Der Papst in Asien – Tag 5
Und er sagt es doch. Am fünften Tag seiner Reise hat Papst Franziskus eine Gruppe von 16 Rohingya-Flüchtlingen getroffen. Er bat sie um Vergebung und nannte zum ersten Mal die muslimische Minderheit beim Namen. Anlass war ein interreligiöses Friedensgebet in Dhaka am Freitagnachmittag. Zuvor hatte er die Vertreter der verschiedenen Religionen aufgerufen, „die Andersheit nicht als Bedrohung, sondern als mögliche Quelle der Bereicherung und des Wachstums“ zu verstehen. Kirchlich wie gesellschaftlich setzt Franziskus auf die kreative Kraft der Verschiedenheit. Schon den Bischöfen Bangladeschs hatte er bei einer Begegnung am Mittag ins Stammbuch geschrieben: „Bemüht euch unablässig, Brücken zu bauen und den Dialog zu fördern; das erleichtert nicht nur die Verständigung zwischen verschiedenen religiösen Gruppen, sondern weckt auch neu die geistlichen Kräfte, die für die Aufbauarbeit des Landes in Einheit, Gerechtigkeit und Frieden nötig sind.“
Papst bittet Rohingya um Vergebung
Es dürfte wohl der Höhepunkt der Reise sein, was sich heute Nachmittag im Garten des Erzbischöflichen Palasts in Dhaka ereignet hat. Und Papst Franziskus ganz allein war einmal mehr der Regisseur. Zwar war schon lange klar, dass eine Gruppe von Rohingya am interreligiösen Gebetstreffen teilnehmen würde, doch was dann am Ende auf der Bühne geschah, stand in keinem Drehbuch. Still hörte Franziskus einzeln die kurzen Schilderungen der vier Frauen und zwölf Männer an. Fest hielt er dabei ihre Hände. Als sein Sicherheitschef die Flüchtlinge zum vereinbarten Gruppenfoto aufstellen wollte, fauchte ihn der Papst regelrecht an. Er hatte anderes im Sinn, bat um das Mikrofon und sprach frei.
Sie erlebten eine „schwere und große Tragödie“, so Franziskus zu den Flüchtlingen, die rechts und links neben ihm im Halbkreis standen. „Im Namen aller, die Euch verfolgt haben, die euch weh getan haben, vor allem für die Gleichgültigkeit der Welt, bitte ich um Vergebung“, sagte der sichtlich bewegte Papst und fügte dann hinzu: „Heute heißt die Gegenwart Gottes auch ‚Rohingya‘.“ Zuvor hatte er ausgeführt, dass alle Menschen „Abbild Gottes“ seien, „auch diese Brüder und Schwestern“, betonte der Papst mit Verweis auf die Flüchtlinge. „Lasst uns weiter zusammenarbeiten, damit wir sicherstellen können, dass ihre Rechte anerkannt werden“, schloss Franziskus seine kurze improvisierte Rede. Im Anschluss daran sprach der Imam, der mit der Gruppe gekommen war, unter Tränen ein Dankgebet. Mittlerweile waren auch die Vertreter der anderen Religionen in den Halbkreis gekommen, die zuvor beim Gebetstreffen gesprochen hatten.
Es passt zu Franziskus, dass er für diese starken Worte nicht einen politischen Kontext gewählt hat, sondern das interreligiöse Friedensgebet. Seine theologische Herleitung der Gottesebenbildlichkeit gibt dem Gebrauch des Wortes Rohingya einen anderen Kontext, als er es etwa bei der Ansprache vor den Vertretern aus Politik, Gesellschaft und Diplomatischem Corps am Dienstag in Rangun oder heute in Dhaka gewesen wäre. Er ist damit kein politischer „Kampfbegriff“, sondern die Bezeichnung für eine Volksgruppe. Die Aussage, dass die Gegenwart Gottes sich in eben einem bestimmten Volk vollzieht, passt immer und gehört in eine theologisch-spirituelle Kategorie. Franziskus zeigt damit, dass er sich keine Agenda von außen aufzwingen lässt und durchaus diplomatisches Geschick besitzt. Seine Kritiker hat er einmal mehr ins Leere laufen lassen, zumindest in Bezug auf die Rohingya-Frage. Es war einer der typischen Franziskus-Momente, der wie viele andere typische Franziskus-Momente ein zutiefst spiritueller Moment war. Das steht einem Papst durchaus gut an. Als Seelsorger macht er Politik.
Papst: Laien fördern
Begonnen hatte der zweite Tag des Papstbesuchs in Bangladesch am Morgen mit einem großen öffentlichen Gottesdienst in der Hauptstadt Dhaka, an dem rund 100.000 Menschen teilnahmen. Dabei weihte Franziskus 16 Einheimische zu Priestern. Bei der Predigt war er wenig kreative und übernahm sie aus dem Pontifikale für die Weihe der Priester. Das überraschte doch so manchen Beobachter. Immerhin fügte er am Ende frei noch einige Sätze an und bedankte sich bei den Gläubigen für ihren Einsatz und ihre Treue im Glauben. Für die katholische Kirche war die Weihe ein wichtiges Zeichen der zunehmenden Inkulturation im Land. Blickt man auf die reinen Zahlen in Myanmar und Bangladesch muss es den Bischöfen nicht bang sein. In Myanmar kommen auf 888 Priester 394 Seminaristen, in Bangladesch auf 372 Priester immerhin 122 Priesteramtskandidaten. Zum Vergleich: In Deutschland sind es laut der aktuellsten Statistik der Deutschen Bischofskonferenz rund 13.800 Priester und 540 Seminaristen. Franziskus mahnte heute in Dhaka eine gute Vorbereitung der Kandidaten für das Ordensleben und das Priesteramt an. Morgen wird er bei einem Treffen mit Klerus, Ordensleuten und Seminaristen die Gelegenheit haben, das Thema noch weiter auszuführen.
Interessant ist, dass Franziskus ausdrücklich anmahnt, die Laien stärker mit einzubeziehen. „Ihre wirksame Teilnahme am Leben eurer Teilkirchen muss gefördert werden, auch durch kanonische Strukturen, die vorsehen, dass ihre Stimmen gehört und ihre Erfahrungen gewürdigt werden.“ Dabei geht es dem Papst nicht nur darum, den Laien Aufgaben zu delegieren, sondern wirklich auf sie zu hören. Etwa nur in der Hälfte der Diözesen weltweit würden Laien in die Finanzverwaltung mit einbezogen, kritisierte Franziskus. In der Vergangenheit hatte er wiederholt betont, dass es in den Pfarreien und Diözesen pastorale Räte geben muss, an denen die Laien zu beteiligen sind. Vor allem die Arbeit der Katecheten sei entscheidend für die Zukunft der Kirche. „Diese sind wahre Missionare und Gebetsvorsteher, vor allem in den am weitesten abgelegenen Gebieten.“ Die Zukunft der Kirche hängt entscheidend von der Zusammenarbeit des Klerus mit den Laien ab, das ist Franziskus klar. In der Weltkirche ist das noch nicht überall angekommen. Allerdings muss man dabei auch beachten, dass in Deutschland die Beteiligung der Laien im Vergleich zu vielen anderen Ländern bereits weit gediehen ist.
Kirche will „Kultur der Begegnung“ fördern
Schon bei den katholischen Bischöfen sprach der Papst den interreligiösen Dialog an. Die Religionsführer müssten sich öffentlich “mit einer einzigen Stimme gegen Gewalt unter dem Deckmantel der Religion aussprechen“. Es gehe darum, eine „Kultur des Konflikts“ durch eine „Kultur der Begegnung“ zu ersetzen. Eine besondere Aufmerksamkeit gelte dabei der Erziehung der Jugendlichen. Beim interreligiösen Friedensgebet anschließend sprach Franziskus vom „Virus der politischen Korruption und der destruktiven religiösen Ideologien“, denen es entgegenzuwirken gelte. „Der Geist der Offenheit, Akzeptanz und Zusammenarbeit unter den Gläubigen“ sei „das schlagende Herz“ einer „Kultur des Friedens und der Harmonie“. Dabei unterstrich er, dass man Offenheit und guten Willen zum Dialog nicht mit Gleichgültigkeit verwechseln dürfe oder einem „Widerwillen, unsere tiefsten Überzeugungen zu bekennen. Sich fruchtbar mit dem Anderen zu beschäftigen bedeutet, dass wir uns über unsere unterschiedlichen religiösen und kulturellen Identitäten miteinander austauschen, aber immer in Demut, Aufrichtigkeit und Respekt.“
Was bleibt vom fünften Tag von Franziskus in Asien? Zum Thema Rohingyas ist bereits viel gesagt. Die Bilder werden bleiben und es bleibt auch das klare Bekenntnis zum Dialog mit den anderen Religionen und die Mahnung, dabei nicht das eigene Bekenntnis zu verleugnen oder weichzuspülen.
4 Kommentare
„…und er sagt es doch“…
Kann man verschieden sehen, wie es die internatonalen Medien wiederspiegeln:
– a) als devotes Verhalten in Myanmar, um die dortigen Machthaber nicht zu verärgern und bei den radikalen Buddhisten nicht anzuecken,
– b) als klug-politisches Taktieren, denn im zweiten Besuchsland Bangladesch bringt Franziskus risikofrei (nicht mutig) das Rohingya-Problem zur Sprache.
Fazit: es zeigt zwei Seiten der Medaille. Jeder mag für sich seine Schlüsse (positiv oder kritisch) ziehen…
„“Sich fruchtbar mit dem Anderen zu beschäftigen bedeutet, dass wir uns über unsere unterschiedlichen religiösen und kulturellen Identitäten miteinander austauschen, aber immer in Demut, Aufrichtigkeit und Respekt.““
Um das mal in den prosaischen Alltag zu bringen: Männer reden übers Fischen und nur übers Fischen. Ommmmm.
Ach, ach was.
Danke einmal mehr für die ausführliche und lesenswerte Berichterstattung plus Bilder, Herr Ehrbacher!
🙂
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