Jetzt geht es los

Knapp ein Jahr nach der Wahl von Papst Franziskus nimmt sein Reformprojekt Fahrt auf. In den kommenden acht Tagen werden entscheidende Weichen gestellt, auch wenn noch keine endgültigen Entscheidungen fallen werden. Bis Mittwoch tagt der Kardinalsrat K8 und berät über die Finanz- sowie Wirtschaftsfragen. Donnerstag und Freitag treffen sich alle Kardinäle, um erstmals über Ehe und Familie zu sprechen. Samstag werden die 19 neuen Kardinäle in den Senat der Kirche aufgenommen. Anfang kommender Woche tagen der Synodenrat sowie die Kardinalskommission, die sich mit wirtschaftlichen Angelegenheiten des Vatikans beschäftigt.

Papst mahnt zur Geduld.

Alles immer sofort zu wollen ist unreif und bockig und beinhaltet nicht zuletzt den Wunsch nach Allmächtigkeit. Daher rief Papst Franziskus zu Beginn der „Kardinalswoche“ im Vatikan zu Geduld auf. Geduld sei keine Resignation, sondern lasse das Leben reifen, so Franziskus bei der Morgenmesse in Santa Marta. Ohne Geduld gebe es zudem keine Weisheit. Auch wenn er nicht direkt auf die anstehenden Beratungen einging, dürfte Franziskus durchaus auch die Diskussionen der nächsten Tage im Blick gehabt haben: Kurienreform sowie die anstehenden Fragen bei Ehe und Familie lassen sich nicht übers Knie brechen. Sie brauchen Zeit.

Das wurde bereits am ersten Tag der Beratungen des Kardinalsrats deutlich. Ursprünglich wollten die acht Kardinäle mit dem Papst nicht nur über die Finanz. und Wirtschaftsfragen sprechen, sondern auch die zwölf Päpstlichen Räte unter die Lupe nehmen – analog zu den Beratungen über die neun Kongregationen beim letzten Treffen Anfang Dezember.  Doch wenn man die Tagesordnung des dreitägigen Treffens sieht, die Pressesprecher Federico Lombardi am Montagmittag beim Briefing gegenüber den Journalisten referierte, bleibt für die Räte eigentlich keine Zeit mehr.

Montagvormittag stellte die Sonderkommission zur Begutachtung der wirtschaftlich-administrativen Struktur des Vatikans (COSEA) ihren Zwischenbericht vor. Die Kommission hat den Auftrag, sich einen Gesamtüberblick über die Finanz- und Güterverwaltung des Heiligen Stuhls zu machen und Vorschläge für ein effizienteres, transparentes und „sauberes“ Wirtschaften des Heiligen Stuhls zu erarbeiten. Am Dienstvormittag stellt die Sonderkommission, die sich mit der Zukunft der Vatikanbank IOR beschäftigt, ihren Zwischenbericht vor. Mittwochnachmittag stoßen die 15 Kardinäle zur K8 hinzu, die zu dem seit der Kurienreform 1988 bestehenden „Kardinalsrat für die Beratung der organisatorischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls“ gehören. Das sind die Kardinäle, die jedes Jahr über die Bilanzen der verschiedenen Institutionen des Vatikanstaats und des Heiligen Stuhls befinden. Diese K15-Gruppe trifft sich zweimal im Jahr. Das nächste reguläre Treffen findet kommende Woche statt.

Dann berät der auch der Synodenrat über die anstehende Sondersynode zu Ehe und Familie, die im Oktober stattfindet. Ende Januar sind die Ergebnisse der Fragebögen aus aller Welt im Vatikan eingegangen. Nächste Woche wird darüber entschieden, wie die Ergebnisse in die Beratungen der Bischöfe im Herbst eingebracht werden. Davor diskutiert Papst Franziskus bereits am Donnerstag und Freitag mit den Kardinälen über das Thema. Es ist damit zu rechnen, dass ein großer Teil der rund 200 Kardinäle dazu nach Rom kommen wird. Bei der letzten „Kardinalsvollversammlung“ unter Papst Benedikt XVI. war die Teilnahme bei den Beratungstagen eher durchwachsen. Am Beratungstag beim Konsistorium im Februar 2012 nahmen 133 von 213 Kardinälen teil. Im November 2010 waren es immerhin noch rund 150 gewesen.

Erstmals Beratungen über Ehe und Familie

Interessant ist, dass das Einführungsreferat unter dem Thema „Das Evangelium der Familie“ Kardinal Walter Kasper halten wird. Er ist einer der Vertreter, die durchaus einen Spielraum beim Umgang etwa mit wiederverheirateten Geschiedenen sehen. In seiner Zeit als Bischof von Rottenburg-Stuttgart wagte er 1993 zusammen mit dem damaligen Freiburger Erzbischof Oskar Saier und dem Mainzer Bischof Karl Lehmann einen Vorstoß, um wiederverheirateten Geschiedenen in Einzelfällen unter bestimmten Bedingungen den Sakramentenempfang zu ermöglichen. Sie wurden damals vom Präfekt der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, zurückgepfiffen. Auch wenn Kasper heute den damaligen Vorstoß in Detailfragen selbst kritisch sieht, vertritt er nach wie vor die Position, dass eine Öffnung gegenüber der bisherigen strikten Ablehnung einer zweiten Beziehung möglich sein muss. Hier sind durchaus kontroverse Diskussionen unter den Kardinälen zu erwarten. Entsprechend steht nach dem Vortrag von Kardinal Kasper für den Rest der beiden Tage „nur“ noch „Aussprache“ auf dem Programm.

Dabei wird der ein oder andere Kardinal sicher auch die Gelegenheit nutzen und zu anderen Themen Stellung beziehen – über das eigentliche Thema Ehe und Familie hinaus. Denn das erste Jahr von Papst Franziskus hat sicher kritische Nachfragen bei einigen Kardinälen hervorgerufen. Ob sie ihre Bedenken öffentlich äußern, wird sich zeigen. Papst Franziskus wird zu Beginn der Versammlung sicher zu einer offenen Diskussion aufrufen. Es wird also spannend.

Causa Limburg dauert noch

Bei diesem vollen Terminkalender bleibt im Vatikan in dieser Woche wenig Zeit, sich mit der Causa Limburg zu beschäftigen. Die Medienspekulationen sind langsam müßig. Vor Mitte nächster Woche gibt es den Bericht der Prüfungskommission der Bischofskonferenz sicher nicht. Danach wird er in Rom in der Bischofskongregation beraten. Der noch amtierende Konferenzvorsitzende, Erzbischof Robert Zollitsch, möchte eigentlich auch noch einmal nach Rom reisen. Dies müsste dann in den Tagen zwischen dem 27. Februar und dem 8. März sein, denn vom 10. bis 13. März treffen sich die deutschen Bischöfe zur Frühjahrsvollversammlung in Münster, u.a. um einen neuen Vorsitzenden zu wählen. Ob es vor diesem Treffen noch zu einer Entscheidung in Rom kommt, ist offen. Traditionell zieht sich der Papst am ersten Sonntag der Fastenzeit, d.h. am 9. März, mit der Kurienspitze zu einwöchigen Exerzitien zurück.

Papst Franziskus reist auch künftig als Argentinier. (reuters)

Neue Papiere für den Papst. (reuters)

Papst reist weiter als Argentinier.

Übrigens möchte Papst Franziskus auch weiterhin als Argentinier durch die Welt reisen. Vergangene Woche bat er den argentinischen Botschafter beim Heiligen Stuhl in den Vatikan, weil sein Pass und sein Personalausweis im Herbst ablaufen. Als Staatsoberhaupt des Vatikanstaats hat Franziskus natürlich einen vatikanischen Diplomatenpass (mit der Nummer 001). Er bestand aber trotzdem auf die neuen argentinischen Papiere. Und er bezahlte die Gebühren auch gleich noch höchstpersönlich.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.