Der Papst in Belgien – Tag 3
Der Papstbesuch in Belgien war bis zum Schluss von Kontroversen geprägt. Am Morgen verurteilte Franziskus beim Gottesdienst in Brüssel noch einmal scharf Missbrauch und Vertuschung. Bei der fliegenden Pressekonferenz verteidigte er seine Rede vor Studierenden am Samstagabend zur Verschiedenheit von Mann und Frau. Er kritisierte, dass die Distanzierung der Universität bereits vorbereitet worden sei, während er noch gesprochen habe. „Das ist unmoralisch“, erklärte der Pontifex. Die Spannung während der kurzen Pressekonferenz auf dem Rückweg von Brüssel nach Rom steht symptomatisch für den Besuch in Belgien. Der zeigt, wie groß der Druck auf den Papst und die katholische Kirche ist, in westlichen Ländern nicht den Anschluss zu verlieren.
Missbrauch nicht vertuschen
Zum Abschluss seines dreitägigen Besuchs in Belgien wurde Papst Franziskus am Morgen bei der Messe in einem Sportstadion von Brüssel noch einmal deutlich. In der Kirche gebe es keinen Platz für Missbrauch und auch kein Platz für Vertuschung, erklärte das Kirchenoberhaupt vor rund 35.000. „Ich bitte alle: Vertuscht keinen Missbrauch! Ich bitte die Bischöfe: Vertuscht den Missbrauch nicht!“ Das Böse könne nicht versteckt werden, es müsse an die Öffentlichkeit gebracht werden. „Der Täter soll verurteilt werden, ob Laie, Priester oder Bischof: er soll verurteilt werden“, forderte Franziskus. Später fügte er im Verlauf der Predigt hinzu: „Weit weg von uns sei jene Hand, die zuschlägt, um einen sexuellen Missbrauch, einen Machtmissbrauch oder einen Gewissensmissbrauch gegen Schwächere zu verüben! Wie viele Fälle von Missbrauch haben wir in unserer Geschichte und in unserer Gesellschaft!“
Auf das Thema angesprochen bei der fliegenden Pressekonferenz erklärte er, dass ihn Hinweise, dass der größte Teil des Missbrauchs im Bereich der Familie und des nahen Umfelds passierten und nur drei Prozent in der Kirche, nicht interessierten. Ihm gehe es um die Fälle in der Kirche. Am Freitag hatte er bereits diese Vergleiche zurückgewiesen und erklärt, dass schon ein einziger Fall in der Kirche ein Grund für tiefe Scham sei. Es ist interessant, dass Franziskus sich während der aktuellen Reise so äußerte, erinnerte er doch selbst in der Vergangenheit immer wieder an das Zahlenverhältnis bei Missbrauch. Ob er hier eine Entwicklung durchgemacht hat? Gegenüber den Journalisten sprach er von der Verantwortung der Kirche, den Betroffenen von Missbrauch zu helfen. Dabei sprach er auch von finanziellen Entschädigungen. Diese lägen in Belgien laut dem Zivilrecht bei 50.000 Euro. Das sei zu wenig, erklärte Franziskus, gab zugleich aber auch zu verstehen, dass er die konkreten Regelungen nicht kennt.
Papst reagiert verschnupft auf Kritik
Die Kritik der Universität Louvain an seinen Äußerungen zum Unterschied von Mann und Frau wies er zurück. Die Universität hatte die Ausführungen des Pontifex über das Wesen der Frau als „deterministische und reduktionistische Position“ bezeichnet, die sie nicht teile. Andere Positionen des Papstes etwa zum Klimawandel oder zur Religion als Machtinstrument wurden ausdrücklich gewürdigt. Franziskus zeigte sich irritiert angesichts der Erklärung und verteidigte seine Position. Er spreche immer über die Würde der Frauen und sage etwas, was er über Männer nicht sagen könne: Die Kirche sei eine Frau, sie sei die Braut Jesu. „Die Kirche zu vermännlichen, die Frauen zu vermännlichen, ist nicht menschlich, ist nicht christlich. Das Weibliche hat seine eigene Kraft“, betonte Franziskus. Die Frau sei daher viel wichtiger als der Mann. Er nehme wahr, dass man das nicht hören oder verstehen wolle, so der Papst. „Die Frau ist dem Mann gleichgestellt, ja, im Leben der Kirche ist die Frau überlegen, denn die Kirche ist die Frau.“ Einmal mehr betonte er, dass das marianische Prinzip dem petrinischen in der Kirche überlegen sei.
Die Ankündigung des Papstes, nach seiner Rückkehr nach Rom das Seligsprechungsverfahren für den ehemaligen belgischen König Baudouin zu eröffnen, führte bei der fliegenden Pressekonferenz zu einer Frage zum Thema Abtreibung. Baudouin, der von 1951 bis 1993 belgischer Monarch war, verweigerte 1990 mit Verweis auf seinen katholischen Glauben die Unterschrift unter ein Gesetz, das eine Fristenlösung beim Schwangerschaftsabbruch vorsah. Franziskus hatte das Grab Baudouins besucht und seinen Mut gewürdigt. Das und die Ankündigung des Seligsprechungsverfahrens hatte in Belgien für Kritik gesorgt. Franziskus bezeichnete ihn gegenüber den Journalisten als Heiligen, weil er angesichts eines „Gesetzes des Todes“ den Mut gehabt habe, nicht zu unterschreiben. Mit Blick auf die Abtreibung wiederholte er seine bekannte Position. „Frauen haben ein Recht auf Leben: auf ihr eigenes Leben, auf das Leben ihrer Kinder.“ Abtreibung sei Mord und Ärzte, die eine solche durchführten, seien Auftragskiller. Es können nicht bestritten werden, dass ein menschliches Leben getötet werde. Verhütungsmethoden seien eine andere Sache, erklärte Franziskus. Da solle man sich nicht verwirren lassen. Er spreche jetzt nur über Abtreibung.
Reise der Kontroversen und Gegensätze
Um eine diplomatische Antwort bemüht, zeigte sich Franziskus bei der Frage nach den Bombardierungen Israels im Libanon. Verteidigung müsse immer im Verhältnis zum Angriff stehen. Wenn etwas unverhältnismäßig sei, sei es unmoralisch. Krieg selbst, sei unmoralisch; aber im Krieg gebe es eine Moral, die es zu bewahren gelte. „Wenn diese nicht eingehalten wird, kommt es – wie wir in Argentinien sagen – zu ‚bösem Blut’“, stellte das Kirchenoberhaupt fest. Erschüttert zeigte er sich angesichts des Flüchtlingsdramas vor den Kanarischen Inseln, bei dem neun Geflüchtete ertranken und 50 noch vermisst werden. Bei der letzten fliegenden Pressekonferenz vor zwei Wochen auf dem Rückweg von Singapur nach Rom hatte Franziskus erklärt, dass er gerne auf die Kanaren reisen möchte, um auf die Situation der Migranten aufmerksam zu machen. Bisher gibt es noch keine konkreten Planungen für eine solche Reise.
Die 46. Auslandsreise des Papstes nach Luxemburg und Belgien war eine Reise der Kontroversen und Überraschungen. In Luxemburg genehmigte sich Franziskus spontan einen Espresso in einer kleinen Bar in der Nähe des Erzbischöflichen Hauses. In Belgien frühstückte er am Samstag überraschend mit Bedürftigen in einer Brüsseler Kirche, am Abend besuchte er spontan ein Jugendtreffen. Zumindest die beiden Termine in Belgien wirkten so, als ob die Reiseplaner sich im Vorfeld nicht sicher waren, wie fit der 87-Jährige sein würde bei dieser Reise, und sie deshalb das offizielle Programm eher luftig hielten und dann je nach Situation weitere Termine ergänzten. Doch wie schon bei seinem Trip nach Südostasien und Ozeanien vor zwei Wochen, zeigte sich Franziskus auch bei dieser Reise bei guter Verfassung. Zurück in Rom erwartet ihn ab kommender Woche die Bischofssynode zur Synodalität. Während die Synodalen am Montag und Dienstag Kurzexerzitien machen, hat Franziskus Zeit, sich etwas zu erholen. Erst beim Bußgottesdienst am Dienstagabend im Petersdom ist er wieder gefordert. Bei den gut dreiwöchigen Debatten dürften ebenfalls wieder viele kritische Themen auf den Tisch kommen. Sie einfach wegzulächeln oder verschnupft zu reagieren wie bei den Studierenden, wird dem Papst dann nicht viel helfen.
3 Kommentare
Die Kirche ist weder eine Frau (siehe Braut – Bräutigam – Mystik) noch sonst wie weiblich, denn an allen Schalthebeln, an denen Entscheidungen getroffen werden, sitzen Männer, meist geweihte Männer. Das ist so von der Pfarrgemeinde bis zum Vatikan.
„Die Frau“ ist auch mehr als Tochter, Schwester, Mutter. Und das marianische Prinzip legt die Rolle von Frauen in der Kirche auf die dienende Rolle fest, allerdings nicht als geweihte Diakonin.
Was der Papst da in Belgien erzählt hat, ist in meinen Augen fromm verbrämte Schwurbelei.
Die Klatsche, die er dafür ausgerechnet von der katholischen Universität bekommen hat, hat er sich verdient.
dann schaue man sich die allegorien der kirche in kunst und literatur an, bis hinauf zu den hymnen von gertrud von le fort. da ist die kirche natürlich ihrem grammatischen geschlecht nach eine frau. […]*
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Gewissensfreiheit – selbst bei einem irrenden Gewissen – ist ein hohes Gut. Schön, dass ein Papst sich zum Lob des Gewissens bereitfindet. Das war nicht immer so!
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