Kurzer Prozess

Das Enthüllungsbuch "Seine Heiligkeit" führte zur Enttarnung Gabrieles.

Schon nach vier Prozesstagen soll am Samstag das Urteil gegen den ehemaligen Kammerdiener des Papstes, Paolo Gabriele, gesprochen werden. Im Vatileaks-Prozess wurde heute mit der Aussage von vier Gendarmen der Vatikanpolizei die Zeugenbefragung abgeschlossen. Wie schon bei der Zeugenvernehmung gestern, unter anderem des päpstlichen Privatsekretärs Georg Gänswein, kamen auch heute wieder jede Menge Details ans Tageslicht. Doch bleiben noch immer viele Fragen offen – etwa zu den Motiven des Kammerdieners und mögliche Hintermänner. Auch gibt es noch eine ganze Reihe von Widersprüchen, die nicht geklärt sind.

So behauptet der langjährige Butler des Papstes, 2010 mit der Sammlung von Dokumenten begonnen zu haben. Papstsekretär Gänswein erklärte gestern, dass er bei der Durchsicht der Papiersammlung Gabrieles auch Dokumente aus dem Jahr 2006 gesehen habe. In jenem Jahr trat Gabriele seinen Dienst als Kammerdiener des Papstes an. Hat er also von Anfang an Dokumente gesammelt? Warum? Hatte er von Anfang an einen Auftrag? Bei seiner Aussage erklärte Gabriele, der Heilige Geist habe ihn zu seinen Taten inspiriert. Er habe „Bosheit und Korruption“ in der Kirche aufdecken und „die Kirche wieder auf den richtigen Pfad führen“ wollen. Er betonte erneut, dass er als Einzeltäter gehandelt habe. Allerdings hätten sich hohe Würdenträger mit ihren Sorgen an ihn gewendet. In einem anonymen TV-Interview hatte Gabriele Anfang des Jahres noch von 20 Gesinnungsgenossen gesprochen.

Vehement bestritten hat der Kammerdiener, er sei von Dritten zu seinen Taten angestiftet worden zu sein. Damit scheint die Theorie, dass es sich bei der ganzen Vatileaks-Affäre letztendlich um Eifersüchteleien, Neid und Missgunst unter den deutschsprachigen engen Vertrauten des Papstes handle, endgültig vom Tisch. Die langjährige Haushälterin des Papstes, Ingrid Stampa, erklärte denn auch heute gegenüber einer italienischen Tageszeitung zu den Spekulationen über eine angebliche „deutsche Verschwörung“: „Es ist ganz einfach lächerlich. Alles Fantasie und Verleumdung.“ Welt-Online hatte Anfang Juli Frau Stampa, den langjährigen Sekretär von Kardinal Ratzinger, Bischof Josef Clemens, und den ehemaligen Vize-Camerlengo Kardinal Paolo Sardi in Verbindung mit dem Vatileaks-Skandal gebracht.

Mit Spannung wird nun der Urteilsspruch am Samstag erwartet. Gabriele drohen bis zu vier Jahre Haft für schweren Diebstahl. Im Falle einer Verurteilung müsste er die Strafe in einem italienischen Gefängnis absitzen. Es sei denn, der Papst begnadigt ihn; wovon viele Prozessbeobachter ausgehen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.