USA: Missbrauch systematisch vertuscht

Es ist ein erschütternder Bericht, den eine staatliche „Grand Jury“ im US-Bundesstaat Pennsylvania an diesem Dienstag vorgestellt hat. Auf über 1300 Seiten sammelte sie Informationen über Missbrauchsfälle, die in den vergangenen 70 Jahren in sechs der acht katholischen Diözesen des Bundesstaats begangen wurden. 301 Täter werden aufgelistet, mehr als 1000 Opfer sind bisher bekannt. Der Bericht macht deutlich, wie die Taten durch Verantwortliche in der Kirche gedeckt und verschwiegen wurden. Die Autoren stellen allerdings auch fest, dass sich in den vergangenen 15 Jahren in der katholischen Kirche der USA vieles verändert habe und die kirchlichen Stellen mit der Jury aktiv kooperiert hätten. Dennoch erhöht der Bericht den Druck auf die Kirche, schonungslos die Fälle der Vergangenheit aufzuarbeiten und vor allem auch die Kirchenoberen, inklusive der Bischöfe und Kardinäle, die eine „Kultur des Vertuschens“ mitgetragen haben, zur Verantwortung zu ziehen. Einmal mehr richtet sich der Blick auch nach Rom. Mit der Entlassung des ehemaligen Erzbischofs von Washington, Theodore McCarrick, aus dem Kardinalsstand allein, ist das Problem nicht gelöst.

Generalstaatsanwalt Josh Shapiro stellte die bisherigen Ermittlungsergebnisse der Grand Jury vor. (Quelle: dpa)

Klare Worte des Papstes erwartet

Aus dem Vatikan werden klare Signale erwartet, dass die Hierarchen, die sich schuldig gemacht haben, nicht länger geschont werden. Nächste Woche besucht Papst Franziskus Irland. Auch dort steckt die Kirche nach dem Missbrauchsskandal in einer tiefen Krise. Anlass des Besuchs ist das katholische Weltfamilientreffen. Die Erwartungen sind hoch, dass Franziskus in Dublin deutliche Worte zum Thema Missbrauch spricht. Sollte das ausbleiben, könnte das weitere Zweifel nähren an der Ernsthaftigkeit, die vergangenen Fälle wirklich aufarbeiten zu wollen. Ungeachtet davon, wird in der katholischen Kirche viel in der Präventionsarbeit getan. Doch diese Bemühungen werden nur schwer die verdiente Anerkennung erfahren, wenn bei der Aufarbeitung nicht konsequent gehandelt wird und die Null-Toleranz-Politik auch gegenüber denen gilt, die Täter gedeckt und vertuscht haben.

Der amtierende Erzbischof von Washington, Kardinal Donald Wuerl, hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen seinen Vorgänger McCarrick vor wenigen Wochen vorgeschlagen, auf Ebene der Bischofskonferenz eine Kommission einzurichten, die Vorwürfe gegen Bischöfe untersucht – in enger Abstimmung mit dem Vatikan. Die Frage ist, ob das ausreicht. Angesichts des massiven Vertrauensverlustes der Kirche auf diesem Gebiet, werden reine kircheninterne Untersuchungen immer wieder Kritiker auf den Plan rufen, die den Aufklärungswillen anzweifeln. Auch wenn es vielleicht in der Theorie das gute Recht der Kirche ist, disziplinarisch intern ihre Belange zu regeln, ein Befreiungsschlag wird nur gelingen, wenn unabhängige Instanzen geschaffen werden. Kardinal Wuerl steht übrigens nun selbst in der Kritik. Bevor er 2006 Erzbischof in der US-Hauptstadt wurde, war Wuerl 18 Jahre Erzbischof von Pittsburgh. Auch aus diesem Bistum finden sich Missbrauchsfälle in dem Bericht der Grand Jury.

Forschungsprojekt in Deutschland

Die Deutsche Bischofskonferenz will Ende September im Rahmen der Herbstvollversammlung in Fulda die Ergebnisse eines Forschungsprojekts über sexuellen Missbrauch an Minderjährigen vorstellen. Darin soll es auch um das Verhalten der Verantwortlichen in der Kirche gehen. Das Projekt wird von einem Forschungskonsortium durchgeführt, an dem unter anderem das Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim, das Kriminologische Institut der Universität Heidelberg und der Lehrstuhl für Kriminologie der Universität Gießen beteiligt sind.

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, Warf der katholischen Kirche in Deutschland unzureichende Aufklärung sexuellen Missbrauchs vorgeworfen. Für eine entsprechende Studie der Deutschen Bischofskonferenz hätten leider nicht alle Bistümer ihre Archive geöffnet, sagte Rörig der Funke Mediengruppe. Aufarbeitung werde wohl noch zu oft als Gefahr für die eigene Institution gesehen. Die Vorsitzende der Bereits im Juni hatte die Vorsitzende der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Kindesmissbrauch, Sabine Andresen, die beiden großen Kirchen in Deutschland zu mehr Engagement bei der Aufarbeitung und Prävention aufgefordert. Die Kirchen hätten häufig nur so viel getan, wie sie es vor allem auf Druck von Betroffenen und der Öffentlichkeit hätten tun müssen, erklärte sie beim Hearing „Kirchen und ihre Verantwortung zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs“. Es wird daher entscheidend sein, welche konkreten Konsequenzen die deutschen Bischöfe aus den Ergebnissen des Forschungsprojekts ziehen werden.

P.S. Der Vatikan äußerte sich am Donnerstagabend zu dem Bericht aus Pennsylvania. Nach der Lektüre des Berichts gebe es „nur zwei Worte: Scham und Trauer“, erklärte Vatikansprecher Greg Burke. Die in dem Bericht der Staatsanwaltschaft angeführten Missbrauchsfälle seien „kriminell und moralisch verwerflich.“ Den Opfern sei ihr Stolz und ihr Glauben geraubt worden. Der Papst stehe an der Seite der Opfer, sie seien „seine Priorität“. Die Kirche wolle die Opfer anhören, um den „tragischen Horror, der das Leben der Unschuldigen zerstört“, auszumerzen. Burke betonte zugleich „die Notwendigkeit, sich an staatliche Gesetzesvorgaben zu halten, einschließlich der Verpflichtung, Fälle von Missbrauch an Minderjährigen zu melden“. Burke wies in seinem Statement darauf hin, dass die große Mehrzahl der Fälle aus den Jahren vor 2002 stammten. Die Ergebnisse der Arbeit der Grand Jury, wie auch andere Studien, zeigten, dass die von der Kirche in den USA ergriffenen Maßnahmen die Zahl der Missbrauchsfälle drastisch gesenkt hätten. Dennoch ermutige der Vatikan zu weiteren Reformschritten auf allen Ebenen der Kirche.Die Kirche müsse „harte Lektionen“ aus ihrer Vergangenheit ziehen. Sowohl die Verantwortlichen als auch diejenigen, die diesen Missbrauch ermöglicht hätten, sollten zur Rechenschaft gezogen werden.

In den USA hatte es scharfe Kritik gegeben, dass der Vatikan sich nicht schneller zu dem Bericht aus Pennsylvania geäußert hatte. Nach Berichten des Fernsehsenders CNN hatte Generalstaatsanwalt Josh Shapiro am 25. Juli einen Brief an Papst Franziskus geschickt und diesen auf die Ergebnisse der Studie informiert. Bis Mitte dieser Woche habe es aber keine Reaktion aus dem Vatikan gegeben.

Autorenbild

Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

56 Kommentare

  • Novalis
    16.08.2018, 12:25 Uhr.

    Mein Mitgefühl und Mitleiden gilt nicht nur den Opfern des Missbrauchs, sondern auch den Einwohner*innen von Genua.
    Es mag sich in den letzten 15 Jahren viel geändert haben. Wenn man aber wirklich substantiell Missbrauch vermeiden will, dann darf das zölibatäre Priesteramt für keinen Mann, habe er sich nun eingestanden pädophil zu sein oder nicht, attraktiv sein. Solange es Priesterseminare gibt, in denen sich Männer vor sich selber und ihrer Sexualität verstecken können wird es das weiter geben. Daher muss man alle Priesterseminare komplett dichtmachen, dieses Ausbildungssystem einfach einstellen, die Leute normal studieren lassen, sie geistlich begleiten und ein verpflichtendes studienbegleitendes Programm mit Fortbildungen, Praktika etc. und vor allem regelmäßigen psychologischen Betreuungen etablieren. Ohne eine Radikalkur wird das nicht gut, da ist nichts, aber auch gar nichts zu retten.
    Solange aber in dieser Kirche noch der Ungeist von JP2 ud B16 atmet, die beide hinter dem alten Seminarsystem standen und für das alte Bild der heiligen Kirche, in der maximal ein paar Leute sündigen, einstanden, wird es keine Änderung geben. Trotz Franziskus.

  • Novalis
    16.08.2018, 12:26 Uhr.

    P.S.: Warum hat das ZDF eigentlich nichts zur Ministrantenwallfahrt berichtet? Sind denn gute Nachrichten nichts mehr wert?

    • Jürgen Erbacher
      Jürgen Erbacher
      17.08.2018, 10:42 Uhr.

      Gute Nachrichten finden auch im Programm des ZDF ihren Niederschlag. Ob über ein Ereignis berichtet wird oder nicht, hängt immer von der Gesamtnachrichtenlage in Deutschland und er Welt an den konkreten Tagen ab.

      • Novalis
        17.08.2018, 10:48 Uhr.

        Und weit über 50000 deutsche Ministranten sind nicht genug?

        • bernardo
          18.08.2018, 13:13 Uhr.

          Und was hat eine Ministrantenwallfahrt mit dem Vatikan zu tun?

          • Novalis
            20.08.2018, 17:16 Uhr.

            Seit wann geht es im Papstgeflüster nur um den Vatikan?

  • Wanda
    16.08.2018, 18:48 Uhr.

    Was die letzten Abschnitt des Berichtes anbetrifft, d.h. die Kritik an den beiden grossen Kirchen durch die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Kindsmissbrauch, wurde diese bereits am 31.07. 17:40 thematisiert.
    – Man ging aber leider (wie Silvia bemängelte) sehr schnell dazu über, vom üblen Sachverhalt abzuschweifen und statt dessen Zuständigkeiten, Vollgewalt der Papst bzgl. der Kardinäle, eine unabhängige Kirchenjustiz (neben der laizistischen) und anderen nebulöse Nebenschauplätze wie afrikanische Fischer, Kriege, tridentinisches Messbuch etc., ja sogar Familiennachzug von Flüchtlingen ablenkend in die Diskussion einzubringen…
    Kann durchaus nachvollziehen, dass Tiefgläubigen dieser schlimme Skandal schmerzlich ist, der oft und ausgerechnet Seelsorger als Täter nennt.
    Aber Ablenken als Devise ? Das kann es ja wohl nicht sein…

  • bernardo
    16.08.2018, 23:28 Uhr.

    Eine Anmerkung noch in eigener Sache, falls es mir gestattet wird, lieber Herr Erbacher.

    Ich bin überrascht, wie hier meine Texte gelesen werden. Ich mag ein Kritiker des Liberalismus sein – im Sinne Carl Schmitts oder Leo Strauss‘, auch wenn ich im Persönlichen ziemlich liberal bin.

    Aber: Ich halte Kriege nicht für eine Lappalie. Die beiden Kriege, die meine Gegenspieler im Blog als Beispiele anführen, würde ich nicht als legitim akzeptieren – den Sechstagekrieg nicht, weil die konkrete Angriffsbereitschaft Präsident Nassers nicht gegeben war, den Bosnienkrieg nicht, weil es nicht um die schlichte Auseinandersetzung zwischen bösen Serben und guten Muslimen ging, wie man uns glauben machen wollte, sondern um einen jahrhundertealten Hass, der sich Bahn brach und sich in Kriegsgräueln äußerte. Nicht umsonst nannte ich Belgien im Ersten, Dänemark, Norwegen, die Niederlande und Belgien im Zweiten Weltkrieg als Beispiele für neutrale Staaten, die angegriffen wurden und das Recht zur Selbstverteidigung besaßen.

    Auch will ich nicht Frauen, Farbige oder Angehörige von Minderheiten von der politischen oder gesellschaftlichen Teilhabe ausschließen. Demokratie lebt von der Beteiligung möglichst vieler. Aber: Wenn in Diskussionen nicht mehr die Argumente, sondern der vermeintliche Opferstatus zählt, wenn angloamerikanische Unis Aristoteles, Kant und Hegel aus ihren Programmen streichen, weil es sich um weiße Männer handelt, wenn in den USA inzwischen „critical whiteness“ studiert werden kann, ist ein Punkt erreicht, an dem ich sage, es reicht. (Okay, ich weiß, dass die Farbenlehre im Zentrum der jesuanischen Botschaft stand, insbesondere die Aufforderung an die Römer, sich kritisch mit ihrem Römischsein auseinanderzusetzen…)

    Ich vertrete das Recht des Stärkeren. Könnte mir zwar theoretisch gefallen, ist aber faktisch nicht der Fall. Allerdings glaube ich, dass der extreme Moralismus, der auch große Teile der Kirche befallen hat, dem Christentum schadet, egal ob in „konservativer“ (Pille, Verhütungsmittel) oder „progressiver“ (Flüchtlingseuphorie) Fassung. Am Anfang und am Ende des Religiösen steht keine Moral, sondern das Staunen, das sich in der Verehrung des Numinosen, des Göttlichen, Bahn bricht.

    • Novalis
      17.08.2018, 13:15 Uhr.

      „Ich vertrete das Recht des Stärkeren. Könnte mir zwar theoretisch gefallen“

      Auch nur im Konjunktiv so zu denken, ist eine Verhöhnung der Missbrauchsopfer.

      • bernardo
        18.08.2018, 10:27 Uhr.

        Danke für die Blumen. Wenn Sie meinen Post gelesen hätten, wüssten Sie, dass ich dort Vorwürfe aus dem letzten Strang referiere, in dem es um die Todesstrafe, Kriege und Migration ging, nicht um pädophile Straftaten. (Ich könnte übrigens den Vertretern des Status Quo in der Migrationsfrage dasselbe vorwerfen, führt ihre Politik doch dazu, dass die Starken, (relativ) Wohlhabenden und Gesunden die Reise schaffen, während die Kranken, Schwachen und besonders Bedürftigen in den Lagern oder in ihren Heimatländern bleiben…) Was die pädophilen Straftaten angeht, bin ich sehr viel klarer und konsequenter als andere, denn ich unterscheide nicht: Mir ist es egal, ob der Vertuscher und Verharmloser ein „rechter“ oder ein „linker“ Bischof ist!

        • Novalis
          21.08.2018, 1:09 Uhr.

          @Herr Erbacher: „Wohlhabenden und Gesunden die Reise schaffen“. Es ist schlimm genug, wenn der derzeit noch amtierende bayerische Ministerpräsident von Asyltouristen spricht, aber muss das hier im Blog auch sein? Der nettiquette entspricht das nicht. Oder ist man da auf dem rechten Auge blind?

          • @ bernardo
            22.08.2018, 17:52 Uhr.

            Novalis, Sie meinen also, dass man als armer, kranker und schwacher Mensch die Reise von Afrika nach Europa übersteht?

          • Novalis
            24.08.2018, 10:47 Uhr.

            Touristen reisen, Flüchtlinge flüchten. Das sind zwei Paar Stiefel. Am Ende des 2 Weltkrieges flüchteten auch Heerscharen von Alten und Kranken.

    • Suarez
      17.08.2018, 17:10 Uhr.

      Unter einem Bericht zu massenhaften Kindesmissbrauch davon zu sprechen , dass am Anfang und am Ende des Religiösen keine Moral stehe, sondern das Staunen – da bleibt mir die Spucke weg. Die große Endzeitparabel von Matthäus sagt etwas anderes. Aber egal. Moral kann durch das Recht des Stärkeren ersetzt werden. Tausende Kinder haben dieses Recht des Stärkeren brutal erfahren. Sie werden sich für solche Beiträge bedanken.
      Der christliche Glaube beruht auf Erkenntnis. Er verehrt jenes Sein, das allem Existierenden zugrunde liegt, den wirklichen Gott. Im Christentum ist Aufklärung Religion geworden und nicht mehr ihr Gegenspieler. Solange sich Kirche der Aufklärung, gerade in Missbrauchsfällen nach wie vor verweigert, kommt sie ihrem eigenen Anspruch, dass in ihr Aufklärung zu Religion geworden sei, nicht nach.

      • bernardo
        18.08.2018, 13:11 Uhr.

        @ Suarez: Sie scheinen die Begrifflichkeiten zu verwechseln: Aufklärung im geistesgeschichtlichen Sinne meint etwas anderes als Aufklärung von Straftaten. Christentum und Aufklärung so zusammenzubringen, wie Sie das tun, ist etwas vermessen und trifft den Kern des Christentums nicht; auch ist es historisch nicht akkurat, auch wenn es eine Form von Aufklärungsbewegung in der Kirche gegeben hat.

        Mein Hauptvorwurf an die Vertreter einer liberalen Theologie – eigentlich eine contradictio in adiecto – lautet, dass sie das Wesen des Katholizismus, die complexio oppositorum, missverstehen und nach einer Seite hin auflösen – sprich den Gegensatz von sich verhüllendem und sich offenbarendem (liberal) Gott, von Schwert und Ölbaumzweig (liberal), von Allwissenheit Gottes und menschlicher Freiheit (liberal), von cultus und fides (liberal). In diesem Weltbild gibt es keine complexio, keine Paradoxa und auch keine Tragik. Diese könnte – und hier komme ich auf das Strangthema zurück – in einem radikal verfehlten Priesterleben bestehen, im engen Sinne also der eigenen Berufung, im weiteren Sinne im Verfehlen Gottes. Ich bin ein Vertreter der zero-tolerance, bin für die Suspension a divinis und das Überstellen an die weltliche Justiz (egal, welche Position diese Priester bekleiden und ob sie Progressive oder Konservative sind), aber zugleich empfinde ich Mitleid mit ihnen. Noch größeres Mitleid freilich habe ich für ihre Opfer.

        • Novalis
          21.08.2018, 1:07 Uhr.

          liberalis heißt freigebig. Eine liberale Theologie kann also von der Wortbedeutung her keine contradictio in adiecto sei, denn Gott selber ist der Freigebigste überhaupt. Im übrigen ist „Liberale Theologie“ eine protestantische Richtung. Von anderem zu Schwadronieren, gerade auch angesichts des großen Leids und es wieder einmal zu verharmlosen, indem man sich mit Tätern solidarisirt („In diesem Weltbild gibt es keine complexio, keine Paradoxa und auch keine Tragik. Diese könnte in einem radikal verfehlten Priesterleben bestehen“), richtet sich selbst. Diese ganzen angeblichen Paradoxa etc. sind meiner Meinung nach Fieberphantasien von Rechten, die einen Pappkameraden brauchen, um ihn abschießen zu können.

        • Suarez
          21.08.2018, 13:42 Uhr.

          „Christentum und Aufklärung so zusammenzubringen, wie Sie das tun, ist etwas vermessen und trifft den Kern des Christentums nicht; auch ist es historisch nicht akkurat, auch wenn es eine Form von Aufklärungsbewegung in der Kirche gegeben hat.“
          Erstaunlich, wie @bernardo plötzlich sogar Joseph Ratzinger kritisiert, von dem die Zeilen stammen: „Der christliche Glaube beruht auf Erkenntnis. Er verehrt jenes Sein, das allem Existierenden zugrunde liegt, den wirklichen Gott. Im Christentum ist Aufklärung Religion geworden und nicht mehr ihr Gegenspieler.“
          Und natürlich hat philosophische Aufklärung mit der Aufklärung von Missbrauch zu tun. Beide wenden sich gegen die angemaßte, ungerechtfertigte Autorität von Klerikern.

          • @ bernardo
            22.08.2018, 18:01 Uhr.

            Was mich von den Bergoglianern unterscheidet: Ich denke nicht „Right or wrong — my Pope“. Die Aufklärung war im Wesentlichen eine antiklerikale, antikirchliche Bewegung, und je länger ich manche Foristen lese, desto mehr frage ich mich, ob Voltaire nicht vielleicht recht hatte mit seinem „Ecrasez l‘infame“. (Weiß nicht, wo die Akzente auf der Tastatur sind.)

          • Novalis
            24.08.2018, 10:45 Uhr.

            P.S.: Danke für den Ratzingertext zur Aufklärung, den werde ich mir merken.

      • Wanda
        21.08.2018, 1:37 Uhr.

        Suarez 17.08. 17:10
        – Dass im Christentum die Aufklärung zur Religion geworden ist, glauben Sie doch wohl selbst nicht ? In keiner Religion (und am wenigsten in den abrahamitischen) ist sie das geworden, weil sie ihnen in vielen Aspekten diametral entgegensteht. Und das bitter Wenige was aus der Aufklärung letztlich Eingang gefunden hat und nicht mehr geleugnet werden konnte, wurde immer nur unter grossen K(r)ämpfen und nicht selten schlimmen Folgen für die Protagonisten scheibchenweise nach und nach akzeptiert.
        So etwas nennt man Geschichtsklitterung betreiben…

  • Eva
    17.08.2018, 16:41 Uhr.

    Manchmal habe ich den Eindruck, dass Papst Franziskus schon ein wenig müde geworden ist. Das erscheint auch wenig verwunderlich, wenn man bedenkt, dass bei allem, was er macht (von Amoris letitia über Diskussion über die Handreichung bis zur Änderung der Haltung der Kirche im Hinblick auf die Todesstrafe) ständig von irgendwelchen Personen kritisiert und teilweise massiv angegriffen wird. Das Problem des Missbrauchs durch kirchliche Würdenträger scheint ein viel gößeres Ausmaß angenommen haben als befürchtet. Hoffentlich gibt es unter den Mißbrauchstätern noch welche, die am Leben sind, und die trotz Verjährung ihrer furchtbaren Handlungen von kirchlichen Institutionen noch zur Rechenschaft gezogen werden können. Ich wünsche mir, dass Papst Franziskus auch persönlich und nicht nur durch seinen Sprecher zu den Vorfällen Stellung nimmt und zwar in der wortgewaltigen und überzeugenden Weise wie er als Kardinal Bergoglio Mißstände angeprangert hat. Vielleicht sollte er einmal zeigen, dass er der „Herr im Hause Vatikan“ ist. Als einfache Gläubige können wir nur für ihn beten.

    • Wanda
      17.08.2018, 23:41 Uhr.

      Eva 17.08. 16:41
      – Ziemlich naiv: kirchliche Institutionen ziehen nicht zur Rechenschaft, jedenfalls nicht nach weltlichen Kriterien. Den monströsen geistlichen Tätern wird von der Mutter Kirche allenfalls aufgetragen, in irgendeinem Kloster Busse zu tun und sich dem Gebet zu widmen.
      Sie müssten der Gesellschaft in einem Gefängnis dauerhaft entzogen werden, damit sie nicht erneut ein Opfer finden und eine Kinderseele töten. Und diese Kinderseelen sollten doch wohl der Mutter Kirche näher stehen als der sündige Unhold und evtl. Wiederholungstäter, wie es leider viel zu oft der Fall war/ist…
      Und noch ein Rat: beten sie lieber für die lebenslang geschädigten Opfer statt für Franziskus. Die haben es nötiger…

  • Silberdistel
    17.08.2018, 19:15 Uhr.

    Was für ein trauriges Schaffen der Gefallenen.

  • Heilbründl
    18.08.2018, 0:42 Uhr.

    Beginnt Missbrauch nicht schon da, wenn Kapläne Kopfnüsse verteilen wie bei mir (1968, 6.Klasse als kath. Mädchen) oder bei meinem Vater mit Schlägen?
    Wenn das geduldet wurde von den Erwachsenen, dann ist der Schritt zu weiteren Missetaten bei entsprechenden Veranlagungen nicht mehr weit.
    Ein kath. Priester war einfach unangreifbar.

    • Silvia
      20.08.2018, 22:48 Uhr.

      Heilbründl
      18.08.2018, 0:42 Uhr.

      Es ist ein gravierender Unterschied zwischen Ohrfeigen und sexuellem Missbrauch.

      2010, als der deutsche Missbrauchsskandal offenbar wurde, hat man alles in einen Topf geworfen:

      Die früher üblichen Ohrfeigen, schwere körperliche oder seelische Misshandlungen und sexuellen Missbrauch.

      Strafrechtlich gesehen sind das aber unterschiedliche Straftatsbestände und die schlimmsten Schäden in einer Kinderseele dürfte wohl der sexuelle Missbrauch anrichten.

    • Silberdistel
      21.08.2018, 8:56 Uhr.

      Heilbründl
      18.08., 0:42 h
      In der Tat besteht um jedes Individuum eine Art ´Schutzzone´, in die nicht jeder so einfach eindringen darf. Die man durchaus „Intimbereich“ nennen könnte (Ich weiß, dieser Begriff trifft´s nicht ganz, macht in diesem thread aber durchaus Sinn). Dompteure z.B. wissen genau um diese Schutzzone bei Raubtieren, weil ihr Leben schlichtweg davon abhängt.
      Es ist schon bezeichnend in der Anmaßung wenn „Autoritäten“, zumal ihnen Schutzbefohlenen, diese Schutzzone um die jedes Individuum unbewußt weiß, nicht nur räumlich verletzen. Sondern dort sogar körperliche Gewalt ausüben, die nicht nur körperliche Verletzungen hinterlassen. Sexueller Mißbrauch gehört natürlich unbedingt genauso dazu, ist in der Art der seelischen Verletzung sicher noch wesentlich höher anzusiedeln.
      Unbegreiflich wie jemand, der sich mit Jesus Christus und dem „Neuen Menschen“ sogar beruflich beschäftigt hat, ´Autorität´ derart mißbräuchlich verwenden kann, wie es die körperlich Gewalt ausübenden oder sex. Mißbrauchstäter tun.

    • Ullrich Hopfener
      24.08.2018, 9:17 Uhr.

      Noch heute wird in amerikanischen Sekten- bible Belt mit dem R- Stock geprügelt!!!

      Diese Kriminellen Eltern werden dort NICHT juristisch zur Rechendchaft gezogen/ wegen einiger «SPRüCHE“ aus dem AT

  • Novalis
    20.08.2018, 15:03 Uhr.

    „Das zeigt sich deutlich in einer anomalen Verständnisweise von Autorität in der Kirche – sehr verbreitet in zahlreichen Gemeinschaften, in denen sich Verhaltensweisen des sexuellen Missbrauchs wie des Macht- und Gewissensmissbrauchs ereignet haben –, nämlich als Klerikalismus, jene Haltung, die »nicht nur die Persönlichkeit der Christen zunichte [macht], sondern dazu [neigt], die Taufgnade zu mindern und unterzubewerten, die der Heilige Geist in das Herz unseres Volkes eingegossen hat«[3]. Der Klerikalismus, sei er nun von den Priestern selbst oder von den Laien gefördert, erzeugt eine Spaltung im Leib der Kirche, die dazu anstiftet und beiträgt, viele der Übel, die wir heute beklagen, weiterlaufen zu lassen. Zum Missbrauch Nein zu sagen, heißt zu jeder Form von Klerikalismus mit Nachdruck Nein zu sagen.“
    Dankenswert klare Worte.

Kommentare geschlossen

Dieser Beitrag kann nicht länger kommentiert werden.