Vatikanische Friedenspolitik

Papst Franziskus schickt seinen Chefdiplomaten nach Moskau. Reisen von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin sind grundsätzlich nichts Ungewöhnliches. Doch bei seiner Visite diese Woche in Russland war das etwas anders. Das vatikanische Presseamt versorgte die Journalisten regelmäßig mit Informationen. Man wollte, dass dieser Besuch wahrgenommen wird – wohl weniger, weil man sich einen Durchbruch erhoffte bei der Frage eines möglichen Papstbesuchs in Moskau. Viel mehr dürfte es um politische Fragen gegangen sein. Der Vatikan sorgt sich um die Situation in der Ukraine, in Syrien und dem gesamten Nahen Osten. Er sorgt sich um das angespannte Verhältnis zwischen Russland und den USA. Neben freundlichen Worten und Gesten gab es bei der Visite auch deutliche Worte. Parolin erinnerte Russland nach dem Treffen mit Außenminister Lavrov an die Pflicht, „rigoros die Prinzipien des internationalen Rechts“ zu respektieren. Die Einhaltung des Völkerrechts sei „unabdingbar, sowohl um den Weltfrieden zu schützen, als auch um in den internationalen Beziehungen eine gesunde Atmosphäre des gegenseitigen Respekts wiederherzustellen“. Beobachter sahen darin eine deutliche Anspielung auf die Krimkrise und das Agieren Russlands in Syrien.

Vatikanische Ostpolitik gestern in Sotschi. (Quelle: reuters)

Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin ist ein erfahrener Diplomat. In früheren Jahren, als „stellvertretender Außenminister“ war er mit heiklen diplomatischen Missionen betraut, wie etwa die Kontakte zu China, Vietnam oder Israel. In den letzten Wochen war er auch immer wieder mit den Vorgängen in Venezuela befasst. Parolin war von 2009 bis 2013 Nuntius in dem Land. Die bürgerkriegsähnliche Situation dort war jetzt auch Thema bei den Gesprächen in Moskau. Er denke, dass Russland bei der Lösung der Krise in dem südamerikanischen Staat helfen könne, weil es eng mit dem Land verbunden sei, sagte Parolin nach dem Treffen mit Außenminister Lavrov am Dienstag. Russland ist nach China der größte Gläubiger Venezuelas. Der Vatikan scheint den Eindruck zu haben, dass mehr externer Druck auf Staatspräsident Maduro notwendig ist, um eine politische Lösung herbeizuführen.

Politische Lösungen müssen auch für die Ukraine und Syrien her. Darauf drängte Parolin noch einmal bei seinen Gesprächen. Neben Außenminister Lavrov traf der Kirchenmann gestern auch Präsident Vladimir Putin. Nach italienischen Medienberichten ging es in dem rund einstündigen Gespräch um die benannten Krisenherde. Der Vatikan teilte lediglich mit, dass das Treffen in einem „positiven und freundlichen Klima des gegenseitigen Respekts“ stattgefunden habe mit einem „offenen Austausch“ über die Einschätzung zu „verschiedenen internationalen Themen und die bilateralen Beziehungen“.

Auch diese Beziehungen sind nicht ganz ungetrübt. Russland tritt zwar gerne als Beschützer der christlichen Minderheit im Nahen Osten auf und sucht damit die Nähe zum Vatikan. Doch der Papst und seine Mannen sehen das politische Wirken Putins im eigenen Land sowie sein Auftreten auf der internationalen Bühne kritisch. Daher liegt stets ein dunkler Schatten auf den Beziehungen. Nicht zuletzt tragen dazu die angespannten Beziehungen zwischen dem Vatikan und der russisch-orthodoxen Kirche bei, die traditionell einen engen Schulterschluss mit dem Kreml übt.

Zwar hat die Begegnung zwischen Patriarch Kyrill und Papst Franziskus im Februar 2017 auf Kuba zur Entspannung zwischen den beiden Kirchen beigetragen. Doch was über die Gespräche zwischen Kardinal Parolin und den Vertretern der russischen Orthodoxie in dieser Woche bekannt wurde, zeigt einmal mehr, dass man von normalen Beziehungen noch weit entfernt ist. Der Außenamtschef der russisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Hilarion, kritisierte etwa die griechisch-katholische Kirche der Ukraine. Er warf der mit Rom verbundenen Kirche „politisierende Stellungnahmen und aggressive Handlungen“ vor. Gegenüber Journalisten erklärte Hilarion, ein Papstbesuch in Russland und eine Reise des Moskauer Patriarchen nach Rom stünden momentan nicht auf der Tagesordnung. Beim Treffen des Kardinalstaatssekretärs mit Patriarch Kyrill am Dienstagnachmittag ging es neben der Ukraine auch um die Situation der Christen im Nahen Osten. Dort könne die Zusammenarbeit im sozialen Bereich die Basis sein, für „weitere gemeinsame Projekte“ so Patriarch Kyrill im Anschluss.

Der Besuch Parolins stand ganz im Zeichen der Politik. Zwar gab es auch die kirchenpolitischen Gespräche; doch angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage und den immer schwieriger werdenden Beziehungen zwischen Russland und den USA versucht der Vatikan seine diplomatischen Möglichkeiten auszuspielen. Dass dies leichter geht, wenn sich auf kirchlicher Ebene die Beziehungen weiter verbessern, ist klar. Daher war der Besuch auch aus dieser Perspektive wichtig. Doch Franziskus sorgt sich um den Frieden. Und daher musste der Chefdiplomat jetzt „medienwirksam“ reisen, auch wenn der sonst eher auf stille Diplomatie setzt.

P.S. Unterdessen hat sich Papst Franziskus heute mit dem Generalsekretär des Weltkirchenrats, Olav Fykse Tveit, und der Vorsitzenden des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen, Agnes Abuom, über die Situation auf der koreanischen Halbinsel gesprochen. Nach Angaben des Weltkirchenrats in Genf ging es bei dem Treffen darum, Perspektiven für Frieden und Einheit auf der koreanischen Halbinsel sowie im Südsudan zu erörtern.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

7 Kommentare

  • bernardo
    26.08.2017, 11:53 Uhr.

    Schön, dass Sie wieder berichten.

    Anders als sein Chef scheint Parolin ein diplomatisch erfahrener Mann zu sein; allerdings würde ich mir die kritischen Worte bzgl. des Völkerrechts auch gegenüber der NATO und den Amerikanern wünschen. Auch würde ich mir wünschen, dass Rom seinen Einfluss gegenüber den griechisch-orthodoxen Unierten in der Ukraine nutzt und diese zu stäkerer Zurückhaltung veranlasst. (Vielleicht geschieht das ja hinter den Kulissen.)

    Anders als mit den hiesigen Lutheranern, die, von Ausnahmen abgesehen, immer weiter wegdriften – bei der EKD fragt man sich, wann sie endlich mit den Grünen fusionieren -, gibt es zu den orthodoxen Kirchen kaum theologische Unterschiede. Die Geschichte wirkt allerdings immer noch als Last, und so wird wohl noch geraume Zeit verstreichen, bis ein Papst nach Russland reisen kann.

    • alberto knox
      27.08.2017, 0:44 Uhr.

      in der trinitätslehre nicht (filioque), hinsichtlich des jurisdiktionsprimats und der unfehlbarkeit (zwei dogmen, übrigens) nicht, nicht in der amtsfrage (ganz anderes amtsverständnis: die orthodoxen haben nicht das modell des ignatius von antiochien in der amtsfrage, sowie katholiken, anglikaner, lutherische, sondern das uns ziemlich fremde des dionysios pseudoareopagites), auch überhaupt nicht bei der eucharistie (da wird doch glatt die transsubstantionslehre abgelehnt.
      man sieht: kaum nennenswerte theologische unterschiede in völlig unerheblichen bereichen.

      • prospero
        28.08.2017, 11:50 Uhr.

        man sieht: kaum nennenswerte theologische unterschiede in völlig unerheblichen bereichen

        Es ist ja erfreulich, dass sie das so sehen – aber leider ist da nach wie vor der größte Brocken der „päpstlichen Unfehlbarkeit“, der seinem Wesen nach noch immer als die größte und nach wie vor unüberwindliche Belastung zwischen Orthodoxer Kirche und römischem Katholizismus besteht. Was nun die Haltung des Franziskus von Rom anbelangt, so habe ich keine Zweifel an seiner Aufrichtigkeit – ich erinnere nur an seinen Besuch im Ökumenischen Patriarchat im November 2014 als er die Frage einer möglichen Einheit ansprach und er zu der folgenden Aussage kam: „…um zur vollkommenen Einheit zu gelangen hat die katholische Kirche nicht die Absicht irgendeine andere Forderung zu stellen als das Bekenntnis des des gemeinsamen Glaubens, auf Grundlage der Lehre der Heiligen Schrift und der Erfahrung des ersten Jahrtausends“.
        So gut nun all das auch gemeint sein mag, wäre es derzeit leider vollkommen illusorisch an eine Verwirklichung dieser Vorhaben auch nur zu denken – und zwar sowohl von orthodoxer als auch von römisch-katholischer Seite. Was mich außerdem in diesem Zusammenhang besonders stört ist die zur Gewohnheit gewordene Weise immer wieder dem Moskauer Patriarchat den sprichwörtlichen „Schwarzen Peter“ zuzuschieben und so zumindest indirekt für das Misslingen möglicher positive Entwicklung des Dialoges verantwortlich zu machen.

        • alberto knox
          28.08.2017, 19:20 Uhr.

          lieber prospero,

          „man sieht: kaum nennenswerte theologische unterschiede in völlig unerheblichen bereichen“ – ich dachte, der vorspann erläutert mehr als deutlich, dass dieser satz schwer ironisch ist. natürlich sind die lehrdifferenzen zwischen katholiken und orthodoxen nicht minder gravierend als zwischen katholiken und lutherischen. ich halte den theologischen graben zwischen den ersteren beiden sogar für erheblich tiefer. nur weil man beim amt diesselben oder ähnliche vokabeln benutzt, heißt das nicht, dass man dasselbe darunter versteht.
          gleichwohl: ich halte beide gräben für schnell zuschüttbar – wenn man nur will.

        • Silberdistel
          28.08.2017, 20:42 Uhr.

          prospero
          28.08. 11:50 h
          Was ist schon unmöglich. Wär hätte denn gedacht, das das Sowjetreich einmal fällt und wer hätte gedacht das nach fast 70 Jahren Religionsunfreiheit das Christentum in diesem Land nochmals in derartiger Weise bis heute erststarkt!
          Die Priesterkasten beider Seiten sollten sich mal nicht selbst so wichtig nehmen und tiefer stapeln, – dann geht alles. Denn das Christentum ist ein Erfolgssystem!

  • Silberdistel
    26.08.2017, 20:01 Uhr.

    Nunja, Frieden ist für jeden etwas anderes und möglicherweise sollte man eher gegenseitige Achtung & Respekt vor dem Nächsten sowie dem Einen Gott einfordern, als etwas das seit tausenden von Jahren für die Menschheit nur eine Illusion ist.

  • alberto knox
    27.08.2017, 0:46 Uhr.

    ich bin ziemlich froh, dass das diplomatische naturtalent franziskus eine ader für wesentliche fragen der weltpolitik hat und dabei von einem so talentierten mann wie parolin unterstützt wird. im gegensatz zu dem sich völlig apolitisch sich gerieren zu vermögen meinenden b16 (indes, apolitische haltung ist auch schon eine politische haltung) eine wohltat. was kann die welt froh sein, dass b16 am ende selber gesagt hat, dass er für das amt nicht geeignet ist.

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