Franziskus: Benedikt XVI. – ein großer Papst

Ob Papst Franziskus doch gelegentlich hier im Papstgeflüster schmökert? Wohl eher nicht. Dann hätte ihn die Diskussion vom Wochenende vermutlich etwas befremdet. Es ist schön, wenn hier kontrovers diskutiert wird. Doch sollte das bitte mit sachlichen Argumenten geschehen. Daher ist einmal mehr „Abrüsten“ angesagt. Päpste, ganz gleich welche, lassen sich nicht so einfach in Schwarz und Weiß einteilen. So leicht ist die Welt nicht und so leicht ist das auch nicht mit den Päpsten. Papst Franziskus nutzte gestern die Gelegenheit der Enthüllung einer Büste von Benedikt XVI. in der Palazzina der Akademie der Wissenschaften im Vatikan, um seinen Vorgänger zu würdigen. Benedikt XVI., der nur wenige Meter von der Palazzina entfernt im Kloster Mater ecclesiae wohnt, war bei der Einweihung nicht dabei.

Schöpfungsglaube und Evolutionstheorie wiedersprechen sich nicht

Franziskus würdigte das Wirken seines Vorgängers, dessen Liebe zur Wahrheit, die sich nicht auf Theologie und Philosophie beschränkt habe, sondern sich auch für andere Wissenschaften geöffnet habe. Benedikt XVI. sei ein großer Papst gewesen: „Groß für die Stärke und die Durchdringung seines Intellekts, groß für seinen bedeutenden Beitrag für die Theologie, groß für seine Liebe zur Kirche und den Menschen, groß für seine Tugend und Frömmigkeit.“ Franziskus nutzt die Gelegenheit um zu unterstreichen, dass sich christlicher Schöpfungsglaube und Evolutionstheorie nicht widersprächen. Gott sei kein Zauberer, der wie mit einem Zauberstab in der Hand alles ins Leben rufe. „Er hat dem Menschen und dem Leben im Universum eine Autonomie gegeben, und gleichzeitig hat er seine fortwirkende Anwesenheit versprochen, die alles ins Sein ruft.“

Zur Diskussion am Wochenende

Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten. Eine von beiden Seiten auszublenden, ist nicht zielführend. Das haben wir bei Paul VI. vergangene Woche ausführlich diskutiert. Er ist nicht einfach nur der „Pillen-Papst“. Das gilt ebenso für Johannes Paul II. Auch über diesen mittlerweile offiziell heiliggesprochenen Papst lässt sich trefflich streiten – aber nicht mit Unterstellungen. Da gibt es auf der einen Seite beispielsweise die Frage nach dem Umgang mit den Missbrauchsfällen und mit Theologen, die nicht 100-Prozent auf der römischen Linie lagen. Da gibt es auf der anderen Seite seine politische Leistung, sein Einsatz für Frieden und den interreligiösen Dialog.

Kein Schubladendenken

Joseph Ratzinger, später Benedikt XVI., passt auch nicht einfach in eine Schublade. Wie seine Rolle in Bezug auf die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle zu beurteilen ist, können erst Historiker abschließend beurteilen. Dafür liegen jetzt zu wenige Fakten auf dem Tisch. Weil hier in den vergangenen Tagen immer wieder auf die Verfahrensänderung bei der Bearbeitung von Missbrauchsfällen im Mai 2001 Bezug genommen wurde, dazu einige Anmerkungen: Der Missbrauchsskandal begann nicht erst 2010 mit dem Aufdecken der Fälle in Deutschland. In den 1990er Jahren hatte es einen intensiven Austausch zwischen den US-Bischöfen und dem Vatikan gegeben, wie mit Missbrauchsfällen umzugehen ist. Als sich um die Jahrtausendwende abzeichnete, dass in den USA und Irland über Jahrzehnte vertuscht und nicht aufgearbeitet wurde, überarbeitete der Vatikan die Richtlinien. Die Verlagerung aller Fälle an die Glaubenskongregation sollte garantieren, dass ein einheitliches Vorgehen weltweit erreicht wird und auch ein Gesamtüberblick möglich ist. Bis dahin waren verschiedene vatikanische Stellen zuständig bzw. die Fälle oft lokal und dabei sehr unterschiedlich verhandelt worden.

Dass sich die Verfahren dadurch verlängerten, war ein negativer Effekt der Reform. Papst Franziskus hat im vergangenen Herbst ja bei einem internen Treffen mit Kardinälen den Vorschlag gemacht, die Verfahren wieder stärker zu dezentralisieren, um sie zu beschleunigen. Bisher ist in dieser Richtung noch nichts passiert, auch weil dem Vernehmen nach das Meinungsbild sehr unterschiedlich war. Dass es innerhalb der katholischen Kirche bis heute massiven Widerstand gegen eine Aufarbeitung gibt, trägt zur Verschleppung von Verfahren bei. Dies einer Person anzulasten, ist etwas kurz gegriffen. Dafür sind in einem solchen Verfahren zu viele verschiedene Personen beteiligt. Mit Sicherheit gibt es aber in der Aufarbeitung der Missbrauchsskandale in den verschiedenen Ländern nicht genügend Hierarchen, die auch wirklich Verantwortung übernommen haben oder übernehmen und die entsprechenden Konsequenzen ziehen bis hin zu Rücktritten. Das läuft schleppend, zu schleppend. Papst Franziskus hat in diesem Jahr bereits zweimal im Kontext der Missbrauchsfälle die Institution mit in den Blick genommen. Bleibt zu hoffen, dass er auch an dieser Stelle einen neuen Kurs fahren wird.

Zu viele Baustellen?

Allerdings, und das zeigen die Diskussionen rund um die Familiensynode, muss er aufpassen, dass er sich nicht an zu vielen Fronten verkämpft. Es sind viele Baustellen. An jeder gibt es aber auch heftigen Gegenwind: zunächst die Finanzen, dann die anstehende Kurienreform, seit einigen Monaten beim Thema „Ehe und Familie“ und eben auch beim Thema Missbrauch. Meine Frage ist von Anfang an gewesen: Wo sind die Mitstreiter? Wo sind die Verbündeten im Kreis der Hierarchen, die mit an einem Strang ziehen? Mir scheint, dass auch dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, die fehlende Unterstützung des Papstes zunehmend Sorge bereitet. Dies war aus so mancher Äußerung am Rande der Familiensynode herauszuhören. „Wir müssen an der Seite des Papstes stehen“, forderte er nach Ende der zweiwöchigen Veranstaltung und fügte mit Blick auf das Abschlussdokument hinzu: “Der Papst schreibt andere Texte!“ Es war klar, was Marx damit meinte.

P.S. Papst Franziskus hat gestern den Präsidenten von Uganda, Yoweri Kaguta Museveni, in Audienz empfangen. Der lud am Ende der Begegnung den Pontifex zu einem Besuch in dem ostafrikanischen Land ein. Ob das nächstes Jahr klappt? Seit langer Zeit wird darüber spekuliert, wann Franziskus nach Afrika reist und wohin. Nachdem er im Januar bereits zum zweiten Mal nach Asien fährt und im Sommer voraussichtlich zum katholischen Weltfamilientreffen in die USA, eventuell mit einem kurzen Abstecher nach Mexiko, rechnen viele auch mit einer Afrikareise im Jahr 2015.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.