Papst im Heiligen Land – Tag 2

Sieben Reden an einem Tag, am Sonntag steckte jede Menge Berichtenswertes in den Worten, vor allem aber auch in den Gesten von Papst Franziskus. Ein stilles Gebet an der Sperrmauer zwischen Jerusalem und Bethlehem, eine geistliche Friedensinitiative mit den Präsidenten Peres und Abbas sowie ein ökumenisches Gebet mit Vertretern von rund einem Dutzend verschiedenen christlichen Kirchen in der Grabeskirche. Spätestens mit dem zweiten Tag seiner zweiten Auslandsreise wurde der Besuch im Heiligen Land, der eigentlich laut Papst eine rein religiöse Pilgerfahrt sein sollte, auch eine politische Friedensmission.

Papst lädt zu Friedensgebet ein

Papst Franziskus überrascht immer wieder, so auch heute bei seinem Besuch in Bethlehem. Zunächst der spontane Stopp an der Mauer, die Jerusalem und Bethlehem trennt. Das stille Gebet, mehrere Minuten lang. Das Foto, das den Papst mit dem Kopf an die Mauer gelehnt zeigt, könnte das Bild dieser Reise werden. Dann die flammende Rede gegen Ausbeutung von Kindern und deren Schutz. Dabei ging er nicht konkret auf das Thema ’sexueller Missbrauch‘ ein, sondern nutzte die Gelegenheit in der Geburtsstadt Jesu, um über die Bedingungen zu sprechen, unter denen Kinder heute aufwachsen. Der Umgang mit Kindern ist für ihn ein Indikator für den Zustand einer Gesellschaft. Was bedeutet das angesichts von hungernden Kindern und ihren Altersgenossen, die auf der Flucht sind? Angesichts von Kindersoldaten und Kinderarbeit? Angesichts von Missbrauch und Kindern, die am Rande der Gesellschaft leben?

Die Idee zu einer geistlichen Friedensinitiative wurde wohl schon vor längerer Zeit geboren. Franziskus möchte sich nicht in die Politik einmischen, betont Vatikansprecher Federico Lombardi. Doch er möchte einen Beitrag zum Frieden im Nahen Osten leisten. Daher die Einladung der beiden Präsidenten Peres und Abbas zu einem Friedensgebet in den Vatikan. Mit dem stillen Gebet an der Sperrmauer habe Franziskus zeigen wollen, dass er die schwierige Situation im Nahen Osten wahrnehme. „Wo Frieden herrscht, braucht man keine Mauern“, so Lombardi. Daher wolle der Papst ein Zeichen setzen, Mauern niederzureißen. Nach Agenturangaben haben beide Präsidenten zugesagt. Die palästinensische Seite erklärte, das Treffen solle am 6. Juni im Vatikan stattfinden. Vatikansprecher Lombardi wollte diesen Termin am Sonntagabend weder bestätigen noch dementieren.

Gedenken an Shoah

Nach seinen deutlichen Worten in Bethlehem fand Franziskus am Nachmittag auch klare Worte bei seiner offiziellen Ankunft in Israel. Am Flughafen in Tel Aviv erinnerte er an das Schicksal der sechs Millionen Juden, die Opfer der Shoah wurden. Er verurteilte jede Form des Antisemitismus und forderte zum Engagement gegen jede Form der Feindseligkeit, der Diskriminierung und der Intoleranz auf. Wie schon am Morgen in Bethlehem sprach er sich für eine Zweistaatenlösung aus innerhalb international anerkannter Grenzen.

Ökumene als Höhepunkt

Der Höhepunkt der Reise, so Franziskus selbst, war am Sonntagabend das ökumenische Gebet in der Grabeskirche. Vatikansprecher Lombardi bezeichnete das Ereignis als historisch, denn erstmals haben die verschiedenen christlichen Konfessionen, allen voran Katholiken, Orthodoxe und Armenier, dazu noch viele andere Christen wie Lutheraner und Anglikaner, gemeinsam an der heiligsten Stätte des Christentums gebetet. Der Gebäudekomplex der Grabeskirche umfasst sowohl den Golgotha-Hügel, also den Ort, an dem der Tradition nach Jesus gekreuzigt wurde, als auch das leere Grab, in das Jesus nach seinem Tod gelegt worden war und das am dritten Tag der Überlieferung nach leer war, weil Jesus nach christlicher Tradition von den Toten auferstanden war. Ein Gesetz aus dem Jahr 1852 regelt normalerweise, wer wann wo in der Grabeskirche beten darf. Hohe Elektroleuchter vor der Grabkapelle zeigen das an. Je nachdem, welche der sechs Leuchter angeschaltet sind, kann man erkennen, ob Katholiken, Orthodoxe oder Armenier in bzw. vor der Kapelle beten, d.h. Gottesdienst feiern, dürfen. Am Sonntagabend brannten zum ersten Mal alle Lichter gleichzeitig.

Der evangelische Probst von Jerusalem, Wolfgang Schmidt, würdigte in einem Gespräch gegenüber dem ZDF das „großartige Ereignis“. Es könne die Ökumene allgemein sicher voranbringen. Schmidt war überzeugt, dass angesichts des schwierigen Verhältnisses der lokalen Christen in Jerusalem, die örtlichen Kirchen ein solches gemeinsames Gebet wohl eher nicht Zustande gebracht hätten. „Wenn das zwei Kirchenführer von außerhalb tun, ist das einfacher. Auch wenn es ein bisschen wie ein Schulausflug wirkt.“ Auch der vatikanische Ökumeneminister, Kardinal Kurt Koch, zeigte sich nach dem Gottesdienst zufrieden. Dieser hatte mit einer Stunde Verspätung begonnen, weil die private Begegnung von Papst Franziskus mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. viel länger dauerte als geplant. Diese hatte genau in dem Raum stattgefunden, in dem in der Apostolischen Delegation in Ostjerusalem vor 50 Jahren das historische Treffen zwischen Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras stattgefunden hatte. Das Jubiläum ist der Anlass der Papstreise.

Franziskus hat übrigens noch einmal die anderen Konfessionen eingeladen, in einen Dialog über das Papstamt einzutreten. Seine beiden Vorgänger, Johannes Paul II. und Benedikt XVI., hatten das bereits getan. Doch weit gekommen ist man in dieser Frage bisher nicht. Bartholomaios und Franziskus verabschiedeten eine gemeinsame Erklärung, in der sie sich zu weiterer Zusammenarbeit der beiden Kirchen verpflichten, etwa bei der Verteidigung der Würde des Menschen sowie in sozialen und ethischen Fragen. Nach dem ökumenischen Akzent am Sonntag steht am Montag der interreligiöse Dialog mit Begegnungen mit den Muslimen und Juden auf dem Programm.

P.S. Zur politischen Friedensmission des Papstes gibt es auch eine Einschätzung auf heute.de.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.