Papst Franziskus in Fernost – Tag 5

Einmal mehr war Papst Franziskus an diesem Sonntag als Pilger des Friedens unterwegs. Bei seinen Besuchen in Nagasaki und Hiroshima verurteilte er die Nutzung von atomarer Energie zu Kriegszwecken scharf. Sie sei ein Verbrechen und unmoralisch. „Genau wie der Besitz von Atomwaffen unmoralisch ist“, ergänzte Franziskus den vorbereiteten Redetext am Abend in Hiroshima spontan. Militärausgaben seien ein himmelschreiender Affront angesichts des Leids von Millionen Menschen. Wahrer Friede könne nur auf Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit aufbauen. Beim Gedenken an die Märtyrer Japans aus der Verfolgungszeit ab dem 17. Jahrhundert erinnerte das Kirchenoberhaupt auch an die Christen in der ganzen Welt, die aktuell unter Verfolgung leiden. Bei einem Gottesdienst in Nagasaki warnte er vor einer Spiritualisierung des Glaubens. Er rief zur Solidarität mit denen auf, die Hilfe bedürften.

„Die Frucht des Krieges“ Mit diesem Satz versehen hatte Franziskus zum Jahresbeginn 2018 diese Karte verteilen lassen. Ein Junge trägt nach dem Atombombenabwurf seinen toten Bruder ins Krematorium. (Quelle: Erbacher)

Papst gedenkt der Opfer

Es war eine Zeremonie ohne große Ausschmückungen, als Franziskus am Morgen in Nagasaki der mehr als 70.000 Menschen gedachte, die hier beim Atombombenabwurf 1945 ums Leben kamen. Still, sichtlich bewegt gedachte er der Opfer. Anschließend richtete er seine Botschaft über die Atomwaffen an die Welt. Diese ergänzte er am späten Nachmittag mit einer Ansprache am Friedensdenkmal in Hiroshima. Dort waren wenige Tage vor dem Abwurf auf Nagasaki im August 1945 mehr als 140.000 Menschen durch eine Atombombe der US-Armee gestorben. Auch hier ein stilles Gedenken des Papstes, nachdem er mit rund 20 Überlebenden gesprochen hatte. Die beiden Ansprachen von Nagasaki und Hiroshima sind ein eindringlicher Appell für den Frieden und eine Welt ohne Atomwaffen.

„Wie können wir von Frieden sprechen, während wir an neuen, furchtbaren Kriegswaffen bauen? Wie können wir über Frieden sprechen, während wir bestimmte illegale Handlungen mit diskriminierenden und hasserfüllten Reden rechtfertigen?“, fragte Franziskus beim Friedenstreffen in Hiroshima. „Wie können wir Frieden anbieten, wenn wir beständig die Drohung eines Atomkrieges als legitimes Mittel der Konfliktlösung einsetzen?“ Für Franziskus hat der Frieden nur eine Chance, wenn er mit Gerechtigkeit erbaut wird, mit Begegnung und Dialog, bei dem es nicht darum gehen könne, „anderen die eigenen Sonderinteressen aufzuzwängen“.

Die Erinnerung wachhalten

In Hiroshima betonte Franziskus die Bedeutung der Erinnerung. „Das ist ein Gedächtnis, das Garantie und Ansporn ist, um eine gerechtere und brüderliche Welt zu bauen“, erklärte er. Es gehe darum, „die Gewissen aller Männer und Frauen aufzurütteln, insbesondere der heutigen Verantwortungsträger“, damit allen klar werde: „Nie wieder!“ Koji Hosokawa, damals 17 Jahre und 1,3 Kilometer vom Epizentrum entfernt, sieht genau darin seine Aufgabe, „die Erfahrung von Hiroshima an die neuen Generationen weiterzugeben“. Die Atombomben seien nicht nur auf die beiden japanischen Städte abgeworfen worden, sondern auf die ganze Menschheit, hieß es in einer Erklärung Hosokawas, die verlesen wurde. Der Überlebende selbst konnte kurzfristig nicht anwesend sein.

Yoshiko Kajimoto war etwa 2,3 Kilometer vom Epizentrum entfernt. „Die Menschen liefen auf der Straße Seite an Seite wie Gespenster. Menschen, deren Körper so verbrannt waren, dass ich nicht erkennen konnte ob es Männer oder Frauen waren, die Haare aufrecht stehend, die Gesichter aufgebläht, der Mund herabhängend, die Hände ausgestreckt, mit verbrannter Haut, die herabhing. Niemand auf der Welt kann sich ein ähnlich höllisches Bild vorstellen.“ In den Tagen danach sei Hiroshima zu einem einzigen Krematorium geworden, so die 88-Jährige. Drei Tage nach dem Abwurf habe Yoshiko ihren Vater auf der Straße zufällig wiedergetroffen. Er dachte, sie sei tot. Der Vater sei ein Jahr später an den Folgen der Bombe gestorben, ihre Mutter habe 20 Jahre an den Folgen gelitten, bevor sie starb. Yoshiko hat Krebs und Leukämie.

Papst trotzt Kritik

Kritik an den päpstlichen Aussagen von Nagasaki und Hiroshima ist vorprogrammiert. Aus dem Vatikan ist zu hören, dass mehrere Staaten, darunter Frankreich, im Vorfeld der Reden beim Heiligen Stuhl vorstellig wurden, um nicht überrascht zu werden. Vielleicht fehlte deshalb im vorbereiteten Manuskript die Verurteilung des Besitzes von Atomwaffen als unmoralisch. Franziskus hatte das am Abend spontan hinzugefügt mit dem Hinweis, dass er das schon vor zwei Jahren gesagt habe. Damals wurde er scharf kritisiert. Auch musste er sich den Vorwurf gefallen lassen, naiv zu sein mit seiner Idee vom gewaltfreien Frieden. Den Pontifex ficht das nicht an. Er propagiert weiter seine Idee, Frieden durch mehr Einsatz für Gerechtigkeit und Entwicklung zu erreichen sowie durch eine Kultur des Dialogs und der Begegnung.

P.S. Einen ausführlichen Text zum heutigen Tag und dem Thema Atomwaffen gibt es bei heute.de – Link: hier.

Autorenbild

Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

10 Kommentare

  • Novalis
    24.11.2019, 13:24 Uhr.

    „Auch musste er sich den Vorwurf gefallen lassen, naiv zu sein mit seiner Idee vom gewaltfreien Frieden. Den Pontifex ficht das nicht an. Er propagiert weiter seine Idee, Frieden durch mehr Einsatz für Gerechtigkeit und Entwicklung zu erreichen sowie durch eine Kultur des Dialogs und der Begegnung.“

    Es geht NUR so. Unser Franz soll naiv sein? Dann ist es auch Jesus und dann sind es auch die Texte der Hl. Schrift.

  • Ullrich Hopfener
    24.11.2019, 16:53 Uhr.

    es ist traurig: kein Gorbatschow, Willy Brand-ja auch Kohl- oder Busch der Ältere.. immer mehr Nationalisten und teilweise auch Rechtsextremisten..

    Franziskus ist „der letzte Mohikaner“ der -GOTT SEI DANK- noch in globalen multilateralen Kategorien denkt…!!

    Obwohl kein CDU Sympathisant würde ich auch Angelika Merkel-gerade auch in ihrem unaufgeregten eher nüchterneren Mentalität da noch dazurechnen..

    ich bin mir sicher, dass sich viele- spätestens 2 Jahren nach ihrer Kanzlerschaft – wehmütig an sie erinnern..

    • bernardo
      25.11.2019, 10:59 Uhr.

      @ UH: „es ist traurig: kein Gorbatschow, Willy Brand-ja auch Kohl- oder Busch der Ältere.. immer mehr Nationalisten und teilweise auch Rechtsextremisten..“

      Es waren Kohl und Bush sen., die den NATO-Doppelbeschluss, d. h. die Stationierung von nuklearen Mittelstreckenraketen in Westeuropa durchsetzten. Der eine als Bundeskanzler, der andere als Vizepräsident der USA.

      Die moralische Ächtung von Nuklearwaffen ist gut gemeint (Sie kennen vielleicht das Bonmot, das Gegenteil von gut sei nicht schlecht, sondern gut gemeint.) Die Atomwaffen haben vielleicht für vierzig Jahre den Frieden in Europa gesichert. Realistisch ist es, auf eine schrittweise Begrenzung der atomaren Waffen hinzuarbeiten, aber in Zeiten der Hypermoral ist es schwer, Verantwortungsethik durchzusetzen.

      btw, Sie werden vielleicht Angela Merkel nachtrauern, ich mit Sicherheit nicht.

      Franziskus ist „der letzte Mohikaner“ der -GOTT SEI DANK- noch in globalen multilateralen Kategorien denkt…!!

      Obwohl kein CDU Sympathisant würde ich auch Angelika Merkel-gerade auch in ihrem unaufgeregten eher nüchterneren Mentalität da noch dazurechnen..

      ich bin mir sicher, dass sich viele- spätestens 2 Jahren nach ihrer Kanzlerschaft – wehmütig an sie erinnern..

      • Wanda
        30.11.2019, 18:02 Uhr.

        Bernardo 25.11. 10:59
        – Darf daran erinnern, dass es massgeblich Helmut Schmidt war, der bereits 1977 das Thema auf’s Tapet brachte als alle anderen Politiker in Europa und den USA noch selig schliefen und der auch später z.T. gegen einigen Widerstand der USA und seiner eigenen Partei Parallelverhandlungen mit der UdSSR verlangte und initiierte. Einer der Gründe, warum ihm seine blauäugige SPD nicht mehr folgte, was letztlich mit zu seiner Abwahl beitrug.
        Der Provinzpolitiker Helmut Kohl hatte aktiv damit nicht viel zu tun, er war viel weniger Verteidigungsfachmann als Schmidt, hatte bei weitem nicht dessen analytische Voraussicht und erbte sozusagen den Erfolg. Beigetragen hatte er dazu nichts, genau so wenig wie zu der Wiedervereinigung, die ihm in den Schoss fiel. Denn die war einzig und allein Gorbatschows Verdienst, übrigens gegen den Willen unserer alliierten „Freunde“. Diesem Mann schuldet Deutschland Dank…

  • bernardo
    25.11.2019, 11:07 Uhr.

    @ CM: Niemand glaubt, mit Waffen Frieden erreichen zu können. Die Frage lautet: Sind Nuklearwaffen per se unmoralisch oder nicht. Eine Frage zwischen reiner Gesinnungsmoral, der dieser Papst anhängt, und Verantwortungsmoral, wie sie etwa Helmut Schmidt (aber auch JPII. und Benedikt XVI.) vertreten haben.

    Was den Krieg gegen Serbien angeht – er war eine Schweinerei. Und Joschka Fischer, der buddy von Madeleine Albright („It was the price worth.“ Der Preis waren 500.000 tote irakische Kinder infolge der Sanktionen.), log, als er Auschwitz bemühte, um den Krieg zu rechtfertigen.

    Was Griechenland und die Türkei angeht: Glauben Sie wirklich, deren Ziel war es, die 2%-Regelung der NATO einzuhalten? Oder ging es um die regionalen Hegemoniegelüste der türkischen Regierungen, auch derjenigen vor Erdogan, und dem griechischen Wunsch, dem etwas entgegenzuhalten?

    Aber in puncto Irak stimme ich Ihnen mal zu. Auch im Hinblick auf die „embedded journalists“.

Kommentare geschlossen

Dieser Beitrag kann nicht länger kommentiert werden.