Deal zwischen Vatikan und China

Durchbruch oder Ausverkauf? Der Streit um die Bewertung einer Vereinbarung zwischen China und dem Heiligen Stuhl über Bischofsernennungen hat bereits begonnen, da ist die Tinte noch nicht getrocknet und längst nicht alle Details bekannt. Seit Monaten wurde darüber spekuliert. Nun ist es erstmals zu einer offiziellen Vereinbarung zwischen dem Heiligen Stuhl und der Volksrepublik China gekommen. In Peking unterzeichneten heute die beiden Vize-Außenminister eine „provisorische Vereinbarung über die Ernennung von Bischöfen“. Während in Peking vielleicht Kirchengeschichte geschrieben wird, weilt der Papst in Vilnius. Franziskus ist heute zu einem Kurzbesuch ins Baltikum aufgebrochen: vier Tage, drei Länder, 15 Reden und knapp 5000 Kilometer. Anlass der Reise ist die Unabhängigkeit der drei baltischen Staaten vor 100 Jahren. Zum Auftakt rief er heute in Vilnius zur Toleranz und Solidarität auf.

Wird das Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und China den Katholiken im Land helfen? (Quelle: ap)

Schwieriger Dialog zwischen China und Vatikan

Während Papst Franziskus in Vilnius vor totalitären Regimen und dem Auslöschen anderer Kulturen warnt, unterzeichnete 6.500 Kilometer entfernt in Peking sein Vizeaußenminister mit seinem chinesischen Kollegen ein historisches Abkommen. Denn ganz gleich, welche Auswirkungen die Vereinbarung haben wird, historisch ist sie allemal. Seit den 1980er Jahren gab es immer wieder Kontakte, die aber keine großen Erfolge brachten. Nach dem Pontifikatswechsel 2005 begann eine neue Dialogphase, die allerdings zwischen 2009 und 2013 unterbrochen war. Seitdem wurde in mehreren Dialogrunden zäh und mühsam verhandelt.

Was heute in Peking unterzeichnet wurde, ist ein erster kleiner Schritt. Beide Seiten betonen das „Provisorische“ an der Vereinbarung. Damit möchte sich der Vatikan die Möglichkeit offen halten, aus der Sache wieder auszusteigen. Man hegt auf beiden Seiten die Hoffnung, dass auf der Grundlage dieses Minimalkonsenses weitere Verhandlungen und Fortschritte möglich sind. Der Vatikan verbucht das Abkommen unter der Devise einer „Politik der kleinen Schritte“, die, so Kardinal Pietro Parolin, der oberste Diplomat der katholischen Kirche, gute Tradition in der Kirche habe. Mit der Vereinbarung, so Parolin, gehe es darum, „die Bedingung für eine größere Freiheit, Autonomie und Organisation [zu] schaffen“. Er fordert die Katholiken in China im Namen des Papstes auf, „konkrete brüderliche Gesten der Versöhnung untereinander zu machen und so vergangene Missverständnisse, vergangene Spannungen, auch die jüngsten, zu überwinden“.  Im Vatikan hat man den Gegenwind gegen die Vereinbarung in den vergangenen Monaten durchaus wahrgenommen. Man hat sich dadurch nicht beirren lassen.

Erstmals alle katholischen Bischöfe Chinas vom Papst anerkannt

Immerhin lässt China mit dem vorliegenden Abkommen eine Mitsprache des Papstes bei der Ernennung der Bischöfe zu. Wie das Prozedere genau aussieht, ist offen. Denn die Vereinbarung ist bisher im Detail nicht bekannt. In der Vergangenheit hatte Peking stets jegliche Einmischung des Heiligen Stuhls bei der Ernennung von Bischöfen abgelehnt. Ein kritischer Punkt ist die Frage, wie es mit der Untergrundkirche und ihren Bischöfen weitergeht. Im Zuge der heutigen Vereinbarung hat Papst Franziskus zwar mehrere regimetreue Bischöfe offiziell anerkannt, die ohne die Zustimmung des Vatikans von den chinesischen Behörden berufen worden waren. Dass umgekehrt Peking die romtreuen Untergrundbischöfe nun auch offiziell anerkannt hätte, ist nicht bekannt.

Die entscheidende Frage ist, wem das Abkommen dient. Ziel vatikanischen Handelns, so war in den vergangenen Wochen aus dem Apostolischen Palast zu hören, ist die Sorge um die Katholiken in China und hier vor allem die Aufhebung des Schismas zwischen der offiziellen Kirche und der Untergrundkirche. Schon Papst Benedikt XVI. hatte 2007 in einem eigenen Brief an die Katholiken in China diese zur Aussöhnung aufgerufen. Dabei betonte der Vatikan stets, dass man sich bewusst sei, dass die Untergrundkatholiken in den vergangenen Jahrzehnten viel Leid erlitten hätten.

Verrat an der Untergrundkirche?

Kritiker von Vereinbarungen mit dem chinesischen Staat sehen grundsätzlich darin einen Verrat an den Untergrundkatholiken. In Rom hingegen möchte man allen Katholiken im Land die Möglichkeit eröffnen, treu zum Papst zu stehen und dafür nicht in den Untergrund zu müssen. Außerdem hofft man auf eine Versöhnung unter den Katholiken und glaubt, dass sie dann auch eine stärkere Kraft entwickeln können – zu allererst in missionarischer Hinsicht. Denn es fällt auf, dass die Zahl der Katholiken im Reich der Mitte zwar zunimmt. Doch ihr Wachstum bleibt hinter dem anderer christlicher Kirchen zurück.

Trotz allem verwundert es, dass der Heilige Stuhl gerade in Zeiten, in denen die chinesischen Behörden die Zügel in Bezug auf die Ausübung der Religionsfreiheit wieder anzuziehen scheinen, ein Abkommen mit den Machthabern in Peking unterzeichnet. Es verwundert zudem, dass die Unterzeichnung, die unweigerlich ein großes Medienecho hervorrufen wird, just am ersten Tag der Papstreise ins Baltikum stattfindet. Hat man so die Hoffnung im Vatikan, dass das Abkommen keine allzu großen Schlagzeilen machen wird?

Dass man sich der Bedeutung bewusst ist, zeigt, dass Kardinalstaatssekretär Parolin im Vorfeld eigens eine TV-Erklärung aufgezeichnet hat. Die italienische Jesuitenzeitschrift Civiltà Cattolica, deren Chefredakteur Antonio Spadaro einer der engsten Vertrauten des Papstes ist, publizierte heute eigens eine kleine Sonderausgabe mit Hintergrundinformationen zu China. Die Unterzeichnung ist also wohl orchestriert. Gerade deshalb überrascht der Zeitpunkt umso mehr.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

18 Kommentare

  • bernardo
    22.09.2018, 18:03 Uhr.

    „Trotz allem verwundert es, dass der Heilige Stuhl gerade in Zeiten, in denen die chinesischen Behörden die Zügel in Bezug auf die Ausübung der Religionsfreiheit wieder anzuziehen scheinen, ein Abkommen mit den Machthabern in Peking unterzeichnet.“

    Lieber Herr Erbacher, leider muss ich Ihnen in diesem Punkt widersprechen, was ich selbstverständlich ungerne tue, aber bei diesem Pontifex (oder soll ich ihn Spontifex nennen?) verwundert leider nichts mehr…

  • Novalis
    22.09.2018, 22:47 Uhr.

    Was der positiven Religionsfreiheit chinesischer Katholik*innen nützt, ist, sofern es niemand Drittem schadet, vernünftig. Die Beseitigung eines Schismas gehört da sicher dazu.

    • bernardo
      25.09.2018, 11:13 Uhr.

      Haben Sie gelesen, dass das Schisma beendet wurde? Ich nicht.

      btw, es wäre interessant, hier die neuesten Entwicklungen im Fall von Padre Grassi zu lesen…

  • Manuela Ganzer
    24.09.2018, 16:42 Uhr.

    Es ist schon komisch.In China kommen auf einmal kann die röm.-kath. Kirche sich mit dem Staat einigen.Ich hingegen bin ca. 2005 ausgetreten und dann 2014 in die luth.-evang. Kirche konvertiert,da ich mit meinem Gewissen als fernstudierte Rechtsassistentin wegen der röm.-kath. Verfassungsferne in Sachen Gleichberechtigung von Frau und Mann,geschied. Wiederverheirateten und Homosexuellen,kam.Zudem kam es ja nun von 1945-2014 zu über 3000 missbrauchten Kindern von über 1000 Pristern.Dennoch halte ich mein Konvertieren zur luth.-evang. Kirche richtig,denn ich traue der röm.-kath. Kirche noch nicht in Sachen Verfassungstreue.

    • neuhamsterdam
      24.09.2018, 22:28 Uhr.

      „Tut dies zu meinem Gedächtnis“
      Da sind andere Dinge nur nebensächlich, auch das Verhältnis zu Staat und Gesetzen. Tut mir sorry, aber ich halte die unterscheidungslose Hinzunahme von vor 60 und 70 Jahre geschehenen Dingen in die aktuelle Diskussion für ein Mittel zum Zweck, um ein Ziel zu erreichen. Nämlich die Angleichung an die Verhältnisse im nichtkirchlichen klerikalismusfernen Bereich, dort sind die Zahlen gar nicht dermaßen niedrig wie in der Katholischen Kirche, wenn man der Statistik glauben darf.
      Möglicherweise liegt es am Klerikalismus, daß die Zahlen niedriger sind, denn man weiß es ja nicht genau was die Ursachen für Mißbrauch in der Kirche sind, um dann zu behaupten, der Klerikalismus ist schlimm, weil er KÖNNE eine Ursache sein.
      Man kann bei verschiedenen Themen anderer Meinung sein. Aber um die Notwendigkeit von Politik und Kirchenpolitik weiter zu erhalten, muß man sich gegen die Sachargumente entscheiden. In diese Richtung von Welt drängt doch die Kirche neuerdings. Ich will überprüfbar illustrieren, was diese „rationale“ Welt ausmacht, in die die Kirche drängt. Es werden zwei Zahlen wieder und wieder wiederholt, die ich nicht nachvollziehen kann. Vor einigen Jahren war es die 81,6 Kilogramm Lebensmittel, die jeder Bürger im Durchschnitt persönlich in den Müll wirft (offizielles Nachschauen hat ergeben, daß der Inhalt der gesamten Biotonne nicht dieses Gewicht hergibt) und die zweite Zahl vor kurzem ist die 221 Kilogramm Plastikabfall, die Jeder persönlich generiert. Das kann doch nicht stimmen. Aber darauf werden Entscheidungen gebaut.
      So geht Politik. Und wenn Politik so geht, dann ist es ernüchternd, wenn Kirche sich anschickt, da mithalten zu wollen. Das ist doch unlogisch, jamei es „funktioniert“ halt.

    • Alberto Knox
      25.09.2018, 8:45 Uhr.

      es wäre schon wünschenswert, wenn man sich in klaren sätzen artikulierte.

      • bernardo
        27.09.2018, 11:44 Uhr.

        Es wäre auch schön, wenn man die Regeln der Rechtschreibung nicht bewusst ignorieren würde.

        Die Sätze von neuhamsterdam habe ich verstanden, und seine (ihre?) Kritik ist nachvollziehbar. Es ist auch die Kritik an der Kirche als „Moralagentur“, wie sie von Hans Joas und anderen formuliert worden ist. Ich würde von einer religio civilis sprechen, die durch eine Hypertrophie der Moral gekennzeichnet ist und die das im Prinzip in Deutschland (und Westeuropa) entkernte Christentum überformt hat. Die Kirche in Deutschland, deren Vertreter sich im Nachplappern der Phrasen und Floskeln des politisch-medialen Komplexes ergehen, wird als „Volkskirche“ in zwei, drei Generationen verschwunden sein – und das zu recht. Es ist das Haus, das nicht auf Fels (Christus), sondern auf Sand gebaut ist. Damit verschwinden auch die unsinnigen Privilegien, die im Anschluss an den Reichshauptdeputationsschluss von den deutschen Bischöfen mit Klauen und Zähnen verteidigt werden – man hat den Eindruck, es ist das einzige Thema, das sie wirklich interessiert.

        • Novalis
          28.09.2018, 20:51 Uhr.

          Heißt wohl eher: Reichsdeputationshauptschluss. Aber egal: Er räumt den Bischöfen gar keine Privilegien ein. Die Landeskonkordate räumen vielmehr juristisch einwandfreie Entschädigungszahlungen ein. Zwischen einem Vorrecht und einer Entschädigung für materielle oder geistige Verluste sollte man doch unterscheiden können als Akademiker. Wahr ist aber: Der Staat sollte endlich nach 200 Jahren seine Zahlungen einstellen. Man kann ja schon mal bei der Pension für Benedikt XVI., einem Hauptvertuscher, anfangen. Das Bayerische Kultusministerium sagt ja bis heute nicht, was der Mann seit 1982 abkassiert.

  • Alberto Knox
    25.09.2018, 8:51 Uhr.

    man kann diskutieren, ob das reichskonkordat 1933 sinnvoll war – es hat hitler seinen ersten außenpolitischen erfolg verschafft und das zentrum für das ermächtigungsgesetz stimmen lassen. kurioserweise ist das konkordat aber zu einer soliden basis für die vertrauensvolle zusammenarbeit von staat und kirche nach 1945 geworden.
    das problem des vatikan ist: die meinen dort, dass alle staaten so papiertreu sind wie man selber. das beste beispiel dafür: als in würzburg der mittlerweile em. bischof hofmann nach vatikanischem wunsche unbedingt bischof werden sollte, sich aber auf keiner liste (weder der des nuntius, noch der bayerischen bischöfe noch auf der des würzburger domkapitels) befand, sandte der vatikan die listen zurück und forderte die vorschlagenden auf, hofmann auf die liste aufzunehmen. was dann auch geschah. NIEMAND kontrolliert aber den vatikan, wer auf der liste steht. dieser bizarre papierkult ist nebenbei auch eine der ursachen für die vertuschungsstrategien beim missbrauch. man dokumentiert alles, schickt das dann aber nach rom – der pflicht ist ja genüge getan.

    • Wanda
      27.09.2018, 1:45 Uhr.

      Alberto Knox 25.09. 08:51
      – Das Konkordat vom 20. Juli 1933 mit Deutschland war Hitlers simpler Schachzug um in den katholischen Ländern Europas anerkannt zu werden.
      Was Eugenio Pacelli (später Pius XII.) dem Vatikan dafür erkaufte, ist bis heute Diskussionsthema…

    • Wanda
      29.09.2018, 3:39 Uhr.

      Alberto Knox 25.09. 08:51
      – Die „vertrauensvolle“ Zusammenarbeit von Staat und Kirche nach 1945 hat ihren Ursprung in dem verhängnisvollen Gemauschel (genannt Konkordat) von Pacelli und Adolf: erkaufte Privilegien gegen Stillschweigen und Wohlverhalten.
      Und sie ist bis heute ein Gemauschel geblieben…

      • Novalis
        30.09.2018, 15:54 Uhr.

        Ich möchte (bei allem Ärger, den auch ich empfinde – wie wäre es, den Bischöfen nahezulegen, sie sollten um ein angemessenes Gehalt von Seiten der Diözesanverwaltung bitten und ihr B-Gehalt, das der Staat zahlt, in einen Fonds zahlen, aus dem Missbrauchsopfer entschädigt werden) doch noch mal wie oben insistieren:
        Zwischen Privilegien und Entschädigungszahlungen besteht nicht nur ein formaljuristischer Unterschied.
        Im Übrigen sei noch etwas vermerkt: Die entschiedensten Verfechter der Einstellung von Kirchensteuer und Staatsleistungen kommen von Rechts. Diese Rechtsreaktionären wollen einen Rollback in 19. Jahrhundert: Kleine Leute dumm und in rigider Moral halten, Geld und Adel in Führungspositionen (die dann aber einer ganz anderen Moral huldigen). Eine Kirche, die total vom rechten Geld und Adel abhinge – und nicht dank Staatsleistungen irgendwie noch politisch neutral ist (wer da von „Linksgrün“ bei Bischöfen schwadroniert, hat völlig den Verstand verloren in meinen Augen), das kann sich kein echter Demokrat, erst recht kein Atheist wünschen. Lieber eine staatlich alimentierte, aber moderat behäbige Kirche als eine ultrarechte, unberechenbare Minisekte. Denn letzteres wäre die Folge einer totalen Trennung von Staat und Kirche zum jetzigen Zeitpunkt! Soweit ich @Wanda bislang immer verstanden habe, will auch sie nicht diese Ultras.

  • Silvia
    25.09.2018, 14:14 Uhr.

    Ich empfehle, den Standpunkt vom 25.10. von Alexander Görlach auf katholisch.de zu lesen.

    • Alberto Knox
      27.09.2018, 10:45 Uhr.

      görlach kann man doch spätestens seit seiner forderung, eine amtsenthebung des papstes wegen seiner – im einklang mit dem lehramt stehenden – gutheißung der neuformulierten französischen 6. vaterunserbitte in die wege zu leiten. mich erstaunt auch nicht, dass manche schon im oktober angelangt sind. emotionensgeladenheit dient rationalem abwägen nicht.

    • Novalis
      27.09.2018, 14:16 Uhr.

      Ja, ist denn schon Oktober 😉

    • Silvia
      28.09.2018, 21:12 Uhr.

      P.S.

      Es ist natürlich der Standpunkt vom 25. SEPTEMBER 2018, oben ist mir ein Tippfehler unterlaufen.

  • Wanda
    25.09.2018, 22:50 Uhr.

    Gibt es (schon seit dem letzen Thema) technische oder andere Probleme mit den Kommentaren ? Einige kommen offenbar nicht an…

    • Jürgen Erbacher
      Jürgen Erbacher
      26.09.2018, 20:12 Uhr.

      Es gab in den vergangenen Tagen wiederholt Probleme mit dem Blogtool. Aber seit gestern sollte alles wieder funktionieren.

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