USA lehrt. Er hat unter anderem die Sorge, dass bei Einzelfalllösungen am Ende keine objektiven Kriterien mehr vorhanden sind, was die Gültigkeit der ersten Ehe anbetrifft. Er bezieht sich dabei auf den Vorschlag, dass ein wiederverheirateter Geschiedener im Gespräch mit einem Priester zu dem Schluss kommen kann, dass die erste Ehe ungültig war, auch wenn ein Ehenichtigkeitsverfahren nicht möglich ist. Auch werde das „heroische Zeugnis“ derjenigen Katholiken verdunkelt, die nach einer Trennung keine neue Beziehung eingingen.

Giovanni Formicola, Strafrechtler und Mitbegründer der konservativen „Alleanza Cattolica“ führt an, dass das Verbot des Kommunionempfangs für wiederverheiratete Geschiedene  von Papst Johannes Paul II. „definitiv“ entschieden worden sei. Auch Kardinal Caffarra verweist in dem oben zitierten Interview auf Papst Johannes Paul II., der  am 28. Januar 2002 vor der Rota Romana, dem höchsten „Ehegericht“ der katholischen Kirche, erklärte:  „Daraus geht klar hervor, dass die Nichtausdehnung der Vollmacht des Römischen Pontifex auf die gültigen und vollzogenen sakramentalen Ehen vom Lehramt der Kirche als definitiv anzusehende Lehre verkündet wird, auch wenn dies nicht in feierlicher Form durch einen definitorischen Akt erklärt wurde.“

Die Diskussion ist breit. Aber es ist längst nicht so, dass Kardinal Gerhard Ludwig Müller mit seiner Position alleine steht. Der synodale Prozess ist in vollem Gange und bleibt spannend. Papst Franziskus tut gut daran, die Diskussion mit Bedacht anzugehen, damit auch die Kritiker überzeugt werden können. Seine Intention aber, beim Thema wiederverheiratete Geschiedene etwas zu ändern, scheint aber durch die positive Würdigung des Kasper-Vortrags beim Konsistorium klar.

Gefahr für Franziskus?

Ebenso klar ist sein Wille, im Finanz- und Wirtschaftsbereich des Vatikans aufzuräumen. Hier sieht der Vatikanist der italienischen Tageszeitung La Stampa, Ciacomo Galeazzi, eine Gefahr für Papst Franziskus. Er äußerte diese am Ende der TV-Dokumentation „Heiliges Geld“, die am Dienstag auf ARTE zu sehen war – vor unserem Film über das erste Pontifikatsjahr von Papst Franziskus. Galeazzi sieht die Gefahr, dass die Mafia von der Säuberungsaktion nicht sehr begeistert sein wird und ihn deshalb zu stoppen versuchen könnte, notfalls mit einem Attentat. Das scheint mir doch etwas zu übertrieben. Bisher gibt es diesbezüglich keine Anzeichen. Allerdings ist klar, dass es intern durchaus Widerstände gibt. Nicht zufällig wählte Franziskus den „Bulldozer“ Kardinal George Pell aus, um das neue Finanzministerium zu führen; an seiner Seite Kardinal Reinhard Marx, der sich ebenfalls durchzusetzen weiß.

P.S. Morgen Abend nimmt Papst Franziskus übrigens an einem Gebet für Mafiaopfer teil, das in einer römischen Kirche stattfindet. Es wird von der italienischen Stiftung Libera organisiert.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.