Papst fordert „prophetische Kirche“ und bekräftigt: „Abtreibung ist Mord“

Öffnet die Tür, verlasst das Haus und seid eine prophetische Kirche. Das war die Botschaft von Papst Franziskus an die Gläubigen zum Abschluss seines Besuchs in der Slowakei. Zu dem Gottesdienst im Marienwallfahrtsort Sastin kamen mehrere zehntausend Menschen, weit weniger als ursprünglich erwartet. Bei der fliegenden Pressekonferenz bekräftigte er sein Nein zur Homo-Ehe. Abtreibung bezeichnete er erneut als Mord. Allerdings warnte er davor, die Abtreibungsfrage zu politisieren. Hier gehe es um eine theologische und eine pastorale Frage.

Papst Franziskus beim Gottesdienst in Sastin. (Quelle: Erbacher)

Neuer Schwung für Kirche in der Krise?

Kirche muss sich stets bewegen und auf dem Weg sein, erklärte Franziskus den Gläubigen am Morgen. „Bitte bleibt immer unterwegs, steht nicht still. Wenn die Kirche stillsteht, wird sie krank. Wenn die Bischöfe stehenbleiben, wird die Kirche krank. Wenn die Priester stehenbleiben, erkrankt das Volk Gottes.“ Die Gläubigen sollten „die Versuchung eines statischen Glaubens“ überwinden, „der sich mit einem Ritual oder einer alten Tradition begnügt“. Der Glaube müsse prophetisch sein. Dabei gehe es nicht darum, „der Welt feindlich gesinnt zu sein, sondern darum, ‚Zeichen des Widerspruchs‘ in der Welt zu sein. Wo Positionen sich verhärten, den Dialog fördern, wo die Gesellschaft sich spaltet, das geschwisterliche Leben aufscheinen lassen, wo persönlicher oder kollektiver Egoismus herrscht, „den Wohlgeruch der Aufnahmebereitschaft und Solidarität verbreiten“. Damit war Franziskus wieder bei seinem zentralen Thema der Reise: „Fratelli tutti“ und seine konkreten Konsequenzen für die Kirche und das persönliche Miteinander.

Die 34. Auslandsreise von Papst Franziskus hat gezeigt, dass selbst Osteuropa, das bei Besuchen etwa von Johannes Paul II., aber auch noch Benedikt XVI. Hunderttausende mobilisierte, in einer Krise steckt. Mit der Freiheit kam ein Säkularisierungsschub, aber auch der amtierende Papst ist mit ein Grund für den verhaltenen Jubel entlang der Straßen und bei den Ereignissen. Viele eher konservative Katholiken in Osteuropa sehen in Franziskus einen Reformer, der etwa Homosexualität nicht scharf verurteilt und wiederverheirateten Geschiedenen die Kommunion ermöglicht. Insgesamt war die Reise eine Absage an die Populisten, die versuchen mit dem Christentum Abgrenzung gegenüber anderen zu legitimieren. Zugleich war der Besuch in Ungarn und der Slowakei ein großer Appell an Europa, sich einem gesellschaftlichen Wandel zu unterziehen hin zu mehr Offenheit, Toleranz und Solidarität mit den Bedürftigen auf dem Kontinent, aber auch denen, die von außen kommen.

Klare Worte bei der fliegenden Pressekonferenz

Auf dem Rückflug nahm Franziskus sich eine halbe Stunde Zeit für die Fragen der mitreisenden Journalisten. Dabei fand er einmal mehr deutliche Worte zum Thema Abtreibung. „Das ist Mord.“ Man könne ein Problem nicht mit einem Mord lösen, so Franziskus. Es sei wissenschaftlich klar, dass schon nach drei Wochen ein Mensch entstanden sei. Deshalb müsse die Kirche bei dem Thema so hart sein. Es handle sich um eine theologische und eine pastorale Frage. Die Hirten müssten in diesem Kontext pastorale Antworten geben. Wenn man nicht wie ein „Hirte“ handle, rutsche man schnell ins Politische ab. Das dürfe nicht passieren. Auf die Frage, ob er sich der Meinung konservativer US-Bischöfe anschließe, die US-Präsident Joe Biden wegen dessen Abtreibungspolitik die Kommunion verweigern und dazu eigens ein Dokument der Bischofskonferenz veröffentlichen möchten, gab Franziskus keine Antwort. Zuvor hatte er erklärt, dass er noch nie einem Menschen die Kommunion verweigert habe.

Klar war seine Position auch beim Ehesakrament für gleichgeschlechtliche Paare. Das schloss er erneut aus. Für zivilrechtliche Regelungen zur Unterstützung gleichgeschlechtlicher Paare zeigte er sich offen. Auch müsse die Kirche pastorale Angebote anbieten. „Aber bitte zwingt die Kirche nicht, ihre Wahrheit zu verleugnen“, erklärte Franziskus. Ob eine Segnung für gleichgeschlechtliche Paare möglich sein könnte, war nicht Thema der Frage. Unverständnis zeigte Franziskus angesichts der Impfskepsis vieler Menschen. Dabei habe der Mensch in der Geschichte doch viele positive Erfahrungen mit Impfungen gemacht etwa bei Masern oder Polio. Warum es soviel Skepsis gebe, konnte er sich nicht erklären. Das gehe ja bis ins Kardinalskollegium hinein, erklärte Franziskus mit leicht ironischem Unterton. Einer von ihnen sei ja sogar mit dem Virus infiziert gewesen. „Ironie des Lebens“, so der Papst.

Bei der Pressekonferenz wirkte Franziskus auch nach vier Tagen Reise ausgeglichen und fit. Von Amtsmüdigkeit war an dieser Stelle und während der gesamten Reise nichts zu spüren. Die schwere Operation von Anfang Juli scheint er gut überstanden zu haben. Anfang Oktober wird er nun den weltweiten Synodalen Weg eröffnen. Für November wird ein nächstes Konsistorium zu Kreierung neuer Kardinäle erwartet – und eventuell die nächste Reise: zum UN-Klimagipfel nach Glasgow.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

2 Kommentare

  • Novalis
    16.09.2021, 7:59 Uhr.

    „Viele eher konservative Katholiken in Osteuropa sehen in Franziskus einen Reformer, der etwa Homosexualität nicht scharf verurteilt und wiederverheirateten Geschiedenen die Kommunion ermöglicht.“
    Wenn das eigene Christentum aus der Haltung zur Homosexualität oder der Unbarmherzigkeit gegenüber Menschen in einer gescheiterten Ehe besteht und offenbar nicht im Glauben an den dreieinen Gott, dann betet man einen Götzen an…
    Schau an, vor 20 Jahren ist das Abendland untergegangen, als Rotgrün die eingetragene Lebenspartnerschaft einführte. Heute empfiehlt sie der Papst 🙂

  • prospero
    21.09.2021, 13:31 Uhr.

    Nur eine Ergänzung zu der von Franziskus erwähnten Tatsache, dass auch „Purpurträger“ vom Coronavirus nicht verschont bleiben): Nach Informationen des Blogs Il Sismografo sind bis heute insgesamt 13 Kardinäle erkrankt; im Januar 2021 verstarb der ehemalige Erzbischof von Rio de Janeiro an COVID-19.

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