Papst wirbt für geschwisterliche Welt
Zum Weihnachtsfest 2020 hat Papst Franziskus einmal mehr für ein neues Miteinander der Menschen geworben. „In diesem historischen Augenblick, der von der ökologischen Krise und von schwerwiegenden wirtschaftlichen und sozialen Missverhältnissen gekennzeichnet ist, die durch die Pandemie des Coronavirus noch verschlimmert wurden, bedürfen wir mehr denn je der Geschwisterlichkeit“, erklärte Franziskus beim traditionellen Segen Urbi et orbi am Weihnachtstag. In der Christmette rief der die Menschen zu einem neuen Selbstbewusstsein auf. Beide Feiern fanden weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und waren nur über Videostream zu verfolgen.
Weihnachten unter Coronabedingungen
Weihnachten 2020 ist auch im Vatikan anders. Keine feierliche Christmette mit mehreren tausend Gläubigen, kein Weihnachtssegen von der Mittelloggia des Petersdoms mit zehntausenden Menschen auf dem Petersplatz, Musikkapellen und Hymnen. An Heiligabend feierte Franziskus mit einhundert Gläubigen die Messe im Petersdom. Die Weihnachtsbotschaft verlas er in der Segensaula des Petersdoms. Dabei griff Franziskus das Thema auf, das in den letzten zwei Jahren für ihn immer zentraler wurde neben der Barmherzigkeit: die Geschwisterlichkeit, „die auf der konkreten Liebe gründet, die fähig ist, dem anderen von mir verschiedenen Menschen zu begegnen, mit ihm zu leiden, sich ihm zu nähern und sich seiner anzunehmen, auch wenn er nicht meiner Familie, meiner Volksgruppe, meiner Religion angehört; er ist anders als ich, aber er ist mein Bruder, sie ist meine Schwester“.
Dem Thema hatte Franziskus zuletzt seine neuste Enzyklika gewidmet, die Anfang Oktober veröffentlicht wurde. In „Fratelli tutti“ geht es um die Geschwisterlichkeit und soziale Solidarität. In der Weihnachtsbotschaft rief Franziskus nun zum gemeinsamen Engagement gegen Ungerechtigkeit und für Frieden sowie Versöhnung auf. Traditionell erinnert er an die Konflikte rund um den Globus: Syrien, Irak, Heiliges Land, Libanon, Chile und Venezuela, Ukraine und Nagorny Karabach, Burkina Faso, Mali und Niger, Äthiopien, Mosambik, Südsudan und Nigeria. Franziskus dankte denen, die in der Coronapandemie „Hoffnung, Trost und Hilfe“ bringen, „indem sie den Leidenden beistehen und die Einsamen begleiten“. Er fordert, „dass allen der Zugang zu den Impfungen und Therapien gewährleistet wird“. Es sei eine neue internationale Kooperation notwendig, denn die Herausforderung, die die Pandemie darstellt, kenne keine Grenzen und könne nicht durch Barrieren aufgehalten werden.
Mutmachende Botschaft in Christmette
In der Christmette versuchte Franziskus den Menschen Mut zu machen. Das Wissen, Tochter oder Sohn Gottes zu sein, „ist das unzerstörbare Innerste unserer Hoffnung, der glühende Kern, der das Leben aufrechterhält: Tiefer als unsere Begabungen und unsere Mängel und stärker als die Wunden und Misserfolge der Vergangenheit, stärker als die Ängste und Sorgen um die Zukunft“. Franziskus mahnte aber auch, die Teufelskreise aus Unzufriedenheit, Ärger und Klagen zu durchbrechen. Die Menschen wollten unersättlich mehr haben und stürzten sich auf „die vielen Futterkrippen der Eitelkeit“. Die Krippe von Bethlehem sei arm an allem, aber reich an Liebe. Die Nahrung des Lebens bestehe darin, sich von Gott lieben zu lassen und andere zu lieben. Weihnachten, die Geburt Jesu sei die Neuheit, die es uns Jahr für Jahr ermöglicht, innerlich neu geboren zu werden und in ihm die Kraft zu finden, jede Prüfung zu bestehen.
Der Papst als Brückenbauer
Zu Beginn der Weihnachtswoche hatte Franziskus sich mit den führenden Bischöfen und Kardinälen der Kurie getroffen. In den früheren Jahren ging er dabei mit den Kurienchefs schon einmal hart ins Gericht. Am Montag mahnte er die Kirchenmänner, sie sollten die aktuelle Krise der Kirche als Chance begreifen und sich nicht in Konflikten verbeißen. Er mahnte, „eine Krise nicht mit einem Konflikt zu verwechseln“. Das seien zwei verschiedene Dinge. „Die Krise hat im Allgemeinen einen positiven Ausgang, während ein Konflikt immer Auseinandersetzung, Wettstreit und einen scheinbar unlösbaren Antagonismus hervorbringt, bei dem die Menschen in liebenswerte Freunde und zu bekämpfende Feinden eingeteilt werden, wobei am Schluss nur eine der Parteien als Siegerin hervorgehen kann.“ Interpretiere man die Kirche nach den Kategorien des Konflikts, „rechts und links, progressiv und traditionalistisch – fragmentiert, polarisiert, pervertiert und verrät man ihr wahres Wesen“, so Franziskus.
Franziskus will zu Weihnachten 2020 Brücken bauen. Er ist überzeugt, dass genau das die Welt, aber auch die Kirche braucht. Es ist wie eine ausgestreckte Hand, ob sie jemand ergreift, liegt nicht am Papst. Mit Blick auf innerkirchliche Krisen bleibt aber die Frage, inwieweit er wirklich allen diese Hand entgegenstreckt und er wirklich bereit ist, Brücken zu bauen. Immer wieder gibt es Stimmen, meist die, die gegen den Papst gerichtet sind oder in kritisieren, die von ihm nicht zum Dialog eingeladen werden, obwohl Franziskus eben diese Kultur des Dialogs und der Begegnung immer wieder propagiert.
P.S. Ein Rückblick auf das Jahr des Papstes gibt es bei ZDFheute.
16 Kommentare
Novalis 15.12. 21:09
– tut mir leid, aber Ihren Vorwurf kann ich so nicht stehen lassen: meine Kritik und das Wort „Daheim“ ist weder geographisch noch „eurozentrisch“ gemeint sondern bezieht sich auf den Vatikan und die Geistlichkeit bis hin zu den Kardinälen, wo trotz deutlicher Worte und Anweisungen des Papstes nicht aufgeräumt wird. Wie erwähnt, dort brennt der Kittel…
Immer noch nicht verstanden. Macht nix. Die Welt hat wichtigere Sorgen als atheistische Bedenken gegen richtiges Verhalten eines Papstes.
Richtig, die Welt hat wichtigere Sorgen als das Chaos der röm.-kath.Kirche, die einfach nicht fähig ist den sexuellen Missbrauch durch ihre Funktionsträger zu bewältigen und im Klerus (d.h.“daheim“ im eigenen Hause) aufzuräumen. Gegen den sich gegenseitig schützenden Klüngel kann sich dieser Papst (bisher jedenfalls) nicht durchsetzen…
Es gibt Hoffnung. In der katholischen Kirche Polens beginnt man, den bislang für unantastbar gehaltenen Papst Johannes Paul II. zu hinterfragen. Was hat dieser vom Missbrauch in der katholischen Kirche – insbesondere Polens – gewusst?
Der polnische Pontifex protegierte den Gründer der Legionäre Christi, Marcial Maciel Degollado, der ein Doppelleben führte, kriminell und erwiesener Missbraucher war.
Bereits in den Jahren 1956 bis 1958 ging der Vatikan bekannt gewordenen Verfehlungen Degollados nach, was Johannes Paul II. nicht davon abhielt, Maciel, der den Papst bei den Mexikoreisen 1979, 1990 und 1993 begleitete, öffentlich als „Vorbild für die Jugend“ zu bezeichnen.
Maciel hat sich im Vatikan Verdienste erworben. Er hat „dafür gesorgt, dass es dem Papst … nicht an Geld fehlte, um die Gewerkschaft Solidarność und die Kirche in Polen in ihrem Kampf gegen den Kommunismus zu unterstützen.“ (Daniel Deckers, FAZ 28.03.2012) Zudem lieferte Maciels ‚Kongregation päpstlichen Rechts‘ Priesternachwuchs. Zwischen 1990 und 1993 „hatte Johannes Paul II. höchstselbst 60 Legionären die Priesterweihe gespendet.“ (a.a.O.)
Novalis 26.12. 10:43
– P.S. zu Ihrem als Vorwurf gemeinten Atheisten: bin wohl eher (nach dem Philosophen M. Schmidt-Salomon) ein evolutionärer Humanist, der bis zum Gegenbeweis davon überzeugt ist, dass es im Universum mit rechten Dingen zugeht: also weder Götter oder Gott noch Teufel, weder Dämonen noch Hexen oder Kobolde und Feen in’s Geschehen und die Naturgesetze eingreifen… So einfach ist das.
„Immer wieder gibt es Stimmen, meist die, die gegen den Papst gerichtet sind oder ihn kritisieren, die von ihm nicht zum Dialog eingeladen werden, obwohl Franziskus eben diese Kultur des Dialogs und der Begegnung immer wieder propagiert.“
Es gehört zum SELBSTVERSTÄNDNIS DES CHRISTLICHEN gesprächsoffen zu bleiben. Allerdings macht ein Gespräch bzw. Dialog nur dann Sinn, wenn Zweiseitigkeit gegeben ist. Das bedeutet, dass zwei Dialogpartner wechselseitig argumentieren und sich zuhören, so dass aus dem Gespräch heraus etwas Drittes, Neues entstehen kann.
Wenn ein Kardinal jedoch auf angeblich unverrückbare Wahrheiten fixiert ist, wie
– wiederverheiratet Geschiedene dürfen unter keinen Umständen zur Kommunion zugelassen werden oder
– ein Homosexueller hat ein Leben in Keuschheit zu führen,
dann gibt es keinen Spielraum für Dialog, weil aus der Sicht des Verteidigers von lehramtlichen Wahrheiten jegliche Veränderung ein Verrat an der Wahrheit ist.
Nimmt man als Exemplum KARDINAL MÜLLER, so war im Jahr 2017 das Dialogpotenzial ausgereizt und es blieb Franziskus nur, den damaligen Präfekten der Glaubenskongregation unspektakulär zu entlassen – die 5-jährige Amtszeit wurde nicht verlängert. Aus Müllers Sicht geht es darum, die Amtszeit von Franziskus zu überstehen und darauf hin zu wirken, dass zum nächsten Papst ein Mann gewählt wird, der sich der katholischen Orthodoxie verpflichtet weiß.
In seiner WEIHNACHTSANSPRACHE unterscheidet Franziskus idealtypisch zwischen zwei Grundhaltungen. Lasse ich mich wie die Hirten zu Bethlehem von der Botschaft der Engel berühren und mache mich auf den Weg zu Jesus, oder verschließe ich mich wie Herodes der Erzählung der Sterndeuter und beschreite den Weg von Lüge und Gewalt. Wer sich auf die Seite von Egomanie und Selbstverhärtung geschlagen hat, setzt ausschließlich auf sich selbst und hält Dialog für Schwäche. Es bleibt dann nur noch das Entweder-oder eines polarisierten Konfliktes, wo nur einer den Sieg davonträgt und der andere auf der Strecke bleibt.
Erasmus, das haben Sie sehr schön formuliert. Danke Ihnen!
„wiederverheiratet Geschiedene dürfen unter keinen Umständen zur Kommunion zugelassen werden“… Das eigentlich Zynische an dem Gerede von Müller ist ja, dass sein großer Heros Ratzinger, den er selber nur für einen guten Essayisten hält, auf die Frage eines mit ihm befreundeten Pfarrer nach den wiederverheirateten Geschiedenen gesagt hat, diese Leute sollten halt zur Kommunion zwei Pfarreien weiter gehen. Dann sei das öffentliche Ärgernis, dass offenkundige Ehebrecher die Kommunion empfangen würden, eben nicht mehr öffentlich und also auch kein Ärgernis.
Der Ratschlag Ratzingers liegt auf der Linie des pastoralen Paternalismus Johannes Pauls II.: „Ließe man solche Menschen (wiederverheiratet Geschiedene) zur Eucharistie zu, bewirkte dies bei den Gläubigen hinsichtlich der Lehre der Kirche über die Unauflöslichkeit der Ehe Irrtum und Verwirrung.“ (Familiaris consortio, Nr. 84)
Das Ganze wird zum absurden Possenspiel, wenn einerseits der ‚Päpstliche Rat für die Gesetzestexte‘ im Jahr 2000 dekretiert, dass „der Kommunionspender die hl. Kommunion demjenigen verweigern (muss), dessen Unwürdigkeit öffentlich bekannt ist“, und andererseits Papst Benedikt bei der Feier seines 85ten Geburtstages Horst Seehofer in der Cappella Paolina des Vatikans die Kommunion reicht. Von diesem ist bekannt, dass er wiederverheiratet geschieden und zudem Vater einer mittlerweile 13jährigen unehelichen Tochter ist.
Absolut. Aber im Ernst: Erwartet man anderes als Heuchelei von einem, auf dessen Schreibtisch jahrzehntelang hunderte, tausende Akten von Kindesmissbrauch sich stapelten – und der in Bezug auf Irland vom Ausmaß des Missbrauches allein in den 30-60er Jahren überrascht gewesen sein will? Von jemandem, der die 68er beschuldigt, am Kindesmissbrauch schuld zu sein, obwohl signifikant die sexuelle Aufklärung Missbrauch sukzessiv zu verhindern half, weil diese Aufklärung die Missbrauchten nicht der Sprachlosigkeit überließ? Und vor 68er noch monströsere Fälle belegt sind? Und von jemandem, der genau weiß, wie tiefschuldig sich die Kirche durch das ekeleregende Priesterbild und den unmenschlichen und pyschisch gestörten Zölibat gemacht haben?
Ich pflichte Ihnen voll bei.
Lob für ERASMUS !
Ich teile Ihre Meinung vollumfänglich.
Es bleibt für mich nur die Hoffnung , dass Papst Franziskus von unserem Herrgott noch viele Jahre geschenkt werden und er damit noch eine Vielzahl von Kardinäle berufen kann die seinem Weg folgen und entsprechend die wahl des Nachfolgers ausfällt.
YaLob 26.12.14:23
-… damit eine Vielzahl von Kardinälen seinem Weg folgen… Tun die das denn ? Wer hier in Lateinamerika lebt, wird bestätigen, dass in den „römisch-katholischen Erblanden“ seit Jahren bereits eine enorme, fast existenzielle Abwanderung der bis dahin kritiklos gläubigen Katholiken zu den streng Evangeklikalen stattfindet und keine Gegenbewegung erkennbar ist, das aufzuhalten. Eine Erosion, die (wenn auch anderer Art) mit der in Europa vergleichbar ist. Da hilft auch keine Ernennung von noch so vielen vermeintlich linientreuen Kardinälen. Im Gegenteil: mehr Häuptlinge als Indianer waren noch nie eine Lösung. . .
S. g. WANDA,
hier liegt ein Mißverständnis vor.
Ich wollte die Anzahl der Kardinäle keinesfalls erhöhen. Im Gegenteil.
Ich meinte, dass mit neuen Benennungen (Nachfolgen) die Zahl derer erhöht werden kann, die auf der Linie von Papst Franziskus liegen. Eines ist doch klar, dermaleinst wird ein neuer Papst zu wählen sein. Diese Wahl entscheiden die wahlberechtigten Kardinäle.
Zu Ihrer Sorge um die Flucht vieler Katholiken zu den Evangelikalen kann ich nur sagen, dass sich diese Flucht m. E. alleine durch eine erneuerte r. k. Kirche im Sinne von Papst Frnziskus – wenn überhaupt – gestoppt werden kann. Hier liegt eine Chance. Mal sehen, wie sich das entwickelt.
ok, angekommen…
Dem Papste gute Besserung wegen seines Rückenleidens und allen ein gutes gesegnetes neues Jahr!
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